T 0730/06 () of 30.9.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:T073006.20080930
Datum der Entscheidung: 30 September 2008
Aktenzeichen: T 0730/06
Anmeldenummer: 96810887.8
IPC-Klasse: E06B 3/663
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Abstandhalter für Mehrscheiben-Isolierverglasung
Name des Anmelders: Saint-Gobain Vitrage Suisse AG
Name des Einsprechenden: ENSINGER GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Patentinhaberin hat am 12. Mai 2006 gegen die Entscheidung vom 3. April 2006, mit der die Einspruchsabteilung das Patent Nr. 0852280 (auf der Basis der Europäischen Patentanmeldung 96810887.8) widerrufen hat, Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet.

Mit ihrer am 9. August 2006 eingegangenen Beschwerdebegründung hat die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) die Aufhebung dieser Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents beantragt. Hilfsweise hat die Beschwerdeführerin die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

II. Die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) hat mit Schreiben vom 13. März 2007 beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

III. Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 2. Mai 2008 hat die Kammer ihre vorläufige Meinung mitgeteilt und die in der Verhandlung zu diskutierenden wesentlichen Aspekte dargestellt.

IV. Der im Verfahren berücksichtigte Stand der Technik setzt sich aus folgenden Dokumenten zusammen:

- D1: EP-B- 0127739

- D2: US-A- 5260112

- D4: EP-A- 0430889

- D5: EP-A- 0113209

- D6: EP-B- 0069558

- D9: Publikation der GEP General Electric Plastics Europe, Mai 1987: "LEXAN® Polycarbonat, Technische Thermoplaste"

V. Während der am 30. September 2008 stattgefundenen mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage folgender Unterlagen beantragt:

- Patentansprüche 1 bis 9, wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung;

- Beschreibungsseiten 2 und 3, wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung;

- Figur, wie erteilt;

wobei der Wortlaut des unabhängigen Patentanspruchs 1 wie folgt lautet:

"Abstandhalter für Mehrscheiben-Isolierverglasung, mit

einem Grundkörper (5), der zwei zueinander parallel verlaufende Anlageflächen (9, 11) für die Scheiben (1, 3) und eine die beiden Anlageflächen verbindende, dem Verglasungs-Innenraum abgewandte Verklebungsfläche (19) aufweist, wobei der Grundkörper (5) aus glasfaserverstärktem Kunststoff besteht und

eine Metall-Schicht (21) auf der Verklebungsfläche (19) angeordnet ist, wobei die Metall-Schicht (21) auf der ganzen Verklebungsfläche (19) aufgeklebt ist,

dadurch gekennzeichnet, dass der Anteil an kurzfaserigen Glasfasern im Kunststoff derart gewählt ist, dass der Wärmeausdehnungskoeffizient des Grundkörpers (5) demjenigen der Metall-Schicht (21) angeglichen ist, wobei die Metall-Schicht eine mit dem Grundkörper verklebte Metall-Folie ist, die eine Dicke unter 0,1 mm aufweist."

VI. Im Wesentlichen argumentiert die Beschwerdeführerin wie folgt:

Die während der mündlichen Verhandlung eingereichten Unterlagen seien als Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer eingereicht worden und schränken den beanspruchten Gegenstand ein. Die vorgenommenen Änderungen seien weder sehr umfangreich noch überraschend. Somit wären die geänderten Unterlagen noch zuzulassen.

Die Änderungen des Anspruchs 1 seien offenbart und beinhalten keine unzulässige Erweiterung.

Der Begriff "angeglichen" habe die gleiche Bedeutung wie "Abgleich" im Absatz [0015] der Beschreibung explizit offenbart, nämlich den Wert des Wärmeausdehnungskoeffizients (folgend WAK-Wert) des Kunststoffs durch das Einmischen von kurzen Glasfasern nicht nur allgemein "anzupassen", sondern so weit herunter zu setzen, dass der Unterschied zum WAK-Wert der Metallfolie möglichst klein sei.

Der Fachmann erkenne zweifellos, dass die Wahl der Dicke (0,1 mm) der Metallfolie unabhängig von den restlichen Angaben im Absatz [0021] der Beschreibung zu verstehen sei und ihre alleinige Aufnahme in den Anspruch keine unzulässige Verallgemeinerung darstellen könne.

Schließlich sei der beanspruchte Gegenstand neu und erfinderisch.

Ausgehend von Dokument D1 wäre die Aufgabe, den Abstandhalter so weiterzubilden, dass die Metallschicht gut hafte. Sowohl die D2 wie auch die D5 lehrten dem Fachmann lediglich, den WAK-Wert des Kunststoffs durch Beimischung von Glasfasern an den WAK-Wert des Fensterglases anzupassen, dabei weise die Struktur der D5 nicht einmal eine Metallfolie auf. Der D4 könne der Fachmann auch nicht die Lehre entnehmen, die WAK-Werte des Kunststoffs und der Metallschicht anzugleichen, um ein Abplatzen der Metallfolie zu verhindern, da dort erfindungswesentlich das Metall sehr dünn auf das Kunststoffprofil aufgesputtert werde.

Dokument D4 könne nicht den nächstliegenden Stand der Technik darstellen, da die Metallbeschichtung nicht aufgeklebt, sondern als äußerst dünne aufgesputterte Schicht angebracht sei, und folglich ein Haftungsproblem mit dem Kunststoffteil überhaupt nicht auftreten könne.

Außerdem könne ein konkretes Ausführungsbeispiel aus der in Spalte 1, Zeile 40, zitierten D6 nicht als maßgebender Inhalt des Stands der Technik nach D4 angesehen werden.

Im Übrigen würde kein Fachmann von der allgemeinen Lehre der D4 so weit abweichen und einen wesentlichen Aspekt der in D4 angebotenen Lösung, nämlich das Auftragen der Metallschicht durch ein Sputterverfahren, durch ein anderes Verfahren (das Aufkleben einer mehrfach dickeren Metallfolie) ersetzen bzw. austauschen.

VII. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragt:

- die verspätet eingereichten geänderten Unterlagen zur Aufrechterhaltung des Patents in das Verfahren nicht zuzulassen, sowie;

- die Beschwerde zurückzuweisen, da die geänderten Unterlagen die Vorschriften des Artikels 123(2) EPÜ verletzten und der darin definierte Erfindungsgegenstand nicht patentfähig (Artikel 100(a) EPÜ) sei.

Die Beschwerdegegnerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

Die während der mündlichen Verhandlung eingereichten Unterlagen seien verspätet und hätten schon viel früher eingereicht werden müssen. Sie könnten nicht als Reaktion auf die mit der Ladung zugesendete Mitteilung der Kammer gelten, da das Hauptanliegen seit Beginn des Einspruchsverfahrens unverändert das Kennzeichen des Anspruchs 1 bzw. seine Auslegung betroffen habe.

Der geänderte Anspruch 1 verletze die Vorschriften des Artikels 123(2) EPC, weil:

- der anstelle von "angepasst" eingeführte Begriff "angeglichen" nicht offenbart sei; im Absatz [0015] der Beschreibung werde diesbezüglich lediglich auf einen Abgleich der Wärmeausdehnungskoeffizienten (WAK) verwiesen, wobei Abgleichen die engere Bedeutung der Identität der WAK habe, im Vergleich zu dem Begriff "Angleichen", der lediglich ein allgemeines Anpassen bedeute;

- das die Dicke (0,1 mm) der Metallfolie betreffende, im Anspruch 1 hinzugefügte Merkmal aus dem offenbarten Gesamtinhalt des im Absatz [0021] der Beschreibung definierten Ausführungsbeispiels Patents isoliert herausgenommen wurde, d.h. ohne Aufnahme der restlichen und mitwirkenden Merkmale des in diesem Absatz beschriebenen Maßnahmenpakets zur Verbesserung der Wärmedämmung (wie z.B. die U- oder V-förmige Gestalt der Verklebungsfläche); dadurch stelle der beanspruchte Gegenstand eine nicht ursprünglich offenbarte Verallgemeinerung dar.

Zudem würde sich der beanspruchte Gegenstand in naheliegender Weise aus der Zusammenschau der Dokumente D1 mit D2 oder D4 bzw. der Dokumente D4 mit D2 herleiten lassen, wobei die Lehre der D4 auch die Offenbarung des in D4 zitierten Dokuments D6 und des in D9 nachlesbaren allgemeinen Fachwissens mit einschließe.

Außer der unbestritten nachgewiesenen Übereinstimmung der Merkmale offenbare die D1 implizit auch den Glasfasertyp, nämlich Kurzfasern, weil diese bekanntlich billiger und wirtschaftlicher seien. Der Begriff "angeglichen" anstelle von "angepasst" habe die gleiche unveränderte Bedeutung, dass der WAK-Wert des Kunststoffs durch Hinzufügen von Glasfasern demjenigen des Metalls angenähert sei. Gegenüber der D1 würde sich der beanspruchte Gegenstand lediglich durch die Angabe der Dicke der Metallfolie (kleiner als 0,1 mm) unterscheiden. Es sei dem Fachmann bekannt und auch in D2 oder D4 nachzulesen, dass die als Dampfsperre wirkende Metallschicht möglichst dünn sein sollte, um die Wärmeübertragung durch das Metall zu reduzieren. Die Wahl der Foliendicke habe auch keine Zusammenwirkung mit dem Merkmal bezüglich des Anpassens bzw. des Angleichens der WAK-Werte. Außerdem könne bei einer Metallfolie dünner als 0,1 mm aus technischer Sicht allenfalls eine Zerreißgefahr, aber keine Abplatzgefahr bestehen.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung hat die Kammer ihre Entscheidung verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen - Artikel 123 EPÜ

2.1 Der Wortlaut des geltenden Anspruchs 1 weist gegenüber der erteilten Fassung folgende Änderungen auf:

- Streichen der Alternative "aufgedampft" im Merkmal:

"wobei die Metall-Schicht (21) auf der ganzen Verklebungsfläche (19) aufgeklebt oder aufgedampft ist",

- Ersetzen des Begriffs "angepasst" durch "angeglichen"

im Merkmal:

"dass der Anteil an kurzfaserigen Glasfasern im Kunststoff derart gewählt ist, dass der Wärmeausdehnungskoeffizient des Grundkörpers (5) demjenigen der Metall-Schicht (21) angeglichen angepasst ist",

- Hinzufügen des Merkmals:

"wobei die Metall-Schicht eine mit dem Grundkörper verklebte Metall-Folie ist, die eine Dicke unter 0,1 mm aufweist."

2.2 Das Streichen des Merkmals "aufgedampft" betrifft eine reine Einschränkung auf die Ausführungsform einer verklebten Metallfolie und ist deshalb zulässig.

2.3 Die von der Beschwerdegegnerin vorgetragenen Argumente zur Stützung des Einwands nach Artikel 123(2) EPÜ hinsichtlich des Begriffs "angeglichen" sind nicht überzeugend.

Im Absatz [0015] des Patents (entspricht dem die Seiten 2 und 3 überbrückenden Absatz in der veröffentlichten Anmeldung EP-A) wird erläutert, was unter einem guten "Abgleich" der WAK (Wärmeausdehnungskoeffizienten) des mit kurzen Glasfasern versehenen Kunststoffs und des Metalls zu verstehen ist, nämlich dass der Unterschied der WAK-Werte möglichst klein sein muss. Damit ist für den Fachmann klar, dass der WAK-Wert des glasfaserverstärkten Kunststoffs dem WAK-Wert der Metallschicht nicht nur "angepasst", im Sinne von "angenähert", sondern so nahe wie möglich sein muss.

Der Begriff "angeglichen" ist in dieser Sache also ein reines Synonym von "abgeglichen".

Somit stellt die Änderung des erteilten Begriffs "angepasst" durch "angeglichen" eine Einschränkung dar, welche inhaltlich ursprünglich offenbart war.

2.4 Das Hinzufügen des letzten kennzeichnenden Merkmals:

"wobei die Metall-Schicht eine mit dem Grundkörper verklebte Metall-Folie ist, die eine Dicke unter

0,1 mm aufweist"

definiert keine, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, unzulässige Erweiterung im Sinne von Artikel 123(2) EPÜ.

Es kann der Beschwerdegegnerin soweit zugestimmt werden, dass dieses die Dicke der Metallfolie definierende Merkmal zusammen mit anderen Merkmalen im Absatz [0021] des Patents (entspricht dem letzten Absatz der Beschreibung in EP-A) offenbart ist.

Dies bedeutet dennoch nicht, dass die im Absatz [0021] beschriebenen Merkmale zwangsläufig zusammenwirken und/oder eine ans sich geschlossene Sonderausführungsform der Erfindung betreffen. Der durch die gewählte Dicke von unter 0,1mm für die aufgeklebte Metallfolie erzielbare Vorteil soll darin bestehen, die Wärme- bzw. Kälteübertragung der Metallfolie zu verringern.

Dass z.B. der Weg zwischen den beiden Glasscheiben durch eine U- oder V-förmige Ausgestaltung der Verklebungsfläche verlängert wird, so dass dadurch die Wärme- bzw. Kälteübertragung noch zusätzlich reduziert werden könnte, steht als eine zusätzliche, aber von der Wahl der Dicke vollkommen unabhängige und funktionell getrennte Maßnahme dar. Gleiches gilt für die anderen im Absatz [0021] beschriebenen Detailmerkmale.

Die alleinige Aufnahme des die Dicke der Metallfolie definierenden Merkmals in den unabhängigen Anspruch stellt somit weder eine nicht offenbarte Verallgemeinerung des Ausführungsbeispiels gemäß Absatz [0021] noch eine sonstige unzulässige Erweiterung gegenüber der ursprünglich beschriebenen Erfindung dar.

2.5 Die Änderungen der abhängigen Ansprüche und der Beschreibung betreffen lediglich die notwendige Anpassung an die geänderte Definition der Erfindung.

2.6 Die geänderten Unterlagen des Patents genügen somit den Erfordernissen des Artikels 123 EPÜ.

3. Neuheit

Kein zitiertes Dokument zeigt die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 in Kombination mit dem Oberbegriff.

Die Neuheit des Gegenstands des geänderten Anspruchs 1 wurde von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1 Nächstliegender Stand der Technik

4.1.1 Der nächstliegende Stand der Technik wird durch den Abstandshalter für Mehrscheiben-Isolierverglasung gemäß EP-B- 127 739 (D1) dargestellt.

Dieser Abstandshalter 10 weist einen Grundkörper 12 auf, mit zwei parallel verlaufenden Anlageflächen 14,16 für die Scheiben (Spalte 2, Zeilen 8 bis 14) und mit einer die beiden Anlageflächen verbindenden, dem Verglasungs-Innenraum abgewandten Verklebungsfläche (entspricht der unteren Fläche gemäß Darstellung der einzigen Figur, Spalte 2, Zeilen 45 bis 49). Der Grundkörper 12 besteht aus einem glasfaserverstärkten Kunststoff (Spalte 2, Zeilen 41 bis 44). Eine dampfdiffusionshemmende Metallschicht 26 ist auf der ganzen Verklebungsfläche des aus glasfaserverstärktem Kunststoff bestehenden Grundkörpers 12 aufgeklebt (siehe Spalte 2, Zeilen 41 bis 61, Ansprüche 1 bis 3, 6 und 6, Figur).

4.1.2 Aufgrund der gegenüber dem erteilten Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen, und insbesondere der Einschränkung des beanspruchten Gegenstands auf bis 0,1mm dicke verklebte Metallfolien, kann der Gegenstand der D4 nicht mehr als Ausgangspunkt angesehen werden. Dort wird nämlich eine dampfdiffusionshemmende Schicht 21 aus Metall bzw. Metalloxid auf den Grundkörper 1 als sehr dünne Schicht (70 bis 400nm) aufgesputtert (Spalte 4, Zeilen 12 bis 36 und 45 bis 50), was an sich schon eine gute Haftung gewährleistet.

Ein späteres Lösen oder Abplatzen der Schicht von dem aus Kunststoff bestehenden Grundkörper wird bereits durch das auftragende Aufsputterverfahren im wesentlichen ausgeschlossen.

Damit disqualifiziert sich die D4 zugunsten der D1 als nächstliegender Stand der Technik.

4.1.3 Es kann an dieser Stelle noch vermerkt werden, dass dieser Sachverhalt auch dann bestehen bleibt, wenn man, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, den Inhalt der in D4 zitierten D6 mitlesen würde.

Die in D6 beschriebenen Ausführungsbeispiele setzen "LEXAN® 3412" (Spalte 2, Zeile 59 der D6) oder "LEXAN® 3414" (Spalte 3, Zeile 3 der D6) als glasfaserverstärktem Kunststoff ein.

Die in D9 nachzulesenden WAK-Werte derartiger Polycarbonate (LEXAN®) liegen bei 20x10**(-6-1)für LEXAN® 3414 und bei 30x10**(-6-1)für LEXAN® 3412; für Stahl bzw. Aluminium liegen diese bei 10-16x10**(-6-1)bzw. 23x10**(-6-1).

Von der Vielzahl der in D4, unter Berücksichtigung der D6, zusammenstellbaren Materialkombinationen gibt es möglicherweise einige wenige, bei denen die WAK-Werte des Kunststoffs und der Metallfolie ziemlich nahe beieinander liegen, wie bei LEXAN® 3414 und Aluminium.

Allerdings beinhaltet D4 mehrheitlich Kombinationen, bei denen die WAK-Werte deutlich unterschiedlich ausfallen, z.B.:

- 30% Differenz zwischen LEXAN® 3412 (30x10**(-6-1)) und Aluminium (23x10**(-6-1));

- 57% Differenz zwischen LEXAN® 3412 und

Nickel (13x10**(-6-1));

- 50% Differenz zwischen LEXAN® 3414 (20x10**(-6-1)) und Titan (10,8x10**(-6-1)).

Der Inhalt der D4 enthält auch unter Betrachtung des Inhalts der D6 keine allgemeine Lehre, den Kunststoff und die Metallbeschichtung so zu wählen, dass die WAK-Werte stets angeglichen sind; es kann auch implizit keine derartige Lehre aus den Beispielen hergeleitet werden.

4.1.4 Im Ergebnis stellt sich heraus, dass der Stand der Technik gemäß D4 (ggfs. mit Berücksichtigung des Inhalts der D6) auch zu diesem Aspekt der Erfindung nicht relevanter als D1 sein kann.

4.2 Der beanspruchte Gegenstand unterscheidet sich von dem Abstandshalter gemäß D1 durch die kennzeichnenden Merkmale:

- indem der Anteil an kurzfaserigen Glasfasern im Kunststoff derart gewählt ist, dass der Wärmeausdehnungskoeffizient des Grundkörpers (5) demjenigen der Metall-Schicht (21) angeglichen ist,

- wobei die Metall-Schicht eine mit dem Grundkörper verklebte Metall-Folie ist, die eine Dicke unter 0,1 mm aufweist.

4.2.1 Die Bedeutung des Begriffs "angeglichen" wurde bereits im obigen Absatz 2.3 definiert, nämlich dass der Unterschied der Wärmeausdehnungskoeffizienten (WAK) des mit kurzfaserigen Glasfasern gefüllten Kunststoffs und der Metall-Schicht so klein wie möglich sein soll (wie im Absatz [0015] des Patents offenbart).

4.2.2 Dementsprechend ist das erste kennzeichnende Merkmal so auszulegen, dass die dem Kunststoff beigemischte Menge an kurzen Glasfasern so bestimmt ist, dass der WAK des Kunststoffs allein so reduziert oder herabgesetzt wird, bis möglichst der gleiche Wert wie für den WAK des Metalls erhalten wird.

Dadurch wird erreicht, dass die dampfdiffusionshemmende Metallschicht unter Einfluss der umgebenden Temperaturschwankungen bzw. -gradienten sich etwa in gleichem Masse wie der Grundkörper aus glasfaserverstärktem Kunststoff ausdehnt bzw. schrumpft.

Dadurch wird für eine gute Haftung der verklebten Metallschicht von einer Dicke unter 0,1 mm an dem Grundkörper gesorgt; es kann insbesondere ein Abplatzen der Metallschicht verhindert werden (Absatz [0015] des Patents).

4.2.3 Dem ausgewählten Glasfasertyp, nämlich kurzen Glasfasern, kann außer der angestrebten Reduzierung des WAK-Wertes des Kunststoffs keine spezielle technische Wirkung zuerkannt werden.

Die Wahl von kurzen statt langen Glasfasern beruht allein auf ökonomischen oder wirtschaftlichen Gründen, da sie vom Preis sowie von ihrer Bearbeitung in einem Herstellungsprozess her bekanntlich günstiger ausfallen, zumal die in dem Erfindungsgegenstand eingesetzten Glasfasern keine zusätzliche Funktion, wie das mechanische Verstärken des Kunststoffprofils, aufweisen müssen.

4.3 Die von den kennzeichnenden Merkmalen herleitbare Aufgabe kann also, ähnlich wie im Absatz [0007] des Patents, lauten, einen Abstandshalter vorzusehen, der insgesamt eine geringe Wärmeleitfähigkeit besitzt, und wo auch bei größeren Schwankungen der Betriebstemperaturen die als Dampfsperre wirkende Metallschicht am Kunststoffgrundkörper gut haftet.

4.4 Wie bereits im obigen Absatz 4.2.3 dargelegt, bietet sich die Wahl von kurzen (anstatt langen) Glasfasern als die am besten geeignete Alternative an, um den WAK-Wert des Kunststoffprofils herunterzusetzen. Der Fachmann hätte somit diesen Schritt als völlig naheliegende Maßnahme angesehen.

4.5 Zur erfinderischen Tätigkeit stellt sich lediglich die Frage, ob der Fachmann im zitierten Stand der Technik eine Anregung finden konnte, um die ausgehend von D1 gestellte technische Aufgabe zu lösen, und zwar mit der Maßnahme, den Anteil an kurzfaserigen Glasfasern im Kunststoff des Grundkörpers derart zu wählen, dass der Unterschied der WAK-Werte des Grundkörpers und der damit verklebten, eine Dicke unter 0,1 mm aufweisenden Metallfolie möglichst klein ist.

4.6 Diesbezüglich kann der Beschwerdeführerin zugestimmt werden, dass der Fachmann bei seinem ständigen Bestreben, die Wärmeleitung durch den Abstandshalter klein zu halten, die als Dampfsperre eingesetzte Metallfolie relativ dünn gestalten würde. So bietet beispielsweise die D2 eine 0,1mm dicke, am Grundkörper verklebte Metallfolie an (Spalte 3, Zeile 5), die D4 eine sehr dünne (70 bis 400nm) Metallschicht, allerdings in Form einer auf den Grundkörper aufgedampften bzw. aufgesputterten Beschichtung.

Das Merkmal der Dicke der Metallfolie könnte daher an sich keine erfinderische Tätigkeit begründen. Es gehört jedoch wie nachfolgend begründet zur Gesamtlösung der gestellten Aufgabe.

4.7 Keine der von der Beschwerdeführerin herangezogenen Druckschriften D2, D4 und D5 befasst sich mit dem Problem eines mangelnden Haftens bzw. des Abplatzens einer dünnen verklebten Metallfolie.

4.7.1 Der Abstandshalter gemäß D5 weist keine dampfdiffusionshemmende Metallschicht auf und kann somit auch keine Lehre vermitteln, wie eine gute Haftung derartiger Metallfolien zu sichern wäre.

4.7.2 Die Metallfolie 5 in D2 wird ausschließlich an ihren Randbereichen mit der unteren Fläche 3.1 des Grundkörpers 3 verklebt und liegt mit dem restlichen Teil lose gegen die Fläche an (Spalte 3, Zeilen 58-61). Auch hier könnte der Fachmann keine Lehre erhalten, wie die Haftung verbessert werden könnte; im Gegenteil, er würde zur Vermeidung eines Abplatzens der Folie von dem Grundkörper, wenn überhaupt, das Verkleben durch ein loses Anliegen ersetzen.

4.7.3 Zu den Eigenschaften des Aufsputterverfahrens (ein besonderes Aufdampfverfahren von sehr dünnen Metallschichten) gemäß D4 gehört das Erreichen einer guten Haftung des aufgetragenen Metalls auf den Kunststoff des Grundkörpers; die D4 umgeht somit das Problems des Lösens der Klebeverbindung, wenn auch nur in Teilbereichen, bzw. eines Abplatzens einer verklebten Metallschicht.

Falls der Fachmann in D4 eine Anregung finden möchte, dann müsste er sich von einem wie in D1 offenbarten Klebeverfahren einer Metallfolie trennen und dafür eine sehr dünne Metallbeschichtung durch Aufsputterverfahren auf den Grundkörper auftragen.

4.7.4 Zur Frage einer möglich naheliegenden Lösung muss aber auch noch festgestellt werden, dass kein Dokument explizit ein Angleichen der WAK-Werte des glasfaserverstärkten Kunststoffs und der metallischen Dampfsperrfolie offenbart.

Sowohl in D4 (siehe Spalte 2, Zeile 37) als auch in D6, welche als Stand der Technik in D4 genannt wird, werden dem Kunststoff des Abstandshalters Glasfasern ausschließlich zur mechanischen Verstärkung beigemischt. Das Verhältnis 10% bis 40% wurde in D6 deshalb gewählt, um eine erhöhte Steifigkeit des Halters schaffen zu können, ohne das Kunststoffmaterial durch die Aufnahme der Fasern bröckelig zu machen (D6: Spalte 2, Zeilen 13 bis 20).

Weitere bzw. andere Funktionen der Glasfasern werden weder in D4 selbst noch zusammen mit D6 angegeben.

Und wenn ein Stand der Technik explizit auf die Auswirkung der Glasfasern auf den WAK-Wert des Kunststoffes verweist, dann stets im folgenden Zusammenhang:

der WAK-Wert des Kunststoffs soll durch das Hinzumischen von Glasfasern dem WAK-Wert des Glases der Fensterscheiben angepasst werden.

Diese Lehre findet der Fachmann sowohl in D2 (Spalte 4, Zeilen 24 bis 29) als auch in D5 (Letzte Zeile der Seite 6 bis Zeile 3 der Seite 7)

Hätte der Fachmann die Lehre der D2 oder der D5 an den aus der D1 bekannten Abstandshalter angewendet, so hätte er durch Zumischen von Glasfasern zum Kunststoff des Grundkörpers den WAK-Wert des Kunststoffs an denjenigen des Fensterglases (7,6x10**(-6-1)) angeglichen. Da die WAK-Werte von Fensterglas und Metallfolien, insbesondere Aluminiumfolien (23x10**(-6-1)), jedoch erheblich auseinanderliegen, würde die in D2 und D5 angeregte Angleichung gerade zwangsläufig zu einem WAK-Wert des Grundkörpers führen, der erheblich von demjenigen der Metallfolie abweicht.

Die Lehre der D2 und der D5 ist daher mit der beanspruchten Angleichung nicht vereinbar, sodass diese Druckschriften den Fachmann sogar von der beanspruchten Lösung wegführen.

4.8 Daher war der beanspruchte Gegenstand aus dem vorliegenden Stand der Technik von dem Fachmann nicht ohne erfinderisches Zutun herzuleiten.

Der beanspruchte Abstandshalter beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Patentansprüche 1 bis 9, wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung;

- Beschreibungsseiten 2 und 3, wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung;

- Figur, wie erteilt.

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