European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2008:T067706.20080930 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 30 September 2008 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0677/06 | ||||||||
Anmeldenummer: | 96114436.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | C08J 5/12 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verbindungsanordnung und Verfahren zum Verbinden zweier Einzelteile eines medizinischen Systems | ||||||||
Name des Anmelders: | Fresenius AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Gambro Lundia AB | ||||||||
Kammer: | 3.3.09 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfüllung der Erfordernisse des Artikels 123(2) - ja Ausreichende Offenbarung - ja Klarheit - ja Neuheit - ja Erfinderische Tätigkeit - ja |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Erteilung des Europäischen Patents Nr. 0 769 516 auf die Europäische Patentanmeldung Nr. 96114436.7, angemeldet am 10. September 1996 im Namen der Firma Fresenius AG, mit Priorität von 16. September 1995 (DE 19534413), wurde am 11. Februar 2004 im Patentblatt 2004/07 bekannt gemacht.
Das Patent mit dem Titel "Verbindungsanordnung und Verfahren zum Verbinden zweier Einzelteile eines medizinischen Systems" wurde mit dreiundzwanzig Ansprüchen erteilt. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 15 lauten wie folgt:
"1. Verbindungsanordnung aus einem Konnektor, Einbauteil oder Anschlußstutzen (erstes Einzelteil) eines medizinischen Systems und einem Non-PVC-Mehrschichtschlauch (zweites Einzelteil) für medizinische Zwecke, bei welcher wenigstens ein Abschnitt einer Oberfläche aus einem ersten Kunststoffmaterial des ersten Einzelteils mit wenigstens einem Abschnitt einer Oberfläche aus einem zweiten Kunststoffmaterial des zweiten Einzelteils in einem Kontaktbereich, der zumindest Teile der sich berührenden Oberflächen des ersten und zweiten Einzelteils umfaßt, eine feste und dichte Verbindung miteinander bilden, welche durch Inkontaktbringen der miteinander zu verbindenden Oberflächen des ersten und zweiten Einzelteils anschließende Wärmebehandlung der in Kontakt befindlichen Oberflächen der Einzelteile und nachfolgende Abkühlung erhältlich ist,
dadurch gekennzeichnet daß,
das erste Kunststoffmaterial wenigstens ein Polymer aufweist, welches bei der Temperatur der Wärmebehandlung formbeständig ist, während das zweite Kunststoffmaterial wenigstens ein Polymer aufweist, welches bei der Temperatur der Wärmebehandlung nicht mehr formbeständig ist und unter Preßkraft zum Fließen neigt, wobei beide Kunststoffmaterialien frei von PVC oder EVA sind und
die Verbindung durch Inkontaktbringen der Oberflächen des ersten und zweiten Einzelteils unter gleichzeitiger Einwirkung einer die Oberflächen gegeneinander pressenden Kraft und Wärmebehandlung der gegeneinander gepreßten Einzelteile erhältlich ist."
"15. Verfahren zum Verbinden zweier zu einem medizinischen System gehörender Einzelteile, bei welchem unter Ausbildung eines Kontaktbereichs, der durch sich berührende Flächen des ersten und zweiten Einzelteils definiert ist, wenigstens ein Abschnitt einer Oberfläche des ersten Einzelteils aus einem ersten Kunststoffmaterial mit wenigstens einem Abschnitt einer Oberfläche des zweiten Einzelteils aus einem zweiten Kunststoffmaterial zu einer Verbindungsanordnung zusammengefügt wird, anschließend die zusammengefügte Verbindungsanordnung zur Ausbildung einer festen und dichten Verbindung zwischen erstem und zweitem Einzelteil einer Wärmebehandlung unterzogen und nachfolgend abgekühlt wird, dadurch gekennzeichnet, daß man ein erstes Kunststoffmaterial verwendet, das wenigstens ein Polymer aufweist, welches bei der Temperatur der Wärmebehandlung formbeständig ist, während man ein zweites Kunststoffmaterial verwendet, das wenigstens ein Polymer aufweist, welches bei der Temperatur der Wärmebehandlung nicht mehr formbeständig ist und zum Fließen neigt, wobei beide Kunststoffmaterialien frei von PVC und EVA sind und wobei erstes und zweites Einzelteil unter Ausbildung eines Preßsitzes zusammengefügt werden, wobei das zweite Kunststoffmaterial bei der Temperatur der Wärmebehandlung unter Einwirkung einer die Oberflächen im Kontaktbereich gegeneinander pressenden Kraft zum Fließen neigt."
Die Ansprüche 2 bis 14 sind direkt oder indirekt von Anspruch 1 abhängig und die Ansprüche 16 bis 23 sind direkt oder indirekt von Anspruch 15 abhängig.
II. Gegen das Patent legte die Firma Gambro Lundia AB Einspruch ein und beantragte den vollständigen Widerruf des Patents wegen unzureichender Offenbarung (Artikel 83 EPÜ), fehlender Neuheit (Artikel 54 EPÜ) und mangelnder erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
Zur Stütze ihrer Argumentation zitierte die Einspre chende unter anderem folgende Dokumente:
D1 : US 4 516 877
D2 : US 5 356 709
D3 : US 4 948 643
D4 : EP 0 495 729
D5 : JP 3-159655 (Teilübersetzung)
D5a: JP 3-159655 (Englische Übersetzung)
D7 : US 4 664 659
III. Die Patentinhaberin reichte während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 20. Januar 2006 einen ("Ersten") Hilfsantrag ein, dessen unabhängige Ansprüche 1 und 13 wie folgt lauten:
"1. Verbindungsanordnung aus einem Konnektor, Einbauteil oder Anschlußstutzen (erstes Einzelteil) eines medizinischen Systems und einem Non-PVC-Mehrschichtschlauch (zweites Einzelteil) für medizinische Zwecke, bei welcher wenigstens ein Abschnitt einer Oberfläche aus einem ersten Kunststoffmaterial des ersten Einzelteils mit wenigstens einem Abschnitt einer Oberfläche aus einem zweiten Kunststoffmaterial des zweiten Einzelteils in einem Kontaktbereich, der zumindest Teile der sich berührenden Oberflächen des ersten und zweiten Einzelteils umfaßt, eine feste und dichte Verbindung miteinander bilden, welche durch Inkontaktbringen der miteinander zu verbindenden Oberflächen des ersten und zweiten Einzelteils anschließende Wärmebehandlung der in Kontakt befindlichen Oberflächen der Einzelteile und nachfolgende Abkühlung erhältlich ist,
dadurch gekennzeichnet daß,
das erste Kunststoffmaterial wenigstens ein Polymer aufweist, welches bei der Temperatur der Wärmebehandlung formbeständig ist, während das zweite Kunststoffmaterial wenigstens ein Polymer aufweist, welches bei der Temperatur der Wärmebehandlung nicht mehr formbeständig ist und unter Preßkraft zum Fließen neigt, wobei beide Kunststoffmaterialien frei von PVC oder EVA sind und
die Verbindung durch Inkontaktbringen der Oberflächen des ersten und zweiten Einzelteils unter gleichzeitiger Einwirkung einer die Oberflächen gegeneinander pressenden Kraft und Wärmebehandlung der gegeneinander gepressten Einzelteile erhältlich ist,
wobei die Wärmebehandlung ein Hitze-Sterilisationsvorgang ist
und
die Temperatur der Wärmebehandlung >= 121ºC ist
und
wobei der Non-PVC-Mehrschichtschlauch für medizinische Zwecke wenigstens zwei Schichten aufweist, von denen eine Basisschicht A) aus einem dritten Kunststoffmaterial mit wenigstens einer Konnektionsschicht B) aus dem zweiten Kunststoffmaterial verbunden ist, wobei das dritte Kunststoffmaterial wenigstens ein Polymer aufweist, dessen Formbeständigkeit größer als die Temperatur der Wärmebehandlung ist, während das zweite Kunststoffmaterial wenigstens ein Polymer aufweist, welches unter Konnektionsdruck Fließfähigkeit bei einer Temperatur kleiner oder gleich der Temperatur der Wärmebehandlung aufweist." [Hervorhebung der neu eingeführten Merkmale durch die Kammer].
"13. Verfahren zum Verbinden zweier zu einem medizinischen System gehörender Einzelteile ohne zusätzliche Hilfsmaterial nur durch Hitzebehandlung, bei welchem unter Ausbildung eines Kontaktbereichs, der durch sich berührende Flächen des ersten und zweiten Einzelteils definiert ist, wenigstens ein Abschnitt einer Oberfläche des ersten Einzelteils aus einem ersten Kunststoffmaterial mit wenigstens einem Abschnitt einer Oberfläche des zweiten Einzelteils aus einem zweiten Kunststoffmaterial zu einer Verbindungsanordnung zusammengefügt wird, anschließend die zusammengefügte Verbindungsanordnung zur Ausbildung einer festen und dichten Verbindung zwischen erstem und zweitem Einzelteil einer Wärmebehandlung unterzogen und nachfolgend abgekühlt wird, dadurch gekennzeichnet, daß man ein erstes Kunststoffmaterial verwendet, das wenigstens ein Polymer aufweist, welches bei der Temperatur der Wärmebehandlung formbeständig ist, während man ein zweites Kunststoffmaterial verwendet, das wenigstens ein Polymer aufweist, welches bei der Temperatur der Wärmebehandlung nicht mehr formbeständig ist und zum Fließen neigt, wobei beide Kunststoffmaterialien frei von PVC und EVA sind und wobei erstes und zweites Einzelteil unter Ausbildung eines Preßsitzes zusammengefügt werden, wobei das zweite Kunststoffmaterial bei der Temperatur der Wärmebehandlung unter Einwirkung einer die Oberflächen im Kontaktbereich gegeneinander pressenden Kraft zum Fließen neigt, wobei man als Wärmebehandlung einen Sterilisationsvorgang vornimmt und die Wärmebehandlung bei einer Temperatur von >= 121ºC durchführt und wobei es sich beim zweiten Einzelteil um einen Non-PVC-Mehrschichtschlauch handelt, wobei der Non-PVC-Mehrschichtschlauch für medizinische Zwecke wenigstens zwei Schichten aufweist, von denen eine Basisschicht A) aus einem dritten Kunststoffmaterial mit wenigstens einer Konnektionsschicht B) aus dem zweiten Kunststoffmaterial verbunden ist, wobei das dritte Kunststoffmaterial wenigstens ein Polymer aufweist, dessen Formbeständigkeit größer als die Temperatur der Wärmebehandlung ist, während das zweite Kunststoffmaterial wenigstens ein Polymer aufweist, welches unter Konnektionsdruck Fließfähigkeit bei einer Temperatur kleiner oder gleich der Temperatur der Wärmebehandlung aufweist." [Hervorhebung der neu eingeführten Merkmale durch die Kammer].
Die Ansprüche 2 bis 12 sind direkt oder indirekt vom Anspruch 1 abhängig und die Ansprüche 14 bis 18 sind direkt oder indirekt vom Anspruch 15 abhängig.
IV. Mit ihrer am 20. Januar 2006 mündlich verkündeten und am 1. März 2006 schriftlich begründeten Entscheidung hielt die Einspruchsabteilung das Patent in geänderter Form aufrecht.
Zur Begründung führte sie hinsichtlich des Hauptantrags (erteilte Fassung) aus, dass sein Gegensand den Erfordernissen des Artikels 100(b) EPÜ zwar genüge, der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 15 aber gegenüber den Offenbarungen von D3, bzw. gegenüber D1, D3 und D4 nicht neu sei.
Hinsichtlich des Hilfsantrags führte sie aus, dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 13 den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ genüge, weil der Ausdruck "ohne zusätzliche Hilfsmittel nur durch Hitzebehandlung" von Absatz [0020] gestützt sei. Dieser Ausdruck sei im Sinne von Artikel 84 EPÜ auch klar. Auch die Neuheit des Gegenstands der genannten Ansprüche gegenüber D3 wurde anerkannt, weil dort weder - wie anspruchsgemäß gefordert - die Konnektionsschicht B direkt mit der Basisschicht A verbunden, noch zur Bildung der Verbindungsanordnung eine Hitzesterilisation bei >= 121ºC offenbart sei. Gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik D3 sei der Gegenstand der beiden unabhängigen Ansprüche auch erfinderisch, da diese Entgegenhaltung keine Lösung für die Aufgabe der Bereitstellung einer festen Verbindungsanordnung zwischen einem Schlauch und einem weiteren Einzelteil ohne zusätzliche Hilfsmittel offenbare. Zum gleichen Schluss käme der Fachmann auch wenn D5 oder D7 als nächstliegender Stand der Technik betrachtet würden, denn keines dieser Dokumente offenbare einen Mehrschichtschlauch.
V. Am 9. Mai 2006 legte die Patentinhaberin (Beschwer deführerin 01) Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein und zahlte die Beschwerdegebühr am gleichen Tag. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung und die Aufrechterhaltung des Patents in vollem Umfang.
VI. Die entsprechende Beschwerdebegründung ist am 11. Juli 2006 eingegangen.
Die Patentinhaberin argumentierte, dass D3 nicht neuheitsschädlich für den Gegenstand des Hauptantrags (erteilte Fassung) sei. Diese Entgegenhaltung offenbare nicht eindeutig eine Verbindungsanordnung mit allen Merkmalen des Anordnungsanspruchs 1. In diesem Zusammenhang bezweifelte sie die Formstabilität des in D3 offenbarten Mehrschichtschlauchs, weil nicht nur seine Außenschicht, sondern auch die benachbarte Schicht mit dem größten Volumenanteil der drei Schlauchschichten bei der Wärmebehandlung zu fließen beginnen müsse, mit der Folge dass die erforderliche strukturelle Integrität und Stabilität des Schlauches nicht gewährleistet sei. Auch werde die Siegelbarkeit der Außensicht des Schlauches mit dem Konnektor nicht durch eine Wärmebehandlung in Verbindung mit einem Presssitz erreicht, sondern durch RF-Verschweissen (RF: Radiation-Frequency). Außerdem schließe D3 weder die Verwendung von EVA noch von PVC aus. Im Bezug auf den Verfahrensanspruch 15 des Hauptantrags argumentierte sie hauptsächlich, dass D3 die Erzeugung einer Verbindung mittels eines Presssitzes nicht offenbare. Außerdem, seien D1 und D4 auch nicht neuheitsschädlich: D1 nicht, weil die dort offenbarte Verbindungsschicht 19 kein Schlauch im Sinne des beanspruchten Gegenstands sei, und D4 nicht, weil dort anstelle eines Schlauchs ein Beutel mit dreischichtigem Aufbau offenbart sei, dessen drei Schichten darüber hinaus alle aus EVA bestünden.
Bezüglich des Hilfsantrags argumentierte die Patentinhaberin in Übereinstimmung mit der Einspruchsabteilung, dass dessen Gegenstand weder unzulässig erweitert noch unklar sei. Er sei auch neu gegenüber D3, insbesondere weil die formstabile Schicht A) und die Konnektionsschicht B) unmittelbar miteinander verbunden seien. Er sei auch erfinderisch gegenüber D3 und D5 sowie Kombinationen von D5 mit D2 oder D3, und D7 mit D2 oder D3. Die beanspruchte Erfindung sei auch ausführbar, weil einerseits der Ausdruck "formbeständig" im Absatz [0036] des Patents definiert sei, und andererseits, wie auch im Ausführungsbeispiel des Patents verdeutlicht, die einzusetzenden Materialmengen mit wenigen Routineexperimenten ermittelt werden könnten.
Die Patentinhaberin beantragte, die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten oder hilfsweise die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen (d.h. das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2006 eingereichten Ansprüchen 1 bis 18 aufrechtzuerhalten).
VII. Am 2. Mai 2006 legte die Einsprechende (Beschwer deführerin 02) Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein und zahlte die Beschwerdegebühr am gleichen Tag. Die Einsprechende beantragte die Aufhebung der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung und den Widerruf des Patents in vollem Umfang.
VIII. Die entsprechende Beschwerdebegründung ist am 19. Juni 2006 eingegangen.
Die Einsprechende hielt alle vor der ersten Instanz erhobenen Einwände aufrecht. Zur Frage der Offenbarung der Erfindung argumentierte sie, dass der Ausdruck "ohne zusätzliche Hilfsmittel nur durch Hitzebehandlung" in Absatz [0020], welcher von der Patentinhaberin zur Stütze der eingeführten Änderungen angeführt wurde, nur im Zusammenhang mit der Feststellung, dass "alle Einzelteile gleichzeitig formstabil sein müssten" offenbart sei, mit der Folge dass Anspruch 13 die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ nicht erfülle. Auch sei der Ausdruck "zusätzliche Hilfsmittel" nicht klar. Ihrer Meinung nach sei D3 auch für den Gegenstand der Ansprüche 1 und 13 des Hilfsantrags neuheitsschädlich, weil dieser keine direkte Verbindung von Basisschicht und Konnektionsschicht verlange. Zur erfinderischen Tätigkeit, argumentierte die Einsprechende, dass ausgehend von D3 als nächstliegendem Stand der Technik die technische Aufgabe nur in der Entwicklung einer alternativen Schlauchstruktur liege. Die Lösung dieser Aufgabe durch Weglassen der Mittelschicht und die damit verbundene Vereinfachung der Anordnung liege für den Fachmann nahe. Zu demselben Ergebnis komme der Fachmann ausgehend von D5a oder D7 jeweils in Verbindung mit D2 oder D3. Ein weiteres Argument der Einsprechenden war, dass die technische Aufgabe nicht über die gesamte Breite des beanspruchten Gegenstandes gelöst sei, weil der Mehrschichtschlauch materialmäßig so breit definiert sei, dass eine feste, dichte Verbindung nicht in jedem Fall garantiert werden könne. Schließlich hielt die Einsprechende auch den Einwand aufrecht, dass der Ausdruck "formbeständig" in der Patentschrift nicht so definiert sei, dass er vom Fachmann realisiert werden könne.
Die Einsprechende beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent im vollen Umfang zu widerrufen.
IX. In der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2008 zog die Patentinhaberin den erteilten Anspruchsatz (den früheren Hauptantrag) zurück und machte den Anspruchsatz des früheren Hilfsantrags zu ihrem Hauptantrag.
X. Die für diese Entscheidung wichtigen, schriftlich eingereichten und mündlich vorgetragenen Argumente der Beschwerdeführerin 02 (Einsprechenden) lassen sich wie folgt zusammen fassen:
Artikel 123(2) EPÜ
- Dieser Einwand betrifft den Gegenstand des Anspruchs 13, welcher aufgrund des eingeführten Merkmals "ohne zusätzliche Hilfsmittel nur durch Hitzebehandlung" den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ nicht entspreche, weil das damit gemäß der Ursprungsoffenbarung im Zusammenhang stehende Merkmal "gleichzeitig müssen jedoch alle Einzelteile formstabil sein" fehle.
Artikel 83 EPÜ
- Die beanspruchte Erfindung sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie über die gesamte Breite des beanspruchten Gegenstandes ausführen könne, weil der Mehrschichtschlauch materialmäßig so breit definiert sei, dass eine feste, dichte Verbindung nicht in jedem Fall garantiert werden könne.
- Außerdem sei der Ausdruck "formbeständig" nicht hinreichend exakt definiert. Das Patent enthalte keine Beschreibung, wie der Fachmann zuverlässig feststellen könne, dass ein Polymer formbeständig sei. Kein einziger Test für die Formbeständigkeit sei spezifiziert.
Artikel 84 EPÜ
- Die Bedeutungen der Ausdrücke "formbeständig" und "nicht formbeständig" für die Definition der Polymere der Kunststoffmaterialien der Basisschicht A und der Konnektionsschicht B in den geänderten unabhängigen Ansprüchen 1 und 13 seien nicht klar. Es fehlen die Grenzen, welche eine Differenzierung zwischen diesen beiden Ausdrücken erlauben.
- Auch sei die Verbindung zwischen der Basisschicht A und der Konnektionsschicht B nicht klar.
- Die Bedeutung des Ausdrucks "ohne zusätzliches Hilfsmittel" sei ebenfalls unklar, weil der Fachmann das Verfahren nicht durchführen könne, ohne zu wissen was unter einem zusätzlichen Mittel zu verstehen sei. Der Ausdruck "Hilfsmittel" lasse viele alternative Realisierungsformen zu, wie z.B. auch die Verwendung eine Quetschklemme oder eines sich bezüglich der Sterilisationsvorrichtung unterscheidenden Werkzeugs.
Neuheit
- Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu angesichts der Offenbarung von D3.
- Die offenbarte Verbindungsanordnung habe die gleiche Struktur. Die offenbarte EVA Zwischenschicht sei eine klebende Zwischenschicht. Die in der Figur dargestellte Dicke dieser Zwischenschicht könne nur als ein Beispiel verstanden werden, welches keinen limitierenden Effekt auf die Offenbarung von D3 habe.
- Der Beitrag dieser Zwischenschicht zu der Flexibilität des gesamten Schlauches sei von keiner besonderen Bedeutung, weil der Schlauch jedenfalls flexibel und strukturell vollständig sein müsse.
- Die Verfahrensmerkmale seien für das beanspruchte Produkt nicht relevant, und sollten nicht in Betracht gezogen werden.
- Aber auch wenn sie berücksichtigt würden, sei die in D3 offenbarte Wärmebehandlung (Autoklavieren) eine Hitze-Sterilisation. Konkret offenbare D3, dass der Schlauch die Temperatur des Autoklavierens überstehen müsse, wobei die Temperatur dieser Hitze-Sterilisation für medizinischen Lösungen routinemäßig bei 253 ºF (122,5 ºC) liege.
- Außerdem sei die in D3 bevorzugte Methode der Versiegelung nicht die Ultraschallversiegelung; ein Schlauch mit einer EVA Zwischenschicht könne nicht nur auf diese Weise hergestellt werden.
Erfinderische Tätigkeit
- Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht erfinderisch.
- D3 sei der nächstliegende Stand der Technik.
- Als technischer Unterschied könne das Weglassen der Zwischenschicht angesehen werden.
- Die zu lösende technische Aufgabe sei, einen alternativen Schlauch für eine Verbindungsanordnung bereit zu stellen.
- Von diesem Dokument ausgehend würde der Fachmann die Adhäsionszwischenschicht 24 von D3, welche die Herstellung des Schlauchs unter Verwendung der Ultraschallversiegelung ermöglicht, ohne erfinderisches Zutun weglassen, wenn sich diese bei der Verwendung einer Hitze-Sterilisation als überflüssig herausstellt.
- Eine Sterilisationstemperatur von >= 121 ºC gehöre zu den generellen technischen Kenntnissen des Fachmannes.
- Das Weglassen der Zwischenschicht stelle für den Fachmann kein technisches Problem dar, weil er wisse, wie die verbleibenden Schichten verbunden werden könnten. D3 gebe zum Beispiel den Hinweis eine Polymervernetzung zu verwenden.
- Außerdem sei die gestellte Aufgabe nicht in der ganzen beanspruchten Breite gelöst, weil als Kunststoffmaterial für die Konnektionsschicht nur SEBS beispielhaft belegt sei und es für kein anderes Kunststoffmaterial einen Funktionsbeleg gebe.
XI. Die für diese Entscheidung wichtigen, von der Beschwerdegegnerin 01 (Patentinhaberin) schriftlich eingereichten und mündlich vorgetragenen Argumente können wie folgt zusammengefasst werden:
Artikel 123(2) EPÜ
- Es sei überflüssig, das Merkmal "gleichzeitig müssen jedoch alle Einzelteile formstabil sein" dem Gegenstand des Anspruchs 13 hinzuzufügen, weil diese Maßnahme bereits inhärent sei. Der Fachmann ziehe nur solche Ausführungsformen in Betracht, bei denen eine Formstabilität gegeben sei (Absätze [36] und [43]).
Artikel 83 EPÜ
- Es sei eine Selbstverständlichkeit, dass zu geringe Polymermengen nicht zu einer hinreichenden Verbindung führen. Der Fachmann würde stets solche Menge einsetzen, die dem Ziel des Patents entsprechen und seine Aufgabe lösen. Dies sei mit wenigen Routineexperimenten überprüfbar. Das im Patent enthaltene Beispiel verdeutliche, dass die Lehre des Patents ausführbar sei.
- Der Ausdruck "formbeständig" sei im Absatz [0036] näher erläutert.
Artikel 84 EPÜ
- Die Ausdrücke "formbeständig" und "nicht formbeständig" seien in der Beschreibung klar beschrieben (Absätze [36] und [43]). Formbeständigkeit sei unter Sterilisierungsbedingungen zu verstehen. Die im Patent verwendeten Ausdrücke formstabil und formbeständig seien gleichbedeutend.
- Die Verbindung zwischen der Basisschicht A und der Konnektionsschicht B sei direkt, ohne irgendeine Zwischenschicht (siehe Bild 1 und Absatz [0064] des Patents). Eine verbindende Klebung (zum Ausgleich von Unebenheiten und zur Verbesserung der Adhäsion) würde der Fachmann nicht als eine weitere Schicht betrachten.
- Solche Klebungen dürften dabei keine "Schicht" bilden, deren Dicke größer als die der benachbarten verbundenen Schichten sei.
Neuheit
- Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu gegenüber D3.
- Der in D3 offenbarte Mehrschichtschlauch sei vom beanspruchten strukturell unterschiedlich. Die den beanspruchten Schichten Basisschicht A und Konnektionsschicht B entsprechenden Schichten 22 und 26 seien nicht unmittelbar miteinander sondern durch die Zwischenschicht 24 verbunden.
- Diese Zwischenschicht könne wegen ihrer Dicke und Funktion nicht nur als eine Klebung betrachtet werden.
- Die Dicke dieser Zwischenschicht sei größer als die der benachbarten Schichten (siehe Figur 1) und müsse als wichtig für das Dickenverhältnis der Schichten 22, 24 und 26 verstanden werden.
- Die Funktion der aus einem weichen Material bestehenden dicken Zwischenschicht sei es, die strukturelle Integrität des Schlauches zu gewährleisten, nämlich seine Flexibilität und die Stützung der benachbarten Schichten 22 und 26. Die Relevanz dieser Funktionen gehöre zum allgemeinen Fachwissen des Fachmannes.
- D3 offenbare weder, dass die Wärmebehandlung einen Hitze-Sterilisationsvorgang darstelle, noch dass sie bei >= 121ºC durchgeführt werde.
- D3 offenbare verschiedene Methoden der Versiegelung (RF Versiegelung, Hitze-Versiegelung (Hitze-Sterilisation), Ultraschallversiegelung).
- Aufgrund der Materialwahl für die Zwischenschicht 24 bestehe eine viel höhere Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Versiegelung mittels einer Ultraschallversiegelung durchgeführt werde.
- Weiterhin, sei die in D3 offenbarte Stufe des Autoklavierens mit der erfindungsgemäßen Hitze-Sterilisation nicht identisch, denn das dort offenbarte Autoklavieren diene einem anderen Zweck, nämlich der Sterilisation der medizinischen Lösung vor der medizinischen Anwendung innerhalb des fertigen Geräts und nicht zur Bildung einer festen und dichten Verbindung bei dessen Herstellung.
- Es fehle auch jeder Hinweis auf den essentiell erforderlichen Presssitz. Es seien auch andere Möglichkeiten denkbar, den notwendigen Kontakt zu realisieren.
Erfinderische Tätigkeit
- Der beanspruchte Gegenstand beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.
- D3 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar.
- Die beanspruchte Verbindungsanordnung unterscheide sich von der offenbarten in der Anordnung der Schlauchschichten.
- Das Weglassen der Zwischenschicht von D3 vereinfache den Aufbau des beanspruchten Schlauchs, vermeide die Verwendung eines Fixierungsmittels und erlaube die Durchführung einer Dampfsterilisation für die Bildung einer festen und dichten Verbindung zwischen den beiden Einzelteilen.
- Die patentgemäß gestellte technische Aufgabe bestehe darin, eine Verbindungsanordnung zu schaffen, die einfacher und mit größerer Sicherheit erzielbar sei.
- Die Lösung dieser Aufgabe sei durch die beanspruchten Maßnahmen erreicht, unter anderem durch das Weglassen der Zwischenschicht von D3.
- Die Lösung dieser Aufgabe sei in D3 oder dem vorgelegten Stand der Technik nicht offenbart.
- Es sei folglich für den Fachmann nicht naheliegend, eine derartige Modifizierung der Schlauchstruktur durchzuführen. Insbesondere scheide ein Weglassen der Zwischenschicht wegen ihrer Stütz- und Flexibilisierungsfunktion aus.
XII. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin 02) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 769 516 in vollem Umfang.
Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin 01/ Beschwerdegegnerin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerden der Einsprechenden und der Patentinhaberin sind zulässig.
2. Die Anträge
Die Patentinhaberin zog in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ihrer Hauptantrag (erteilte Fassung) zurück und beantragte, dass der frühere Hilfsantrag als der neue Hauptantrag angesehen werde.
3. Artikel 123(2) EPÜ
3.1 Die Kammer ist in Übereinstimmung mit der Patentinhaberin der Auffassung, dass das dem Gegenstand des Anspruchs 13 hinzugefügte Merkmal "ohne zusätzliche Hilfsmittel nur durch Hitzebehandlung" auf Seite 6, Zeilen 12-13 der ursprünglich eingereichten Beschreibung (Absatz [0020] des erteilten Patents) als komplettes, selbstkonstituierendes Merkmal offenbart ist und dieser Anspruch somit die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ erfüllt.
3.2 Die Kammer kann dem Argument der Einsprechenden nicht folgen, dass dieses Merkmal dadurch, dass es die in der Beschreibung folgende Aussage "gleichzeitig müssen jedoch alle Einzelteile formstabil sein" nicht umfasst, über den Inhalt der zitierten Ursprungsoffenbarung hinausgeht.
Nach Auffassung der Kammer besteht zwischen dem beanspruchten Merkmal und der folgenden Aussage, welche grammatikalisch in einem separaten Satz formuliert ist, keine notwendige technische Verknüpfung. Das Wort "jedoch" auf das die Einsprechende ihre diesbezügliche Argumentation stützt, betrifft den ganzen Absatz (Seite 6, Zeilen 1-14), welcher insgesamt die Aufgabe der Erfindung in mehreren Aspekten beschreibt.
Wie die Patentinhaberin überzeugend argumentiert hat, ist die dimensionale (Form-)Stabilität der Einzelteile der Verbindungsanordnung bei Sterilisationstemperatur darüber hinaus für den Fachmann eine inhärente Charakteristik des Gegenstandes der beanspruchten Erfindung. Um funktionsfähig zu sein, muss der Mehrschichtschlauch bei der Sterilisation seine Form halten.
4. Ausreichende Offenbarung - Artikel 83 EPÜ
4.1 Die Kammer stimmt der Patentinhaberin zu, dass die beanspruchte Erfindung im Streitpatent so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
4.2 Hinsichtlich der für die angestrebte feste und dichte Verbindung erforderlichen Mengen an Kunststoffmaterialien des ersten und zweiten Einzelteils ist die Kammer der Auffassung, dass der Fachmann in der Lage ist, diese auf der Basis von wenigen Routineexperimenten ermitteln.
4.3 Hinsichtlich der Differenzierung zwischen formbeständigen und nicht formbeständigen Polymeren, offenbart das angefochtene Patent, dass sie auf Basis des unterschiedlichen Verhaltens der Polymeren während des Hitze-Sterilisationsvorgangs bei >= 121ºC festgestellt wird (Seite 5, Absatz [0036]). Zusätzlich ist offenbart, dass die Formbeständigkeit von der Vicat-Temperatur, von der Materialhärte und vom E-Modul des Polymers abhängt, Eigenschaften welche nach bekannten Methoden gemessen werden ((Seite 5, Absatz [0037]). Die Kammer stellt auch fest, dass das Patent Kriterien für die unterschiedlichen Eigenschaften dieser Polymere aufstellt (Seite 9, Tabelle vom Absatz [0065]) und konkrete Beispiele von Polymeren der beiden Sorten offenbart (Seite 5, Zeilen 37-42; Seite 6, Zeilen 17-26; Seite 7, Zeilen 5-29). Unter diesen Umständen ist die Kammer der Ansicht, dass der Fachmann auf Basis der Offenbarung des Erfindung und unter Berücksichtigung seines Fachwissens in der Lage ist, sowohl geeignete formbeständige als auch nicht formbeständige Polymere zu ermitteln.
5. Klarheit - Artikel 84 EPÜ
5.1 Die Eigenschaft "Formbeständigkeit" eines Polymers, welche in den unabhängigen Ansprüchen 1 und 13 verwendet wird, ist im verwendeten Zusammenhang klar. Die Kammer verweist auf die Beschreibung des angefochtenen Patents und insbesondere auf die Absätze [0036], [0042] und [0043], in welchen erklärt wird, dass die Formbeständigkeit des Polymers unter den Sterilisationsbedingungen gemeint ist, nämlich den Standardbedingungen der Dampfsterilisation im Autoklaven mit Wasserdampf von mindestens 121ºC - entsprechend etwa einer Atmosphäre Überdruck. Weiterhin ist die Formbeständigkeit von der Erweichungstemperatur, der Materialhärte und vom E-Modul der eingesetzten Stoffe abhängig. Unter diesen Umständen schließt sich die Kammer der Auffassung der Patentinhaberin an, dass der Fachmann alle wichtigen Elemente in der Beschreibung findet, um festzustellen, ob ein Polymer bei den bestimmten Sterilisationsbedingungen formbeständig oder nicht formbeständig ist.
5.2 Die Kammer ist auch der Ansicht, dass der Ausdruck "eine Basisschicht A) aus einem dritten Kunststoffmaterial mit wenigstens einer Konnektionsschicht B) aus dem zweiten Kunststoffmaterial verbunden ist" einen klaren Bedeutungsinhalt hat.
In Übereinstimmung mit der Patentinhaberin vertritt die Kammer die Meinung, dass diese Aussage nach ihrem unmittelbaren Bedeutungsinhalt nur eine "direkte" Verbindung ohne das Vorliegen einer Zwischenschicht meinen kann. Dies steht im Einklang mit der Herstellung der Schlauchschichten in den Ausführungsbeispielen durch Coextrusion, bei der die coextrudierten Materialien in direkten Kontakt treten.
Während auf diese Weise durch den Schmelzkontakt eine Verbindungszone entsteht, kann in analoger Weise, wie die Patentinhaberin überzeugend vorgetragen hat, eine derartige Materialverbindung auch durch Klebung erreicht werden, ohne dass dabei eine autonom eigenschafts-bestimmende Schicht entstünde.
6. Neuheit - Artikel 54 EPÜ
6.1 Die Einsprechende hat die Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 angegriffen. Sie hat behauptet, er sei nicht neu gegenüber der Offenbarung von D3.
Die Kammer kann sich dieser Auffassung nicht anschließen; sie kommt vielmehr zum Ergebnis, dass der beanspruchte Gegenstand neu gegenüber dieser Offenbarung ist.
6.2 D3 (Zusammenfassung; Anspruch 1; Spalte 1, Zeilen 62-68; Spalte 2, Zeile 63 - Spalte 3, Zeile 4; Spalte 3, Zeilen 12-29; Spalte 4, Zeilen 19-46) offenbart eine Verbindungsanordnung für medizinische Zwecke (parenterale Administration von medizinischen Flüssigkeiten), welche aus einem ersten Einzelteil (einem Beutel) und einem Non-PVC-zweiten Einzelteil (einem Mehrschichtschlauch) besteht. Bei dieser Verbindungsanordnung kommt die Oberfläche des ersten Einzelteils (Beutels) aus Polycarbonat mit der Oberfläche des zweiten Einzelteils (Mehrschichtschlauch) aus Ethylen-Propylen Copolymer (EPC) oder modifiziertem EPC in Kontakt. Der Kontaktbereich der sich berührenden Oberflächen des ersten und des zweiten Einzelteils bildet implizit eine feste und dichte Verbindung, so dass die gesetzlich festgelegten strengen medizinischen Anforderungen für derartige medizinische Systeme erfüllt sind. Diese Verbindung wird durch Inkontaktbringen der miteinander zu verbindenden Oberflächen des ersten und zweiten Einzelteils und eine anschließende Wärmebehandlung der in Kontakt befindlichen Oberflächen der Einzelteile unter nachfolgender Abkühlung erreicht. Es ist selbstverständlich, die Verbindung unter gleichzeitiger Anwendung einer die Oberflächen gegeneinander pressenden Kraft zu bewirken, denn nur so kann eine feste, dichte Verbindung gelingen. Die offenbarten Polymere der beiden Einzelteile unterscheiden sich in ihrer chemischen Zusammensetzung nicht von den entsprechenden beanspruchten Polymeren. Sie erfüllen daher auch die folgenden Erfordernisse: einerseits, dass das Polycarbonat bei der Temperatur der Wärmebehandlung formbeständig ist und andererseits, dass das Ethylen-Propylen Copolymer (EPC) oder modifizierte EPC bei dieser Temperatur nicht formbeständig ist und unter Presskraft zum Fliessen neigt.
Der beanspruchte Gegenstand unterscheidet sich hingegen von dem in D3 offenbarten zumindest dadurch, dass
i) der Non-PVC-Mehrschichtschlauch wenigstens zwei Schichten aufweist, von denen eine Basisschicht A) aus einem dritten Kunststoffmaterial mit wenigstens einer Konnektionsschicht B) aus dem zweiten Kunststoffmaterial verbunden ist, wobei das dritte Kunststoffmaterial wenigstens ein Polymer aufweist, dessen Formbeständigkeit größer als die Temperatur der Wärmebehandlung ist, während das zweite Kunststoffmaterial wenigstens ein Polymer aufweist, welches unter Konnektionsdruck Fliessfähigkeit bei einer Temperatur kleiner oder gleich der Temperatur der Wärmebehandlung aufweist,
ii) die Wärmebehandlung ein Hitze-Sterilisationsvorgang ist, und
iii) die Temperatur der Wärmebehandlung >= 121ºC ist.
6.3 Im Gegensatz zur Ansicht der Einsprechenden findet die Kammer die obengenannten unterscheidenden technischen Merkmale in D3 nicht.
6.3.1 So weist die Struktur des in D3 offenbarten Mehrschichtschlauchs im Gegensatz zu der des beanspruchten keine direkte Verbindung zwischen der Innenschicht 26 (der patentgemäßen Basischicht A) entsprechend) und der Außenschicht 22 (der patentgemäßen Konnektionsschicht B) entsprechend) auf. Der offenbarte Schlauch enthält vielmehr eine zusätzliche dicke Zwischenschicht 24.
Diese Zwischenschicht ist ein wichtiger Bestandteil des Schlauches, weil sie im wesentlichen für die Flexibilität des gesamten Schlauches sorgt (Spalte 2, Zeilen 63-65; Spalte 3, Zeilen 30-31). Die Kammer kann sich auch der Argumentation der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung anschließen, dass diese Zwischenschicht aufgrund ihrer Dicke und ihrer Positionierung (Figur 1) zur Stützung der gesamten Schlauchstruktur notwendig ist. In diesem Zusammenhang stimmt die Kammer mit der Patentinhaberin auch darin überein, dass die in der Figur dargestellte Dicke nicht nur akzidentiellen Charakter hat, sondern ihr im Gesamtzusammenhang der Offenbarung von D3 und in Abwesenheit von widersprechenden Aussagen der Charakter eines wesentlichen Merkmals des offenbarten Schlauches zukommt.
Außerdem kann diese "dicke" Zwischenschicht 24 (im Vergleich zu den anderen "dünneren" benachbarten Schichten 22 und 26) wegen ihrer Dicke nicht als eine reine Adhäsionsschicht betrachtet werden, welche nur die Aufgabe der Verbindungsherstellung zwischen den benachbarten dünneren Schichten hätte.
6.3.2 Weiters haben nach Auffassung der Kammer auch die Verfahrensmerkmale des Gegenstands von Anspruch 1 einen Einfluss auf die Struktur des beanspruchten Produkts und müssen daher im Rahmen der Neuheitsprüfung in Betracht gezogen werden. In diesem Zusammenhang hat die Patentinhaberin während der mündlichen Verhandlung erklärt, und die Einsprechende hat dem nicht widersprochen, dass je nach angewendeter Wärmebehandlung die Mikrostruktur der Polymere unterschiedlich beeinflusst wird, was es dem Fachmann bei entsprechender Prüfung ermöglicht, auf das angewendete Verfahren rückzuschließen. Unter diesem Aspekt kann auch zwischen der unterschiedlichen Wärmebehandlung bei der Herstellung des Produktes von D3 im Vergleich zur Herstellung des beanspruchten Produkts ein technischer Unterschied festgestellt werden.
Die in D3 offenbarte Wärmebehandlung, welche die feste und dichte Verbindung zwischen Beutel und Schlauch bildet, ist kein Hitze-Sterilisationsvorgang bei einer Temperatur von >= 121ºC. Obwohl D3 eine Wärmebehandlung ("heat sealing") als eine von drei Alternativen (Spalte 1, Zeilen 27-31 und Spalte 3, Zeilen 25-29) mit umfasst, findet sich in diesem Dokument keine Offenbarung, dass diese Maßnahme bei der beanspruchten Temperatur von >= 121ºC durchgeführt wird.
Was den Hinweis in D3 auf eine Autoklavierung betrifft (Spalte 4, Zeilen 2-6), so ist dieser im Zusammenhang mit den Autoklavierungsbedingungen bei 253 ºF (122,5 ºC) in Spalte 1, Zeilen 16-18 von D3 zur Hitzesterilisation des Beutelinhalts zu sehen und hat nichts mit der Herstellung einer Verbindung zwischen den beiden Einzelteilen zu tun, welche zu einer festen und dichten Verbindung vor Beutelbefüllung führen soll.
6.4 Der Gegenstand des unabhängigen Verfahrensanspruchs 13, welcher gegenüber D3 mindestens die im Punkt 7.2 erwähnten unterscheidenden Merkmale aufweist, ist mutatis mutandis neu.
7. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ
7.1 Nächstliegender Stand der Technik
Die Kammer betrachtet in Übereinstimmung mit den Parteien D3 als nächstliegenden Stand der Technik, weil diese Entgegenhaltung eine Verbindungsanordnung für medizinische Zwecke offenbart, welche angesichts ihrer Struktur am nächsten zum beanspruchten Gegenstand liegt.
Wie schon oben ausgeführt, besteht der wesentliche Unterschied der beanspruchten Verbindungsanordnung laut Anspruch 1 zu der gemäß D3 in der unterschiedlichen Struktur des Mehrschichtschlauchs, welche die Bildung der festen und dichten Verbindung durch einen Hitze-Sterilisationsvorgang bei >= 121 ºC ermöglicht.
7.2 Technische Aufgabe
Das angefochtene Patent (Seite 5, Absatz [0034]) stellt sich die technische Aufgabe, eine Verbindungsanordnung zu schaffen, die in einem einzigen Wärmebehandlungsvorgang fest und sicher ausgebildet werden kann, ohne dass zusätzliche Haft-, Dichtungs- oder Versiegelungsmassen oder Hilfsmittel erforderlich wären, beziehungsweise andere Versiegelungsverfahren, wie etwa hochfrequente Energie und dergleichen.
Da diese technische Aufgabe schon von D3 gelöst ist (Spalte 1, Zeilen 62-68; Spalte 3, Zeilen 23-29; Spalte 4, Zeilen 3-8), ist die Kammer der Auffassung, dass die objektive technische Aufgabe der beanspruchten Erfindung angesichts der Offenbarung von D3 nur mehr darin besteht, unter Verzicht auf gesundheitlich bedenkliche Materialien eine zur dort offenbarten Konstruktion alternative Verbindungsanordnung zu schaffen, die unter den Bedingungen der Verbindungsbildung widerstandsfähig genug ist (d.h. stabil genug ist) ihre Form zu bewahren, und zu einer festen, dichten Verbindung führt.
Vorteile der beanspruchten alternativen Verbindungsanordnung sind die Ermöglichung einer einfacheren Struktur mit nur zwei Schichten und der Verzicht auf die Verwendung gesundheitlich bedenklicher Materialien, wie PVC.
Die Beschreibung des Streitpatents (Absätze [0062] bis [0074]) illustriert, dass die gestellte technische Aufgabe durch die beanspruchte Verbindungsanordnung gelöst wird.
7.3 Naheliegen
Der Fachmann, der von der Schlauchstruktur gemäß D3 ausgeht und eine alternative Schlauchkonstruktion sucht, welche die oben genannte technische Aufgabe lösen kann, findet weder in D3 selbst, noch im weiters zitierten Stand der Technik einen Hinweis demzufolge auf die Zwischenschicht der aus D3 bekannten Schlauchanordnung verzichtet werden kann, um zu der beanspruchten Schlauchanordnung zu kommen. Keines der übrigen Dokumente eignet sich diesbezüglich zu einer Kombination mit der Lehre von D3 und gemäß dieser selbst kommt eine derartige Änderung der Schlauchkonstruktion nicht in Betracht, weil - wie oben ausgeführt - diese Schicht dort für die Flexibilität des Schlauchs und ihre Funktion zur Stützung der übrigen Schlauchlagen unverzichtbar ist.
Folglich ist die beanspruchte Lösung für den Fachmann nicht naheliegend und der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
7.4 Die Einsprechende hat beanstandet, dass die technische Aufgabe nicht über die gesamte beanspruchte Breite gelöst werde, weil die Auswahl der für die jeweiligen Kunststoffmaterialien zu verwendenden Polymeren, welche zur Bildung der festen und dichten Verbindung geeignet sind, in einem Missverhältnis zur einzigen beispielhaft belegten Ausführungsform stünde. Die Kammer stimmt der Einsprechenden nicht zu, weil nach ihrer Auffassung die Ausführungen in der Beschreibung dem Fachmann in Zusammenhang mit seinem relevanten Fachwissen genug Information an die Hand geben, um mit wenigen orientierenden Versuchen Materialien mit geeigneten Spezifikationen zu finden. In der Beschreibung sind mögliche Polymere beispielhaft genannt und darüber hinaus ist ihre Auswahl durch die Bedingungen der Wärmebehandlung (formbeständig vs. nicht formbeständig) weiter limitiert (siehe die Ausführungen oben in Punkt 4). Die Kammer stellt auch fest, dass die Einsprechende, die in diesem Punkt die Beweislast trägt, keine konkreten Beweismittel vorgelegt hat, um ihren Standpunkt zu untermauern; ihre Argumente können daher auch nicht als ausreichend substantiiert angesehen werden.
7.5 Das im unabhängigen Anspruch 13 beanspruchte Verfahren, welches die Herstellung der Verbindungsanordnung nach Anspruch 1 betrifft, ist aus denselben Gründen ebenfalls erfinderisch.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.