European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2009:T082206.20090115 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 15 Januar 2009 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0822/06 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99117790.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | H02K 7/06 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Elektromotorischer Linearantrieb | ||||||||
Name des Anmelders: | Dewert Antriebs- und Systemtechnik GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - nein (alle Anträge) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 99 117 790.8.
II. In der angefochtenen Entscheidung stellte die Prüfungsabteilung u. a. fest, dass der Gegenstand des damals gültigen Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Als Stand der Technik wurden u. a. folgende Dokumente berücksichtigt:
D1: DE-A-42 01 206
D2: "Patent Abstracts of Japan" JP-A-56 074 060
D3: DE-U1-81 31 026
D6. US-A-4 369 387.
III. Mit Schreiben vom 15. Dezember 2008 reichte die Beschwerdeführerin neue Anspruchssätze für einen Hauptantrag und drei Hilfsanträge ein.
IV. Am 15. Januar 2009 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
V. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des Hauptantrags oder eines der Hilfsanträge I bis III, alle eingereicht mit Schreiben vom 15. Dezember 2008, zu erteilen.
VI. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:
"Möbelantrieb mit einer rotierend antreibbaren Spindel, auf die eine das Abtriebsglied bildende, gegenüber einer Verdrehung gesicherte und linear bewegliche Spindelmutter aufgesetzt ist, und mit einem mit der Spindel drehfest verbundenen Schneckenrad (13 oder 14) eines Schneckentriebes (12, 13, 14), dessen Schnecke (12) auf den Motorzapfen eines Elektromotors aufgekeilt ist und die sich an einem Stützelement abstützt, dadurch gekennzeichnet, dass die Schnecke (12) des Schneckentriebes (12, 13, 14) mit zwei achsparallelen Schneckenrädern (13, 14) in Eingriff steht, deren Drehachsen um einen Winkel von 180º zueinander versetzt sind, und bei dem jedes Schneckenrad (13, 14) mit einem Stirnrad (15, 16) verbunden ist, welches mit dem Stirnrad (15 oder 16) des anderen Schneckenrades (13, 14) in Eingriff steht, wobei die Spindel drehfest mit einem Stirnrad (15, 16) und mit einem Schneckenrad (13, 14) verbunden ist."
Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag I unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrages durch folgendes zusätzliches Merkmal:
"und die Schneckenräder (13, 14) zur Drehachse der Schnecke (12) symmetrisch angeordnet sind".
Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag II unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags I durch folgendes zusätzliches Merkmal:
"und jedes Schneckenrad (13, 14) mit dem zugehörigen Stirnrad (15, 16) als ein einstückiges Formteil ausgebildet ist".
Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag III unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags II durch folgendes zusätzliches Merkmal:
"und an jedem Schneckenrad (13, 14) und jedem Stirnrad (15, 16) ein Lagerzapfen angeformt ist, auf den jeweils ein Wälzlager (17) aufgesetzt ist".
VII. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Wie die vorliegende Anmeldung befasse sich auch das Dokument D1 mit der Aufgabe, bei einem als Möbelantrieb geeigneten Linearantrieb die Durchbiegung der Schnecke wirksam zu verhindern. Der für die Entwicklung von Möbelantrieben zuständige Fachmann erkenne jedoch, dass die in D1 offenbarte Lösung auf Dauer zu einem Totalausfall des Schneckentriebes führe.
Beim Schneckentrieb gemäß D1 sei z. B. nachteilig, dass die halbschalenartige Abstützung aus einem Kunststoff gefertigt ist. Die entstehende Reibungswärme führe zu einer Abnutzung der Abstützung und somit zu einer Beeinträchtigung von deren Funktion. Darüber hinaus werde der Antriebsmotor durch die Reibungsverluste höher belastet, so dass der Stromverbrauch entsprechend ansteige.
Der sich mit der Entwicklung von Möbelantrieben befassende Fachmann kenne den prinzipiellen Aufbau der aus D1 bekannten Antriebe und insbesondere die Problematik der Lagerung von nur einseitig gelagerten Wellen. Obwohl die Durchbiegung der Schneckenwelle in der vom Schneckenrad wegweisenden Richtung statisch sei, wirke sie sich durch die Drehung der Schnecke als eine wechselnde Biegespannung aus, so dass selbst eine relativ geringe Durchbiegung der Schneckenwelle eine relativ hohe Biegespannung bewirke. Aus diesem Grund sei die Dauerfestigkeit der Schneckenwelle bei Überschreiten einer bestimmten Durchbiegung nicht mehr gegeben.
Im herkömmlichen, für Dauerbelastungen ausgelegten Getriebebau würde jeder Fachmann die Schnecke im freien Ende noch zusätzlich durch ein Loslager lagern, um die Schnecke korrekt und dauerhaft ohne Durchbiegung abstützen zu können. Diese Möglichkeit sei jedoch dem Fachmann durch die besonderen Vorgaben bei Möbelantrieben verwehrt. Zum Beispiel müssten bei der Entwicklung eines Möbelantriebs die Abmessungen minimiert werden, da die Einbauräume bei Möbeln äußerst gering seien.
Der aus D2 bekannte Antrieb weise zwar eine Schnecke auf, die wie bei der vorliegenden Erfindung mit zwei Schneckenrädern in Eingriff steht. Die Gründe für diese Anordnung und deren Zweck gingen jedoch aus diesem Abstract nicht hervor. Diesem Dokument sei nicht eindeutig zu entnehmen, ob die Stirnräder in Eingriff miteinander stünden, oder ob sie mit dem dazugehörigen Schneckenrad der jeweiligen Seite fest verbunden seien. Ferner sei eine Antriebsanordnung gemäß D2 nicht als Möbelantrieb geeignet, da sie kein linear bewegliches Abtriebsglied umfasse.
Um eine Durchbiegung der Schnecke wirksam zu verhindern, sei nicht nur ein zweites und achsparallel angeordnetes Schneckenrad notwendig, sondern müssten auch die auf die Schnecke einwirkenden Kräfte gleich groß sein. Dies setze die Verwendung von gleich großen Schneckenrädern voraus. In D2 seien jedoch die Durchmesser der Schneckenräder und der zugehörigen Stirnräder unterschiedlich. Auch aus diesem Grund würde der Fachmann für Möbelantriebe keine Hinweise und Anregungen aus D2 entnehmen können, die ihn zum beanspruchten Möbelantrieb führen würden.
Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag I weise das zusätzliche Merkmal auf, dass die Schneckenräder zur Drehachse der Schnecke symmetrisch angeordnet sind. Die beanspruchte Anordnung unterscheide sich somit deutlich von dem aus D2 bekannten Schneckentrieb, der Schneckenräder und Stirnräder mit unterschiedlichen Durchmessern umfasst.
Gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags II sei jedes Schneckenrad mit dem zugehörigen Stirnrad als ein einstückiges Formteil ausgebildet. D3 zeige zwar eine Getriebeanordnung, die ein mit einem Stirnrad einstückig ausgebildetes Schneckenrad aufweist. Dieses Dokument betreffe jedoch einen Elektroquirl und sei somit für den für die Entwicklung von Möbelantrieben zuständigen Fachmann völlig irrelevant.
Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag III unterscheide sich vom Hilfsantrag II dadurch, dass an jedem Schneckenrad und jedem Stirnrad ein Lagerzapfen angeformt ist, auf den jeweils ein Wälzlager aufgesetzt ist. D2 zeige überhaupt keine Lagerung für die Schnecken- bzw. Stirnräder. Eine Lagerung, die aus einem Wälzlager und einem Lagerzapfen besteht, sei zwar aufwendig. Sie ermögliche jedoch eine präzise und auch unter Belastung stabile Positionierung der Schnecken- bzw. Stirnräder und erhöhe somit die Lebensdauer der Getriebeanordnung.
Zusammenfassend enthalte der vorliegende Stand der Technik keinen Hinweis darauf, die Lehre von D1 zu modifizieren und den bekannten Linearantrieb mit dem einen oder anderen Merkmal aus gattungsfremden Dokumenten zu kombinieren. Um an einen der beanspruchten Gegenstände zu gelangen, müsste der Fachmann somit mehrere Schritte machen und mehrere Dokumente aus verschiedenen Gebieten heranziehen. Aus diesen Gründen ergebe sich keine der beanspruchten Möbelvorrichtungen in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag
2.1 Das Dokument D1 bezieht sich auf einen über eine Spindel angetriebenen Linearantrieb zur Bewegung von schwenkbaren und parallel geführten Elementen, welcher folgende, im Oberbegriff von Anspruch 1 aufgeführte Merkmale umfasst:
- eine rotierend antreibbare Spindel 7, auf die eine das Abtriebsglied bildende und gegenüber einer Verdrehung gesicherte Spindelmutter 8 aufgesetzt ist (Figur 5),
- ein mit der Spindel 7 drehfest verbundenes Schneckenrad 13 eines Schneckentriebes (Figur 5, Spalte 3, Zeilen 63 bis 65), dessen Schnecke 15 auf den Motorzapfen eines Elektromotors 14 aufgekeilt ist (Figur 3 und Spalte 3, Zeilen 65 bis 68) und die sich an einem Stützelement 31 abstützt (Spalte 1, Zeilen 42 bis 48),
- bei dem Schneckentrieb erfolgt der Antrieb der linear beweglichen Spindelmutter 8 mittels der Spindel 7, welche drehfest mit dem Schneckenrad 13 verbunden ist.
2.2 Die Beschwerdeführerin hat nicht bestritten, dass D1 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt, und dass der in D1 offenbarte Linearantrieb geeignet ist, als Möbelantrieb im Sinne der Anmeldung eingesetzt zu werden.
2.3 In D1 wird festgestellt, dass eine "gute achsparallele Befestigung des Motors (14) und eine gute Abstützung der Spindelwellenlagerung und der Schneckenwelle (15)" notwendig ist, "da im Belastungsfall hohe Kräfte durch die Flankensteigungen der Verzahnung versuchen, die beiden Achsen, Spindelachse und Schneckenwellenachse, auseinanderzutreiben. Dies kann die Überdeckung der Schneckenwelle mit dem Schneckenrad verringern, und somit zum Versagen des Getriebes führen " (D1, Spalte 1, Zeilen 52 bis 60).
In D1 wird das o. g. Problem durch eine halbschalenartige Abstützung 31 gelöst, die das durch die einseitige Belastung verursachte Wegbiegen der Schneckenwelle begrenzt (Spalte 1, Zeilen 60 bis 65). Dabei soll das Spiel zwischen der Abstützung und der Schneckenwelle so groß gemacht werden, dass die Schneckenwelle bei geringer Belastung keinen Kontakt mit der Abstützung hat (Spalte 1, Zeilen 65 bis 68). "Wird jedoch die Belastung erhöht, will sich die Schneckenwelle weiter aus dem Schneckenrad herausbewegen. Diese Bewegung wird dann jedoch durch die Abstützung unterbunden und verhindert somit ein Versagen des Getriebes. Bei der richtigen Wahl des Gehäusematerials bewirkt dieses Anlaufen der Schneckenwelle (15) an der Abstützung (31) keinerlei Abtrieb, und bedeutet somit eine preisgünstigere Versteifung der Gesamtlagerung" (Spalte 1, Zeile 68 bis Spalte 2, Zeile 8).
2.4 In D1 wird somit erkannt, dass eine asymmetrische Belastung eines Schneckentriebs zum Versagen des Getriebes führen kann, weil sie die Parallelität der Spindelachsen und der Schneckentriebsachse stört. Die in D1 vorgeschlagene Lösung besteht in der "Versteifung" der Gesamtlagerung.
3.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von dem aus D1 bekannten Linearantrieb durch folgende Merkmale:
i) die Schnecke des Schneckentriebes steht in Eingriff mit zwei achsparallelen Schneckenrädern, deren Achsen um einen Winkel von 180º zueinander versetzt sind,
ii) bei dem Schneckentrieb ist jedes Schneckenrad mit einem Stirnrad verbunden, welches mit dem Stirnrad des anderen Schneckenrades in Eingriff steht,
iii)die Spindel ist mit einem Stirnrad und mit einem Schneckenrad drehfest verbunden.
3.2 Ausgehend von D1 kann die Aufgabe der vorliegenden Anmeldung darin gesehen werden, einen Linearantrieb zu entwickeln, bei dem die Kraftübertragung verbessert wird und die Schneckenwelle unter Belastung keine Biegung aufweist.
4.1 Das Dokument D2 zeigt einen Schneckentrieb, der folgende Merkmale aufweist:
- der Motorzapfen 4 des Elektromotors 1 ist als Schnecke 5 des Schneckentriebes ausgebildet und die Schnecke 5 stützt sich an einem Stützelement 7 ab,
- die Schnecke 5 des Schneckentriebes steht in Eingriff mit zwei achsparallelen Schneckenrädern 12a und 13a,
- die Drehachsen 12c und 13c der Schneckenräder 12a und 13a sind um einen Winkel von 180º zueinander versetzt,
- jedes Schneckenrad 12a und 13a ist mit einem Stirnrad 12b und 13b verbunden, welches mit dem Stirnrad des anderen Schneckenrades in Eingriff steht (siehe vorletzten Satz des Absatzes "CONSTITUTION").
Das aus D2 bekannte Schneckentrieb umfasst somit die o. g. Merkmale i) und ii) des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1. Es ergibt sich auch zwangsläufig, dass jedes Teil (z.B eine Spindel), das vom Schneckentrieb gemäß D2 angetrieben werden soll, sowohl mit dem Schneckenrad 12a oder 13a als auch mit dem zugehörigen Stirnrad 13a oder 13b drehfest verbunden sein muss (vgl. das o. g. Merkmal iii).
4.2 Nach D2 (siehe "PURPOSE") besteht der Zweck des bekannten Schneckentriebes darin, die Übertragung des Drehmoments zu verbessern, eine Biegung der Schnecke zu verhindern und einen Verschleiß des mit der Schnecke in Eingriff stehenden Schneckenrades zu vermindern (vgl. Absatz [0003] der vorliegenden Anmeldung in der veröffentlichten Fassung).
In D2 wird kein möglicher Anwendungsbereich für den offenbarten Schneckentrieb erwähnt. Es wird aber darauf hingewiesen, dass eine der Drehwellen 12c und 13c oder beide als Ausgangswelle verwendet werden können. Diesem Dokument kann daher der Fachmann entnehmen, dass ein Schneckentrieb mit dem offenbarten Aufbau im Prinzip einen herkömmlichen Schneckentrieb mit einem einzigen in Eingriff mit einer Schnecke stehenden Schneckenrad ersetzen könnte, und zwar unabhängig vom Anwendungsbereich.
5.1 Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen geltend gemacht, dass der für die Entwicklung von Möbelantrieben zuständige Fachmann D2 überhaupt nicht in Betracht ziehen würde. D1 habe sich schon mit dem Problem des Durchbiegens einer Schneckenwelle auseinandergesetzt und als Lösung eine radiale Abstützung der Schneckenwelle vorgeschlagen, die lediglich zum Greifen kommt, wenn das auf die Schneckenwelle wirkende Biegemoment einen bestimmten Wert übersteigt. D1 enthalte aber keinen Hinweis darauf, diese Abstützung durch eine symmetrische Anordnung von Schneckenrädern und miteinander verzahnten Stirnrädern zu ersetzen. Da Möbelantriebe besondere Anforderungen erfüllen müssten, stellten sie ein eigenständiges Fachgebiet dar.
5.2 Ein Schneckentrieb dient grundsätzlich dazu, das Drehmoment einer Motorwelle auf ein Schneckenrad zu übertragen, dessen Achse senkrecht zur Motorwelle ist. D2 lehrt im Wesentlichen, dass es vorteilhaft ist, das Drehmoment der Welle auf zwei gegenüberliegende Schneckenräder zu verteilen, wobei jedes Schneckenrad mit einem Stirnrad verbunden ist, welches mit dem Stirnrad des anderen Schneckenrades in Eingriff steht. D2 macht auch deutlich, dass diese Anordnung die Übertragung eines größeren Drehmoments erlaubt und ein Durchbiegen der Schnecke verhindert.
Es liegt für den Fachmann auf der Hand, dass diese Lehre sich nicht auf spezielle Anwendungsgebiete beschränkt, sondern allgemein einsetzbar ist. Das gleiche Prinzip der Kräfteverteilung bei einem Schneckentrieb wird übrigens auch in D3 (Seite 2 der Beschreibung, Zeilen 14 bis 21) und D6 (Spalte 1, Zeilen 28 bis 36) erläutert.
5.3 Die Kammer stellt nicht in Frage, dass Möbelantriebe spezielle Anforderungen erfüllen müssen. Sie ist jedoch der Auffassung, dass der für die Entwicklung von Möbelantrieben zuständige Fachmann über die üblichen Fachkenntnisse eines Maschinenbauingenieurs verfügt und daher Dokumente im Blickfeld halten dürfte, die sich wie D2 allgemein mit dem Aufbau von Getrieben befassen.
Ein solcher Fachmann würde daher auf die Lehre von D2 zurückgreifen, um die offensichtlichen Nachteile des aus D1 bekannten Möbelantriebs zu überwinden und die o. g. Aufgabe (siehe Punkt 3.2) zu lösen.
Die Anpassung, die bei der Anwendung dieser Lehre auf den aus D1 bekannten Linearantrieb vorzunehmen sind, beschränkt sich allenfalls auf übliche bauliche Maßnahmen, die den Fachmann von einem solchen Vorhaben nicht abhalten würden.
5.4 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass es für den Fachmann naheliegend wäre, D1 und D2 miteinander zu kombinieren und somit zu einem Möbelantrieb zu gelangen, der unter den Wortlaut des Anspruchs 1 fällt (Artikel 56 EPÜ).
Hilfsantrag I
6.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrages durch folgendes Merkmal:
- "und die Schneckenräder (13, 14) zur Drehachse der Schnecke (12) symmetrisch angeordnet sind".
Wie von der Beschwerdeführerin hervorgehoben, impliziert dieses Merkmal, dass sowohl die Schneckenräder als auch die Stirnräder die gleichen Abmessungen haben.
6.2 Beim in D2 abgebildeten Schneckentrieb weisen die Schneckenräder und folglich die Stirnräder unterschiedliche Durchmesser auf. Laut Beschwerdeführerin hat eine solche Anordnung den Nachteil, dass nicht ständig die gleichen Zähne der Schnecken- bzw. Stirnräder ineinander greifen, so dass eine gegenseitige Anpassung der Zahnflanken in der Einlaufphase des Getriebes nicht möglich ist. Ferner seien die Zähne der kleineren Schnecken- bzw. Stirnräder einem größeren Verschleiß ausgesetzt.
6.3 D2 weist auf die unterschiedlichen Durchmesser der Schnecken- bzw. Stirnräder nicht explizit hin. Dieses Merkmal ergibt sich lediglich aus der Figur. Gemäß D2 können eine oder beide Radwellen als Ausgangwelle verwendet werden. Da die entsprechenden Schnecken- bzw. Stirnräder nicht gleich groß sind, haben die zwei Ausgangswellen unterschiedliche Drehzahlen. Mit anderen Worten, bietet der in D2 abgebildete Schneckentrieb zwei Ausgangswellen mit unterschiedlichen Übersetzungsverhältnissen.
6.4 In D3 wird die Aufgabe, beim Einsatz eines nichtpaarigen Arbeitswerkzeug beide Stirnräder (d. h. Schneckenräder nach der Wortwahl der vorliegenden Anmeldung) eines Elektroquirls gleichmäßig zu belasten, dadurch gelöst, dass jedes der beiden Schneckenräder mit einem zusätzlichen Stirnrad verbunden ist, "wobei die zusätzlichen Stirnräder gleich groß sind und miteinander in Eingriff stehen". Durch die zusätzlichen Stirnräder wird die Belastung auf beide Schneckenräder verteilt und die Abnutzung des mit dem Arbeitswerkzeug gekuppelten Schneckenrads gemindert (D3, Seite 1 der Beschreibung, Zeilen 26 bis 34).
Auch D6 lehrt, dass zwei Schneckenräder mit dem gleichen Durchmesser und der gleichen Gewindesteigung entgegengesetzte Kräfte auf die Schneckenwelle ausüben, so dass kein Biegemoment entsteht (D6 Spalte 1, Zeilen 28 bis 39).
6.5 Auch im Hinblick auf den o. g. Stand der Technik (siehe D3 und D6) dürfte es somit für den Fachmann implizit sein, dass die Lehre von D2 eigentlich nicht von den relativen Abmessungen der Schnecken- bzw. Stirnrädern abhängig sein kann, sondern in der besonderen Anordnung der Schneckenräder und Stirnräder besteht, so dass die in D2 angegebenen Wirkungen auch mit einer Anordnung zu erzielen sind, die gleich große Schnecken- bzw. Stirnräder aufweist.
6.6 Die Kammer ist somit der Auffassung, dass bei der Anwendung der Lehre von D2 auf den Linearantrieb gemäß D1 für den Fachmann naheliegend wäre, den Schneckentriebes symmetrisch auszugestalten.
Hilfsantrag II
7.1 Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag II unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags I durch folgendes zusätzliches Merkmal:
- "und jedes Schneckenrad (13, 14) mit dem zugehörigen Stirnrad (15, 16) als ein einstückiges Formteil ausgebildet ist".
7.2 In D2 wird lediglich angegeben, dass ein Schneckenrad und das zugehörige Stirnrad miteinander fest verbunden sind. Es kann daher davon ausgegangen werden, da es sich um separate Teile handelt, die bei der Montage zu verbinden sind.
Bei dem aus D3 bekannten Schneckentrieb ist jedes Schneckenrad einstückig mit dem zugehörigen Stirnrad geformt, wobei diese Ausgestaltung des Schneckenrads und des zugehörigen Stirnrads den Montage- und Kostenaufwand reduziert (D3, Seite 1 der Beschreibung, Zeilen 36 bis 38).
Es dürfte allerdings allgemein bekannt sein, dass es aus den in D3 genannten Gründen grundsätzlich wünschenswert ist, Teile einer Vorrichtung, die miteinander fest verbunden werden müssen, ggf. als einstückiges Formteil auszubilden. Diese Maßnahme würde auch der Fachmann, der bei der Anwendung der Lehre von D2 auf den aus D1 bekannten Linearantrieb den Kosten- und Montageaufwand in Grenzen halten möchte, in Augenschein nehmen.
7.3 In der durch den Hilfsantrag II beanspruchten Merkmalskombination vermag daher die Kammer keinen Beitrag zum Stand der Technik zu sehen, der über die übliche Erfahrung des Fachmanns hinausgeht.
Hilfsantrag III
8.1 Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag III enthält zusätzlich folgendes Merkmal:
- "und an jedem Schneckenrad (13, 14) und jedem Stirnrad (15, 16) ein Lagerzapfen angeformt ist, auf den jeweils ein Wälzlager (17) aufgesetzt ist".
8.2 Die Beschwerdeführerin hat hervorgehoben, dass D2 keine Lagerung zeige, und dass die aus der Kombination von zwei Zapfen und zwei Wälzlagern bestehende Lagerung eine besonders stabile Konstruktion darstelle. Eine dermaßen aufwendige Lagerung sei bei Möbelantrieben nicht üblich und ergebe sich nicht aus dem Stand der Technik.
8.3 Obwohl D2 keine Lagerung für die Stirnräder und die zugehörigen Schneckenräder zeigt, ist anzunehmen, dass die Bestandteile dieser Getriebeanordnung auch gelagert werden müssen.
Bei der Vorrichtung gemäß Figur 2 von D6, die einen Schneckentrieb mit Schnecken- und Stirnrädern darstellt, sind das Schneckenrad 23 und das zugehörige Stirnrad 25 als einstückiges Formteil ausgebildet und im oberen und unteren Gehäuseteil drehbar gelagert.
Ferner zeigt Figur 6 von D1, dass es bekannt ist, bei für Möbel geeigneten Linearantrieben ein Kugellager als Lagerung für das mit der Spindel drehfest verbundene Schneckenrad zu verwenden.
Zusammenfassend ist die Kammer der Ansicht, dass die Lagerung der Schnecken- bzw. Stirnräder eines Möbelantriebs gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags III keine überraschende Wirkung zeigt und lediglich die dem Fachmann ohnehin bekannten Vorteile bezüglich Stabilität und Führungsgenauigkeit bietet. Die vorgeschlagene Lösung geht somit nicht über die technischen Maßnahmen hinaus, die der Fachmann bei der Entwicklung eines hochwertigen und stabilen Möbelantriebs ohne weiteres ergreifen würde.
9.1 Die Beschwerdeführerin hat ferner geltend gemacht, dass der Fachmann ausgehend von D1 zu viele Schritte machen und zu viele Dokumente miteinander kombinieren müsste, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen.
9.2 Die Kammer möchte indes unterstreichen, dass die der vorliegenden Anmeldung zugrunde liegende Idee offensichtlich darin besteht, bei einem Schneckentrieb eine Anordnung von zwei Schneckenrädern und zugehörigen Stirnrädern zu verwenden, um die Drehmomentübertragung zu verbessern und die auf die Schneckenwelle wirkende Seitenkräfte auszugleichen, damit kein Biegemoment entsteht. Wie oben angegeben ist die Kammer der Ansicht, dass D2 die gleiche Lehre vermittelt, und dass es für den Fachmann naheliegend wäre, durch die Kombination der Lehren von D1 und D2 zu einem Möbelantrieb gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags zu gelangen. Die weiteren Merkmale, die in den Hilfsanträgen I bis III aufgeführt sind, betreffen ausschließlich die Auswahl baulicher Maßnahmen, die bei der Ausgestaltung eines auf der Kombination von D1 und D2 beruhenden Schneckentriebs zu treffen sind und zur normalen Tätigkeit des Fachmanns gehören.
D3 und D6 sind lediglich als Nachweis dafür herangezogen worden, dass bestimmte Maßnahmen nicht nur zum allgemeinen Fachwissen gehören, sondern auch Einsatz im Bereich von Schneckentrieben gefunden haben.
10. Zusammenfassend beruhen die Gegenstände der Hilfsanträge I bis III auf keiner erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
11. Aus den vorstehenden Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass keiner der von der Beschwerdeführerin gestellten Anträgen eine Basis für die Erteilung eines Patents bieten kann. Die Beschwerde war somit zurückzuweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.