T 0759/06 () of 15.2.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T075906.20070215
Datum der Entscheidung: 15 Februar 2007
Aktenzeichen: T 0759/06
Anmeldenummer: 99950467.3
IPC-Klasse: G09F 19/22
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Stetigförderer, insbesondere Gepäckförderer
Name des Anmelders: Mercator Beteiligungsgesellschaft mbH
Name des Einsprechenden: Flughafen München GmbH
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 100
Schlagwörter: Neuheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 1 105 860 gemäß Artikel 102 (2) EPÜ.

Folgende Dokumente wurden u. a. in der erstinstanzlichen Entscheidung berücksichtigt:

E3 = US 5 330 044 A

E5 = US 5 280 831 A

E7 = US 4 667 428

II. Anspruch 1 des erteilten Patents lautet:

"1. Stetigförderer mit endlosem Tragorgan (2) für den Transport von Gegenständen und/oder Personen, bei dem das Tragorgan in einem oder mehreren Längsabschnitt(en) jeweils wenigstens eine Haltevorrichtung (30) aufweist, an der/denen wenigstens ein Werbeträger (8) befestigt ist, der die Oberflächenebene (52) des Tragorgans (2) überragt."

Die Ansprüche 2 bis 15 sind von Anspruch 1 abhängig.

III. Der Einspruch gegen das Patent in vollem Umfang war auf die Gründe des Artikels 100 (a) EPÜ gestützt, und zwar darauf, dass der beanspruchte Stetigförderer nicht neu sei (Artikel 54 EPÜ) bzw. nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruhe.

IV. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass der Stetigförderer gemäß Anspruch 1 aus folgenden Gründen neu und erfinderisch sei:

- Unter dem Begriff Oberflächenebene des Transportorgans im Anspruch 1 des Streitpatents sei die Transportoberfläche zu verstehen. Bei einem Lamellenaufbau des Stetigförderers mit in den Lamellen integriertem Werbeträger - wie in E3 und E5 gezeigt - sei als die Oberflächenebene des Tragorgans die Oberfläche dieser Lamellen samt integriertem Werbeträger anzusehen. Die Oberfläche des Tragorgans sei immer diejenige, auf der sich das zu tragende Objekt befinde, und nicht diejenige, auf der der Werbeträger befestigt sei. Der Stand der Technik offenbare deshalb nicht das Merkmal, dass der Werbeträger die Oberflächenebene des Tragorgans überrage.

- Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von E5 durch das Merkmal, dass der Werbeträger die Oberflächenebene des Tragorgans überrage. Weder in Dokument E5 oder in E3 noch in irgendeinem der anderen Dokumente, die sich im Einspruchsverfahren befanden, werde auf ein Problem im Zusammenhang mit der Sichtbarkeit und/oder Verdeckung des Werbeträgers durch zu transportierende Objekte hingewiesen. Die zu lösende objektive Aufgabe sei als die Verbesserung der Sichtbarkeit der Werbung anzusehen. Die von der Einsprechenden vorgetragenen Argumente zur Auslegung und Analyse der Merkmale des Anspruchs 1 basierten auf einer "ex-post-facto" Betrachtung, wobei E3, E5 und E7 in Kenntnis des Patents gedeutet würden. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei durch eine Kombination der Lehre von E5 und E7 oder E3 und E7 nicht nahegelegt.

V. In der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer beantragte die Beschwerdeführerin und Einsprechende die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 105 860.

Die Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise, das Patent aufrechtzuerhalten auf der Grundlage eines der mit Schreiben vom 3. November 2005 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 3.

VI. Zur Begründung ihres Antrags führte die Beschwerdeführerin und Einsprechende Folgendes aus:

- Bei der Definition der Oberflächenebene des Tragorgans sei nur dieses zu berücksichtigen. Es sei begrifflich zu unterscheiden zwischen der Oberflächenebene des Tragorgans und der Oberfläche, auf der sich die zu transportierenden Gegenstände befänden. Somit sei es im Rahmen der Neuheitsprüfung des Gegenstands des Anspruchs 1 ausreichend, dass der Werbeträger die Oberflächenebene des Tragorgans geringfügig überrage.

- Die in E3 oder E5 dargestellte Haltevorrichtung sowie der Werbeträger selbst seien nicht Teil des Tragorgans und seien oberhalb der so definierten Oberfläche angeordnet, so dass der Werbeträger die Oberflächenebene des Tragorgans überrage. Der beanspruchte Stetigförderer sei folglich aus den Entgegenhaltungen E3 oder E5 bekannt.

- Für den Fachmann ergebe sich ein Gegenstand, bei dem der Werbeträger nicht nur die Oberflächenebene des Tragorgans sondern möglichst auch die zu transportierenden Gepäckstücke und dergleichen überrage um die Sichtbarkeit der Werbung zu verbessern in naheliegender Weise aus der E5 selbst, da die Figur 1 zeige, dass die Werbebotschaft teilweise durch Gepäckstücke verdeckt sein könne.

- Ferner beruhe der beanspruchte Stetigförderer nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber der Kombination der Entgegenhaltungen E5/E7 oder E3/E7. Aus der E7 sei ein Werbeträger bekannt, bei dem an näherungsweise senkrecht orientierten Seitenflächen Werbebotschaften angebracht seien. Dies verbessere die Sichtbarkeit der Werbebotschaften im Sinne der gestellten Aufgabe und verhindere ein Draufstellen von transportierten Gegenständen. Ein Befestigen des aus der E7 bekannten Werbeträgers auf einem Stetigförderer sei für einen Fachmann ohne Schwierigkeiten möglich und stelle kein Hindernis dar, welches eine erfinderische Tätigkeit begründen könne.

VII. Zur Begründung ihres Antrags führte die Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin Folgendes aus:

- Entscheidend für eine korrekte Auslegung des Gegenstandes des Anspruchs 1 sei die Aussage, dass der Werbeträger die Oberflächenebene des Tragorgans überrage. Hierbei sei zu unterscheiden zwischen der Oberflächenebene des Tragorgans, auf der Gegenstände und/oder Personen während des Transports auflägen, und irgendwelchen Oberflächen von Teilelementen, insbesondere Basisplatten oder dergleichen. Ein Aufbringen einer Werbebotschaft auf einer Basisplatte eines Stetigförderers sei aus den Entgegenhaltungen E3 und E5 bekannt. Diese überrage jedoch nicht die Oberflächenebene des Tragorgans im Sinne des vorliegenden Patents.

- Aus den Entgegenhaltungen E3 und E5 seien Stetigförderer bekannt, bei denen die Werbebotschaft durch die transportierten Gegenstände bedeckt werden könne. Es gebe in diesen Entgegenhaltungen keine Hinweise wie dieses Problem zu lösen sei, es werde vielmehr in allen Fällen schlicht hingenommen. Auch der Entgegenhaltung E7 sei eine Lösung dieser Aufgabe nicht zu entnehmen. E7 zeige zwar einen gattungsfremden mobilen Werbeträger, der auf einem Autodach montiert sei, jedoch sei der Gedanke, einen eine Oberflächenebene eines Tragorgans überragenden Werbekörper auf einen Stetigförderer zu montieren, für einen Fachmann aus diesem Stand der Technik nicht zu entnehmen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptanspruch - Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

2.1 Die Beschwerdeführerin und Einsprechende hat angeführt, der Stetigförderer gemäß Anspruch 1 sei nicht neu gegenüber den Entgegenhaltungen E3 oder E5, da der in diesen Druckschriften offenbarte Werbeträger die Oberflächenebene der jeweiligen Grundplatte überrage.

2.2 Die Entgegenhaltung E3 offenbart einen Stetigförderer 10, der aus mehreren, einzelnen Basisplatten 12 besteht. Die Basisplatten 12 liegen nicht in einer Ebene, sondern überlappen sich teilweise, stufenartig. Ein Werbeträger 40 wird z. B. durch ein Klebeband 38 auf der Basisplatte 12 befestigt und mit einem durchsichtigen Material 42 abgedeckt. Alternativ können auch durchsichtige Platten 54 als Abdeckung zum Einsatz kommen, wobei die Platten 54 mit Nieten 56 an der Basisplatte 12 befestigt werden (Spalte 4, Zeilen 56 bis 61; Spalte 5, Zeilen 41 bis 45; Spalte 5, Zeile 56 bis Spalte 6, Zeile 15; Spalte 7, Zeile 23 bis 45; Figur 5, 6, 10, 15 und 16).

Es ergibt sich somit ein Stapel der aus der Basisplatte 12, dem Werbeträger 40, 52 und der Abdeckung 42, 54 gebildet wird.

2.3 Die Entgegenhaltung E5 offenbart einen Stetigförderer 10, der aus mehreren, in einer Ebene liegenden oder leicht überlappenden Basisplatten 12 besteht. Auf der Basisplatte 12 sind zwei seitliche Verschleißleisten ("wear blocks") 49, 50 angebracht, die eine dazwischen liegende Versenkung bilden. Ein Werbeträger 59 wird gemeinsam mit einem durchsichtigen Abdeckmaterial 58 durch doppelseitiges Klebeband 69 in dieser Versenkung an der Basisplatte 40 befestigt. Alternativ kann die Versenkung durch eine U-förmige Verschleißleiste 92 gebildet werden. (Spalte 3, Zeilen 17 bis 37; Spalte 4, Zeile 15 bis Spalte 5, Zeile 16; Figur 1, 3 bis 8 und 11).

Es ergibt sich somit, wie schon aus der Entgegenhaltung E3 bekannt, ein Stapel der durch die Basisplatte 40, den Werbeträger 59 und die Abdeckung 58 gebildet wird.

2.4 Laut Anspruch 1 des erteilten Patents ist der Werbeträger an einem, eine Haltevorrichtung aufweisenden, Längsabschnitt des Stetigförderers so befestigt, dass er die Oberflächenebene des Tragorgans überragt.

2.5 Die Beschwerdeführerin und Einsprechende hat geltend gemacht, dass als Oberflächenebene des Tragorgans die Oberfläche der einzelnen Basisplatten zu verstehen sei. Somit liege der aus der Entgegenhaltung E3 oder E5 bekannte Werbeträger oberhalb dieser Oberfläche und überrage sie, da er über sie herausstehe.

2.6 Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin hat dem entgegengesetzt, dass als Oberflächenebene des Tragorgans die Oberfläche zu verstehen sei, auf der das zu tragende Gut transportiert werde. Dies sei in den Fällen der Entgegenhaltungen E3 und E5 jeweils die Oberfläche der Abdeckung. Der bekannte Werbeträger befände sich demzufolge unterhalb der Abdeckung und überrage sie deshalb nicht.

2.7 Die Kammer kann sich der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht anschließen. Selbst wenn man die Oberfläche der Basisplatte als die Oberflächenebene des Tragorgans verstehen würde, könnte man von einem Überragen dieser Oberfläche durch den Werbeträger nicht sprechen. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Definition von "etwas überragen" als "über etwas herausstehen" (Wahrig, Deutsches Wörterbuch) beinhaltet eine räumlich vertikale Ausdehnung, wie durch den Begriff "stehen" verdeutlicht, die über ein Übereinanderliegen hinausgeht. Ein Werbeträger, der flächendeckend auf eine Basisplatte aufgebracht ist, wie in den Entgegenhaltungen E3 und E5 offenbart, als diese Platte überragend zu betrachten, läuft der Bedeutung des Begriffs "überragen" zuwider, da ein Übereinanderliegen als die horizontale Ausdehnung im Raum betonend, die vertikale Ausdehnung in einen Raum, die ein Überragen beinhaltet, vermissen lässt.

2.8 Aus diesem Grund kommt die Kammer zum Ergebnis, dass der Werbeträger der Entgegenhaltungen E3 und E5 die Oberflächenebene des Tragorgans nicht überragt, selbst wenn man die Oberfläche der Basisplatte als die Oberflächenebene des Tragorgans betrachtet. Der Stetigförderer nach Anspruch 1 des erteilten Patents wird durch die Entgegenhaltungen E3 und E5 nicht vorweggenommen.

3. Hauptanspruch - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

3.1 Der Stetigförderer gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich von den aus den Entgegenhaltungen E3 oder E5 bekannten Stetigförderern dadurch, dass der Werbeträger die Oberflächenebene des Tragorgans überragt. Hiermit wird die Sichtbarkeit der Werbebotschaft erhöht und es wird verhindert, dass zu befördernde Personen oder Gegenstände die Werbebotschaft verdecken.

3.2 Die Beschwerdeführerin und Einsprechende hat vorgebracht, dass ein Verdecken der Werbebotschaft durch Gepäckstücke in der Figur 1 der Entgegenhaltung E5 dargestellt sei. Es sei deshalb für den Fachmann naheliegend den Werbeträger so auszurichten, dass er die Oberfläche überrage, so dass ein Verdecken nicht mehr möglich sei.

3.3 Die Kammer teilt jedoch die Auffassung der Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin, dass der Nachteil eines Verdeckens der Werbebotschaft in der Entgegenhaltung E5 nicht gesehen worden und erst rückschauend, in Kenntnis des beanstandeten Patents, zu erkennen ist. Insbesondere wird im Stand der Technik die Werbebotschaft teilweise durch die Basisplatten selbst verdeckt (siehe z. B. E3, Figur 9). Ein Erkennen dieses Nachteils trägt maßgeblich zur erfinderischen Leistung des Patents bei.

3.4 Des Weiteren hat die Beschwerdeführerin dargestellt, dass der aus der Entgegenhaltung E7 bekannte Werbeträger zur Lösung der gestellten Aufgabe auch bei einem Stetigförderer zu verwenden sei. Die Verwendung dieses Werbeträgers sei für einen Fachmann naheliegend und stelle keine besonderen Ansprüche bezüglich der Befestigung an einer entsprechenden Haltevorrichtung.

3.5 Die Entgegenhaltung E7 offenbart einen Werbeträger 10 der auf ein Autodach, durch Saugnäpfe 30 und Gurte 32, zu montieren ist und bei dem die Werbebotschaft seitlich an dem Träger angebracht ist, so dass sie über das Dach des Autos hinausragt. Solche Werbeträger sind, gemäß E3, zwar schon aus dem Stand der Technik bekannt, sie sind jedoch schwer und sperrig. Die in der E3 gestellte Aufgabe ist demzufolge einen leicht montierbaren und stapelbaren Werbeträger darzulegen, der auf dem Dach eines privaten Autos zu montieren ist um für geschäftliche Tätigkeiten (z. B. "food - delivery") zu werben und der, wenn nicht mehr in Gebrauch Platz sparend gestapelt aufbewahrt werden kann (Spalte 1, Zeilen 11 bis 34; Figur 1).

3.6 Die von der Beschwerdeführerin und Einsprechenden vorgetragene Problemstellung, dass eine an einer Autotür angebrachte Werbung durch andere Autos verdeckt werden könne, und dass der aus der E7 bekannte Werbeträger die Sichtbarkeit der Werbung erhöhen würde, ist aus der Entgegenhaltung E7 nicht zu entnehmen. Der aus der E7 bekannte Werbeträger ist nicht als Lösung eines Sichtbarkeitsproblems, sondern als leicht montierbar und Platz sparend dargestellt.

3.7 Nach Auffassung der Kammer, bietet der bekannte Stand der Technik keine Hinweise weder zur gestellten Aufgabe der verbesserten Sichtbarkeit der auf einen Stetigförderer angebrachten Werbebotschaft noch zu deren Lösung. Obwohl dieser Nachteil schon in der Entgegenhaltung E5 dargestellt wird, wurde er als gegeben hingenommen. Die Verwendung eines nutzbaren Raums, wie in diesem Fall die Transportfläche des Förderbandes, zur Darstellung von Werbung und der Verlust dieses nutzbaren Raums für seinen vorgesehenen Zweck entspricht dem Gegenteil der für den Fachmann üblichen Maßnahme Werbung an ungenützten Flachen, wie z. B. Autotüren oder Dächer, anzubringen. Der beanspruchte Stetigförderer beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4. Die Kammer kommt aus den oben genannten Gründen zu dem Schluss, dass der Stetigförderer gemäß Anspruch 1 des erteilten Patents den Erfordernissen des EPÜ genügt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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