T 0814/06 () of 1.7.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:T081406.20080701
Datum der Entscheidung: 01 Juli 2008
Aktenzeichen: T 0814/06
Anmeldenummer: 03720347.8
IPC-Klasse: B22D 41/22
B22D 41/38
B22D 41/28
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Betrieb eines Schiebeverschlusses sowie Schiebeverschluss
Name des Anmelders: Stopinc Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 109
Schlagwörter: Klarheit der Ansprüche (bejaht)
Abhilfe - Anlass zur Abhilfe - Berichtigung (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/04
T 0139/87
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 03 720 347.8 (internationale Veröffentlichungsnummer WO 03/080274) betrifft ein Verfahren zum Betrieb eines Schiebeverschlusses für metallurgische Gefäße sowie einen Schiebeverschluss.

II. Die Prüfungsabteilung ist zum Ergebnis gekommen, dass die Anmeldung die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht erfülle, weil die Ansprüche 1 und 9 nicht klar seien. Daher hat die Prüfungsabteilung mit der am 13. Januar 2006 zur Post gegebenen Entscheidung die Patentanmeldung zurückgewiesen. Zur Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit hat die Prüfungsabteilung nicht Stellung genommen.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 01. März 2006 Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet und am 18. Mai 2006 ihre Beschwerde begründet.

IV. Mit der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin neue Ansprüche eingereicht.

V. In Übereinstimmung mit Artikel 109 (1) EPÜ wurde die Beschwerde der Prüfungsabteilung zur Überprüfung der Zulässigkeit und der Begründetheit vorgelegt. Der Beschwerde wurde jedoch nicht abgeholfen; sie wurde daher gemäß Artikel 109 (2) EPÜ unverzüglich der Beschwerdekammer vorgelegt.

VI. Ansprüche

a) Die Entscheidung der Prüfungsabteilung betraf die folgenden unabhängigen Ansprüche 1 und 9:

"1. Verfahren zum Betrieb eines Schiebeverschlusses für metallurgische Gefässe, bei dem der Schiebeverschluss (10,40) wenigstens zwei gegeneinander verspannbare feuerfeste Verschlussplatten (21,22,41,42) aufweist, welche jeweils in einem Gehäuseteil (17,19,47,49) gegeneinander verschiebbar angeordnet sind, wobei für die Verspannung der Verschlussplatten (21,22,41,42) Federelemente (23) in wenigstens einem der Gehäuseteile (17,19,47,49) enthalten sind, und die eine Verschlussplatte (22,42) mit ihrem Gehäuseteil (19,49) von einem Antriebsorgan in eine Schliess- bzw. Offenstellung verschoben werden kann, dadurch gekennzeichnet,

dass

eine off- und/oder online Diagnose des Betriebszustandes im Bereich der Verschlussplatten (21,22,41,42) durchgeführt wird, bei der beim Schiebeverschluss (10,40) mehrere Grössen bezüglich Abmessungen, Temperaturen, Drücke und/oder Kräfte gemessen und ausgewertet werden,

dass

zumindest Temperaturen im Schiebeverschluss (10,40) und Distanzänderungen als Abmessungen zwischen den Gehäuseteilen (17,18,19,47,49) in Richtung quer zu den Gleitflächen der Platten ermittelt und an eine Auswerteeinheit (20) geleitet und unmittelbar oder unter Einbezug von zusätzlichen relevanten Prozessparametern ausgewertet werden, um über den betrieblichen Zustand und demzufolge über einen weiteren Einsatz des Schiebeverschlusses (10,40) befinden zu können,

dass

bei der Auswertung die als Istwerte gemessenen Grössen mit Sollwerten oder Sollwertbereichen verglichen werden und bei Vorliegen von Abweichungen ausserhalb der zu bestimmenden Toleranzgrenzen eine Anzeige oder dergleichen für eine Überprüfung oder ein Notschliessen des Schiebeverschlusses (10,40) erfolgt,

dass

die Sollwerte oder die Sollwertbereiche der zu messenden Grössen während der Einsatzdauer der Verschlussplatten (21,22,41,42) durch die Prozessparameter angepasst werden, wobei bei diesen Prozessparametern zumindest die Temperaturveränderungen miteinbezogen werden."

"9. Schiebeverschluss insbesondere zur Durchführung des Verfahrens nach einem der vorgehenden Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass für eine off- und/oder online Diagnose des Betriebszustandes insbesondere im Bereich der Verschlussplatten (21,22,41,42) eine oder mehrere Messsonden oder dergleichen bei den Gehäuseteilen (17,19,47,49), beim Antriebsorgan (25) und/oder an anderen Stellen enthalten sind, mittels denen Abmessungen, Temperaturen, Drücke und/oder Kräfte gemessen und anschliessend ausgewertet werden, wobei zumindest die Temperaturen mittels mindestens einer Messsonde (31, 32) im Schiebeverschluss (10,40) und Distanzänderungen als Abmessungen zwischen den Gehäuseteilen (17,18,19,47,49) in Richtung quer zu den Gleitflächen der Platten ermittelbar und an eine Auswerteeinheit (20) überleitbar sind."

b) Mit der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin die folgenden Ansprüche eingereicht (Änderungen sind unterstrichen und Streichungen zusätzlich zwischen eckige Klammern gesetzt):

"1. Verfahren zum Betrieb eines Schiebeverschlusses für metallurgische Gefässe, bei dem der Schiebeverschluss (10,40) wenigstens zwei gegeneinander verspannbare feuerfeste Verschlussplatten (21,22,41,42) aufweist, welche jeweils in einem Gehäuseteil (17,19,47,49) gegeneinander verschiebbar angeordnet sind, wobei für die Verspannung der Verschlussplatten (21,22,41,42) Federelemente (23) in wenigstens einem der Gehäuseteile (17,19,47,49) enthalten sind, und die eine Verschlussplatte (22,42) mit ihrem Gehäuseteil (19,49) von einem Antriebsorgan in eine Schliess- bzw. Offenstellung verschoben werden kann, dadurch gekennzeichnet,

dass

eine off- und/oder online Diagnose des Betriebszustandes im Bereich der Verschlussplatten (21,22,41,42) durchgeführt wird, bei der beim Schiebeverschluss (10,40) mehrere Grössen bezüglich Abmessungen, Temperaturen, Drücke und/oder Kräfte gemessen und ausgewertet werden,

dass

zumindest Temperaturen im Schiebeverschluss (10,40) und Distanzänderungen als Abmessungen zwischen den Gehäuseteilen (17,18,19,47,49) in Richtung quer zu den Gleitflächen der Platten ermittelt und an eine Auswerteeinheit (20) geleitet und unmittelbar oder unter Einbezug von zusätzlichen relevanten Prozessparametern, wie Temperaturveränderungen im Schiebeverschluss, Angaben über das Gefäss bzw. über die abzugiessende Schmelze im Hinblick auf ihre Temperatur, Behandlung, Giesszeit, ausgewertet werden, um über den betrieblichen Zustand und demzufolge über einen weiteren Einsatz des Schiebeverschlusses (10,40) befinden zu können,

dass

bei der Auswertung die als Istwerte gemessenen Grössen mit Sollwerten oder Sollwertbereichen verglichen werden und bei Vorliegen von Abweichungen ausserhalb der zu bestimmenden Toleranzgrenzen eine Anzeige oder dergleichen für eine Überprüfung oder ein Notschliessen des Schiebeverschlusses (10,40) erfolgt,

dass

die Sollwerte oder die Sollwertbereiche der zu messenden Grössen während der Einsatzdauer der Verschlussplatten (21,22,41,42) durch die Prozessparameter angepasst werden, [wobei bei diesen Prozessparametern zumindest die Temperaturveränderungen miteinbezogen werden]."

Abhängige Ansprüche 2 bis 7 betreffen bevorzugte Ausführungsformen des in Anspruchs 1 definierten Verfahren.

Anspruch 8 hat folgenden Wortlaut:

"8. Schiebeverschluss insbesondere zur Durchführung des Verfahrens nach einem der vorgehenden Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass

für eine off- und/oder online Diagnose des Betriebszustandes insbesondere im Bereich der Verschlussplatten (21,22,41,42) [eine oder] mehrere Messsonden [oder dergleichen] bei den Gehäuseteilen (17,19,47,49), beim Antriebsorgan (25) und/oder an anderen Stellen enthalten sind, mittels denen Abmessungen, Temperaturen, Drücke und/oder Kräfte gemessen und anschliessend ausgewertet werden, wobei als Messsonden zumindest die Temperaturen mittels mindestens einer Messsonde (31, 32) im Schiebeverschluss (10,40) und mindestens einer Messsonde (50) für die Distanzänderungen als Abmessungen zwischen den Gehäuseteilen (17,18,19,47,49) in Richtung quer zu den Gleitflächen der Platten ermittelbar und an eine Auswerteeinheit (20) überleitbar sind."

VII. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf Grundlage der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ansprüche 1 bis 8 zu erteilen, bzw. die Zurückverweisung der Anmeldung an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Artikel 84 EPÜ

2.1 Die Prüfungsabteilung war der Meinung, dass der im Anspruch 1 benutzte Ausdruck "zusätzlich relevanten Betriebsparametern" (wohl gemeint "Prozessparametern") und der im Anspruch 9 benutzte Ausdruck "oder dergleichen" vage und unklar seien und den Leser über die Bedeutung des betreffenden technischen Merkmals im Ungewissen lassen. Dies habe zur Folge, dass die Definition des Verfahrens nach Anspruch 1 bzw. des Schiebeverschlusses nach Anspruch 9 nicht klar sei.

2.2 Anspruch 1 betrifft ein Verfahren zum Betrieb eines Schiebeverschlusses für metallurgische Gefäße, bei dem zumindest Temperaturen im Schiebeverschluss und Distanzänderungen zwischen den Gehäuseteilen in Richtung quer zu den Gleitflächen der Platten ermittelt und an eine Auswerteeinheit geleitet werden, um über den betrieblichen Zustand des Schiebeverschlusses befinden zu können.

Es ist deshalb klar, dass die zwei Parameter (Temperaturen im Schiebeverschluss und Distanzänderungen) wesentliche Merkmale der Erfindung sind und gemessen werden müssen. Das Erfordernis, dass die Bedeutung der zur Festlegung der Erfindung wesentlichen Merkmale klar ist (siehe G 1/04, Nr. 6.2 der Entscheidungsgründe), ist daher erfüllt.

Jedoch können nach Anspruch 1 auch zusätzliche Prozessparameter, z.B. Temperaturveränderungen im Schiebeverschluss und Angaben über das Gefäß oder die Schmelze, ermittelt werden; für die im Anspruch 1 dargestellte Erfindung sind diese Maßnahmen nicht wesentlich. Trotzdem wird dem Fachmann ein Hinweis gegeben, welche zusätzlichen Parameter in Betracht gezogen werden können, weil der Anspruch 1 geändert wurde, um in den ursprünglichen Ansprüchen 7 und 8 genannte Beispiele der zusätzlichen relevanten Prozessparameter zu erwähnen (Temperaturveränderungen im Schiebeverschluss, Angaben über das Gefäss bzw. über die abzugiessende Schmelze im Hinblick auf ihre Temperatur, Behandlung, Giesszeit).

2.3 Der Ausdruck "oder dergleichen" im Anspruch 9 war in dem folgenden Zusammenhang benutzt: "…eine oder mehrere Messsonden oder dergleichen…". Im mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anspruch 8 lautet dieser Ausdruck einfach "mehrere Messsonden". Der Klarheitseinwand hinsichtlich des Ausdrucks "oder dergleichen" ist daher nicht mehr relevant.

2.4 Die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ sind daher erfüllt.

3. Abhilfe

3.1 In Ex-parte-Verfahren muss die Prüfungsabteilung gemäß Artikel 109 (1) EPÜ der Beschwerde abhelfen, wenn es sie für zulässig und begründet erachtet.

Eine Beschwerde muss als begründet im Sinne des Artikels 109 (1) EPÜ angesehen werden, wenn gleichzeitig Änderungen der Anmeldung eingereicht werden, die die Einwände, auf die sich die angefochtene Entscheidung stützt, eindeutig gegenstandlos machen. In diesem Fall muss die Prüfungsabteilung der Beschwerde abhelfen (siehe T 139/87) und, wenn die weitere Prüfung von anderen relevanten Patentierungsvoraussetzungen erforderlich ist, das Prüfungsverfahren fortsetzen (siehe auch die Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt, Teil E, XI 7.1).

3.2 Im vorliegenden Fall waren die Einwände für die Zurückverweisung, dass die Ausdrücke "zusätzlich relevanten Prozessparametern" (Anspruch 1) und "oder dergleichen" (Anspruch 9) den Fachmann über die Bedeutung des entsprechenden Merkmals im Ungewissen lassen.

Mit der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche eingereicht, mit denen die zusätzlichen Parameter durch Beispiele konkretisiert werden und der Begriff "oder dergleichen" gestrichen ist. Die Beschwerdeführerin hat daher Änderungen vorgenommen, die den einzigen Einwand, auf den sich die Zurückweisungsentscheidung stützt, völlig ausräumen. Im vorliegenden Fall hätte daher die Prüfungsabteilung der Beschwerde aufgrund von Artikel 109 (1) EPÜ abhelfen müssen.

4. Zurückverweisung

Die Prüfungsabteilung hat zu Neuheit und erfinderischer Tätigkeit nicht Stellung genommen. Da ein Anmelder Anspruch auf zwei Instanzen hat, ist es erforderlich, die Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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