European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2007:T043206.20070420 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 20 April 2007 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0432/06 | ||||||||
Anmeldenummer: | 96100429.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61F 13/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Wegwerfwindel mit einem abgeschräkten Randabschnitt | ||||||||
Name des Anmelders: | UNI-CHARM CORPORATION | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Kimberly-Clark Worldwide, Inc. Paul Hartmann AG The Procter & Gamble Company |
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Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit von Änderungen (Haupt- und Hilfsanträge 1 bis 3) - nein | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die am 12. Januar 1996 unter Inanspruchnahme einer japanischen Priorität vom 13. Januar 1995 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 96 100 429.8 wurde das europäische Patent Nr. 721 768 mit fünf Ansprüchen erteilt, von denen Anspruch 1 lautet:
"Wegwerfwindel (1), enthaltend eine flüssigkeitsdurchlässige Decklage (2), eine flüssigkeitsundurchlässige Außenlagen (3) und eine flüssigkeitsabsorbierende Füllung (4) mit einem flüssigkeitsabsorbierenden Kern (14) und ersten und zweiten flüssigkeitsabsorbierenden Lagen (15, 16), die die Oberseite bzw. Unterseite des Kerns (14) bedecken, wobei die Randabschnitte der ersten und zweiten flüssigkeitsabsorbierenden Lagen (15, 16), die von einer Umfangskante des Kerns (14) horizontal auswärts verlaufen, in einem vorgegebenen Abstand (d) von der Umfangskante des Kerns (14) flach zusammengelegt und miteinander verbunden sind und eine innere Hülle (18) bilden und wobei die Randabschnitte der Deck- und Außenlagen (2, 3), die sich auswärts über die Umfangskante der Füllung (4) hinaus erstrecken und in einem vorgegebenen Abstand (d) von der Umfangskante des Kerns (14) flach zusammengelegt und so miteinander verbunden sind, daß sie eine äußere Hülle (12) bilden, wobei die Randabschnitte der ersten und zweiten flüssigkeitsabsorbierenden Lagen (15, 16) zwischen den Randabschnitten der Deck- und Außenlagen (2, 3) angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, daß die äußere Hülle (12) die innere Hülle (18) vollständig umschließt, und daß das Verhältnis der Abstände von D zu d: "D >= d" beträgt."
II. Gegen das erteilte Patent wurden, gestützt auf die Einspruchsgründe des Artikels 100 a) (Einsprechende 01 bis 03) und 100 c) EPÜ (Einsprechende 02 und 03) drei Einsprüche eingelegt und der Widerruf des Patents beantragt.
Die Einsprechende 02 nahm ihren Einspruch mit Schreiben vom 25. Juni 2004, eingegangen im EPA am 28. Juni 2004, zurück.
III. Die Einspruchsabteilung widerrief das Patent mit ihrer am 27. Januar 2006 zur Post gegebenen Entscheidung.
Sie kam zu dem Ergebnis, daß weder der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag (wie erteilt) noch der nach dem ersten Hilfsantrag das Neuheitserfordernis erfülle im Hinblick auf:
D7: EP-A-0 635 249.
Der zweite Hilfsantrag wurde als verspätet nicht zum Verfahren zugelassen, da er neue und als unklar beanstandete Angaben enthielt, die nicht in den erteilten Ansprüchen vorhanden waren.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 24. März 2006 Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt und am 6. Juni 2006 die Beschwerde begründet. Mit der Beschwerdebegründung reichte sie drei neue Hilfsanträge ein.
V. Die Beschwerdekammer hat in ihrem mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übersandten Bescheid vom 9. Februar 2007 ihre vorläufige Einschätzung der Sachlage mitgeteilt.
Danach erschien der von den Einsprechenden vorgebrachte Einspruchsgrund des Artikels 100 c) EPÜ durchaus berechtigt, wonach im jeweiligen Anspruch 1 nach dem Haupt- und den Hilfsanträgen aus ihrem offenbarten Zusammenhang isolierte Merkmale enthalten waren, so dass kein zulässiger Antrag vorliege.
VI. Am 20. April 2007 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der die Beschwerdeführerin einen neuen Hilfsantrag 1 einreichte.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt als Hauptantrag, hilfsweise auf Grundlage des Hilfsantrags 1 vom 20. April 2007 (eingereicht während der mündlichen Verhandlung) oder eines der Hilfsanträge 2 oder 3 vom 6. Juni 2006 (eingereicht mit der Beschwerdebegründung).
Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende 01 und 03) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lautet (Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 kursiv oder [deleted: durchgestrichen] kenntlich gemacht):
"Wegwerfwindel (1), enthaltend
- eine flüssigkeitsdurchlässige Decklage (2),
- eine flüssigkeitsundurchlässige Außenlagen (3) und
- eine zwischen den genannten Lagen angeordnete flüssigkeitsabsorbierende Füllung (4) mit
- einem flüssigkeitsabsorbierenden Kern (14) mit steifen Seitenkanten, der aus einer Mischung aus einer flockigen, bauschigen Pulpe und super- oder hochabsorbierenden Polymerteilchen formgepresst ist und
- ersten und zweiten flüssigkeitsabsorbierenden Lagen (15, 16),
- die die Oberseite bzw. Unterseite des Kerns (14) bedecken, wobei
- die Randabschnitte der ersten und zweiten flüssigkeitsabsorbierenden ober- und Unterseiten-Lagen (15, 16), gleicher rechtwinkliger Größe, die sich horizontal auswärts von den [deleted: einer ]Umfangskanten des rechtwinkligen Kerns (14) [deleted: horizontal auswärts ]hinaus erstrecken [deleted: verlaufen ], in einem vorgegebenen Abstand (d) von der Umfangskante des Kerns (14) flach zusammengelegt und durch Heißkleber oder thermoplastischen Klebstoff (17) miteinander verbunden sind [deleted: und ]
- um eine innere Hülle (18) zu bilden und
- wobei die Randabschnitte der Deck- und Außenlagen (2, 3), die sich auswärts von der [deleted: über die ]Umfangskante des Kerns (14) der Füllung (4) hinaus erstrecken und in einem vorgegebenen Abstand (d) von der Umfangskante des Kerns (14) flach zusammengelegt und durch Heißkleber oder thermoplastischen Klebstoff (11) unmittelbar so miteinander verbunden sind, dass sie eine umfangsmäßig abgedichtete Außenhülle [deleted: äußere Hülle ](12) bilden, [deleted: wobei ]
- die Randabschnitte der ersten und zweiten flüssigkeitsabsorbierenden Lagen (15, 16) zwischen den Randabschnitten der Deck- und Außenlagen (2, 3) angeordnet sind,
- wobei die Außenhülle (12) die Innenhülle (18) vollständig umschließt,
dadurch gekennzeichnet, dass
- [deleted: die äußere Hülle (12) die innere Hülle (18) vollständig umschließt, und ]das Verhältnis der Abstände von D zu d: "D >= d" beträgt und dass
- die jeweiligen Randabschnitte der Deck- und Außenlagen (2, 3) und der Ober- und Unterlagen (15, 16) über die Abstände (d) bzw. (d) von der oberen bzw. unteren Umfangskante des Kerns Schrägen mit der Wirkung bestimmen, dass verhindert wird, dass die Umfangskante des Kerns (14) eckig oder steif ist
- wobei eine Außenkante der Innenhülle in horizontaler Gegenüberlage zu einer Innenseite der Außenhülle (12) angeordnet ist, so dass (sich) die Füllung (4) nicht ohne weiteres innerhalb der Außenhülle verlagern oder verschieben kann."
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 enthält die Merkmale des erteilten Anspruchs 1, wobei die erste Merkmalsgruppe des kennzeichnenden Teils in den Oberbegriff verschoben wurde. Der kennzeichnende Teil lautet:
"dadurch gekennzeichnet, dass
- eine Außenkante der Randabschnitte der ersten und zweiten flüssigkeitsabsorbierenden Lagen (15, 16) horizontal gegen eine Innenseite der Hülle (12) angelegt ist;
- das Verhältnis von (d) zu (d): D > d ist, und
- wobei die Deck- und Außenlagen (2, 3) und die Ober- und Unterlagen (15, 16) über die Abstände D bzw. d von der Umfangskante des Kerns sanfte Schrägen bestimmen."
Der Oberbegriff des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 entspricht dem des Hilfsantrags 2. Der kennzeichnende Teil lautet:
"dadurch gekennzeichnet, daß
- eine Außenkante der Randabschnitte der ersten und zweiten flüssigkeitsabsorbierenden Lagen (15, 16) horizontal gegen eine Innenseite der Hülle (12) angelegt ist;
- die Deck- und Außenlagen (2, 3) so miteinander verbunden sind, dass sie eine umfangsmäßig abgedichtete Außenhülle bilden,
- daß die Deck- und Außenlagen (2, 3) und die Ober- und Unterlagen (15, 16) über die Abstände "D" und "d" sanfte Schrägen oder Neigungen an der Umfangskante des Kerns (14) bilden, und
- das Verhältnis von D zu d: "D > d" beträgt."
VII. Die Beschwerdeführerin brachte vor, die jeweiligen Änderungen in Anspruch 1 seien in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen ausreichend offenbart. So sehe der Fachmann ohne weiteres, dass der erteilte Anspruch 1 (Hauptantrag) zwei Alternativen umfasse, die ursprünglich beide als solche offenbart waren. Die Änderungen gegenüber der ursprünglichen Fassung seien im Lauf des Erteilungsverfahrens mit Zustimmung der Prüfungsabteilung vorgenommen worden. Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag sei durch die Aufnahme der im Zusammenhang offenbarten Merkmale wie "durch Heißkleber oder thermoplastischen Klebstoff ... miteinander verbunden" sowie zusätzlich in den Figuren offenbarten Merkmalen weiter eingeschränkt worden. Zumindest erkenne der zuständige Fachmann bei der Betrachtung der Zeichnungen ohne weiteres den im Schnitt als Rechteck dargestellten quaderförmigen Kern mit steifen Kanten. Der Begriff "relativ" könne wegen seiner Unbestimmtheit weggelassen werden, die "sanften Schrägen" seien durch ihre Wirkung im kennzeichnenden Teil des Anspruchs näher charakterisiert, so dass die Offenbarung ausreichend sei.
VIII. Die Beschwerdegegnerinnen führten aus, der erteilte Anspruch 1 (Hauptantrag) sei unzulässig erweitert worden. Die Bildung der "Innenhülle" und der "Außenhülle" sei nur in Verbindung mit dem Begriff "durch Heißkleber oder thermoplastischen Klebstoff ... miteinander verbunden" ursprünglich offenbart gewesen. Durch Isolierung einzelner Merkmale aus der offenbarten Kombination und deren Verwendung in einem neuen Zusammenhang liege ein Verstoß gegen Artikel 100 c) EPÜ vor. Entsprechendes gelte für die Hilfsanträge 2 und 3 im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ. Der neue Hilfsantrag 1 stehe ebenfalls nicht im Einklang mit Artikel 123 (2) EPÜ, denn durch das Weglassen des Begriffs "relativ" im Zusammenhang mit "steifen Seitenkanten" sei der beanspruchte Gegenstande in unzulässiger Weise verallgemeinert worden, so dass der Anspruch 1 einen Gegenstand enthalte, der nicht ursprünglich offenbart war.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag (Artikel 100 c) EPÜ)
2.1 Die Merkmale des erteilten Anspruchs 1 "wobei die Randabschnitte der ersten und zweiten flüssigkeitsabsorbierenden Lagen (15, 16), die von einer Umfangskante des Kerns (14) horizontal auswärts verlaufen, in einem vorgegebenen Abstand (d) von der Umfangskante des Kerns (14) flach zusammengelegt und miteinander verbunden sind und eine innere Hülle (18) bilden und wobei die Randabschnitte der Deck- und Außenlagen (2, 3), die sich auswärts über die Umfangskante der Füllung (4) hinaus erstrecken und in einem vorgegebenen Abstand (d) von der Umfangskante des Kerns (14) flach zusammengelegt und so miteinander verbunden sind, daß sie eine äußere Hülle (12) bilden" waren in den ursprünglich eingereichen Ansprüchen nicht enthalten, sondern sind der Beschreibung des Ausführungsbeispiels (A-Dokument, Spalte 3, Zeilen 52 bis 58; Spalte 4, Zeilen 10 bis 17) entnommen worden (Unterstreichungen hinzugefügt).
2.2 In diesen Textstellen ist die Bildung der jeweiligen Hülle nur im Zusammenhang mit der Verbindung durch einen Heißkleber oder thermoplastischen Klebstoff offenbart. Durch das Weglassen dieser Verbindungsart im erteilten Anspruch 1 wird die innere Hülle und die äußere Hülle in einer ursprünglich nicht offenbarten verallgemeinerten Form beansprucht. Somit umfasst der Anspruch einen Gegenstand, der über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, so dass Artikel 100 c) EPÜ verletzt wird. Aus diesem Grund ist der erteilte Anspruch 1 nicht zulässig.
3. Hilfsanträge 2 und 3 (Artikel 123 (2) EPÜ)
Dieselben Änderungen gegenüber den ursprünglich eingereichten Unterlagen wie im erteilten Anspruch 1 sind auch im jeweiligen Anspruch 1 der Hilfsanträge 2 und 3 enthalten, so dass diese Anträge aus denselben Gründen nicht zugelassen werden können.
4. Neuer Hilfsantrag 1 (Artikel 123 (2) EPÜ)
4.1 In den Anspruch 1 wurde das folgende Merkmal des flüssigkeitsabsorbierenden Kerns 14 aufgenommen: "mit steifen Seitenkanten, der aus einer Mischung aus einer flockigen, bauschigen Pulpe und super- oder hochabsorbierenden Polymerteilchen formgepresst ist". Das Merkmal der steifen Seitenkanten ist der Beschreibung des Ausführungsbeispiels entnommen (A-Dokument, Spalte 4, Zeilen 25 bis 31), wo es heißt "Die Deck- und Außenlagen 2, 3 ... und die Ober- und Unterseitenlagen 15, 16 bestimmen... sanfte Schrägen oder Neigungen, die die relativ steifen Seitenkanten des Kerns daran hindern, in die Haut des Trägers einzuschneiden" (Unterstreichungen hinzugefügt).
4.2 Obwohl das Wort "relativ" in diesem Zusammenhang kein bestimmter Begriff ist, denn es fehlt die Angabe relativ (d.h. im Verhältnis) wozu, enthält es trotzdem eine technisch limitierende Aussage. Der zuständige Fachmann versteht nämlich darunter, dass "relativ steif" zumindest weniger steif ist, als wenn "steif" ohne diese Einschränkung verwendet wird. Auch die Angabe des Materials des Kerns sowie die Funktion der Seitenkanten ändern nichts daran, dass aus dem offenbarten Zusammenhang isolierte "steife Seitenkanten" etwas anderes bedeuten als die offenbarten "relativ steife Seitenkanten". Somit enthält der Anspruch 1 durch Weglassen des "relativ" aus diesem Merkmalskomplex einen Gegenstand, der in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht enthalten war. Der Anspruch verletzt daher das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ und ist aus diesem Grunde nicht zulässig.
5. Nachdem keiner der vorliegenden Anträge zulässig ist, kann das Patent nicht aufrechterhalten werden, so dass der Widerruf des europäischen Patents 721 768 durch die Einspruchsabteilung zu bestätigen ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.