T 1078/06 () of 21.4.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T107806.20090421
Datum der Entscheidung: 21 April 2009
Aktenzeichen: T 1078/06
Anmeldenummer: 00102416.5
IPC-Klasse: A45D 26/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Gerät zum Auszupfen von Haaren der menschlichen Haut
Name des Anmelders: Braun GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(3)
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 76
European Patent Convention 1973 Art 89
European Patent Convention 1973 Art 111
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Priorität einer früheren Anmeldung (anerkannt)
Zurückverweisung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0002/98
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Europäische Patentanmeldung Nr. 00 102 416.5 ist von der Prüfungsabteilung mit der Entscheidung vom 16. Februar 2006 zurückgewiesen worden. Sie ist am 4. Februar 2000 als Teilanmeldung der früheren europäischen Anmeldung 96 918 666.7 beim Europäischen Patentamt eingereicht worden und nimmt die Priorität der Voranmeldung DE 19 521 585 in Anspruch.

Nach Auffassung der Prüfungsabteilung wären die unabhängigen Ansprüche 1 und 30 der Teilanmeldung so breit formuliert, dass nicht alle ihrer Merkmale in der Voranmeldung offenbart seien, so dass für diese Ansprüche nicht der Prioritätstag der Voranmeldung sondern nur der Anmeldetag dieser europäischen Teilanmeldung gälte. Deshalb könnten auch die Druckschriften EP-A-0 808 114 (D1), EP-A-0 760 219 (D2), EP-A-0 795 283 (D3) und EP-A-0 807 388 (D4) unter Artikel 54 (3) und (4) EPÜ entgegengehalten werden, die sämtliche Merkmale dieser Ansprüche offenbarten.

II. Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin am 11. April 2006 Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 16. Juni 2006 eingegangen.

In einem Bescheid hat die Beschwerdekammer der Beschwerdeführerin (Anmelderin) ihre vorläufige Bewertung des Falles mitgeteilt. Danach reichte die Beschwerdeführerin neue Unterlagen ein.

III. Die Beschwerdeführerin beantragt, die Entscheidung der Prüfungsabteilung auf Grundlage des mit Schreiben vom 17. März 2009 eingereichten Anspruches 1 und der mit Schreiben vom 5. Dezember 2008 eingereichten Ansprüche 2 bis 12, den Beschreibungsteilen Spalten 1 bis 11 und den Figuren 1 bis 9 aufzuheben und den Beschwerdefall an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.

IV. Anspruch 1 lautet:

"Gerät zum Auszupfen von Haaren der menschlichen Haut (21), mit einem Drehzylinder (10), der mindestens eine Klemmvorrichtung (4) zum Auszupfen von Haaren aufweist, einem Motor zum Antrieb des Drehzylinders (10), derart, dass die Klemmvorrichtung (4) im Betrieb innerhalb eines maximalen Durchmessers (25) um eine Achse (11) dreht, einem Gehäuse (2) zur Aufnahme des Motors, und einem Mittel zur Verminderung des Schmerzempfindens während des Auszupfens von Haaren, dadurch gekennzeichnet, dass das Mittel mindestens ein Element (16) aufweist, welches um die Achse (11) des Drehzylinders drehbar der Klemmvorrichtung zugeordnet ist und eine zurückgezogene Stellung (22) einnehmen kann, die innerhalb oder auf dem maximalen Durchmesser (25) der Klemmvorrichtung (4) liegt, sowie eine hervorstehende Stellung (23) einnehmen kann, die außerhalb des maximalen Durchmessers (25) der Klemmvorrichtung (4) liegt, und die Klemmvorrichtung (4) eine Drehbewegung mit einem zyklischen Auszupfen von Haaren ausführen kann und das Element (16) mit der Drehbewegung der Klemmvorrichtung (4) gekoppelt und in Drehrichtung (14) unmittelbar vor der Klemmvorrichtung (4) derart angeordnet ist, dass die Haut im Betriebszustand zeitlich vor dem Auszupfen der Haare impulsartig beaufschlagt wird".

V. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin gälte für den beanspruchten Gegenstand in der geltenden Fassung das Prioritätsrecht der Voranmeldung. Darüber hinaus würde er die Erfordernisse der Neuheit, erfinderischen Tätigkeit und Klarheit erfüllen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Gemäß der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 2/98 (ABl. EPA 2001, 413) ist die Priorität einer früheren Anmeldung für einen Anspruch in einer europäischen Anmeldung nur dann anzuerkennen, wenn der Fachmann den Gegenstand des Anspruches unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig der früheren Anmeldung als Ganzes entnehmen kann.

Deshalb hat die Kammer geprüft, ob der nunmehr einzige unabhängige Anspruch diese Kriterien erfüllt und, darüber hinaus, ob sein Gegenstand über den Inhalt der Teilanmeldung und der früheren Anmeldung in deren ursprünglich eingereichter Fassung hinausgehen.

3. Der Gegenstand des Anspruches 1 ist sowohl in der Voranmeldung (veröffentlicht in DE-A-19 521 585, nachfolgend "Priodok"), der früheren Anmeldung (veröffentlicht in WO-A 9 700 032, nachfolgend "Stamm") als auch der Teilanmeldung (in der eingereichten Fassung, nachfolgend "Teil") offenbart.

3.1 Daraus ist nämlich ein Gerät zum Auszupfen von Haaren der menschlichen Haut (siehe die Ansprüche 1 dieser Dokumente) mit folgenden Merkmalen bekannt:

- ein Drehzylinder 10, der mindestens eine Klemmvorrichtung 4 zum Auszupfen von Haaren aufweist, ein Motor zum Antrieb des Drehzylinders 10, derart, dass die Klemmvorrichtung 4 im Betrieb innerhalb eines maximalen Durchmessers 25 um eine Achse 11 dreht und ein Gehäuse 2 zur Aufnahme des Motors (siehe Priodok: Anspruch 1 iVm Sp. 6, Abs. 2 und Fig. 1-9; Stamm: Anspruch 1 iVm S. 13, Abs. 2 und Fig. 1-9; Teil: Anspruch 1 iVm S. 11, Abs. 2 und Fig. 1-9);

- ein Mittel zur Verminderung des Schmerzempfindens während des Auszupfens von Haaren: siehe die Ansprüche 1 dieser Druckschriften;

- das Mittel weist mindestens ein Element 16 auf, welches um die Achse 11 des Drehzylinders drehbar der Klemmvorrichtung zugeordnet ist (siehe Priodok: Anspruch 1; Stamm: Anspruch 2; Teil: Anspruch 16);

- das Mittel kann eine zurückgezogene Stellung 22 einnehmen, die innerhalb oder auf dem maximalen Durchmesser 25 der Klemmvorrichtung 4 liegt, sowie eine hervorstehende Stellung 23 einnehmen, die außerhalb des maximalen Durchmessers 25 der Klemmvorrichtung 4 liegt (siehe Priodok: Anspruch 8; Stamm: Anspruch 8 iVm Anspruch 2; Teil: Anspruch 17);

- die Klemmvorrichtung 4 kann eine Drehbewegung mit einem zyklischen Auszupfen von Haaren ausführen und das Element 16 ist mit der Drehbewegung der Klemmvorrichtung 4 gekoppelt und in Drehrichtung 14 unmittelbar vor der Klemmvorrichtung 4 derart angeordnet, dass die Haut im Betriebszustand zeitlich vor dem Auszupfen der Haare impulsartig beaufschlagt wird (siehe Priodok: Anspruch 7 iVm Ansprüchen 2, 4; Stamm: Anspruch 7 iVm Ansprüchen 2, 27, 28; Teil: Anspruch 26 iVm Anspruch 17).

3.2 Aus der der Entscheidung zugrundeliegenden Fassung des Anspruches 1 ist das Merkmal "wobei der Drehzylinder (10, 40) mit der wenigstens einen Klemmvorrichtung (4, 43) während des Auszupfens der Haare zur Anlage an die Haut (21, 61) des Benutzers gelangt" wegelassen worden. Diese Weglassung ist zulässig, weil sie der Beseitigung einer Unklarheit dient. Damit wird nämlich vermieden, dass das Gerät mit einem die Verwendung des Gerätes beanspruchenden Merkmal definiert wird.

3.3 Es wir deshalb festgestellt, dass der Fachmann den Gegenstand des Anspruches 1 unmittelbar und eindeutig der Voranmeldung, der früheren Anmeldung und der Teilanmeldung als Ganzes entnehmen kann. Der beanspruchte Gegenstand betrifft demnach dieselbe Erfindung wie diese früheren Anmeldungen, so dass als Prioritätstag im Sinne des Artikels 89 EPÜ 1973 der Tag der europäischen Patentanmeldung Nr. 00 102 416.5 gilt und auch die Erfordernisse des Artikels 76 (1) Satz 2 EPÜ 1973 und des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt sind.

4. Neuheit

4.1 Von den in der Entscheidung genannten Druckschriften, betrifft somit nur die Druckschrift D3 einen Stand der Technik im Sinne des Artikels 54 (2) EPÜ 1973. Da der früheste Prioritätstag der Druckschriften D1, D2 und D4 jeweils nach dem Prioritätstag der hier zu prüfenden Teilanmeldung liegt, betreffen diese Druckschriften auch keinen Stand der Technik im Sinne des Artikels 54 (3) EPÜ.

4.2 Druckschrift D3 offenbart nicht die Merkmale des Anspruches 1, dass das Mittel eine zurückgezogene Stellung einnehmen kann, die innerhalb oder auf dem maximalen Durchmesser der Klemmvorrichtung liegt, sowie eine hervorstehende Stellung, die außerhalb des maximalen Durchmessers der Klemmvorrichtung liegt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher gegenüber der Druckschrift D3 neu.

5. Zurückverweisung

5.1 Da das Verfahren vor den Beschwerdekammern primär auf die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung abgestellt ist, ist eine Zurückverweisung an die erste Instanz gemäß Artikel 111 (1) EPÜ 1973 in den Fällen in Betracht zu ziehen, in denen die erste Instanz ihre Entscheidung auf der Basis eines nicht erfüllten spezifischen Erfordernisses des EPÜ getroffen, jedoch über die Einhaltung der anderen Erfordernisse des EPÜ nicht entschieden hat.

5.2 Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren wesentliche Änderungen zu den Anmeldungsunterlagen vorgelegt, die die Zurückweisungsgründe auf die sich die Entscheidung der Prüfungsabteilung stützte, gegenstandslos machen.

Deshalb hält es die Kammer für geboten von der Möglichkeit nach Artikel 111 (1) Satz 2 EPÜ 1973 Gebrauch zu machen und die Angelegenheit zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen, auf Grundlage des mit Schreiben vom 17. März 2009 eingereichten Anspruches 1 und der mit Schreiben vom 5. Dezember 2008 eingereichten Ansprüche 2 bis 12, den Beschreibungsteilen Spalten 1 bis 11 und den Figuren 1 bis 9, insbesondere zur Prüfung der Neuheit im Hinblick auf die nicht in der Entscheidung berücksichtigten weiteren Druckschriften des Recherchenberichts und zur Prüfung der erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens zurückverwiesen.

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