T 0489/06 (Emulgatorfreie Öl-in-Wasser-Zubereitungen/BEIERSDORF) of 2.4.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T048906.20090402
Datum der Entscheidung: 02 April 2009
Aktenzeichen: T 0489/06
Anmeldenummer: 98922627.9
IPC-Klasse: A61K 7/42
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Emulgatorfreie feindisperse Systeme vom Typ Öl-in-Wasser
Name des Anmelders: Beiersdorf Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Henkel AG & Co. KGaA
STADA Arzneimittel AG
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
Schlagwörter: Neuheit (nein) - alle Merkmale einschließlich der amphiphilen Eigenschaften des Pigments im Stand der Technik offenbart
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 4. April 2006 eingegangene Beschwerde des Beschwerdeführers (Patentinhaber) richtet sich gegen die am 30. Januar 2006 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit welcher das europäische Patent Nr. 969 803 widerrufen wurde. Anspruch 1 des erteilten Patentes lautet wie folgt:

"Emulgatorfreie kosmetische oder dermatologische Zubereitungen, die feindisperse Systeme vom Typ Öl-in-Wasser darstellen, enthaltend

1. eine Ölphase,

2. eine Wasserphase und

3. einen oder mehrere Typen mikronisierter, anorganischer Pigmente, die

a) eine mittlere Partikelgröße von weniger als 200 nm haben und deren Partikel

b) sowohl hydrophile als auch lipophile Eigenschaften zeigen, die also amphiphilen Charakter besitzen und sich daher an der Grenzfläche Wasser/Öl anordnen und die

c) gewählt werden aus der Gruppe der Metalloxide, die mit Dimethylpolysiloxan und/oder Silicagel und/oder Aluminiumhydroxid und/oder Siliziumdioxid beschichtet sind,

sowie gegebenenfalls weitere kosmetische oder pharmazeutische Hilfs-, Zusatz- und/oder Wirkstoffe enthaltend."

II. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang unter anderen wegen mangelnder Neuheit (Artikel 100 (a) EPÜ) angegriffen worden. Im Einspruchsverfahren wurden inter alia folgende Druckschriften angezogen:

(1) EP-A-610 926 und

(1a) Teikoku Kako Co., Ltd. "Micro Titanium Dioxide" (Juni 1988).

III. Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung fest, dass der Gegenstand des Streitpatentes gegenüber zumindest der Druckschrift (1) nicht neu sei. Diese Druckschrift offenbare Hydrodispersionen, die im wesentlichen frei von Emulgatoren seien und aus einer inneren Lipidphase, einer äußeren Wasserphase und anorganischen Mikropigmenten bestünden. Als beispielhaftes Pigment werde MT 100 T genannt. Hierbei handele es sich um ein mit Aluminiumhydroxid und Stearinsäure beschichtetes Titandioxid mit einer Teilchengröße von 15 nm (siehe Druckschrift (1a)). Da MT 100 T in der ursprünglich eingereichten Anmeldung als "besonders vorteilhaftes" Pigment der Erfindung genannt werde, erfülle es die in Anspruch 1 geforderte Eigenschaft der Amphiphilie und daher auch der Anordnung an der Grenzfläche Wasser/Öl.

IV. Der Beschwerdeführer trug vor, dass die Druckschrift (1) nicht neuheitsschädlich sei, da das Pigment MT 100 T nicht die geforderte anspruchsgemäße Amphiphilie zeige und sich deswegen nicht anspruchsgemäß an der Grenzfläche anordnen würde. Zwar werde MT 100 T in der ursprünglich eingereichten Anmeldung als besonders vorteilhaftes Pigment der Erfindung genannt, dieses Pigment werde jedoch hierin irrtümlicherweise als amphiphil bezeichnet. Um die fehlende Amphiphilie des Pigmentes MT 100 T zu unterstreichen, wies er auf die Druckschrift (1a) hin, worin MT 100 T hydrophobe, d.h. wasserabweisende, Eigenschaften zugeordnet werde. Die mit Schreiben vom 8. Juni 2006 eingereichten Versuchsergebnisse (PD6) belegten, dass sich MT 100 T nur in Ölen und nicht in Wasser dispergieren lasse. In der Streitpatentschrift (siehe Absatz [0025]) werde jedoch dargelegt, dass sich der amphiphile Charakter der patentgemäßen anorganischen Pigmente beispielsweise darin zeige, dass diese sowohl in Wasser als auch in Öl dispergierbar seien.

V. Die Beschwerdegegner I und II (Einsprechende 02 bzw. 01) griffen die Neuheit des Anspruchsgegenstandes unter anderem im Hinblick auf die Druckschrift (1) an. Sie trugen vor, dass eine hydrophobe, d.h. wasserabweisende, Oberflächenbehandlung des Pigments nicht im Widerspruch zu einem amphiphilen Charakter des Pigments stehe, sondern eine hydrophobe Oberflächenbehandlung der unbehandelt hydrophilen Pigmente erst deren amphiphilen Charakter erzeuge, so wie es im Absatz [0032] der Streitpatentschrift dargestellt werde. Darüber hinaus werde auf Seite 2, Zeilen 52 bis 53 der Druckschrift (1) ausgeführt, dass die anorganischen Mikropigmente in die Lipidphase und/oder die wässrige Phase der Hydrodispersion eingearbeitet sein könnten, was auf einen amphiphilen Charakter hinweise. Der Beschwerdegegner I trug zu den vom Beschwerdeführer eingereichten Versuchsergebnissen (PD6) vor, dass diese Versuche per se nicht geeignet seien, das Anlagerungsverhalten des Pigments an einer Grenzfläche Wasser/Öl zu bestimmen, da gar kein Zweiphasensystem aus Öl und Wasser in den Versuchen vorliege.

VI. In einem Bescheid gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung mit, dass kein überzeugender Grund bestehe, von der erstinstanzlichen Entscheidung abzuweichen.

VII. Mit Schriftsatz vom 7. Januar 2009 zog der Beschwerdeführer seinen Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und beantragte eine Entscheidung nach Aktenlage.

Mit Schriftsatz vom 15. Januar 2009 zog der Beschwerdegegner II ebenfalls seinen Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.

Mit Schriftsatz vom 25. Februar 2009 beantragte der Beschwerdegegner I eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren, den Antrag auf mündliche Verhandlung hielt er nur hilfsweise aufrecht.

VIII. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patentes in der erteilten Fassung.

Die Beschwerdegegner beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit

2.1 Die Beschwerdegegner stützen ihre Rüge der mangelnden Neuheit des Anspruchsgegenstandes unter anderem auf die Druckschrift (1).

Diese Druckschrift offenbart kosmetische oder dermatologische Formulierungen (siehe Seite 2, Zeilen 29 bis 39 und 52 bis 53), die Hydrodispersionen darstellen, welche aus einer inneren Lipidphase und einer äußeren wässrigen Phase bestehen, im wesentlichen frei von Emulgatoren sind und anorganische Mikropigmente enthalten, die in der Lipidphase und/oder der wässrigen Phase der Hydrodispersion eingearbeitet sind. Als vorteilhaftes Pigment wird auf Seite 3, Zeilen 45 bis 46 der Handelsprodukt MT 100 T genannt. Laut Druckschrift (1a) (siehe Tabelle auf Seite 3) stellt MT 100 T ein mit Aluminiumhydroxid und Stearinsäure beschichtetes Titandioxid mit einer Teilchengröße von 15 nm dar.

Damit sind die Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatentes, die mit den Nummern bzw. Buchstaben 1, 2, 3, a) und c) versehen sind (siehe Punkt I oben), in der Druckschrift (1) offenbart. Diese Feststellung wird von allen Parteien geteilt.

Diese Zubereitungen sind kosmetisch oder dermatologisch und stellen unstreitig feindisperse Systeme vom Typ Öl-in-Wasser dar. Da die dort beschriebenen Zubereitungen ausdrücklich als "im wesentlichen frei von Emulgatoren" bezeichnet werden, sieht die Kammer keinen Grund ihre Emulgatorfreiheit anzuzweifeln. Darüber hinaus bestritt der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren die Emulgatorfreiheit der Emulsionen der Druckschrift (1) nicht mehr.

2.2 Bestritten wird vom Beschwerdeführer jedoch, dass das Pigment MT 100 T die Erfordernisse des Merkmales b) erfüllt, nämlich dass es sowohl hydrophile als auch lipophile Eigenschaften zeigt, es also amphiphilen Charakter besitzt, und sich daher an der Grenzfläche Wasser/Öl anordnet.

Das Pigment MT 100 T erfüllt jedoch einerseits die strukturellen Merkmale a) und c) der in Anspruch 1 definierten Pigmente und wird andererseits auf Seite 8 der ursprünglich eingereichten Anmeldung als "besonders vorteilhaftes" Pigment der Erfindung genannt und daher zwangsläufig als amphiphil im Sinne des Streitpatentes bezeichnet.

2.3 Der Beschwerdeführer hat nun versucht zu zeigen, dass MT 100 T die Erfordernisse des anspruchsgemäßen Merkmals b) entgegen seiner ursprünglichen Angabe tatsächlich nicht erfüllt, nämlich dass es nicht amphiphil sei und sich daher nicht an der Grenzfläche Wasser/Öl anordne.

So hat der Beschwerdeführer vorgetragen, dass Druckschrift (1a) hydrophobe, d.h. wasserabweisende, Eigenschaften für das Pigment MT 100 T lehre. Somit könne dieses Pigment nicht amphiphil im Sinne des Streitpatentes sein.

Die Kammer hält dieses Argument für nicht stichhaltig, da sich gemäß Merkmal c) des Anspruchs 1 des Streitpatentes der amphiphile Charakter des Pigments durch seine Fähigkeit zeigt, sich an der Grenzfläche Wasser/Öl anzulagern. Dadurch wird eine "Pickering-Emulsion" im Sinne des Streitpatentes gebildet (siehe Absatz [0017] der Streitpatentschrift). Pickering-Emulsionen werden laut Absatz [0032] der Streitpatentschrift durch anorganische Pigmente stabilisiert, die oberflächlich wasserabweisend behandelt sind, wobei gleichzeitig der amphiphile Charakter gebildet werden bzw. erhalten bleiben soll. Diese Oberflächenbehandlung kann darin bestehen, dass die Pigmente mit einer dünnen hydrophoben Schicht versehen werden. Hiermit wird deutlich, dass eine hydrophobe, d.h. wasserabweisende, Oberflächenbehandlung des Pigments nicht im Widerspruch zu einem amphiphilen Charakter des Pigments steht, sondern dass vielmehr eine hydrophobe Oberflächenbehandlung der unbehandelt hydrophilen Pigmente erst deren amphiphilen Charakter erzeugt.

2.4 Der Beschwerdeführer hat außerdem vorgebracht, dass die Versuchsergebnisse (PD6) belegten, dass sich MT 100 T nur in Ölen und nicht in Wasser dispergieren lasse. In der Streitpatentschrift (siehe Absatz [0025]) werde jedoch dargelegt, dass sich der amphiphile Charakter der patentgemäßen anorganischen Pigmente beispielsweise darin zeige, dass diese sowohl in Wasser als auch in Öl dispergierbar seien.

Absatz [0025] der Streitpatentschrift lehrt jedoch lediglich, dass sich der amphiphile Charakter der erfindungsgemäßen anorganischen Pigmente beispielsweise darin zeigt, dass diese sowohl in Wasser als auch in Öl dispergierbar sind, ohne jedoch andere Bestimmungsmethoden auszuschließen. Gemäß Merkmal c) des Anspruchs 1 des Streitpatentes wird der amphiphile Charakter der Pigmente durch ihre Fähigkeit bestimmt, dass sie sich an der Grenzfläche Wasser/Öl anlagern. Da jedoch bei den Versuchen (PD6) kein Zweiphasensystem aus Öl und Wasser vorliegt, sind sie grundsätzlich nicht geeignet, das Anlagerungsverhalten des Pigments an einer Grenzfläche Wasser/Öl zu bestimmen. Darüber hinaus bestehen die Versuchsergebnisse (PD6) lediglich aus zwei Fotos ohne jegliches Testprotokoll, so dass sie ohnehin allein wegen dieses Mangels bedeutungslos sind.

2.5 Das Vorbringen des Beschwerdeführers hat also die Kammer nicht überzeugt, dass MT 100 T, im Gegensatz zu seiner Darstellung in der ursprünglich eingereichten Anmeldung, nicht anspruchsgemäß, weil nicht amphiphil, ist. Vielmehr stellt die Kammer fest, dass MT 100 T aus Titandioxidpartikeln besteht, die oberflächlich mit unter anderem Aluminiumhydroxid wasserabweisend beschichtet und somit auf eine Art und Weise behandelt worden sind, welche von der Streitpatentschrift gerade als geeignet für die Bildung des amphiphilen Charakters der Pigmente beschrieben wird. Folgerichtig ist MT 100 T als amphiphil im Sinne des Streitpatentes anzusehen, so dass die Druckschrift (1) das Merkmal c) des Anspruchs 1 des Streitpatentes vorwegnimmt.

2.6 Die Druckschrift (1) offenbart daher alle Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatentes, so dass die Kammer aus den oben angeführten Gründen zu dem Schluss kommt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu im Sinne von Artikel 52 (1) und 54 EPÜ ist.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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