T 0595/06 () of 19.11.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T059506.20071119
Datum der Entscheidung: 19 November 2007
Aktenzeichen: T 0595/06
Anmeldenummer: 99944214.8
IPC-Klasse: B66B 1/46
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Aufzugsanlage mit einer Vorrichtung zum Sonderbetrieb
Name des Anmelders: INVENTIO AG
Name des Einsprechenden: Otis Elevator Company
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (Hauptantrag) - nein
Erfinderische Tätigkeit (Hilfsanträge 1 und 2) - nein
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0071/93
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 27. September 1999 als internationale Anmeldung unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 28. September 1998 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 99944214.8 wurde das europäische Patent Nr. 1 119 512 mit 8 Ansprüchen erteilt.

II. Gegen das erteilte Patent wurde, gestützt auf die Einspruchsgründe des Artikels 100 a) EPÜ, Einspruch eingelegt und der Widerruf des Patents beantragt.

III. Die Einspruchsabteilung hielt das Patent mit ihrer am 9. März 2006 zur Post gegebenen Entscheidung in geändertem Umfang aufrecht.

Sie kam zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag nicht neu sei, die Aufzugsanlage des Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag jedoch die Erfordernisse der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf den entgegengehaltenen Stand der Technik erfülle.

IV. Gegen diese Entscheidung haben die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) am 13. April 2006 und die Beschwerdeführerin II (Einsprechende) am 10. Mai 2006 Beschwerde eingelegt, jeweils am gleichen Tag die Beschwerdegebühr bezahlt und beide am 19. Juli 2006 die Beschwerdebegründung eingereicht.

V. Die Beschwerdekammer hat in ihrem Bescheid vom 10. Juli 2007 ihre vorläufige Einschätzung der Sachlage mitgeteilt, wonach die Beurteilung mangelnder Neuheit durch die Einspruchsabteilung nicht zu beanstanden sei. Die erfinderische Tätigkeit der anscheinend neuen Merkmalskombination des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag werde zu diskutieren sein.

VI. Am 19. November 2007 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, in der folgende Entgegenhaltungen wieder aufgegriffen wurden:

E1: JP-A-08-290874

E2: JP-A-04-235881

E4: US-A-5 616 894

E6: JP-A-08-151176

E9: Dr.-Ing. Gerhard Schiffner: Aufzüge ohne Triebwerksraum, LIFT-REPORT, 24. Jahrgang (1998), Heft 3, (Mai/Juni 98), Seiten 6 bis 11

E10: JP-A-01-127581

E11: EP-A-0 733 577

Die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf Basis der Ansprüche vom 23. September 2005 oder auf der Basis der Ansprüche des Hilfsantrags 1 vom 1. Februar 2006 oder auf Basis der Ansprüche des Hilfsantrags 2 vom 18. Oktober 2007.

Beschwerdeführerin II (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 119 512.

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Aufzugsanlage mit einer Vorrichtung zum Sonderbetrieb, wobei die Vorrichtung wenigstens ein Bedienelement (5a, 5b, 5c, 5d, 5e, 6a, 6b, 6c, 7a, 7b, 7c, 8, 9, 10, 11a, 11b, 11c, 11d, 11e, 21) zum Steuern wenigstens einer zugeordneten Funktionseinheit der Aufzugsanlage (1) sowie wenigstens eine Anzeigeeinrichtung (8, 9, 10, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21) aufweist, wobei der Funktionseinheit zumindest eine der besagten Anzeigeeinrichtungen (8, 9, 10, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21) zugeordnet ist, welche wenigstens einen mittels des Bedienelementes (5a, 5b, 5c, 5d, 5e, 6a, 6b, 6c, 7a, 7b, 7c, 8, 9, 10, 11a, 11b, 11c, 11d, 11e, 21) beeinflussbaren Zustand der Funktionseinheit anzeigt und von dem Bediener des Bedienelementes (5a, 5b, 5c, 5d, 5e, 6a, 6b, 6c, 7a, 7b, 7c, 8, 9, 10, 11a, 11b, 11c, 11d, 11e, 21) wahrnehmbar ist, und wobei eine erste Anzeigeeinrichtung (14) die Position der Aufzugskabine gegenüber einem gebäudeseitigen Zugang anzeigt, dadurch gekennzeichnet, dass eine zweite Anzeigeeinrichtung (13) den Bewegungszustand und die Bewegungsrichtung der Aufzugskabine anzeigt, dass das besagte Bedienelement (5a, 5b, 5c, 5d, 5e, 6a, 6b, 6c, 7a, 7b, 7c, 8, 9, 10, 11a, 11b, 11c, 11d, 11e, 21) sowie die besagten Anzeigeeinrichtungen (8, 9, 10, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21) von den ihnen jeweils zugeordneten Funktionseinheiten räumlich unabhängig sind, indem der Sonderbetrieb mittels Betätigung des besagten Bedienelementes (5a, 5b, 5c, 5d, 5e, 6a, 6b, 6c, 7a, 7b, 7c, 8, 9, 10, 11a, 11b, 11c, 11d, 11e, 21) allein aufgrund der verfügbaren Anzeigeeinrichtungen entnehmbaren Zustandsinformationen durchführbar ist, ohne dass beim Betätigen die anzusteuernden Funktionseinheiten unmittelbar eingesehen werden müssen, wobei das besagte Bedienelement sowie die besagten Anzeigeeinrichtungen in elektrischer Wechselwirkung mit der jeweiligen Funktionseinheit stehen und dass das besagte Bedienelement mit der zugeordneten Anzeigeeinrichtung räumlich in einer Bedieneinheit (2) zusammengefasst ist."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet:

"Aufzugsanlage mit einer Vorrichtung zum Sonderbetrieb, wobei die Vorrichtung wenigstens ein Bedienelement (5a, 5b, 5c, 5d, 5e, 6a, 6b, 6c, 7a, 7b, 7c, 8, 9, 10, 11a, 11b, 11c, 11d, 11e, 21) zum Steuern wenigstens einer zugeordneten Funktionseinheit der Aufzugsanlage (1) sowie wenigstens eine Anzeigeeinrichtung (8, 9, 10, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21) aufweist, wobei der Funktionseinheit zumindest eine der besagten Anzeigeeinrichtungen (8, 9, 10, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21) zugeordnet ist, welche wenigstens einen mittels des Bedienelementes (5a, 5b, 5c, 5d, 5e, 6a, 6b, 6c, 7a, 7b, 7c, 8, 9, 10, 11a, 11b, 11c, 11d, 11e, 21) beeinflussbaren Zustand der Funktionseinheit anzeigt und von dem Bediener des Bedienelementes (5a, 5b, 5c, 5d, 5e, 6a, 6b, 6c, 7a, 7b, 7c, 8, 9, 10, 11a, 11b, 11c, 11d, 11e, 21) wahrnehmbar ist, und wobei eine erste Anzeigeeinrichtung (14) die Position der Aufzugskabine gegenüber einem gebäudeseitigen Zugang anzeigt, wobei eine zweite Anzeigeeinrichtung (13) den Bewegungszustand und die Bewegungsrichtung der Aufzugskabine anzeigt, wobei wenigstens ein Bedienelement (5a, 5b, 5c, 5d, 5e, 6a, 6b, 10) zum Steuern des Hauptantriebes der Aufzugsanlage (1) und wenigstens ein Bedienelement (6a, 6b, 6c, 7a, 7b, 7c, 10, 11b, 11d) zum Steuern der Betriebsbremse der Aufzugsanlage (1) vorgesehen sind, wobei jedem der genannten Bedienelemente zumindest eine Anzeigeeinrichtung zugeordnet ist, dass die besagten Bedienelemente (5a, 5b, 5c, 5d, 5e, 6a, 6b, 6c, 7a, 7b, 7c, 8, 9, 10, 11a, 11b, 11c, 11d, 11e, 21) sowie die besagten Anzeigeeinrichtungen (8, 9, 10, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21) von den ihnen jeweils zugeordneten Funktionseinheiten räumlich unabhängig sind, indem der Sonderbetrieb mittels Betätigung der besagten Bedienelemente (5a, 5b, 5c, 5d, 5e, 6a, 6b, 6c, 7a, 7b, 7c, 8, 9, 10, 11a, 11b, 11c, 11d, 11e, 21) allein aufgrund der verfügbaren Anzeigeeinrichtungen entnehmbaren Zustandsinformationen durchführbar ist, ohne dass beim Betätigen die anzusteuernden Funktionseinheiten unmittelbar eingesehen werden müssen, wobei die besagten Bedienelemente sowie die besagten Anzeigeeinrichtungen in elektrischer Wechselwirkung mit der jeweiligen Funktionseinheit stehen und dass die besagten Bedienelemente mit den zugeordneten Anzeigeeinrichtungen räumlich in einer Bedieneinheit (2) zusammengefasst ist."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet:

"Aufzugsanlage mit einer Vorrichtung zum Sonderbetrieb, wobei die Vorrichtung wenigstens ein Bedienelement (5a, 5b, 5c, 5d, 5e, 6a, 6b, 6c, 7a, 7b, 7c, 8, 9, 10, 11a, 11b, 11c, 11d, 11e, 21) zum Steuern wenigstens einer zugeordneten Funktionseinheit der Aufzugsanlage (1) sowie wenigstens eine Anzeigeeinrichtung (8, 9, 10, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21) aufweist, wobei der Funktionseinheit zumindest eine der besagten Anzeigeeinrichtungen (8, 9, 10, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21) zugeordnet ist, welche wenigstens einen mittels des Bedienelementes (5a, 5b, 5c, 5d, 5e, 6a, 6b, 6c, 7a, 7b, 7c, 8, 9, 10, 11a, 11b, 11c, 11d, 11e, 21) beeinflussbaren Zustand der Funktionseinheit anzeigt und von dem Bediener des Bedienelementes (5a, 5b, 5c, 5d, 5e, 6a, 6b, 6c, 7a, 7b, 7c, 8, 9, 10, 11a, 11b, 11c, 11d, 11e, 21) wahrnehmbar ist, und wobei eine erste Anzeigeeinrichtung (14) die Position der Aufzugskabine gegenüber einem gebäudeseitigen Zugang anzeigt, wobei eine zweite Anzeigeeinrichtung (13) den Bewegungszustand und die Bewegungsrichtung der Aufzugskabine anzeigt, wobei wenigstens ein Bedienelement (6a, 6b, 6c) zum Steuern des Hauptantriebes der Aufzugsanlage (1) und wenigstens ein Bedienelement (7a, 7b, 7c§) zum Steuern der Betriebsbremse der Aufzugsanlage (1) vorgesehen sind, wobei jedem der genannten Bedienelemente zumindest eine Anzeigeeinrichtung zugeordnet ist, wobei wenigstens eine den Öffnungszustand der Türen des Fördermittels der Aufzugsanlage (1) anzeigende Anzeigeeinrichtung (18) vorgesehen ist, wobei die besagten Bedienelemente (6a, 6b, 6c, 7a, 7b, 7c) sowie die besagten Anzeigeeinrichtungen (12, 13, 14, 18) von den ihnen jeweils zugeordneten Funktionseinheiten räumlich unabhängig sind, indem der Sonderbetrieb mittels Betätigung der besagten Bedienelemente (6a, 6b, 6c, 7a, 7b, 7c) allein aufgrund der verfügbaren Anzeigeeinrichtungen entnehmbaren Zustandsinformationen durchführbar ist, ohne dass beim Betätigen die anzusteuernden Funktionseinheiten unmittelbar eingesehen werden müssen, wobei die besagten Bedienelemente (6a, 6b, 6c, 7a, 7b, 7c) sowie die besagten Anzeigeeinrichtungen (12, 13, 14, 18) in elektrischer Wechselwirkung mit der jeweiligen Funktionseinheit stehen und dass die besagten Bedienelemente (6a, 6b, 6c, 7a, 7b, 7c) mit den zugeordneten Anzeigeeinrichtungen (12, 13, 14, 18) räumlich in einer Bedieneinheit (2) zusammengefasst ist."

VII. Die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) brachte u.a. vor, der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei neu gegenüber E1, weil ein Sonderbetrieb nur sinnvoll durchzuführen sei, wenn der Bewegungszustand und die Position der Aufzugskabine über die gesamte Schachthöhe angezeigt würden. In E1 sei diese Anzeige auf 175 mm unter oder über der Ausstiegshöhe begrenzt.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 sei neu und auch erfinderisch, denn weder in E1 noch in E9 gebe es zwei separate, elektrisch wirkende Bedienelemente für den Hauptantrieb und die Betriebsbremse. Auch die Druckschriften E11 und E2 offenbarten kein separates Bedienelement mit einer zugeordneten Anzeigeeinrichtung für die Betriebsbremse, so dass dieses Merkmal nicht nahegelegt sei.

Das zusätzliche Merkmal des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2, wonach eine Anzeigevorrichtung für den Öffnungszustand der Türen des Fördermittels vorgesehen sei, sei wesentlich im Hinblick auf die Unfallgefahr. Im Notbetrieb müssten besondere Vorkehrungen getroffen werden, wenn sich die Aufzugskabine bei geöffneter Tür bewege. Entsprechende Hinweise seien weder dem Stand der Technik nach E1, E9 noch dem nach E2, E4, E6 entnehmbar, so dass die beanspruchte Lösung nicht naheliege.

VIII. Die Beschwerdeführerin II (Einsprechende) argumentierte, die Aufzugsanlage gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags sei nicht neu im Hinblick auf E1, denn der Anspruch sei nicht auf einen Sonderbetrieb über die gesamte Schachthöhe beschränkt. Außerdem seien der Bewegungszustand und die Bewegungsrichtung der Aufzugskabine der dortigen Anzeige 20 entnehmbar.

Auch die Anlage nach Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 sei durch E1 vorweggenommen, weil die Anzeige der gelösten Betriebsbremse implizit offenbart sei. Die Bewegung der Aufzugskabine durch den "RUN"-Befehl setze die Bremslüftung voraus. Jedenfalls sei der beanspruchte Gegenstand durch die Kombination von E9 und E1 nahegelegt, da der Fachmann die bekannte mechanische Bremslüftung nach dem Vorbild von E1 auch elektrisch vornehmen könne, wie dies gleichermaßen auch in E2 gezeigt werde.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 sei nicht erfinderisch, weil ein Türöffnungszustand durch die Stellung des "door switch" 14 in E1 erkennbar sei und nach der Lehre des Patents auch die Stellung eines Bedienelements selbst als Anzeigeeinrichtung dienen könne.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Die von der Patentinhaberin im jeweiligen Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen wurden im Hinblick auf die formale Zulässigkeit seitens der Einsprechenden nicht beanstandet. Die Kammer kommt zu dem Ergebnis, dass die geänderten Merkmale ausreichend offenbart sind und auch Ausführbarkeit und Klarheit nicht in Frage stehen (Artikel 83, 84, 123 (2), (3) EPÜ).

3. Hauptantrag (Neuheit)

3.1 Aus E1 ist eine Aufzugsanlage mit einer Vorrichtung zum Notbetrieb bekannt, mit einem Bedienelement 11 zum Steuern der Aufzugskabine im Notbetrieb sowie eine Anzeigeeinrichtung 15. Der Aufzugskabine ist die Anzeigeeinrichtung 15 zugeordnet, die im Notbetrieb die Stellung der Aufzugskabine anzeigt, wenn das Bedienelement 11 betätigt wird. Die Anzeigeeinrichtung 15 ist vom Bediener des Bedienelementes 11 wahrnehmbar und zeigt die Position der Aufzugskabine gegenüber einem gebäudeseitigen Zugang an (Oberbegriff des Anspruchs 1).

3.2 Eine zweite Anzeigeeinrichtung 20 zeigt den Bewegungszustand und die Bewegungsrichtung der Aufzugskabine an (Absatz [0040], Figur 6). Das Bedienelement 11 sowie die Anzeigeeinrichtungen 15 und 20 sind von der Aufzugskabine räumlich unabhängig angeordnet, wobei der Sonderbetrieb mittels Betätigung des Bedienelementes 11 allein aufgrund der von den Anzeigeeinrichtungen 15, 20 zur Verfügung gestellten Zustandsinformationen durchführbar ist, ohne dass beim Betätigen die Aufzugskabine unmittelbar eingesehen werden muss. Das Bedienelement 11 und die Anzeigeeinrichtungen 15, 20 stehen in elektrischer Wechselwirkung mit der Steuerung der Aufzugskabine und sind räumlich in einer Bedieneinheit 4 zusammengefasst (Absatz [0036], Figuren 5, 6) (Kennzeichnender Teil des Anspruchs 1).

3.3 Der Meinung der Patentinhaberin, wonach Anspruch 1 die Anzeige des Bewegungszustands und der Bewegungsrichtung der Aufzugskabine über die gesamte Schachthöhe erfordere, kann nicht gefolgt werden. Der Anspruch enthält keine derartige Beschränkung, die der fachkundige Leser ohne weiteres erkennen würde. Es ist auch nicht ersichtlich, welches in E1 nicht ausdrücklich erwähnte Merkmal, das zur Überwindung eines auf diesem technischen Gebiet verbreiteten Nachteils beitragen kann, als implizit offenbart angesehen werden könnte, wie die Patentinhaberin unter Hinweis auf die Entscheidung T 71/93 meinte, denn die explizit offenbarten Anzeigen 15 und 20 sind eindeutig bei einem Sonderbetrieb der Aufzugsanlage, nämlich einem Notbetrieb aktiv, so dass alle Merkmale des Anspruchs 1 aus E1 bekannt sind. (Artikel 54 (1) EPÜ).

4. Hilfsantrag 1 (erfinderische Tätigkeit)

4.1 Ausgehend von einem Stand der Technik wie er in E1 offenbart ist, kann die dem Patentgegenstand zugrunde liegende Aufgabe darin gesehen werden, eine Vorrichtung zum Sonderbetrieb von Aufzugsanlagen zu schaffen, die einfacher, übersichtlicher, verlässlicher und sicherer zu bedienen ist.

4.2 Gelöst wird dieses technische Problem mit der Aufzugsanlage nach Anspruch 1 des Hilfsantrags, der neben den Merkmalen des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag die weiteren Merkmale enthält, dass wenigstens ein Bedienelement (5a, 5b, 5c, 5d, 5e, 6a, 6b, 10) zum Steuern des Hauptantriebes der Aufzugsanlage (1) und wenigstens ein Bedienelement (6a, 6b, 6c, 7a, 7b, 7c, 10, 11b, 11d) zum Steuern der Betriebsbremse der Aufzugsanlage (1) vorgesehen sind, wobei jedem der genannten Bedienelemente zumindest eine Anzeigeeinrichtung zugeordnet ist.

4.3 Wie oben unter Punkt 3.2 dargelegt, offenbart E1 bereits ein Bedienelement 11 zum Steuern des Hauptantriebs der Aufzugsanlage. Die Anzeigen 15, 20 sind diesem Bedienelement insofern zugeordnet als die Bewegung der Aufzugskabine durch sie erkennbar ist. Für den fachkundigen Leser ergibt sich dabei außerdem, dass im Bewegungszustand der Aufzugskabine die Betriebsbremse gelöst sein muss, wenn der Hauptantrieb betätigt wird. Die Anzeigen 15, 20 sind somit auch Indikatoren dafür, dass die Betriebsbremse gelöst ist, wie es in vergleichbarer Weise auch im Patent (Spalte 6, Absatz [0024]) beschrieben ist.

4.4 Soll nun die Betriebsbremse zur Überprüfung deren Funktion separat angesteuert werden, so findet der Fachmann im Aufsatz E9 die Beschreibung einer Aufzugsanlage, mit der Sonderbetriebsarten durchführbar sind, wie verschiedene Betriebsprüfungen und Notbefreiung. Diese Anlage umfasst ein Bedientableau, in dem die verschiedenen Bedienelemente zusammengefasst sind und welches von den zu steuernden Funktionseinheiten räumlich unabhängig angeordnet ist (Seite 10, Mitte oben; Abb. 4). Im Bedientableau sind Bremslüfthebel 1 vorgesehen zum jeweils getrennten Lüften der Bremse, die aufgrund ihrer Ausbildung anscheinend mechanisch auf die Bremse einwirken. Bei der Durchführung von Prüfungen müssen entweder die Treibscheibe und die Seile einsehbar sein oder muss das Verhalten der Anlage über Anzeigevorrichtungen ausreichend beurteilt werden können (Seite 9, Mitte links).

Somit zeigt E9 ein Bedienelement 1 zum Steuern der Betriebsbremse der Aufzugsanlage, dem eine Anzeigeeinrichtung zugeordnet ist. Nicht explizit offenbart ist in E9, dass das Bedienelement Bremslüfthebel sowie die Anzeigeeinrichtung in elektrischer Wechselwirkung mit der Funktionseinheit Betriebsbremse stehen.

4.5 Nach der Problemstellung von E1 und deren Lösung soll ein Sonderbetrieb von einem beliebigen Stockwerk aus durchführbar sein, wobei die Bedienelemente und Anzeigen über elektrische Leitungen mit den Funktionselementen verbunden sind (Seite 4, Absätze [0006] bis [0009]). Aufgrund dieser vorteilhaften Anordnung wird der Fachmann angeregt, die mit der Steuerung nach E9 möglichen Funktionen in gleicher Weise von einem beliebigen Platz innerhalb des Gebäudes aus durchzuführen, so dass es naheliegt, auch die Funktion der Betriebsbremse und die zugeordnete Anzeigeeinrichtung über elektrische Verbindungen mit der Funktionseinheit zu verknüpfen. Somit gelangt der Fachmann durch naheliegende Kombination der Lehren von E1 und E9 zu beanspruchten Lösung. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

5. Hilfsantrag 2 (erfinderische Tätigkeit)

5.1 Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 umfasst die Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 und enthält das weitere Merkmal, dass "wenigstens eine den Öffnungszustand der Türen des Fördermittels der Aufzugsanlage (1) anzeigende Anzeigeeinrichtung (18) vorgesehen ist".

5.2 In E1 ist beschrieben, dass im Notbetrieb nach Anhalten der Aufzugskabine in einem für den Notausstieg geeigneten Stockwerk die Aufzugstür durch Umlegen des Türschalters 14 geöffnet werden kann (siehe (57) Abstract). Das heißt, dass der Öffnungszustand der Tür anhand der Schalterstellung erkennbar ist. Nachdem gemäß Patent als Anzeigeelement auch die Schaltstellung des jeweiligen Bedienelements dienen kann (Spalte 5, Absatz [0018]), ist das zusätzliche Merkmal eindeutig in E1 offenbart. Der Anspruch 1 kann daher aus den im übrigen unter Punkt 4.1 bis 4.5 abgehandelten Gründen nicht gewährt werden, da sein Gegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ).

6. Da keiner der beanspruchten Gegenstände die Patentierungsvoraussetzungen im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ erfüllt, konnte das Patent nicht aufrechterhalten werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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