European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2009:T083706.20090528 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 28 Mai 2009 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0837/06 | ||||||||
Anmeldenummer: | 01933964.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | C21D 9/30 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Vorrichtung zum induktiven Härten von Kurbelwellen | ||||||||
Name des Anmelders: | Maschinenfabrik Alfing Kessler GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | EFD Induction GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.08 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Änderungen - Erweiterung (verneint) Erfinderische Tätigkeit (bejaht) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die am 07. April 2006 zur Post gegebene Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Europäischen Patents Nr. EP 1 285 098 in geändertem Umfang, unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr, am 26. Mai 2006 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 08. August 2006 eingegangen.
II. Die Einspruchsabteilung war zu der Auffassung gekommen, dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 8 des erteilten Patents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, dass aber der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 7 des damals geltenden 1. Hilfsantrags den Erfordernissen des EPÜ genüge.
III. Für die vorliegende Entscheidung haben folgenden Entgegenhaltungen eine Rolle gespielt:
D5: GB-A-822 632
D7: US-A-6 013 904
IV. Am 28. Mai 2009 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
- Die Beschwerdeführerin beantragt die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Europäische Patent zu widerrufen.
- Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt die Beschwerde zurückzuweisen soweit sie sich gegen die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 7, vorgelegt in der mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2009, richtet und einer daran anzupassenden Beschreibung.
V. Der unabhängige Anspruch 1 lautet:
"Vorrichtung zum induktiven Härten von Pleuelzapfen von Kurbelwellen (2) des Split-Pin-Typs mit wenigstens zwei Hauptlagern (4), wobei wenigstens zwei Pleuelzapfen (3) unmittelbar nebeneinander liegen, mit folgenden Merkmalen:
- wenigstens zwei Induktoren (5) für die jeweils zu härtenden unmittelbar nebeneinander liegenden Pleuel zapfen (3),
- wenigstens einer Rotationseinrichtung (6) zum Erreichen einer Drehbewegung der Kurbelwelle (2),
- wenigstens einer Verstelleinrichtung (7), die die Kurbelwelle (2) aufnimmt und die dazu in der Lage ist, die Mittelachse (15) eines Pleuelzapfens (3) der Kurbelwelle (2) als Achse für die Rotationsbewegung der Kurbelwelle (2) einzustellen (Merkmal A),
- mit einer Nachführeinrichtung zur Nachführung des Induktors (5) für den anderen Pleuelzapfen,
- die beiden Induktoren (5) arbeiten berührungslos und umschließen die zu härtenden Pleuelzapfen (3) jeweils nur an der Hälfte ihres Umfanges, und härten die nebeneinanderliegenden Pleuelzapfen gleichzeitig,
- mit einem an der Rotationseinrichtung (6) angebrachten Anschlag (18) und einem an dem Anschlag (18) anlegbaren Endmaß zur Verstellung der Verstell einrichtung (7) zur Einstellung der Mittelachse (15) des zu härtenden Pleuelzapfens (3) der Kurbelwelle (2) als Achse für die Rotation der Kurbelwelle (Merkmal B),
- mit einem gabelartigen Aufnahme- und Justierelement (17) zur Aufnahme eines der Pleuelzapfen (3) zur Ausrichtung der Kurbelwelle (2) vor dem Härten (Merkmal C)."
Die Bezeichnungen A bis C der letzten drei Merkmale wurden von der Kammer hinzugefügt.
VI. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Die ursprüngliche Anmeldung zeige zwar einen an der Rotationseinrichtung angebrachten Anschlag, jedoch sei der Anschlag darin ausschließlich in funktionellem Zusammenhang mit einem Schlitten offenbart.
Da das Merkmal B den Anschlag aber nur im Zusammenhang mit einer Verstelleinrichtung beschreibe, basiere es auf einer unzulässigen Zwischen verallge meinerung. Anspruch 1 genüge daher nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ.
D7 zeige außer den Merkmalen A, B und C alle weiteren Merkmale des Anspruchs 1. Diese Unterscheidungsmerkmale seien auf verschiedene Ausgestaltungen der beanspruchten Vorrichtung gerichtet, die drei unabhängige Teilaufgaben lösten.
Merkmal A löse die Aufgabe, die Steuerung der Härtungsvorrichtung zu vereinfachen. Merkmal B löse die Aufgabe, die Einstellung der Härtungsvorrichtung zu vereinfachen. Merkmal C löse die Aufgabe, die Ausrichtung der Kurbelwelle zu vereinfachen.
Nachdem D5 dazu anrege bei einer Härtungsvorrichtung die Mittelachse des zu härtenden Pleuelzapfens als Achse für die Rotationsbewegung der Kurbelwelle während des Härtungsprozesses zu benutzen, so dass das Nachführen des Induktors und die damit verbundene Steuerung vermieden werden könne, sei das Vorsehen des Merkmals A in der Vorrichtung nach D7 naheliegend.
Für den Fachmann sei es ferner selbstverständlich zu vermeiden, für unterschiedliche Kurbelwellen die genaue Position der Rotationsachse jeweils durch eine Messung festzulegen, insbesondere wenn es sich um eine Serienfertigung handle. Vielmehr sei es eine fachübliche Maßnahme zur Vereinfachung der Einstellung einer Härtungsvorrichtung einen Anschlag zu benutzen, der z. Bsp. durch den Stift 18 nach D5 nahegelegt sei.
Ebenso sei es für den Fachmann naheliegend, die Kurbelwelle nicht freihändig auszurichten, sondern dafür ein geeignetes Werkzeug vorzusehen. Bei einer Kurbelwelle komme dafür selbstverständlich nur ein konisch und somit gabelartig gestaltetes Werkzeug in Frage.
Da die drei Merkmale einzeln gesehen naheliegend seien und sie keine technische Wechselwirkung untereinander hätten, könne auch ihre Aneinanderreihung nicht zur Begründung einer erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 beitragen.
VII. Die Beschwerdegegnerin hat diesen Ausführungen widersprochen und hat im wesentlichen folgendes vorgebracht:
Der im Merkmal B genannte Anschlag sei in der Patentanmeldung nicht nur in Zusammenhang mit einem Schlitten offenbart. Aus dem die Seiten 13 und 14 überbrückenden Absatz gehe klar hervor, dass der Schlitten lediglich eine mögliche Ausgestaltung einer Verstelleinrichtung sei. Daher liege keine Zwischen verallgemeinerung vor und Anspruch 1 genüge sehr wohl den Erfordernissen nach Artikel 123 (2) EPÜ.
Die verschiedenen Merkmale des Anspruchs stellten keine bloße Aneinanderreihung von Merkmalen dar, die zur Lösung unterschiedlicher Teilaufgaben dienten, sondern sie bildeten als Kombination den Kern der Erfindung.
Ferner offenbare D5 keinen Anschlag, sondern zeige lediglich eine Platte mit Löchern, in die Stifte einführbar seien, um so eine Verstelleinrichtung zur Einstellung der Mittelachse eines zu härtenden Pleuelzapfens festzulegen. Zudem sei diese Platte nur für eine bestimmte Kurbelwelle benutzbar, so dass bei einer Kurbelwelle mit einer anderen Geometrie die ganze Platte ausgetauscht werden müsse. Außerdem lege keine der Entgegenhaltungen nahe, die Position der Kurbelwelle durch das Auflegen eines Endmaßes auf dem Anschlag festzulegen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe schon deshalb auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Zulässigkeit der Änderungen
2.1 Es ist nur dann mit den Vorschriften von Artikel 123 (2) EPÜ vereinbar, ein isoliertes Merkmal aus einer offenbarten Merkmalskombination herauszugreifen, wenn es nicht untrennbar mit den übrigen Merkmalen der Kombination verknüpft ist.
In dem die Seiten 13 und 14 überbrückenden Absatz wird der Anschlag im funktionellen Zusammenhang mit einer allgemeinen Verstelleinrichtung gezeigt. Dabei wird der Schlitten lediglich als eine spezielle mögliche Ausführungsform der Verstelleinrichtung dargestellt und nicht als die einzig mögliche Verstelleinrichtung. Daher ist der Schlitten nicht untrennbar mit dem Anschlag verknüpft und es liegt keine Zwischenverallgemeinerung vor.
2.2 Weitere Beanstandungen zur Zulässigkeit der geänderten Ansprüche wurden von der Beschwerde führerin nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich. Da außerdem der Schutzbereich der erteilten Ansprüche eingeschränkt wurde, erfüllen die vorliegenden Ansprüche die Erfordernisse des Artikels 123 EPÜ.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 D7 offenbart unstrittig (siehe insbesondere Figuren 26 bis 28 sowie Spalte 25, Zeile 35 bis Spalte 27, Zeile 13) eine
Vorrichtung zum induktiven Härten von Pleuelzapfen von Kurbelwellen des Split-Pin-Typs mit wenigstens zwei Hauptlagern (Fig. 28, die äußersten zwei Lager der Kurbelwelle), wobei wenigstens zwei Pleuelzapfen (350, 351) unmittelbar nebeneinander liegen, mit folgenden Merkmalen:
- wenigstens zwei Induktoren (310) für die jeweils zu härtenden unmittelbar nebeneinander liegenden Pleuel zapfen (350, 351),
- wenigstens einer Rotationseinrichtung (spindle motor) zum Erreichen einer Drehbewegung der Kurbelwelle,
- mit einer Nachführeinrichtung zur Nachführung eines Induktors für einen Pleuelzapfen (siehe Spalte 20, Zeilen 60 bis 65),
- die beiden Induktoren (310) arbeiten berührungslos (siehe Spalte 26, Zeilen 50-51) und umschließen die zu härtenden Pleuelzapfen (350, 351) jeweils nur an der Hälfte ihres Umfanges ("180º design" Spalte 25, Zeilen 55 bis Spalte 26, Zeile 3), und härten die nebeneinanderliegenden Pleuelzapfen (350, 351) gleichzeitig (siehe Fig. 28).
3.2 D7 offenbart jedoch nicht die Merkmale A, B und C.
Diese drei Merkmale stellen eine bloße Aneinanderreihung von Merkmalen dar, denn es besteht keine funktionelle Wechselwirkung zwischen ihnen, die einen kombinatorischen technischen Effekt ergibt, der anders ausfällt als die Summe der technischen Wirkungen der Einzelmerkmale. Außerdem hat die Beschwerdegegnerin nicht dargelegt, weswegen genau die Kombination der drei Merkmale A, B, C den Kern der Erfindung bildet und welcher synergetische Effekt durch ihre Wechselwirkung erzielt wird.
Daher muss die durch die Vorrichtung gelöste Aufgabe als eine Aneinanderreihung verschiedener Teilaufgaben betrachtet werden, und es muss die Frage beantwortet werden, ob das Vorsehen jedes einzelnen Merkmals an sich auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht oder nicht.
3.3 Die dem Merkmal B zugrunde liegende Teilaufgabe kann darin gesehen werden, die Einstellung der Verstelleinrichtung zu vereinfachen. Zur Lösung dieser Aufgabe wird ein an der Rotationseinrichtung angebrachter Anschlag und ein Endmaß vorgeschlagen, das an dem Anschlag zur Verstellung der Verstelleinrichtung anlegbar ist.
Es mag zwar sein, wie die Beschwerdeführerin vorgetragen hat, dass das Vorsehen eines Anschlags für den Fachmann, der eine Vorrichtung wiederholt einstellen muss naheliegend ist. Jedoch kann es nicht als naheliegend angesehen werden, zusätzlich ein Endmaß vorzusehen, das an den Anschlag anlegbar ist, um die Verstelleinrichtung für verschiedene Geometrien der Kurbelwellen einzustellen.
Auch aus dem vorliegenden Stand der Technik ist hierfür keine Anregung zu erkennen. So zeigt D5 keinen Anschlag, sondern zwei unterschiedliche Fixierpositionen der Verstelleinrichtung an einer Platte, die durch den Eingriff eines Stiftes (18) in Bohrungen in der Platte ermöglicht werden. Diese Anordnung könnte zwar im Prinzip als Äquivalent zu einem Anschlag betrachtet werden. Es ist jedoch unmöglich an dieser Einrichtung ein Endmaß anzulegen. Die Lehre der D5 kann das Merkmal B des Anspruchs 1 daher nicht nahelegen.
Folglich beruht schon das Vorsehen des Merkmals B im Gegenstand nach D7 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3.4 Ob auch die Merkmale A und C auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen oder nicht, kann bei dieser Feststellung dahingestellt bleiben.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 7 vorgelegt in der mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2009 und mit einer daran anzupassenden Beschreibung aufrecht zu halten.