T 0754/06 () of 10.11.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:T075406.20081110
Datum der Entscheidung: 10 November 2008
Aktenzeichen: T 0754/06
Anmeldenummer: 00906138.3
IPC-Klasse: B42D 15/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Aufzeichnungsträger mit farbigen Bildinformationen sowie Verfahren zum Herstellen eines Aufzeichnungsträgers
Name des Anmelders: Trüb AG
Name des Einsprechenden: GIESECKE & DEVRIENT GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung (nein)
Ausreichende Offenbarung ja)
Neuheit (Hauptantrag und Hilfsantrag 1, nein)
Erfinderische Tätigkeit (Hilfsantrag 2, nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 1 187 727 in geändertem Umfang aufrechterhalten worden ist, Beschwerde eingelegt.

Im Einspruchsverfahren war das gesamte Patent unter Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit, Artikel 54 EPÜ, und mangelnde erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ) Artikel 100 b) EPÜ und Artikel 100 c) EPÜ angegriffen worden.

II. Am 10. November 2008 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

III. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 187 727.

IV. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte als Hauptantrag, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte sie, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der am 3. Oktober 2008 eingereichten Ansprüche 1 bis 18 (Hilfsantrag 1) oder der Ansprüche 1 bis 7, eingereicht in der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag 2, aufrechtzuerhalten.

V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

"1. Aufzeichnungsträger mit farbigen Bildinformationen (5), insbesondere Ausweis- oder Wertkarte, wobei die farbigen Bildinformationen (5) auf eine behandelte Oberfläche (a) einer Schicht (2) aus Polycarbonat aufgebracht sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Oberfläche (a) durch Auftragen eines haftvermittelnden Lackes (4) behandelt ist und dass dieser Lack (4) ein Siebdrucklack ist."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag im letzten Merkmal des Anspruchs, das wie folgt lautet:

"und dass dieser Lack (4) ein im Siebdruckverfahren aufgetragener Siebdrucklack ist."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet wie folgt:

"1. Verfahren zum Herstellen eines Aufzeichnungsträgers (1) mit farbigen Bildinformationen (5), insbesondere einer Ausweis- oder Wertkarte, gekennzeichnet durch folgende Verfahrensschritte:

a) Herstellen eines Trägers aus Polycarbonat,

b) Behandeln einer Oberfläche des Trägers zur Haftvermittlung, wobei diese Oberfläche (a) durch Auftragen eines Lackes (4) haftverbessert wird und dieser Lack (4) ein Siebdrucklack ist,

c) Auftragen der farbigen Bildinformationen auf die behandelte Oberfläche."

VI. Im Beschwerdeverfahren wurde insbesondere auf folgende Dokumente verwiesen:

D1: EP-A-0 431 564

D4: EP-A-0 743 192

D8: Römpp, Lexikon Chemie, 10. Auflage, Band 3, 1997,

Seiten 1692 und 1693

D10: Römpp, Lexikon Chemie, 10. Auflage, Band 5, 1998,

Seiten 521 und 522

VII. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1

Man könne bei einem Lack nur anhand seiner Viskosität erkennen, ob er sich zum Auftrag im Siebdruckverfahren eigne und somit als Siebdrucklack bezeichnet werden könne. Zusätzlich könnten eventuell noch die Gleitfähigkeit und die Trocknungseigenschaften Hinweise geben. Alle diese Eigenschaften seien aber im getrockneten Zustand des Lackes nicht mehr erkennbar. Hinzu komme, dass am getrockneten Lack nicht notwendigerweise auch das Auftragsverfahren für den Lack erkennbar sei. Am Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 sei also nicht feststellbar, ob der auf der Polycarbonatschicht befindliche Lack ein Siebdrucklack ist oder nicht. Im getrockneten Lack sei auch kein Lösungsmittel mehr enthalten, da dies beim Trocknen verdunste. Auch im Lack enthaltene Pigmente könnten nicht als Erkennungsmerkmal dienen, da viele Arten von Lacken Pigmente enthielten. Davon abgesehen mache die Verwendung von Pigmenten in einer Haftvermittlerschicht keinen Sinn, so dass davon auszugehen sei, dass der haftvermittelnde Lack keine Pigmente enthalte.

Artikel 123 (2) EPÜ

Die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbare den Aufdruck der Information auf die haftvermittelnde Lackschicht nur in Zusammenhang mit einem speziellen Druckverfahren, nämlich dem Thermodruckverfahren, siehe Seite 3, Zeilen 7 bis 19 und Seite 4, Zeilen 1 bis 10. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 sei aber nicht auf ein derartiges Druckverfahren eingeschränkt, so dass sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe.

Artikel 83 EPÜ

Es gebe eine unüberschaubare Anzahl und Vielfalt von Siebdrucklacken. Dokument D10 belege im Kapitel "Siebdruckfarben" welch unterschiedliche Beschaffenheit ein Siebdrucklack aufweisen könne. Es sei deshalb einem Fachmann nicht zumutbar, aus dieser Vielzahl von Lacken einen geeigneten auszusuchen. Hinzu komme, dass sich Anspruch 1 aller Anträge nicht auf ein bestimmtes Druckverfahren zum Aufdruck der Information auf die Lackschicht beziehe. Der Gegenstand des Anspruchs 1 aller Anträge sei im Streitpatent somit nicht so deutlich offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne.

Neuheit, Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1

Dokument D4 zeige einen Aufzeichnungsträger mit farbigen Bildinformationen, der aus einem Substrat aus Polycarbonat bestehe, auf das eine haftvermittelnde Schicht aus Harz aufgetragen sei, siehe Seite 3, Zeilen 40 bis 45 und 49 bis 52. Dokument D8 bestätige im Kapitel "Harzlacke" die Existenz von Lacken auf Harzbasis. Die in Dokument D4 als Beispiele aufgeführten Harze seien bei entsprechender Viskosität geeignet für den Auftrag im Siebdruckverfahren, so dass man ein solches Harz als Siebdrucklack bezeichnen könne. Auch Dokument D1 zeige einen derartigen Aufzeichnungsträger. Das dabei verwendete PVC-Harz zum Behandeln der Polycarbonatoberfläche sei ebenfalls als Siebdrucklack zu bezeichnen. Die Dokumente D1 und D4 nähmen deshalb den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 vorweg.

Zulässigkeit des Hilfsantrags 2

Der Hilfsantrag 2 der Beschwerdegegnerin solle als verspätet eingereicht nicht zugelassen werden. Da er sich ausschließlich auf das Verfahren zur Herstellung eines Aufzeichnungsträgers und nicht auf diesen selbst beziehe, sei die Beschwerdeführerin überrascht worden.

Neuheit, Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2

Die Verfahrensmerkmale des Anspruchs 1 entsprächen inhaltlich den Sachmerkmalen des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, so dass sich die gleiche Beurteilung gegenüber den Dokumenten D1 und D4 ergebe. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 sage nichts darüber aus, wie der Lack aufgetragen werde. Damit seien die Dokumente D1 und D4 auch neuheitsschädlich für den Gegenstand dieses Anspruchs.

Erfinderische Tätigkeit, Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2

Es gebe keinen Beleg für die Behauptung der Beschwerdegegnerin, dass Siebdrucklack eine besondere Wirkung als Haftvermittler habe. Bei der großen Vielfalt an Siebdrucklacken, die es gebe, siehe Dokument D10, sei es auch nicht möglich, dass ein solcher Effekt für jeden Siebdrucklack existiere. Der im Streitpatent in Spalte 3, Zeile 14, angegebene Lack sei nicht verfügbar, so dass dessen Effekt nicht überprüfbar sei. Eine besondere Aufgabe sei beim Streitpatent nicht erkennbar. Die erkennbare allgemeine Aufgabe, eine bedruckbare Oberfläche auf Polycarbonat zu schaffen, sei durch Dokument D4 bereits gelöst. Das Verfahren des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 beruhe somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VIII. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1

Anhand der Gitterstruktur der haftvermittelnden Lackschicht könne man erkennen, dass dieser Lack ein Siebdrucklack sei. Man könne durch entsprechende Untersuchungen auch die Zusammensetzung des Lacks ermitteln und daraus auf den Lacktyp schließen. So seien für Siebdrucklack typische Pigmente und Lösungsmittel nachweisbar. Es sei somit auch am fertigen Aufzeichnungsträger des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag feststellbar, ob es sich bei dem auf die Polycarbonatschicht aufgebrachten Lack um einen Siebdrucklack handele oder nicht.

Artikel 123 (2) EPÜ

Das Thermodruckverfahren zum Aufdrucken der Information auf die haftvermittelnde Lackschicht sei in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nur als ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel dargestellt. Der ursprünglich eingereichte Anspruch 5 lasse das Druckverfahren offen. Somit gehe der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.

Artikel 83 EPÜ

Nicht alle Lacke könnten im Siebdruckverfahren aufgetragen werden, sodass die Zahl der Lacke durch die Einschränkung auf Siebdrucklacke, also Lacke, die im Siebdruckverfahren aufgetragen werden könnten, eingeschränkt sei. Alle Siebdrucklacke, die auf Polycarbonat hafteten und für den Aufdruck von Information auf die Lackschicht geeignet seien, kämen in Frage. Stelle sich ein Siebdrucklack tatsächlich als ungeeignet heraus, so werde ihn der Fachmann natürlich nicht verwenden. Die Erfindung sei somit im Streitpatent so deutlich offenbart, dass sie von einem Fachmann ausgeführt werden könne.

Neuheit, Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1

Dokument D1 zeige eine Thermodruckfolie, mit der man Substrate bedrucke. Aus der Gesamtoffenbarung dieses Dokuments ergebe sich, dass es sich dabei um eine abschnittsweise mit Farbschichten versehene Folie handele. Diese Farbschichten würden im sogenannten "wire bar"-Verfahren aufgebracht, siehe Spalte 13, Zeilen 11 bis 16. Dies betreffe aber nicht den Aufzeichnungsträger. Man könne mit solchen Folien nur PVC bedrucken, nicht aber Polycarbonat.

Dokument D4 zeige eine farbstoffaufnehmende Schicht aber keine haftvermittelnde Schicht. Diese Schicht könne eine Folie sein. Ein auf Polycarbonat aufgebrachter Lack sei jedoch nicht gezeigt. Zudem fehle jeglicher Hinweis auf den Siebdruck. Somit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 neu.

Zulässigkeit des Hilfsantrags 2

Im Hilfsantrag 2 seien lediglich die Produktansprüche gestrichen worden, so dass nichts gegen die Zulässigkeit dieses Antrags spräche.

Neuheit, Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2

Beim Verfahren des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 sei der Siebdrucklack eindeutig als solcher erkennbar. Die Dokumente D1 und D4 gäben keine Hinweise darauf, dass darin Siebdrucklacke zur Anwendung kämen. Das Verfahren dieses Anspruchs sei somit neu.

Erfinderische Tätigkeit, Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2

Es sei schwierig, den nächstliegenden Stand der Technik anzugeben. Ausgehend von Dokument D4 könne man die durch das Streitpatent zu lösende Aufgabe als die Verbesserung der Haftfähigkeit eines Aufdrucks auf Polycarbonat bezeichnen. Es habe sich in der Praxis der überraschende Effekt gezeigt, dass Siebdrucklack auf Polycarbonat eine besonders gute Eignung als Haftvermittler habe. Die Ursache hierfür sei nicht bekannt. Dokument D4 verwende Harze als Haftvermittler und könne deshalb auf diesen Effekt nicht hinweisen. Auch Dokument D1 rege nicht dazu an, auf Polycarbonat einen Siebdrucklack aufzubringen. Das Verfahren des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 beruhe somit auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1

1.1 Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sagt aus, dass der auf die Oberfläche der Polycarbonatschicht aufgebrachte Lack ein Siebdrucklack ist. Unter "Siebdrucklack" versteht ein Fachmann einen Lack, dessen Viskosität und Trocknungseigenschaften so beschaffen sind, dass dieser Lack im Siebdruckverfahren aufgetragen werden kann (vgl. Dokument D10, Zeilen 1 bis 5 des Kapitels "Siebdruckfarben"). Ein bereits getrockneter Lack vermag allerdings nicht zu zeigen, welche Viskosität er im auftragsfähigen Zustand hatte und wie schnell er getrocknet ist. Auch anhand von im Lack möglicherweise vorhandenen Pigmenten kann man nicht auf eine besondere Lackart schließen, denn Pigmente sind in vielen Lackarten enthalten. Das gleiche trifft auf Lösungsmittel zu. Sollten überhaupt Lösungsmittelrückstände im getrockneten Lack nachweisbar sein, so können sie keinen Aufschluss über die Lackart geben, denn die in Siebdrucklacken verwendeten Lösungsmittel (vgl. Dokument D10, Kapitel "Siebdruckfarben", Absatz "Lösemittel") finden ebenfalls in vielen Lackarten Anwendung.

Daraus ergibt sich, dass das Merkmal des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, dass der Lack ein Siebdrucklack ist, nicht als ein den Gegenstand dieses Anspruchs kennzeichnendes Merkmal dienen kann. Dies bedeutet, dass dieses Merkmal keine Unterscheidungskraft hat und beim Vergleich mit dem Stand der Technik unberücksichtigt zu bleiben hat.

1.2 Im Gegensatz zu Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, wo die Art des Auftrags des Siebdrucklacks offen gelassen war, enthält Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 das Merkmal, dass der auf die Polycarbonatoberfläche aufgetragene Lack ein im Siebdruckverfahren aufgetragener Siebdrucklack ist. Es mag nicht auszuschließen sein, dass unter bestimmten Umständen bei einem im Siebdruckverfahren aufgetragenen Lack nach dessen Trocknung noch die Gitterstruktur des Siebs erkennbar ist. Dies ist jedoch nicht notwendigerweise so, sondern hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. der Gestaltung des Siebs, der Auftragsmenge, der zu bedruckenden Oberfläche, etc.

Somit stellt auch das Merkmal, dass der Lack ein im Siebdruckdruckverfahren aufgetragener Siebdrucklack ist, kein den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 kennzeichnendes Merkmal dar. Auch dieses Merkmal hat somit beim Vergleich mit dem Stand der Technik unberücksichtigt zu bleiben.

2. Artikel 123 (2) EPÜ

Auf Seite 2, Zeile 31 bis Seite 3, Zeile 5 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (PCT-Veröffentlichung), wird erläutert, dass oberflächenbehandeltes Polycarbonat insbesondere mit einem Thermodruckverfahren bedruckbar ist, wobei über die Art der Oberflächenbehandlung nichts gesagt wird. Im weiteren Text (Seite 3, Zeilen 7 bis 19) wird erläutert, dass eine Oberflächenbehandlung mit einem Siebdrucklack besonders geeignet ist, weil im Thermodruckverfahren aufgebrachte Farbstoffe dann sehr gut haften. Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass ein anderes Druckverfahren zusammen mit der Oberflächenbehandlung durch Siebdrucklack von der Offenbarung ausgeschlossen ist. Die beschriebene Kombination ist vielmehr als eine bevorzugte Möglichkeit dargestellt (vgl. Seite 3, Zeilen 29 bis 31). Auch der ursprünglich eingereichte Anspruch 5, wenn er sich (über Anspruch 4) nur auf den Anspruch 1 bezieht, offenbart einen Aufzeichnungsträger, der einen Siebdrucklack aufweist, das Druckverfahren zum Aufdruck der Information aber offen lässt.

Die Kammer ist deshalb der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und gemäß der Hilfsanträge 1 und 2 nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, so dass die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt sind.

3. Artikel 83 EPÜ

Auch wenn unter die Bezeichnung "Siebdrucklack" eine große Anzahl von Lacken fällt, so sind dem Fachmann im Streitpatent dennoch Anhaltspunkte gegeben, mit denen diese Anzahl gezielt eingeschränkt werden kann. Neben der grundsätzlichen Eigenschaft, im Siebdruckverfahren aufgetragen werden zu können, muss der Lack nämlich noch weitere Eigenschaften aufweisen. Er soll auf ein Substrat aus Polycarbonat aufgetragen werden, muss also auf diesem Material haften und mit diesem Material verträglich sein, und er muss als Haftschicht für den Informationsaufdruck dienen, muss also für das zum Aufdruck der Information ausgewählte Druckverfahren als Untergrund geeignet sein. Selbst wenn der im Streitpatent genannte spezielle Lack PVC 70/2110 (vgl. Spalte 3, Zeilen 12 bis 14) nicht für jedermann verfügbar sein sollte, liegt kein Nachweis vor, dass der Fachmann nicht in der Lage wäre, mit vertretbarem Aufwand anhand dieser Kriterien einen geeigneten Siebdrucklack auswählen.

Die Kammer ist deshalb der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und gemäß der Hilfsanträge 1 und 2 im Streitpatent so deutlich und vollständig offenbart ist, dass er von einem Fachmann ausgeführt werden kann. Die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ sind somit erfüllt.

4. Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und gemäß Hilfsantrag 1

Dokument D4 offenbart einen Aufzeichnungsträger mit farbigen Bildinformationen (vgl. Seite 2, Zeilen 3 bis 8). Auf Seite 3, Zeilen 40 und 41 dieses Dokuments, werden die für diesen Aufzeichnungsträger in Frage kommenden Materialien genannt. Dabei wird angegeben, dass man keine zusätzliche Bildempfangsschicht benötigt, sollte aus diesen Materialien Vinylchlorid/Vinylazetat-Copolymer ausgewählt werden. Bei Verwendung eines Materials, das selbst nicht geeignet ist, die Bildinformation aufzunehmen, wird eine Bildempfangsschicht benötigt (vgl. Seite 3, Zeilen 41 bis 45). Da von den vier aufgeführten Materialien zu einem gesagt wird, dass es für den direkten Auftrag der Bildinformation geeignet ist, ergibt sich direkt und unmittelbar, dass für die restlichen der genannten Materialien, die diese Eignung nicht aufweisen, darunter Polycarbonat, diese zusätzliche Bildempfangsschicht benötigt wird. Als Material für die Bildempfangsschicht gibt Dokument D4 übliche Harze an (vgl. Seite 3, Zeilen 49 und 50). Da solche Harze in flüssigem Zustand aufgetragen werden, fallen sie unter die Bezeichnung "Lacke". Da diese Harzschicht in dem Anwendungsfall gemäß Dokument D4 die Farbaufnahmefähigkeit des ansonsten nicht farbaufnahmefähigen Aufzeichnungsträgers bewirkt und somit dafür sorgt, dass die Bildinformationen auf dem Aufzeichnungsträger haften, ist sie als haftvermittelnder Lack zu bezeichnen. Somit offenbart Dokument D4, dass die Oberfläche des Aufzeichnungsträgers durch Auftragen eines haftvermittelnden Lacks behandelt ist.

Wie oben unter Punkt 1 ausgeführt, müssen das Merkmal des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, dass der Lack ein Siebdrucklack ist, und das Merkmal des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1, dass der Lack ein im Siebdruckverfahren aufgetragener Siebdrucklack ist, beim Vergleich mit dem Stand der Technik außer Betracht bleiben. Dies bedeutet, dass Dokument D4 den Gegenstand dieser Ansprüche neuheitsschädlich vorweg nimmt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 erfüllen somit nicht die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ.

5. Zulässigkeit des Hilfsantrags 2

Die Ansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag 2 entsprechen den Ansprüchen 12 bis 18 gemäß Hilfsantrag 1. Die Ansprüche 1 bis 11 gemäß Hilfsantrag 1 werden im Hilfsantrag 2 nicht mehr weiterverfolgt. Das Streichen von Ansprüchen ohne Veränderung der beibehaltenen Ansprüche kann in einem Einspruchsbeschwerdeverfahren nicht als Überraschung angesehen werden. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn wie im vorliegenden Fall, die gestrichenen Ansprüche eine Gruppe von Sachansprüchen und die weiterverfolgten Ansprüche eine Gruppe von den Sachansprüchen entsprechenden Verfahrensansprüchen darstellen. Es ist von einer am Verfahren beteiligten Partei zu erwarten, dass sie auf die Diskussion von Ansprüchen unterschiedlicher Kategorien vorbereitet ist. Auch wenn der Hilfsantrag 2 erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegt wurde, sieht die Kammer deshalb keinen Grund, diesen Antrag nicht zuzulassen.

6. Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2

Die Verfahrensmerkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 entsprechen inhaltlich den Sachmerkmalen des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag. Im Gegensatz zum fertigen Aufzeichnungsträger ist beim Verfahren zu dessen Herstellung erkennbar, welcher Art der haftvermittelnde Lack ist. Da dem Dokument D4 jedoch nicht direkt und unmittelbar zu entnehmen ist, dass das haftvermittelnde Harz ein Siebdrucklack ist, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 neu gegenüber Dokument D4. Gleiches gilt für den Vergleich dieses Gegenstands mit Dokument D1.

7. Erfinderische Tätigkeit beim Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2

Dokument D4 ist als der nächstliegende Stand der Technik anzusehen. Wie oben unter Punkt 6 ausgeführt, unterscheidet sich das Verfahren des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 davon dadurch, dass ein Siebdrucklack, also ein im Siebdruckverfahren auftragbarer Lack, als Haftvermittler Verwendung findet. Über die Art des Auftrags dieses Lacks und über die Art des Auftrags der Bildinformationen auf die behandelte Oberfläche des Polycarbonatträgers macht Anspruch 1 keine Aussage.

Die Beschwerdegegnerin führte aus, dass grundsätzlich mit allen in den großen Bereich "Siebdrucklack" fallenden Lacken und für alle denkbaren Druckverfahren zum Auftrag der Bildinformationen der von ihr behauptete überraschende Effekt einer besonders guten Haftung auf Polycarbonat und einer besonders guten Eignung als Druckuntergrund für die Bildinformationen erzielbar sei. Die Kammer kann diesem Vortrag in dieser Allgemeinheit und ohne Beleg für die Richtigkeit dieser Aussage nicht folgen. Da die Beschwerdegegnerin auch selbst nicht erklären konnte, worauf dieser angebliche Effekt überhaupt beruht, ist diese Aussage auch nicht nachvollziehbar. Die dem Streitpatent zugrunde liegende Erfindung besteht somit nicht in der Erkenntnis, dass die Verwendung von Siebdrucklack an sich die im zweiten Aufgabenteil der in Absatz [0006] des Streitpatents gestellten Aufgabe erfüllt. Der Unterschied zum Stand der Technik gemäß Dokument D4 ist lediglich darin zu sehen, dass bei einem Träger aus Polycarbonat als haftvermittelnde Schicht (Farbempfangsschicht) ein im Siebdruckverfahren auftragbarer Lack verwendet wird. Dokument D4 nennt für den Zweck der Haftvermittlung geeignete Harze und verweist zum Aufbringen dieser Harzschicht in den Beispielen auf das "gravure coating"-Verfahren, also auf das Aufbringen mittels einer gravierten Rolle. Der Fachmann kennt jedoch verschiedene Formen, solche Harzschichten auf einen Träger aufzubringen, und er wird diese auch in Betracht ziehen. Hierbei wird er, nach Ansicht der Kammer, auch Lacke in Betracht ziehen, die von ihrer Beschaffenheit grundsätzlich geeignet sind, in irgendeiner Form im Siebdruck verarbeitet werden zu können. Hierbei ist auch zu beachten, dass das Streitpatent weder Einschränkungen hinsichtlich der Art des Siebdruckverfahrens macht, noch irgendwelche Spezifikationen zur Konsistenz des Lacks vorgibt.

Somit vermag die Kammer im Verfahren des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 keine erfinderische Tätigkeit gegenüber Dokument D4 zu erkennen, so dass dieses Verfahren die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Das Patent wird widerrufen.

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