T 0763/06 () of 1.4.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T076306.20090401
Datum der Entscheidung: 01 April 2009
Aktenzeichen: T 0763/06
Anmeldenummer: 97116054.4
IPC-Klasse: B66B 1/46
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Identifikationssystem für eine Aufzugsanlage
Name des Anmelders: Inventio AG
Name des Einsprechenden: Otis Elevator Company
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 84
Schlagwörter: Zulassung geänderten Vorbringens in Form eines neuen Antrags - nein
Klarheit - nein
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 16. September 1997 unter Inanspruchnahme einer europäischen Priorität vom 27. September 1996 angemeldete europäische Patentanmeldung Nr. 97116054.4 wurde das europäische Patent Nr. 0 832 839 mit 5 Ansprüchen erteilt. Der Anspruch 1 lautet:

"Identifikationssystem für eine Aufzugsanlage mit von Aufzugsbenutzern (2) und/oder Gegenständen mitgeführten Informationsgebern (5) und mit mindestens einer Erkennungsvorrichtung (6) zur Aufnahme von Daten der Informationsgeber (5), dadurch gekennzeichnet, dass mindestens eine weitere Einrichtung (4, 8) vorgesehen ist, die Daten der für den Transport vorgesehenen Aufzugsbenutzer (2) und/oder Gegenstände erfasst und mit den Daten der Informationsgeber (5) vergleicht und bei Übereinstimmung die Aufzugsanlage informiert."

II. Gegen das erteilte Patent wurde, gestützt auf die Einspruchsgründe des Artikels 100 a) EPÜ, Einspruch eingelegt und der Widerruf des Patents beantragt.

III. Die Einspruchsabteilung hielt das Patent mit ihrer am 7. März 2006 zur Post gegebenen Entscheidung in geändertem Umfang aufrecht.

Sie kam zu dem Ergebnis, dass die geänderten Ansprüche im Hinblick auf Artikel 123 (2), (3) EPÜ zulässig waren, das Klarheitserfordernis erfüllten und ihre Gegenstände die Erfordernisse der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf den entgegengehaltenen Stand der Technik erfüllten.

IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 12. Mai 2006 Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt und am 19. Juli 2006 die Beschwerdebegründung eingereicht, mit der sie den Widerruf des Patents aus den bereits im Einspruchsverfahren vorgebrachten Gründen weiterverfolgte.

V. Die Beschwerdekammer hat in ihrem Bescheid vom 22. Januar 2009 ihre vorläufige Einschätzung der Sachlage mitgeteilt, wonach die Änderungen sowie die Klarheit nicht in Frage stünden. Auch m Hinblick auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit sei die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden.

VI. Am 1. April 2009 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, in der die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) zur Behebung eines auf Artikel 123 (2) EPÜ basierenden Einwands gegen den geänderten Anspruch 1 einen neuen Antrag einreichte.

Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 832 839.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufrechterhaltung des europäischen Patents auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 3 des Hilfsantrags 7' vom 1. April 2009. Der im Schreiben vom 28. September 2006 gestellte Antrag auf Kostenverteilung wurde nicht mehr weiterverfolgt.

Der Anspruch 1 gemäß diesem einzigen Antrag lautet (Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 sind durch Unterstreichung oder [deleted: Streichung ]kenntlich gemacht):

"[deleted: Identifikationssystem für eine ]Aufzugsanlage mit Identifikationssystem, mit von Aufzugsbenutzern (2) [deleted: und/oder Gegenständen ]mitgeführten Informationsgebern (5) und mit mindestens einer Erkennungsvorrichtung (6) zur Aufnahme von Daten der Informationsgeber (5), dadurch gekennzeichnet, dass mindestens eine weitere Einrichtung (4, 8) vorgesehen ist, die Daten der für den Transport vorgesehenen Aufzugsbenutzer (2) [deleted: und/oder Gegenstände ]erfasst und mit den Daten der Informationsgeber (5) vergleicht und bei Übereinstimmung die Aufzugsanlage informiert; dass die Einrichtung (4) eine Lastmesseinrichtung (4) umfasst; dass die Lastmesseinrichtung (4) an der Aufzugskabine vorgesehen ist; dass die Lastmesseinrichtung (4) die Daten der für den Transport vorgesehenen Aufzugsbenutzer (2) als Gewicht der für den Transport vorgesehenen Aufzugsbenutzer (2) erfasst; dass die Daten der Informationsgeber (5) als individuelles Merkmal des zu transportierenden Aufzugsbenutzers ein Gewicht enthalten; und dass die Einrichtung (8) einen Vergleicher (8) umfasst, der das von der Lastmesseinrichtung (4) erfasste Gewicht mit dem identifizierten Gewicht der Erkennungsvorrichtung (6) vergleicht und bei Übereinstimmung ein Freigabesignal (FGS) für eine Aufzugskabine (1) der Aufzugsanlage erzeugt."

An den Anspruch 1 schließen sich zwei unabhängige Ansprüche an, die im wesentlichen durch Kombination des erteilten Anspruchs 1 mit den erteilten Ansprüchen 3 und 4 gebildet sind.

VII. Die Beschwerdeführerin brachte u.a. vor, der Anspruch 1 sei unklar. Das individuelle Merkmal eines Gewichts eines zu transportierenden Aufzugsbenutzers könne im Fall des Transportes mehrerer Aufzugsbenutzer nicht erfasst und daher auch nicht mit dem identifizierten Gewicht der Aufzugsbenutzer verglichen werden, weil die Lastmesseinrichtung nur die Summe der Gewichte mehrerer Aufzugsbenutzer erfassen könne. Auch der Beschreibung sei nicht entnehmbar, wie das geschehen solle.

VIII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) argumentierte, die vorgenommenen Änderungen seien zulässig und gäben im Zusammenhang mit der Beschreibung (Absatz [0010]) auch ein klare Lehre. Für den Fachmann sei es selbstverständlich, dass bei mehreren Aufzugsbenutzern deren Gesamtgewicht mit der Lastmesseinrichtung 4 gemessen würde und dann im Vergleicher 8 mit der Summe der mit den aus den Informationsgebern durch die Erkennungsvorrichtung 6 identifizierten Gewichte verglichen werde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen, Klarheit (Artikel 84 EPÜ 1973)

2.1 Der Anspruch 1 wurde aus den Merkmalen der erteilten Ansprüche 1 und 2 gebildet und enthält die der Beschreibung (Absatz [0009]) entnommene Einfügung:

"dass die Daten der Informationsgeber (5) als individuelles Merkmal des zu transportierenden Aufzugsbenutzers ein Gewicht enthalten;"

Der vollständige Satz der Beschreibung lautet:

"Diese Daten enthalten Informationen beispielsweise über das gewünschte Zielstockwerk, Identifikationscode des Aufzugsbenutzers 2, individuelle Merkmale des Aufzugsbenutzers wie beispielsweise Gewicht, Körpermasse, Abbild, etc. oder Informationen des zu transportierenden Gegenstandes."

2.2 Gegen die Zusammenfassung des erteilten Anspruchs 1 mit dem von ihm abhängigen Anspruch 2 hat die Kammer keine Bedenken, ebenso wenig wie gegen den Wortlaut der Einfügung aus der Offenbarungsstelle im Text. Jedoch ergibt sich durch die Kombination der beiden Offenbarungsquellen ein Widerspruch oder zumindest eine Unklarheit, so dass die Lehre des Anspruchs insgesamt nicht klar ist.

Während nämlich in den erteilten Ansprüchen die "Aufzugsbenutzer" im Plural gebraucht werden, steht der "Aufzugsbenutzer" mit einem Gewicht als einem individuellen Merkmal in der Beschreibung im Singular.

2.3 Zwar wäre die Lehre des Anspruchs für einen einzelnen Benutzer klar, denn dessen Gewicht als individuelles Merkmal kann durch die Lastmesseinrichtung 4 ermittelt werden und mit dem identifizierten Gewicht der Erkennungsvorrichtung 6 verglichen werden. Da der Anspruch jedoch auf eine Aufzugsanlage mit Identifikationssystem, mit von Aufzugsbenutzern (Plural) mitgeführten Informationsgebern, also zur Benutzung durch mehrere Personen gerichtet ist, stellt sich bei mehreren Benutzern die ungelöste Frage, wie deren individuelle Gewichte ermittelt werden und mit den identifizierten Gewichten verglichen werden sollen, weil nach der Lehre des Patents nur die Messung des gesamten transportierten Gewichts möglich ist. Der Anspruch ist daher unklar im Sinne des Artikels 84 EPÜ 1973.

2.4 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, in der Figurenbeschreibung (Absatz [0010]) sei hinreichend erläutert, wie der Fachmann bei der Gewichtsermittlung und dem anschließenden Vergleich vorzugehen habe. Der Absatz beginnt mit folgendem Text:

"Vor dem Schließen der Kabinentür wird das identifizierte Gewicht der Aufzugsbenutzer und/oder Gegenstände an einen Vergleicher 8 weitergeleitet, der das von der Lastmessung 4 erfasste Gewicht in der Aufzugskabine 1 mit dem identifizierten Gewicht vergleicht. Ist das Gewicht in der Aufzugskabine 1 um ein bestimmtes Mass grösser als das identifizierte Gewicht, erzeugt der Vergleicher kein Freigabesignal FGS."

Gemäß letztem Merkmal des Anspruchs 1 wird das von der Lastmesseinrichtung (4) erfasste Gewicht mit dem identifizierten Gewicht der Erkennungsvorrichtung (6) verglichen und bei Übereinstimmung ein Freigabesignal (FGS) für eine Aufzugskabine (1) der Aufzugsanlage erzeugt. Nach der Figurenbeschreibung soll das Gewicht in der Aufzugskabine 1 um ein bestimmtes Mass grösser sein als das identifizierte Gewicht, damit der Vergleicher kein Freigabesignal FGS erzeugt. Aus diesem beiden unterschiedlichen Bedingungen für die Erzeugung eines Freigabesignals folgt, dass es sich beim Gegenstand des Anspruch und dem beschriebenen Beispiel um verschiedene Ausführungsformen handelt, so dass dieser Beschreibungstext nicht zur weiteren Auslegung des Anspruchswortlauts herangezogen werden kann. Da auch in der übrigen Beschreibung des Patents keine Auflösung der Unklarheit zu finden ist, verstößt der Anspruch 1 gegen Artikel 84 EPÜ 1973.

2.5 Die gleiche Unklarheit besteht wegen des der Beschreibung entnommenen Merkmals einer Körpermasse oder einem Abbild als einem individuellen Merkmal des "Aufzugsbenutzers" im Singular auch in den unabhängigen Ansprüchen 2 und 3. Hierauf braucht jedoch nicht näher eingegangen werden, weil der Antrag schon wegen des darin enthaltenen Anspruchs 1 nicht dem Klarheitserfordernis genügt und daher nicht zum Verfahren zugelassen werden kann.

3. Somit liegt aus vorgenannten Gründen kein zulässiger Antrag vor, so dass jede Basis für die Aufrechterhaltung des Patents fehlt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen

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