T 0503/06 () of 18.4.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:T050306.20080418
Datum der Entscheidung: 18 April 2008
Aktenzeichen: T 0503/06
Anmeldenummer: 00101823.3
IPC-Klasse: B60D 1/54
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Anhängekupplung
Name des Anmelders: SCAMBIA INDUSTRIAL DEVELOPMENTS AKTIENGESELLSCHAFT
Name des Einsprechenden: Jaeger Cartronix GmbH
Westfalia-Automotive GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit: Hauptantrag - verneint; Hilfsantrag - bejaht
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die von der Beschwerdeführerin (Einsprechende II) und der Einsprechenden I gegen das europäische Patent Nr. 1 002 673 eingelegten Einsprüche wurden mit der am 8. Februar 2006 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung zurückgewiesen. Insbesondere war die Einspruchsabteilung der Auffassung, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 die nach dem EPÜ erforderliche erfinderische Tätigkeit aufweist.

II. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 5. April 2006 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 12. Juni 2006 eingereicht.

Die Beschwerdeführerin wiederholte ihren in der ersten Instanz vorgebrachten Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit. Von dem umfangreichen vor der Einspruchsabteilung zitierten Stand der Technik hat sie in der Beschwerdebegründung lediglich folgende Entgegenhaltungen zitiert :

D5: DE-A-26 19 913

D7: DE-A-29 02 683.

III. Auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) mit Schreiben vom 18. März 2008 einen weiteren Satz von Ansprüchen als Hilfsantrag ein.

IV. Am 18. April 2008 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

Im Verlauf der mündlichen Verhandlung hat sich die Beschwerdeführerin noch auf folgende Entgegenhaltung

D18: DE-A-39 09 087

berufen und beantragte, diese Druckschrift für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag) und hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 42 gemäß Hilfsantrag, eingereicht mit Schreiben vom 18. März 2008.

Die Einsprechende I hat mit Schreiben vom 7. Februar 2008 mitgeteilt, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.

V. Der Anspruch 1 in der erteilten Fassung (Hauptantrag) lautet wie folgt:

"Anhängekupplung für Kraftfahrzeuge, insbesondere Personenkraftfahrzeuge, mit einer Kupplungskugel (12), mit einem Kugelhals (14), dessen einer Endbereich (16) abgekröpft ist und die Kupplungskugel (12) trägt und dessen anderer Endbereich (18) mit einem Lagerelement (20) verbunden ist, mit einem das Lagerelement (20) schwenkbar lagernden fahrzeugfesten Schwenklager (22), dessen einzige Schwenkachse (30) schräg zu einer zur Fahrzeuglängsrichtung (34) parallelen vertikalen Längsebene (60) ausgerichtet ist, wobei der Kugelhals (14) mit der Kupplungskugel (12) durch ein Verschwenken um die Schwenkachse (30) von einer Arbeitsstellung (a), in welcher sich der Kugelhals (14) im wesentlichen längs der vertikalen Längsebene (60) erstreckt, in eine Ruhestellung (r), in welcher sich der Kugelhals (14) ungefähr quer zu vertikalen Längsebene (60) erstreckt, und umgekehrt verschwenkbar ist, dadurch gekennzeichnet,

dass zur Durchführung der Schwenkbewegung um die Schwenkachse (30) ein einen Motor (82) aufweisender Antrieb (80) vorgesehen ist und dass eine Steuerung (190) für den Motor (82) vorgesehen ist, die die Arbeitsstellung (a) des Kugelhalses (14) über einen dieser Stellung zugeordneten Sensor (202) erfasst.

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag entspricht dem Anspruch 1 des Hauptantrags mit dem hinzugefügten einschränkenden Merkmal, "dass die Steuerung (190) die Arbeitsstellung (a) des Kugelhalses (14) über einen eine verriegelnde Stellung einer zum Fixieren des Kugelhalses (14A) in der Arbeitsstellung (a) vorgesehenen Verriegelungsvorrichtung (110) erfassenden Sensor (202) erkennt."

VI. Zur Stützung ihres Vorbringens brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen folgendes vor:

Das bereits in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgetragene Argument, dass die Kombination des Standes der Technik nach den Dokumenten D5 und D7 den Fachmann zum Gegenstand des Streitpatentes führe, werde weiter geltend gemacht. Dem habe die Einspruchsabteilung lediglich entgegengehalten, einer solchen Kombination sei nicht zu folgen, da das Dokument D7 nicht zu dem für den Fachmann relevanten Fachgebiet gehöre. Eine Begründung für diese Auffassung habe die Einspruchsabteilung nicht gegeben. Diese Meinung sei insoweit nicht nachvollziehbar, als es nach der in der Streitpatentschrift angegebenen Aufgabe ausschließlich darum gehe, eine Anhängekupplung der gattungsgemäßen Art bedienungsfreundlicher zu machen, also ihren Komfort zu verbessern. Die Einspruchsabteilung gehe jedoch unter III.3 bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit selbst davon aus, dass der Fachmann für Anhängekupplungen genügend Anregungen finde, um eine rein mechanische Betätigung von Kupplungsanordnungen durch eine motorische Betätigung zu ersetzen. So gehe es beim Gegenstand des Streitpatentes darum, die Anhängekupplung nach D5 mittels eines motorischen Antriebs bedienungsfreundlicher auszuführen, ohne hierbei den üblichen Sicherheitsstandard zu verlassen. Wenn der auf dem Gebiet der Anhängekupplungen tätige Fachmann sich nicht schon von selbst auf dem benachbarten Gebiet der Servoantriebe in der Kraftfahrzeugtechnik umschaue, dann werde er sich auf jeden Fall Hinweise und Kenntnisse von dem von ihm herangezogenen Spezialisten einholen, der sich mit Servoantrieben zur Betätigung von beweglichen Bauteilen an Kraftfahrzeugen auskenne. D7 beschreibe einen Stand der Technik aus dem Gebiet der Steuerschaltungen für Fahrzeugfensterbetätigungsvorrichtungen, der exakt die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruch 1 liefere. Alle Angaben hierzu finde der Fachmann in Absatz 2 auf Seite 15 von D7. Für den Fachmann für Anhängekupplungen und den von ihm herangezogenen Spezialisten für Servoantriebe bedürfe es somit keiner erfinderischen Überlegung, um ausgehend von dem Stand der Technik nach D5 eine Anhängekupplung zu schaffen, welche eine motorische Steuerung analog der Fahrzeugfensterbetätigungsvorrichtung nach D7 aufweise. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatentes erfülle somit nicht das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit gemäß Art. 56 EPÜ 1973.

Zum Hilfsantrag

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag verlange, dass die Steuerung für den Motor über einen Sensor 202 erfasse, dass der Kugelhals seine Arbeitsstellung erreicht habe. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag enthalte das zusätzliche Erfordernis, dass die Verriegelungsstellung der zum Fixieren des bewegbaren Kupplungsteils vorgesehenen Verriegelungsvorrichtung durch einen Sensor 202 erfasst werde. Offensichtlich würden hier zwei Sensoren benötigt, um diese zwei Erfordernisse zu erfüllen. Der in Verbindung mit dem zweiten Erfordernis und im letzten Abschnitt des Anspruchs erwähnte "Sensor (202)" sollte daher als ein "weiterer Sensor (202)" definiert werden. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag sei deshalb nicht klar.

Der für die Anhängekupplungen zuständige Fachmann wisse, dass der motorisch verschwenkbare Kugelhals der Anhängekupplung seine Arbeitsstellung sicher erreichen müsse, weil es sich bei der Anhängekupplung und insbesondere dem die Kräfte aufnehmenden Kugelhals um ein sicherheitsrelevantes Bauteil handele. Dies sei im vorletzten Absatz von D5 auf der dortigen Seite 5 angesprochen. D5 beschreibe auch, wie eine Verriegelungsvorrichtung 10 die Verriegelung des Kugelhalses in der Arbeitsstellung fixiere (vgl. Seite 4, die beiden letzten Absätze und Figur 1). Deshalb ist es an sich bereits für den Kupplungsfachmann selbstverständlich, nur solch einen motorischen Antrieb mit einer Steuerung zur Betätigung der Anhängekupplung nach D5 vorzusehen, der die Erfassung der Verriegelungslage des Kugelhalses in der Arbeitsstellung ermögliche, um die vorgeschriebene Sicherung des die Kupplungskugel tragenden Kugelhalses in der Arbeitsstellung vornehmen zu können.

Der auf dem Gebiet der Anhängekupplungen tätige Fachmann kenne auch die Entgegenhaltung D18, die sich ebenfalls mit einer Anhängekupplung beschäftige. Insbesondere beschreibe D18 eine Steuerung mit einer Verriegelungsvorrichtung 7,9 für ein zwischen einer Arbeitsstellung und einer Ruhestellung durch einen Antrieb 20 verschiebbares Kupplungsteil 3 der Anhängerkupplung. Zur Erfüllung besonderer Sicherheitsanforderungen werde die Verriegelungsstellung der zum Fixieren des bewegbaren Kupplungsteils 3 in der Arbeitsstellung vorgesehenen Verriegelungsvorrichtung 7,9 mittels eines Sensors S1 erfasst. Dabei erfasse gleichzeitig der Sensor S1 die Arbeitsstellung des Kupplungsteils 3 (vgl. Spalte 1, Zeilen 6-11; Spalte 5, Zeilen 32-43 i.V.m. Figur 1). Insoweit beschreibe D18 einen relevanten Stand der Technik, der bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen sei. Die Zusammenschau von D5 und D18 lasse keine erfinderische Leistung darin erkennen, mittels des Sensors der Motorsteuerung die Verriegelungsstellung der Verriegelungsvorrichtung des Kugelhalses in der Arbeitsstellung zu erfassen.

VII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ergebe sich nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik. Zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents habe sich der auf dem einschlägigen Gebiet der Anhängekupplungen zuständige Fachmann lediglich mit mechanischen Lösungen beschäftigt. Auch die Automobilhersteller selbst hätten nur rein mechanische Lösungen in der Serie eingebaut und für serientauglich erachtet. Die Einspruchsabteilung habe daher zu Recht erkannt, dass es für den auf dem einschlägigen Gebiet der Anhängekupplungen zuständigen Fachmann keinen Anlass gegeben habe, sich auf dem Gebiet der elektrischen oder elektronischen Steuerungen umzusehen oder Fachleute aus diesem Gebiet heranzuziehen. Auch der Zeitraum von nahezu 20 Jahren zwischen dem Veröffentlichungsdatum von D5 bzw. D7 und dem Prioritätsdatum des Streitpatents sei ein Anzeichen für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit. In diesem gesamtem Zeitraum sei keiner auf die Idee gekommen, diese Anhängekupplungssysteme anders als mechanisch zu betätigen. Deshalb sei schon alleine der Gedanke, die Schwenkbewegung des Kugelhalses zu motorisieren, nicht selbstverständlich.

Des Weiteren, auch wenn eine Motorisierung der Schwenkbewegung in der Luft gelegen haben möge, sei es jedenfalls nicht naheliegend gewesen, diese Motorisierung mit einem die Arbeitsstellung des Kugelhalses ermittelnden Sensor zu kombinieren (vgl. z.B. das nicht vorveröffentliche Dokument D4, das eine Motorisierung ohne Sensor zeige). Der Fachmann hätte möglicherweise die wohl bekannte Lösung einer stromlastabhängigen Steuerung, in der das Ansteigen der Stromaufnahme bei Erreichen der jeweiligen Endstellung die Abschaltung des Motors auslöse, herangezogen, die Verwendung eines Sensors für die Erfassung der Endstellung des Kugelhalses hätte er jedoch nicht in Betracht gezogen. Die Erfassung des Erreichens der Endposition in der ausgefahrenen Arbeitsstellung über den Sensor stelle einen wichtigen Aspekt der Erfindung dar (vgl. Absatz [0009] der Patentschrift) und sorge für eine zusätzliche Funktionssicherheit. Die beanspruchte Positionserfassung verlange vom Fachmann einen über die stromlastabhängige Steuerung hinausgehenden Schritt und begründe eine erfinderische Tätigkeit. Eine Zusammenschau von D5 und D7 könne nicht zum beanspruchten Gegenstand führen, denn das Erfassen der Arbeitsstellung erfolge bei der vorliegenden Erfindung unter dem Aspekt der Funktionssicherheit, während es bei dem aus D7 bekannten Fensterheber nicht um die Funktionssicherheit, sondern lediglich darum gehe, dass der Motor abgeschaltet werde, wenn das Fenster die Schließstellung erreicht habe.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag gehe noch über die dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag zugrundeliegende Idee des funktionssicheren Erfassens der Arbeitsstellung hinaus. Die Steuerung gemäß Hilfsantrag solle nicht nur die Arbeitsstellung erfassen, sondern gleichzeitig auch noch, ob eine zum Fixieren des Kugelhalses in der Arbeitsstellung vorgesehene Verriegelungsvorrichtung in ihre verriegelnde Stellung übergegangen sei und somit den Kugelhals in der Arbeitsstellung funktionssicher verriegelt habe. Eine derartige Lehre stelle eine durch beliebige Kombinationen von Dokumenten des Standes der Technik nicht naheliegende Lösung dar.

Die Entscheidung, ob die D18 in das Beschwerdeverfahren zugelassen werde, sei der Kammer überlassen. Es werde jedoch darauf hingewiesen, dass die in D18 beschriebene Anhängekupplung nicht für PKW geeignet sei, sondern lediglich in LKW Anwendung finde. Darüber hinaus sei die Problemstellung bei D18 (vgl. Spalte 1, Zeilen 15-22 : Fernüberwachung des Kupplungszustandes) nicht mit der Problematik der vorliegenden Erfindung vergleichbar. D18 sei deshalb nicht relevant.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Stand der Technik; Frage der Zulässigkeit der Entgegenhaltungen D18

2.1 Die D18 wurde zwar im Laufe des Einspruchsverfahrens zitiert und von der Einspruchsabteilung berücksichtigt. Im Beschwerdeverfahren hat aber die Beschwerdeführerin die D18 erst im Verlauf der mündlichen Verhandlung herangezogen. Die Beschwerdegegnerin hat in Frage gestellt, ob diese Entgegenhaltung zu diesem späten Stadium des Beschwerdeverfahrens von der Kammer zugelassen werden kann, da sie in der Beschwerdebegründung nicht erwähnt wurde.

2.2 Nach Artikel 13(1) der VoBK steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten, im vorliegenden Fall die auf der Grundlage der Entgegenhaltung D18 vorgebrachten Einwendungen der Beschwerdeführerin, nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens sollte insbesondere der Stand des Verfahrens berücksichtigt werden.

2.3 Das Patentbegehren gemäß dem Hilfsantrag unterscheidet sich von der Anhängekupplung gemäß dem Hauptantrag durch zusätzliche Erfordernisse in Hinblick auf deren Funktionssicherheit, insbesondere durch die Erfassung der Verriegelungsstellung einer zum Fixieren des bewegbaren Kupplungsteils vorgesehenen Verriegelungsvorrichtung.

2.4 D18 wurde nach der Einreichung des Hilfsantrags von der Beschwerdeführerin herangezogen und beschreibt eine Anhängekupplung, bei der zur Erfüllung besonderer Sicherheitsanforderungen die Verriegelungsstellung eines verschiebbaren Kupplungsteils erfasst werden kann.

2.5 Die Druckschrift D18 kann somit als Erwiderung der Beschwerdeführerin zu dem im Hilfsantrag geänderten Patentbegehren der Beschwerdegegnerin betrachtet werden und ihre technische Lehre ist im Hinblick auf diesen Hilfsantrag von besonderer Bedeutung.

2.6 Die Kammer hat daher in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 114 (2) EPÜ die Entgegenhaltung D18 in das Beschwerdeverfahren eingeführt. Diese Druckschrift wird daher im Rahmen der Frage der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Hilfsantrags berücksichtigt.

3. Hauptantrag; erfinderische Tätigkeit

3.1 Es herrscht Einigkeit zwischen den Parteien darüber, dass D5 eine Anhängekupplung für Kraftfahrzeuge beschreibt, die sämtliche Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 aufweist.

Die Figuren 1 und 2 von D5 zeigen nämlich eine Anhängekupplung mit einer Kupplungskugel 7, mit einem Kugelhals 6, dessen einer Endbereich abgekröpft ist und die Kupplungskugel 7 trägt und dessen anderer Endbereich mit einem Lagerelement 5 verbunden ist, und mit einem das Lagerelement schwenkbar lagernden fahrzeugfesten Schwenklager 8-9, wobei der Kugelhals 6 mit der Kupplungskugel 7 durch ein Verschwenken um die Schwenkachse von einer Arbeitsstellung, in welcher sich der Kugelhals im Wesentlichen längs einer zur Fahrzeuglängsrichtung parallelen vertikalen Längsebene erstreckt, in eine Ruhestellung (r), in welcher sich der Kugelhals 6 ungefähr quer zu dieser vertikalen Längsebene erstreckt, und umgekehrt verstellbar ist.

3.2 Aus dem sich ergebenden Unterschied des Anspruchsgegenstands gegenüber diesem Stand der Technik kann als objektive Aufgabe angesehen werden, die Anhängekupplung gemäß D5 bedienungsfreundlicher zu gestalten (vgl. Absatz [0004] der Patentschrift).

3.3 Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin definieren die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 keine vollständige serientaugliche Lösung für das motorische Verschwenken des Kugelhalses der Anhängekupplung gemäß D5, sondern sie beschränken sich im Wesentlichen darauf, zusätzliche Komponenten der Anhängekupplung zu erwähnen, die generell an deren Motorisierung beteiligt sind, nämlich einen Antrieb mit einem Motor und eine Steuerung für diesen Motor mit einem Sensor für die Erfassung der Arbeitsstellung.

3.4 Ausgehend von der aus D5 bekannten Anhängekupplung und unter Berücksichtigung des allgemeinen Trends zur Motorisierung von zu betätigenden, zur Ausstattung von modernen Personenkraftfahrzeugen gehörenden Bauteilen (Außenspiegel, Fenster, Schiebedach, Sitzverstellung, usw. ...) scheint der Gedanke, die Betätigung des Kugelhalses dieser Anhängekupplung zu motorisieren, um sie bedienungsfreundlicher zu machen, den Rahmen des fachüblichen Handelns nicht zu sprengen. Die technischen Fortschritte hinsichtlich der Zuverlässigkeit und der verringerten technischen Schwierigkeiten, die mit der Implementierung solcher elektrischer Betätigungseinrichtungen verbunden sind, haben zweifellos zu einer größeren Akzeptanz des Marktes für derartige Antriebe beigetragen. Die Kammer kann deshalb den von der Beschwerdegegnerin zitierten Zeitraum von nahezu 20 Jahren zwischen dem Veröffentlichungsdatum der Entgegenhaltung D5 und dem Prioritätsdatum des Streitpatents nicht als ein Anzeichen für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit ansehen. Auch das umständliche Umschwenken des Kugelhalses wegen der schlechten Zugänglichkeit der gattungsgemäßen Anhängekupplung nach D5 kann als Anreiz für eine Motorisierung angesehen werden.

3.5 Wenn die Anhängekupplung nach D5 durch Motorisierung bedienungsfreundlich gemacht werden soll, dann liegt es auf der Hand, einen elektrischen Motor in Betracht zu ziehen. Ein solcher Elektroantrieb verlangt grundsätzlich eine Steuerung für den Motor, zumal es ausgehend von der gattungsgemäßen Anhängekupplung nach D5 erforderlich ist, den Kugelhals der Anhängekupplung in zwei verschiedenen Schwenkrichtungen zu bewegen.

Selbstverständlich muss auch die Motorsteuerung dafür sorgen, dass der Elektromotor nach dessen Betätigung am Ende der Bewegungsstrecke des Kugelhalses abgeschaltet wird. D7 belegt nur exemplarisch, dass auf dem Gebiet der Servoantriebe in der Kraftfahrzeugtechnik es allgemein bekannt war, zwei Arten von Steuerungen zu diesem Zweck zu verwenden. Der Fachmann kann eine stromlastabhängige Steuerung, in der das Ansteigen der Stromaufnahme bei Erreichen der jeweiligen Endstellung die Abschaltung des Motors auslöst, oder er kann einen Sensor für die Erfassung der Endstellung des zu bewegenden Elements verwenden. D7 beschreibt nämlich eine durch einen elektrischen Antriebsmotor angetriebene Fahrzeugfenster-Betätigungsvorrichtung, bei der die Abschaltung der Fensterbetätigung durch eine stromlastabhängige Steuerung erfolgt (vgl. Seite 14, letzter Absatz) und erwähnt im zweiten Absatz der Seite 15, dass eine andere Steuereinrichtung auch vorgesehen werden kann, die "feststellt, ob das Fenster das eine oder andere Ende seiner Bewegungsstrecke erreicht hat, und durch welche der Motor nach Bedarf abgeschaltet wird. Zu diesem Zweck kann man z.B. Endschalter vorsehen, die den Enden der Bewegungsstrecke des Fensters zugeordnet sind". Dadurch soll, "ein Signal gewonnen werden, welches anzeigt, dass das Fenster das Ende seiner Bewegungsstrecke erreicht hat". Der erwähnte Endschalter stellt somit einen Sensor dar, der aufgrund des Wechsels seines Schaltzustandes das Ende der Bewegungsstrecke der Fensterscheibe erfasst.

Nach Auffassung der Kammer ist eine solche Maßnahme ohne Weiteres bei einer elektromotorischen Betätigung des Kugelhalses der Anhängerkupplung gemäß D5 anwendbar.

3.6 Die Beschwerdegegnerin hat versucht, das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit dadurch zu begründen, dass die beanspruchte Sensorerfassung das Erreichen der Endposition des Kupplungshalses in der ausgefahrenen Arbeitsstellung erkenne, was einen Sicherheitsvorteil gegenüber der in D7 offenbarten Endstellungsabschaltung darstelle. Die Kammer stellt jedoch fest, dass die beanspruchte Lösung keine zusätzliche Sicherheitsfunktion erfüllt, die sich nicht bereits durch die Anwendung eines auf dem Gebiet der elektrischen Kraftfahrzeugbetätigungssysteme bekannten Abschaltprinzips (vgl. D7) bei der naheliegenden Motorisierung der Schwenkbewegung der gattungsgemäßen Anhängekupplung nach D5 ergeben würde.

3.7 Die Kammer kommt somit zum Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sich in naheliegender aus dem Stand der Technik ergibt.

4. Hilfsantrag

4.1 Die Beschwerdeführerin hatte an die im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag vorgenommenen Änderungen bezüglich der Erfüllung der Anforderungen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ nichts auszusetzen. In Hinblick auf die Erfüllung dieser Anforderungen bestehen auch seitens der Kammer keine Bedenken.

4.2 Die Beschwerdeführerin hat die Klarheit des Anspruchs in Frage gestellt. Sie hat ausgeführt, dass gemäß dem Wortlaut des Anspruchs die Steuerung für den Motor zwei Bedingungen erkennen solle, nämlich dass der Kugelhals die Arbeitsstellung A erreicht und dass die Verriegelungsvorrichtung den Kugelhals in der Arbeitsstellung A verriegelt habe. Aus Klarheitsgründen sollte der Anspruch den im letzten Abschnitt des Anspruchs erwähnten "Sensor (202)" als einen "weiteren Sensor (202)" definieren, denn zwei Sensoren seien nötig, um die Erfüllung der zwei Bedingungen zu erfassen.

4.3 Für die Kammer ist der Anspruch im Lichte der Beschreibung klar. Im Absatz [0132] der Beschreibung der Patentschrift ist zwar präzisiert, dass es denkbar wäre, "zwei Sensoren 202 vorzusehen, wobei einer der Sensoren 202 die Anwesenheit des Lagerelements 20 in der Arbeitsstellung A und der andere die verriegelnde Stellung der Verriegelungsvorrichtung 110... detektiert". Der voranstehende Absatz [0131] der Patentschrift sieht jedoch vor, dass die Erfindung auch "dadurch realisierbar [ist], dass die Anwesenheit des Lagerelements 20 in der Arbeitsstellung und die verriegelnde Stellung der Verriegelungsvorrichtung 110, d. h. in diesem Fall der Verriegelungsklinke 114, so verknüpft werden, dass sie nur dann den Endschalter 202 betätigen, wenn beide Bedingungen erfüllt sind". Die durch den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag gedeckte Ausführungsform der Erfindung mit lediglich einem Sensor ist somit durch die Beschreibung gestützt.

4.4 Erfinderische Tätigkeit

4.4.1 Zusätzlich zu der Motorisierung der Schwenkbewegung des Kugelhalses gemäß Hauptantrag soll die Steuerung gemäß Hilfsantrag nicht nur die ausgefahrene Arbeitsstellung erfassen, sondern auch noch, ob eine zum Fixieren des Kugelhalses in der Arbeitsstellung vorgesehene Verriegelungsvorrichtung in ihre verriegelnde Stellung übergegangen ist und somit den Kugelhals in der Arbeitsstellung funktionssicher verriegelt hat.

4.4.2 Die Anhängerkupplung gemäß D5 weist zwar eine Verriegelungsvorrichtung 10 auf, die den Kugelhals in der Arbeitsstellung fixiert (vgl. Seite 4, zwei letzten Absätze und Figur 1), diese Verriegelungsvorrichtung muss jedoch manuell entriegelt werden und eine motorische Betätigung des Kugelhalses mit entsprechender Entriegelung ist für den Fachmann nicht ohne Weiteres vorstellbar.

4.4.3 D18 beschreibt eine Fernanzeigevorrichtung für Fahrzeug-Anhängerkupplungen mit einem Kupplungsmaul 1 und einem Kupplungsbolzen 3, der bei Ankuppeln eines Anhängers von einer Öffnungsstellung in eine Schließ- und Verriegelungsstellung überführt werden kann (Spalte 1, erster Absatz; Spalte 4, Zeilen 42-60 i.V.m. Figur 1).

4.4.4 Bei ihrer sich auf die Zusammenschau von D5 und D18 stützenden Argumentation zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit hat die Beschwerdeführerin das Überführen des Kupplungsbolzen 3 bei der Anhängerkupplung gemäß D18 mit dem Ausfahren des Kugelhalses samt Kupplungskugel in die Arbeitsstellung bei der Anhängerkupplung nach D5 gleichgesetzt. Nach Auffassung der Kammer ist ein solcher Vergleich nicht objektiv und ein durchschnittlicher Fachmann wäre in Unkenntnis der Erfindung zu einem solchen Gedanken nicht gekommen. Die Erfassung der Schließ- und Verriegelungsstellung des Kupplungsbolzens 3 durch den Sensor S1 hat bei der Steuereinrichtung gemäß D18 keinen Einfluss auf die Steuerung der von der Beschwerdeführerin als Antrieb im Sinne des Anspruchs angesehenen Hubeinrichtung 20. Der Kupplungsbolzen 3 bewegt sich nämlich unabhängig von dieser Hubeinrichtung 20 (vgl. Spalte 5, Zeilen 44-50) und das Überfahren des Kupplungsbolzens 3 in die Schließstellung erfolgt nicht unter der Wirkung des Antriebs 20, sondern der Hauptfeder 27 (vgl. Spalte 5, Zeilen 59-61). Die Hubeinrichtung 20 von D18 kann daher nicht als ein Antrieb zur Durchführung einer Bewegung des Kupplungsteils 3 in zwei verschiedenen Richtungen betrachtet werden.

4.4.5 Für den Fachmann zeigen D5 und D18 zwei grundsätzlich unterschiedliche Arten von Anhängerkupplungen. D18 richtet sich auf die Fernüberwachung des Kupplungszustandes eines Anhängers aus der Führerkabine des Zugfahrzeugs und wurde speziell für LKW entwickelt (Spalte 1, Zeilen 15-22). Durch das Zusammenspiel des Kupplungsbereitschaftssensors S3 und des Kupplungssensors S1 kann der ordnungsgemäß eingekuppelte Zustand der Anhängerkupplung an die Fernanzeigevorrichtung übermittelt werden (vgl. Spalte 5, Zeilen 44-66). D5 richtet sich dagegen auf die Überführung einer Schleppvorrichtung mit einer Schleppstange und einer Schleppkugel von einer Ruhe- in eine Arbeitstellung bei einem PKW (Anspruch 1). Der eingekuppelte Zustand ist in D5 überhaupt nicht von Belang.

4.4.6 Da zwischen den Anhängekupplungen der Entgegenhaltungen D5 und D18 grundsätzliche Unterschiede sowohl in Hinblick auf ihre Zielsetzung, als auch auf ihre Wirkungsweise und Konstruktion bestehen, ist die Kammer der Auffassung, dass der Fachmann die von der Beschwerdeführerin angeführte Entgegenhaltung D18 bei dem Versuch, die Schwenkbewegung der gattungsgemäßen Anhängekupplung D5 unter Einbeziehung von Grundkenntnissen aus dem Gebiet der Servoantriebe für Kfz (vgl. D7) bediensicher zu motorisieren, nicht in Betracht gezogen hätte.

4.4.7 Die Kammer kommt somit zum Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

4.5 Die abhängigen Ansprüche betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen des Gegenstands des Anspruchs 1 und haben in Zusammenhang mit diesem Bestand. Die Beschreibung wurde an die neue Anspruchsfassung gemäß Hilfsantrag angepasst.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent gemäß folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1 bis 42 gemäß Hilfsantrag eingereicht mit Schreiben vom 18. März 2008,

- Beschreibungsspalten 1 und 2, 19 und 20 überreicht in der mündlichen Verhandlung,

- Spalten 3 bis 18 und 21 der Patentschrift,

- Zeichnungen wie erteilt.

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