European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2008:T060906.20080430 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 30 April 2008 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0609/06 | ||||||||
Anmeldenummer: | 95810701.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61F 2/44 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Zwischenwirbelprothese | ||||||||
Name des Anmelders: | Zimmer GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Mathys Medizinaltechnik AG | ||||||||
Kammer: | 3.2.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Klarheit, erfinderische Tätigkeit - (ja, nach Änderungen) Unzulässige Änderungen - (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) hat am 10. April 2006 gegen die am 22. März 2006 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 773 008 unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 9. Juni 2006 eingegangen.
II. Das Patent ist auf der Basis von Artikel 100 a) und c) EPÜ angegriffen worden. Die Einspruchsabteilung war jedoch der Ansicht, dass der Gegenstand des erteilten Patents nicht über den Inhalt der ursprünglichen Offenbarung hinausgeht und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
III. Folgende Dokumente sind für die vorliegende Entscheidung relevant:
D1 = FR - A - 2 712 486
D6 = EP - A - 453 393
D11= US - A - 3 867 728.
IV. Am 30. April 2008 fand eine mündliche Verhandlung statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage folgender Unterlagen:
- Patentansprüche 1 - 10 und Beschreibung Spalten 1 - 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung;
- Zeichnungen, Figuren 1 - 4 wie erteilt.
V. Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Zwischenwirbelimplantat, insbesondere die Form einer Zylinderscheibe annehmend, bestehend aus einem länglichen, einteiligen und elastischen Körper aus Kunststoff mit einer Shore-Härte im Bereich von 70A bis 90A, beispielsweise Polyurethan, mit Deformationseigenschaften, die denen einer Bandscheibe weitgehend ähnlich sind, wobei der Körper formelastisch ist und im kräftefreien Zustand die Form einer Spirale (s) annimmt, wobei die Breite (b) des Körpers im Inneren der Spirale größer ist als aussen, wobei die Breite stetig von innen her abnimmt oder die Breite im Inneren der Spirale, an das sich ein die Breite reduzierender Übergangsbereich zu äußeren schmalen Spiralwindungen anschließt, konstant ist, und wobei das Implantat dadurch erhalten wird, dass die Spirale im Spritzgussverfahren hergestellt wird, wobei eine schneckenförmige Gussform im Spiralinneren angegossen wird, damit nach einem Ausrollen der Spirale im kräftefreien Zustand die Spiralwindungen weitestgehend formschlüssig um ein zentrales Mittelstück zu liegen kommen."
VI. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Der neue Antrag sei verspätet eingereicht worden und somit unzulässig.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gehe über den Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus. Insbesondere sei ursprünglich nicht offenbart, dass das Implantat aus einem einteiligen Körper bestehe. Außerdem gehe aus der ursprünglichen Offenbarung lediglich hervor, dass die Dicke des Körpers und nicht dessen Breite einen bestimmten Verlauf über die Spirale habe. Überdies sei der Dickenverlauf nur in Zusammenhang mit einem genau definierten Beispiel offenbart worden. Da der in Anspruch 1 definierte Breitenverlauf von diesem Beispiel willkürlich herausgegriffen sei, stelle der Gegenstand von Anspruch 1 eine unzulässige Verallgemeinerung der ursprünglichen Offenbarung dar.
Aufgrund der Verwendung des Begriffs "Breite" anstelle von "Dicke" sei Anspruch 1 auch nicht klar. Außerdem sei nicht klar, was das "Innere der Spirale" bedeute.
Ferner beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 auf keiner erfinderischen Tätigkeit. Von dem aus D1 oder dem aus D11 bekannten Zwischenwirbelimplantat unterscheide sich der Gegenstand nach Anspruch 1 allenfalls durch die beiden alternativ beanspruchten Breitenverläufe des spiralenförmigen Körpers. Die Verwendung einer Spirale mit einem dicken Innenbereich, einem Übergangsbereich und einem schmalen Außenbereich sei jedoch durch D6 nahegelegt.
VII. Die Beschwerdegegnerin hat diesen Ausführungen widersprochen und im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:
Aus dem in der Anmeldung beschriebenen Herstellverfahren zusammen mit den darin enthaltenen Figuren sei eindeutig zu entnehmen, dass der Körper des Zwischenwirbelimplantats einteilig ausgebildet ist. Daraus gehe auch hervor, dass die Begriffe "Dicke" und "Breite" der Spirale das Gleiche beschrieben. Die Definition des Breitenverlaufs in Anspruch 1 stelle keine unzulässige Verallgemeinerung dar, weil es offensichtlich sei, dass die verschiedenen Angaben zum Breitenverlauf in der ursprünglichen Beschreibung keine kombinatorischen Effekte ergäben. Der Stand der Technik könne den Gegenstand nach Anspruch 1 auch nicht nahelegen, weil D1 bzw. D11 nicht mit D6 kombinierbar seien. Darüber hinaus verlange D11 eine bestimmte Dickenvariation um die dort angestrebte Nierenform des Implantats zu erzielen. D1 sei weiter abliegend als D11, da sie keine Spirale mit einem integrierten Mittelstück offenbare und die Spirale auch nicht vorgespannt sei.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Zulässigkeit des Antrags der Beschwerdeführerin
Der geltende Antrag wurde erst während der mündlichen Verhandlung eingereicht und ist angesichts der in der Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung festgesetzten einmonatigen Frist als verspätet vorgelegt anzusehen.
Der Antrag enthält jedoch lediglich geringfügige Änderungen des rechtzeitig eingereichten Hilfsantrags 2 vom 28. März 2008, die zudem durch Einwände veranlasst wurden, die während der mündlichen Verhandlung vorgebracht wurden. In Ausübung des ihr insoweit zuständigen Ermessens erachtet die Kammer die für eine Zulassung der neuen Ansprüche sprechenden Gründe für so gewichtig, dass demgegenüber die verspätete Einreichung von deutlich geringerer Bedeutung ist. Der Antrag ist daher zulässig.
3. Änderungen
Der vorliegende Anspruch 1 unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 dadurch,
a) dass er nur auf ein Zwischenwirbelimplantat beschränkt ist,
b) dass klargestellt wurde, dass das Implantat dadurch erhalten wird, dass die Spirale im Spritzgussverfahren hergestellt wird, wobei eine schneckenförmige Gussform im Spiralinneren angegossen wird, und
c) dass die Merkmale hinzugefügt wurden, wonach die Breite der Spirale einen von zwei alternativen Verläufen haben muss.
Die Merkmale a und b gehen aus der veröffentlichten Patentanmeldung EP-A-773 008, Spalte 3, Zeilen 5 bis 20 hervor und die unter c) genannten Merkmale sind in Spalte 5, Zeilen 23 bis 53 dieser Druckschrift offenbart.
In Zusammenhang mit den Figuren 1 und 2 offenbaren diese Textstellen auch eindeutig, dass der elastische Körper einteilig ist. Die Versteifung 7 und die Marker 8 gehören nicht zu ihm, sondern stellen lediglich Hilfsmittel für das Einsetzen des Implantats dar.
Im Hinblick auf den Dickenverlauf (c) ist es zwar zutreffend, dass die Alternative mit dem Übergangsbereich nach der ursprünglichen Beschreibung für den Innenbereich der Spirale eine konstante Breite von 2 bis 5 mm vorschlägt, so dass ein Verkanten weitestgehend auszuschließen ist. Für den Fachmann ist es im vorliegenden Fall jedoch klar, dass die genaue Breite für den Innenbereich der Spirale kein wesentliches Merkmal ist. Zum einen hängt das Verkanten nicht nur von der Breite, sondern auch von der Höhe ab (siehe EP-A-773 008, Spalte 2, Zeilen 32 bis 34) und zum anderen sind für den alternativen Breitenverlauf (stetiges Abnehmen der Breite) auch keine Breitenwerte angegeben. Das Vermeiden des Verkantens ist eine reine Zweckangabe, die üblicherweise nicht in den Anspruch gehört.
Für den Fachmann ist es auch offensichtlich, dass die Begriffe "Breite" und "Dicke" der Spirale das Gleiche ausdrücken, nämlich die Erstreckung des Spiralenquerschnitts in radialer Richtung. Im Gegensatz hierzu wird für die Erstreckung des Spiralenquerschnitts in axialer Richtung durchgehend der Begriff "Höhe" verwendet, so dass eine Verwechslung ausgeschlossen ist. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 10 entsprechen den erteilten Ansprüchen 2 bis 10 und die Beschreibung wurde lediglich an den neuen Anspruch 1 angepasst.
Die Änderungen erfüllen daher die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
4. Klarheit
Wie vorangehend dargelegt wurde, ist die Bedeutung der Begriffe "Breite" und "Dicke" eindeutig. Außerdem ist auch der Begriff "das Innere der Spirale" sowohl auf der Basis der Zeichnungen und der Beschreibung als auch auf der Basis des allgemeinen Sprachgebrauchs klar von dem Äußeren der Spirale zu unterscheiden. Anspruch 1 ist somit auch klar.
5. Neuheit und erfinderische Tätigkeit
Jede der Druckschriften D1 und D11 beschreibt ein Zwischenwirbelimplantat, insbesondere die Form einer Zylinderscheibe annehmend, bestehend aus einem länglichen, einteiligen (D1: siehe Seite 3, Zeilen 29 bis 32) elastischen (D1: siehe Seite 5, Zeile 13 / D11: Spalte 12, Zeilen 62, 63) Körper aus Kunststoff (D1: Polyester, siehe Seite 3, Zeile 8 / D11: Silastic), mit Deformationseigenschaften, die denen einer Bandscheibe weitgehend ähnlich sind, wobei der Körper formelastisch ist und im kräftefreien Zustand die Form einer Spirale annimmt, damit nach einem Ausrollen der Spirale im kräftefreien Zustand die Spiralwindungen weitestgehend formschlüssig um ein zentrales Mittelstück zu liegen kommen (D1: siehe Seite 5, Zeilen 2 - 4 / D11: Spalte 12, Zeilen 37 bis 44). Da der Körper aus Polyester bzw. Silastic besteht, ist außerdem davon auszugehen, dass er eine Shore-Härte im Bereich von 70A bis 90A hat. Dies wurde von der Beschwerdegegnerin auch nicht bestritten.
Ausgehend von dem aus D1 bzw. D11 bekannten Implantat liegt der vorliegenden Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein Implantat zu schaffen, das eine einfache Handhabung erlaubt.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt Anspruch 1 vor, dass die Breite des Körpers im Inneren der Spirale größer ist als außen, wobei die Breite stetig von innen her abnimmt oder die Breite im Inneren der Spirale, an das sich ein die Breite reduzierender Übergangsbereich zu äußeren schmalen Spiralwindungen anschließt, konstant ist und wobei das Implantat dadurch erhalten wird, dass die Spirale im Spritzgussverfahren hergestellt wird, wobei eine schneckenförmige Gussform im Spiralinneren angegossen wird, damit nach einem Ausrollen der Spirale im kräftefreien Zustand die Spiralwindungen weitestgehend formschlüssig um ein zentrales Mittelstück zu liegen kommen.
Hierfür gibt es im nachgewiesenen Stand der Technik keine Anregung.
D6 offenbart zwar einen spiralförmigen Körper für ein Zwischenwirbelimplantat, bei dem die Breite von innen nach außen stufenweise abnimmt (siehe Figur 1). Die Art der Realisierung (Schlauch gefüllt mit Luft) ist jedoch so weit von der Erfindung entfernt, dass nach Auffassung der Kammer nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Fachmann dieses einzelne Merkmal aus dem Zusammenhang herausreißen und auf das Implantat nach D1 oder D11 übertragen würde.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu und beruht auch auf einer erfinderische Tätigkeit.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen aufrechtzuerhalten:
- Patentansprüche 1 - 10, überreicht in der mündlichen Verhandlung;
- Beschreibung Spalten 1 - 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung;
- Zeichnungen Figuren 1 - 4, wie erteilt.