European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2008:T105006.20080318 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 18 März 2008 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1050/06 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99114061.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | B66B 13/14 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Kraftbegrenzung für automatische Aufzugstüren | ||||||||
Name des Anmelders: | INVENTIO AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Siemens AG, Abteilung CT IPI&S | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Neuheit - ja Erfinderische Tätigkeit - ja |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Auf die am 20. Juli 1999 unter Inanspruchnahme einer europäischen Priorität vom 30. Juli 1998 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 99114061.7 wurde das europäische Patent Nr. 0 976 675 mit 10 Ansprüchen erteilt.
Der erteilte Anspruch 1 lautet:
"Verfahren zur Kraftbegrenzung für automatische Aufzugstüren mit einem Türantrieb bestehend aus Steuerung, Motor und Antriebsmechanik zur Bewegung einer Kabinentür und einer Schachttür gemäss eines der Türstellung entsprechenden Geschwindigkeitsverlaufes und Kraftverlaufes von einer Offenstellung in eine Geschlossenstellung oder umgekehrt, wobei der Kraftverlauf an sich im Lauf der Zeit verändernde Türparameter anpassbar ist und die Türen während des Bewegungsvorganges bei einer durch ein Hindernis ausgelösten Störkraft stoppbar und/oder reversierbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass der im störkraftfreien Betrieb aufzubringende Antriebskraftverlauf mittels eines mathematischen Modells für den Türantrieb bestimmt wird und mit dem Istwert des Antriebskraftverlaufs verglichen wird und dass durch die Störkraft ausgelöste Abweichungen bestimmter Grösse zwischen dem aufzubringenden Kraftverlauf und dem Istwert des Kraftverlaufs die Türen stoppen und/oder reversieren."
II. Gegen das erteilte Patent wurden, gestützt auf die Einspruchsgründe des Artikels 100 a) EPÜ, Einspruch eingelegt mit dem Antrag auf Widerruf des Patents.
III. Die Einspruchsabteilung hielt das Patent mit ihrer am 8. Mai 2006 zur Post gegebenen Entscheidung in geändertem Umfang aufrecht.
Sie kam zu dem Ergebnis, dass das beanspruchte Verfahren die Erfordernisse der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf den entgegengehaltenen Stand der Technik erfüllte.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 6. Juli 2006 Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt und am 16. August 2006 die Beschwerdebegründung eingereicht.
V. Die Beschwerdekammer teilte in ihrem Bescheid vom 27. November 2007 ihre vorläufige Einschätzung der Sachlage mit, wonach die Änderungen des Anspruchs 1 nicht als zulässig erschienen und Neuheit sowie erfinderische Tätigkeit insbesondere im Hinblick auf D1 zu diskutieren seien.
VI. Am 18. März 2008 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, in der folgende, für die Entscheidung wesentliche Entgegenhaltungen wieder aufgegriffen wurden:
D1: JP-A-9-323 877 mit deutscher Übersetzung
D2: DE-A-39 21 158
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 976 675.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufrechterhaltung des europäischen Patents auf Basis des Antrags vom 18. März 2008 mit den folgenden Unterlagen:
Anspruch 1 vom 18.03.2008
Ansprüche 2 bis 8 vom 21.03.2006
Beschreibung S. 1 mit Einfügung S. 2 vom 18.03.2008
Beschreibung S. 3 bis 7 vom 21.03.2006
Zeichnungen Figuren 1 und 2 wie erteilt.
Der Oberbegriff des neuen Anspruchs 1 stimmt mit dem erteilten überein. Der geänderte kennzeichnende Teil lautet:
"... wobei (dass) der im störkraftfreien Betrieb aufzubringende Antriebskraftverlauf mittels eines mathematischen Modells für den Türantrieb bestimmt wird, (dass) das mathematische Modell auf Newtonschen Bewegungsgleichungen für die Türmechanik basiert, (dass) der im störkraftfreien Betrieb aufzubringende Antriebskraftverlauf mit dem Istwert des Antriebskraftverlaufs verglichen wird und (dass) durch die Störkraft ausgelöste Abweichungen bestimmter Grösse zwischen dem aufzubringenden Kraftverlauf und dem Istwert des Kraftverlaufes die Türen stoppen und/oder reversieren."
VII. Die Beschwerdeführerin brachte u.a. vor, das Verfahren nach Anspruch 1 ergebe sich in naheliegender Weise durch die Kombination von D2 mit D1. Aus D2 sei bereits ein entsprechendes Verfahren bekannt, das lediglich die zwei Merkmale nicht aufweise, dass das mathematische Modell auf Newtonschen Bewegungsgleichungen für die Türmechanik basiere und dass die Türen stoppten und/oder reversierten. D1 enthalte genau diese Lehre zu einem vergleichbaren Zweck, so dass der Fachmann angeregt sei, die beiden Lösungen zu kombinieren.
Von einer "direkten" Messung des Antriebskraftverlaufes im Unterschied zum Stand der Technik könne keine Rede sein, da gemäß Patent die Kraft z.B. aus dem Strombetrag des Antriebsmotors berechnet werde. In D1 werde ausdrücklich das mit Hilfe des mathematischen Modells ermittelte Motorantriebsmoment für den Normalbetrieb erwähnt, welches dem im störkraftfreien Betrieb aufzubringenden Antriebskraftverlaufes entspreche.
VIII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte, ein mit dem beanspruchten vergleichbares mathematisches Modell werde zwar in D1 ebenfalls verwendet, jedoch erfolge der Vergleich von Soll- und Istkraft auf unterschiedlichen Wegen. Während patentgemäß die Sollkraft mit Hilfe des mathematischen Modells ermittelt werde und mit der Istkraft verglichen werde, erfolge gemäß D1 die Ermittlung der Istkraft auf Basis des mathematischen Modells, welche mit der aufzubringenden Sollkraft (entsprechend dem Drehmomentbefehl) verglichen werde. Bei der beanspruchten Lösung handle es sich demzufolge um eine nicht naheliegende alternative Ausführung.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen (Artikel 123 (2), (3) EPÜ)
Der Anspruch 1 erfüllt die formalen Zulassungsvoraussetzungen, da er durch Zusammenfassung des erteilten Anspruchs 1 und des auf ihn rückbezogenen Anspruchs 2 gebildet ist, welche mit den ursprünglich eingereichten gleichlautend sind.
3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
Mangelnde Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 1 wurde von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht geltend gemacht. Auch die Kammer kommt zu dem Ergebnis, dass keine der Entgegenhaltungen alle Merkmale des Anspruchs 1 offenbart.
4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
4.1 Aus D1 ist ein Verfahren zur Kraftbegrenzung für automatische Aufzugstüren entsprechend dem Oberbegriff des Anspruchs 1 bekannt, bei welchem das Normalantriebsmoment tau mittels eines mathematischen Modells für den Türantrieb bestimmt wird, wobei das mathematische Modell auf Newtonschen Bewegungsgleichungen für die Türmechanik basiert. Dieser Istwert des Antriebskraftverlaufs wird mit dem Drehmomentbefehl für den Türantrieb, also dem Sollwert des Antriebskraftverlaufs verglichen. Bei durch eine Störkraft ausgelösten Abweichungen bestimmter Größe zwischen dem Istwert des Kraftverlaufs und dem Sollwert des Kraftverlaufes reversieren die Türen.
4.2 Ausgehend von diesem Stand der Technik liegt dem Patent die Aufgabe zugrunde ein alternatives Verfahren zur Begrenzung der Schließkraft bei Aufzugstüren zur Verfügung zu stellen.
4.3 Dieses technische Problem wird patentgemäß dadurch gelöst, dass nicht der Istwert des Antriebskraftverlaufes, sondern dessen Sollwert mittels eines mathematischen Modells für den Türantrieb bestimmt wird, welches auf Newtonschen Bewegungsgleichungen für die Türmechanik basiert. Dieser so ermittelte Sollwert des Antriebskraftverlaufs wird mit dem Istwert des Antriebskraftverlaufs verglichen.
4.4 Ob diese Anwendung des mathematischen Modells auf den Sollwert des Antriebskraftverlaufes wesentliche technische Vorteile mit sich bringt, konnte die Beschwerdegegnerin nicht belegen und ist auch für die Kammer nicht erkennbar. Es ist aber nicht ersichtlich, ob oder weshalb der einschlägige Fachmann einen Anlass hatte, für das Verfahren zur Kraftbegrenzung unterschiedlich ermittelte Werte für den Antriebskraftverlauf zu verwenden, da er ja in D1 bereits eine voll funktionierende Lösung vorfand. Auch seitens der Beschwerdeführerin wurde kein Argument für das Naheliegen einer solchen Maßnahme vorgebracht.
4.5 Der Vollständigkeit halber ist noch darauf hinzuweisen, dass nach Formulierung der Aufgabe ausgehend von D1 die Behandlung von D2 überflüssig geworden ist, da dieser Stand der Technik nicht mehr mit Gegenstand des Anspruchs 1 übereinstimmende Merkmale aufweist als D1.
4.6 Die abhängigen Ansprüche 2 bis 8 enthalten weitere Ausgestaltungen des Verfahrens nach Anspruch 1 und können ebenfalls bestehen bleiben.
5. Im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2008 wurde im Entscheidungstenor versehentlich weggelassen:
"Anspruch 1 vom 18.03.2008"
Dieses offensichtliche Versehen wird durch Einfügen berichtigt, wie aus der folgenden Entscheidungsformel ersichtlich:
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Auflage, das europäische Patent aufrechtzuerhalten mit den folgenden Unterlagen:
Anspruch 1 vom 18.03.2008
Ansprüche 2 bis 8 vom 21.03.2006
Beschreibung S. 1 mit Einfügung S. 2 vom 18.03.2008
Beschreibung S. 3 bis 7 vom 21.03.2006
Zeichnungen Figuren 1 und 2 wie erteilt.