T 1051/06 () of 14.1.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:T105106.20080114
Datum der Entscheidung: 14 Januar 2008
Aktenzeichen: T 1051/06
Anmeldenummer: 01103404.8
IPC-Klasse: C21B 7/24
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Probennehmer für Schmelzen
Name des Anmelders: Heraeus Electro-Nite International N.V.
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Klarheit und Deutlichkeit des Anspruchs (ja)
Funktionelles Merkmal (zulässig)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0893/90
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. In ihrer am 20. Februar 2006 zur Post gegebenen Entscheidung hatte die Prüfungsabteilung festgestellt, der in Anspruch 1 benutzte Ausdruck "schlackeabweisendes Material" sei vage und unklar und lasse den Leser über die Bedeutung des betreffenden Merkmals im Ungewissen. Durch die bestehende Unklarheit lasse sich der Schutzbereich von Anspruch 1 nicht erkennen, weil die Erfindung vom Stand der Technik hinsichtlich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit nicht anderweitig eindeutig abgegrenzt sei. Da die Öffentlichkeit im Unklaren gelassen werde, welcher Gegenstand von Anspruch 1 umfasst werde und welcher nicht, erfülle Anspruch 1 nicht die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ. Dieser Mangel werde auch nicht durch die detaillierten Angaben und Ausführungsbeispiele in der Beschreibung behoben. Die Anmeldung sei deshalb zurückzuweisen.

II. Der der Entscheidung der Prüfungsabteilung zugrunde liegende, am 14. Juni 2005 eingereichte Anspruch 1 lautet wie folgt:

"1. Probennehmer für Schmelzen, insbesondere für auf einer Metallschmelze aufliegende Schlacke, mit einem an einem Träger angeordneten, ein- oder mehrteiligen Körper, der einen Einlauf und eine Probekammer aufweist, wobei der Einlauf (7) eine Oberfläche aufweist, die zumindest teilweise aus einem schlackeabweisenden Material gebildet ist, wobei der Einlauf (7) kegelförmig ausgebildet ist und das Ende mit dem geringeren Querschnitt an der Probenkammer (3) angeordnet ist, wobei die Probenkammer (3) zylindrisch ausgebildet ist, ihre Grundflächen (4;4') einen etwa kreisförmigen Querschnitt aufweisen, dessen Durchmesser größer ist als die Dicke der Probenkammer (3), der Einlauf (7) etwa zentrisch in die Grundfläche (4) der Probenkammer (3) mündet und die Probenkammer (3) allseitig Metallwände und wenigstens eine ringförmige seitliche Metallwand (5) aufweist, welche dünner ist als die Metallwände der Grundflächen (4; 4') der Probenkammer (3)."

III. Die Beschwerdeführerin (Patentanmelderin) hat gegen diese Entscheidung am 12. April 2006 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet.

Die Beschwerdebegründung ist am 2. Juni 2006 beim Europäischen Patentamt eingegangen. Darin vertritt die Patentanmelderin die Ansicht, das Merkmal "schlacke abweisend" sei eine im Gesamtzusammenhang der Anmeldung stehende klare Sachaussage, wonach das für die Oberfläche zu wählende Material das Anhaften von Schlacke verhindere. Ein solches funktionelles Merkmal sei nach den Prüfungsrichtlinien Teil CIII 6.5 zulässig, insbesondere auch deshalb, weil die Beschreibung eine beispielhafte Aufzählung von Möglichkeiten enthalte welches Material geeignet sei. Auch könne der Fachmann bei Kenntnis der Anmeldung durch einfache Routineversuche ein für die jeweilige Schlacke geeignetes abweisendes Oberflächenmaterial auffinden. Ein Mangel an Klarheit des Gegenstands von Anspruch 1 bestehe deshalb nicht.

In ihrem Antwortschreiben vom 3. Dezember 2007 auf die telefonische Rücksprache mit der Kammer am 29. November 2007, worin eine vorläufige Bewertung der Sachlage gegeben wurde, beantragte die Anmelderin

- die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und,

- sollte die Kammer zu dem Ergebnis gelangen, daß die Patentansprüche gemäß Hauptantrag, eingereicht mit Schreiben vom 14. Juni 2005, die notwendige Klarheit aufweisen, die Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz.

In diesem Fall wurde der hilfsweise gestellte Antrag auf die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Kammer weist darauf hin, daß diese Entscheidung nach dem Inkrafttreten des EPÜ 2000 ergangen ist. Werden darin Artikel und Regeln der alten Fassung des EPÜ (1973) zitiert, so wird durch die Angabe der Jahreszahl darauf hingewiesen. Die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des Übereinkommens vom 29. November 2000 und die Beschlüsse des Verwaltungsrates vom 28. Juni 2001 und vom 7. Dezember 2006, Artikel 2, wurden beachtet.

3. Klarheit, Artikel 84 EPÜ (1973)

Als einziger Grund für die Zurückweisungsentscheidung wird ein Mangel an Klarheit des Gegenstands von Anspruch 1 geltend gemacht, der nach Auffassung der Prüfungsabteilung durch das funktionelle Merkmal "schlackeabweisendes Material" bewirkt wird.

3.1 Nach der allgemeinen Rechtssprechung sind funktionelle Merkmale, die ein technisches Ergebnis definieren, in einem Patentanspruch dann zulässig, wenn

i) diese Merkmale ohne Einschränkung der erfinderischen Lehre anders nicht objektiv präziser umschrieben werden können und

ii) die funktionellen Merkmale dem Fachmann eine ausreichend klare technische Lehre offenbaren, die er mit zumutbarem Denkaufwand - wozu auch die Durchführung üblicher Versuche gehört - ausführen kann.

Allerdings findet das Streben nach funktioneller Definition eines Merkmals dort seine Grenzen, wo die Deutlichkeit des Patentanspruchs im Sinne von Artikel 84 EPÜ (1973) nicht mehr gewährleistet ist.

Auch die Richtlinien für die Sachprüfung führen in Teil C, Kapitel III 6.5 unter anderem aus, dass in einem Patentanspruch ein Merkmal durch seine Funktion unfassend angegeben werden darf, auch wenn in der Beschreibung nur ein Beispiel des Merkmals angeführt worden ist, falls der Fachmann zu dem Schluss gelangen würde, dass auch andere Mittel für die gleiche Funktion verwendet werden können.

3.2 Wie im Folgenden dargelegt wird, erfüllt der geltende Anspruch 1 und das darin enthaltene funktionelle Merkmal die eingangs genannten Anforderungen. Dem Fachmann ist nach dem Studium der Anmeldung unzweifelhaft klar, daß mit dem in Anspruch 1 genannten funktionellen Merkmal nur solche Materialen gemeint sein können, deren Oberfläche "Schlacke abweisend" ist, d.h. Eigenschaften besitzt, die ein Anhaften bzw. Ankleben des jeweils zu untersuchenden Schlackentyps (Hochofen, Stahlwerk, Elektro-Ofen usw.) erfolgreich verhindern, so dass eine problemlose Entnahme der Schlackenprobe gewährleistet wird. Erklärend weist die Beschreibung unter Absatz [0005] der veröffentlichten A1-Schrift auf zahlreiche beispielhafte Materialien wie Kohlenstoff, Graphit, Pappe, Papier, Öl, Kalkmilch oder Teflon hin, durch deren besonderen Oberflächeneigenschaften ein Anhaften bzw. Ankleben der Schlacke im Einlauf und damit ein Verstopfen des Probennehmers erfolgreich verhindert wird. Weiterhin enthält die Beschreibung in Absatz [0014], [0015] der A1-Veröffentlichung ein Ausführungsbeispiel, in dem die Wände des Einlaufs des Probenehmers mit einer Beschichtung aus Graphit ausgekleidet sind, wobei in einer weiteren Ausführungsform zusätzlich eine Schicht aus Teflon aufgebracht wurde (siehe Absatz [0016] der A1-Schrift).

Auch gelangt der fachmännischen Leser durch die Aussagen von Absatz [0005] der A1-Schrift der Anmeldung zu der Erkenntnis, dass die in der Beschreibung genannte Aufzählung an Beispielmaterialien keineswegs als erschöpfend anzusehen ist. Vielmehr erschließt sich ihm durch die Wortwahl "insbesondere", dass weitere, in der Anmeldung nicht erwähnte Werkstoffe für den genannten Anwendungszweck durchaus in Frage kommen können, sofern sie die geforderte Eigenschaft aufweisen. Ob diese anderen Materialien tatsächlich die geforderte schlackeabweisende Oberfläche besitzen, kann der Fachmann durch einfache routinemäßige Versuche ohne unzumutbaren Aufwand leicht ermitteln, ebenso wie er durch Routineversuche feststellen kann, ob und in welcher Konzentration ein Mittel z.B. eine blutstillende Wirkung aufweist (siehe T 0893/90).

Aufgrund dieser Überlegungen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die unter Punkt 2.1 genannten Bedingungen erfüllt sind und das beanstandete funktionelle Merkmal "schlackeabweisendes Material" die Deutlichkeit von Patentanspruch 1 im Sinne von Artikel 84 EPÜ (1973) nicht in Frage stellt. Vielmehr wäre die Festlegung auf bestimmte, in der Anmeldung als bevorzugt genannte Materialen in Anspruch 1 eine wesentliche Beschränkung der erfinderischen Lehre, welche bei der gegenwärtigen Sachlage jedoch nicht gerechtfertigt scheint.

4. Da die Anmeldung noch eine grundlegende Prüfung erfordert, ob sie die weiteren Erfordernisse des EPÜ erfüllt, insbesondere im Hinblick auf Artikel 52 i. V. m. mit den Artikel 54 EPÜ (1973) und 56 EPÜ (1973) sowie auf Artikel 123 (2) EPÜ, macht die Kammer von ihrer Befugnis gemäß Artikel 111 (1) EPÜ (1973) Gebrauch, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückverwiesen.

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