T 0285/06 (Navigationssignal/ESA) of 20.12.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T028506.20071220
Datum der Entscheidung: 20 Dezember 2007
Aktenzeichen: T 0285/06
Anmeldenummer: 03007739.0
IPC-Klasse: H04B 1/69
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Endgerät zur Erzeugung und Verarbeitung eines Navigationssignals mit konstanter Amplitude
Name des Anmelders: EUROPEAN SPACE AGENCY
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 84
Schlagwörter: Klarheit - ja, nach Änderung
Ausführbarkeit - ja, nach Änderung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 03 007 739.0 mangels Klarheit der unabhängigen Ansprüche zurückzuweisen. Die Offenbarung des Anmeldungsgegenstands wurde außerdem als derart unzureichend angesehen, dass im Widerspruch zu Artikel 83 EPÜ ein Fachmann nicht in der Lage sei, den Sachverhalt zu verstehen. Eine Recherche wurde deswegen nicht durchgeführt.

II. In der fristgerecht eingereichten Beschwerde und Beschwerdebegründung beantragte die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin die Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses und die Erteilung eines Patentes auf Basis eines neu eingereichten Satzes von Ansprüchen, hilfsweise ferner die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

III. Die Kammer hat mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung in einer Mitteilung die vorläufige Ansicht geäußert, dass die Anmeldung den Erfordernissen der Artikel 83 und 84 EPÜ nicht genüge. Sie wies auch darauf hin, dass angesichts der bis jetzt fehlenden Prüfung in Bezug auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit bestenfalls eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung zu erreichen wäre.

IV. In Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin sowohl neue Ansprüche gemäß Hauptantrag und zwei Hilfsanträgen als auch neue Verfahrensanträge ein. Der Antrag auf mündliche Verhandlung wurde nur aufrecht erhalten für den Fall, dass die Kammer keine von diesen Anträgen für gewährbar erachtete.

V. Die Beschwerdeführerin reichte gleichzeitig mehrere Dokumente ein, einschließlich

D2: DE 698 34 235 T2

D3: DE 603 05 066 T2

D4: E.T. Kaplan, "Understanding GPS: Principles and Applications," Artech House, Norwood, MA, US, 1996, ISBN 0-89006-793-7, Seiten 83 und 119 bis 121.

VI. Daraufhin hob die Kammer den Termin zur mündlichen Verhandlung auf.

VII. Es wird beantragt, die Recherchierbarkeit des Gegenstandes der am 5. November 2007 eingereichten Ansprüche 1 bis 4 gemäß Hauptantrag beziehungsweise gemäß einem der zwei Hilfsanträge festzustellen und die Anmeldung zur Durchführung einer Recherche mit anschließendem Prüfungsverfahren an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.

VIII. Die Ansprüche des Hauptantrags lauten wie folgt:

"1. Verfahren zur Verarbeitung eines empfangenen Navigationssignals eines Satelliten-Navigationssystems (1), das mindestens vier Navigationscodes (e1(t), e2(t), e3(t), e4(t)) enthält und mit einem Trägersignal moduliert ist, durch ein Endgerät, wobei die

Verarbeitung des empfangenen Navigationssignals in dem Endgerät durch eine Demodulation des Trägersignals und eine anschließende komplexe Korrelation des demodulierten Navigationssignals x'(t) mit mindestens einem Referenzsignal (r1, r2, r3, r4) mit der Form:

r1=e1*C*[sign(cos(2pifst))+j*sign(sin(2pifst))

+(1+j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst+pi/4))

+(-1+j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst-pi/4))];

r2=e2*C*[sign(cos(2pifst))-j*sign(sin(2pifst))

+(1-j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst+pi/4))

+(-1-j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst-pi/4))];

r3=e3*C*[j*sign(cos(2pifst))+j*sign(sin(2pifst))

+(-1+j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst+pi/4))

+(-1-j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst-pi/4))]; und/oder

r4=e4*C*[j*sign(cos(2pifst)-j*sign(sin(2pifst))

+(1+j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst+pi/4))

+(1-j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst-pi/4))],

erfolgt, wodurch ein zeitlicher Versatz (Deltat(e1), Deltat(e2), Deltat(e3), Deltat(e4)) zwischen einem Navigationscode (e1(t), e2(t), e3(t), e4(t)) und dem mindestens einen Referenzsignal (r1, r2, r3, r4) ermittelt wird.

2. Endgerät (UT) für ein Satelliten-Navigationssystem (1), zumindest aufweisend eine Empfangseinrichtung (RU), eine komplexe Korrelationseinrichtung (CU) zum Empfang und zur Verarbeitung eines Navigationssignals und eine Demodulationseinrichtung (DEMOD) zur Demodulation eines kompexen [sic] Trägersignals, welche der Korrelationseinrichtung (CU) vorgeschaltet ist, wobei die komplexe Korrelationseinrichtung mindestens einen komplexen Korrelator (CC(e1(t)), CC(e2(t)), CC(e3(t)), CC(e4(t))) aufweist, der zum Erzeugen mindestens eines Referenzsignals (r1, r2, r3, r4) mit:

r1=e1*C*[sign(cos(2pifst))+j*sign(sin(2pifst))

+(1+j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst+pi/4))

+(-1+j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst-pi/4))];

r2=e2*C*[sign(cos(2pifst))-j*sign(sin(2pifst))

+(1-j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst+pi/4))

+(-1-j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst-pi/4))];

r3=e3*C*[j*sign(cos(2pifst))+j*sign(sin(2pifst))

+(-1+j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst+pi/4))

+(-1-j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst-pi/4))]; und/oder

r4=e4*C*[j*sign(cos(2pifst)-j*sign(sin(2pifst))

+(1+j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst+pi/4))

+(1-j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst-pi/4))]

und zur komplexen Korrelation des demodulierten Navigationssignals (x'(t)) mit dem mindestens einen Referenzsignal (r1, r2, r3, r4) ausgelegt ist, wobei durch die komplexe Korrelation ein zeitlicher Versatz (Deltat(e1), Deltat(e2), Deltat(e3), Deltat(e4)) zwischen einem in dem Navigationssignal enthaltenen Navigationscode (e1(t), e2(t), e3(t), e4(t)) und dem mindestens einen Referenzsignal (r1, r2, r3, r4) ermittelt wird.

3. Computer-Programm zur Ansteuerung einer komplexen Korrelationseinrichtung eines Endgerätes (UT) für ein Satelliten-Navigationssystem (1),

dadurch gekennzeichnet, dass

das Computerprogramm zur Ansteuerung mindestens eines komplexen Korrelators (CC(e1(t)), CC(e2(t)), CC(e3(t)), CC(e4(t))) zur Erzeugung mindestens eines Referenzsignals (r1, r2, r3, r4) ausgebildet ist, mit:

r1=e1*C*[sign(cos(2pifst))+j*sign(sin(2pifst))

+(1+j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst+pi/4))

+(-1+j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst-pi/4))];

r2=e2*C*[sign(cos(2pifst))-j*sign(sin(2pifst))

+(1-j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst+pi/4))

+(-1-j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst-pi/4))];

r3=e3*C*[j*sign(cos(2pifst))+j*sign(sin(2pifst))

+(-1+j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst+pi/4))

+(-1-j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst-pi/4))]; und/oder

r4=e4*C*[j*sign(cos(2pifst)-j*sign(sin(2pifst))

+(1+j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst+pi/4))

+(1-j)*sqrt2/2*(sign(sin(2pifst-pi/4))]

und zur komplexen Korrelation eines demodulierten Navigationssignals (x'(t)) mit dem wenigstens einen Referenzsignal (r1, r2, r3, r4) ausgelegt ist, wodurch ein zeitlicher Versatz (Deltat(e1), Deltat(e2), Deltat(e3), Deltat(e4)) zwischen einem Navigationscode (e1(t), e2(t), e3(t), e4(t)) und dem mindestens einen Referenzsignal (r1, r2, r3, r4) ermittelt wird.

4. Computer-Programm-Produkt, welches zum Zusammenwirken mit einem Endgerät (UT) eines Satelliten-Navigationssystems (1) ausgebildet ist und welches einen maschinenlesbaren Programmträger (DC) beinhaltet, auf dem ein Computer-Programm nach Anspruch 3 in Form von elektronisch auslesbaren Steuersignalen gespeichert ist."

In Betracht der Entscheidung der Kammer sind die Hilfsanträge unerheblich.

Entscheidungsgründe

1. Artikel 123 (2) EPÜ

1.1 Anspruch 1 des neuen Hauptantrags fasst die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1, 3, 4 und 5 zusammen. Zudem wird spezifiziert, dass das Navigationssignal mindestens vier Navigationscodes enthält, was in Absatz [0016] der veröffentlichten Anmeldung offenbart ist. Das im ursprünglichen Anspruch 1 enthaltene Merkmal, betreffend das empfangene Navigationssignal, wonach "die Navigationscodes (e1(t), e2(t), e3(t), e4(t)) mit einem komplexen BOC-Signal mit einer definierten Unterträger-Frequenz (fs) derart moduliert sind, dass das resultierende Signal eine konstante Amplitude aufweist," wurde gestrichen. Dieses Streichen fügt der Anmeldung kein neues Merkmal hinzu, da der Anspruch auf die Verarbeitung eines empfangenen Signals und nicht auf seinen Aufbau gerichtet ist und da die übrigen Merkmale das Verarbeitungsverfahren klar definieren (siehe unten), ohne weiter durch die Art des empfangenen Signals eingeschränkt zu werden.

1.2 Anspruch 2 basiert auf den ursprünglichen Ansprüchen 6, 8, 9 und 10 und Anspruch 3 auf den ursprünglichen Ansprüchen 11, 13 und 4, mit weiteren Änderungen, die Anspruch 1 entsprechen. Anspruch 4 entspricht dem ursprünglichen Anspruch 14. Auch Ansprüche 2 bis 4 erweitern daher die ursprüngliche Offenbarung nicht.

2. Artikel 84 EPÜ

2.1 Die Terminologie

Die Prüfungsabteilung erhob Einwände gegen folgende Begriffe:

2.1.1 "Navigationssignal"/"Navigationscode": Die von der Beschwerdeführerin eingereichten Dokumente D2 und D3 machen es sehr plausibel, dass diese Worte zum Prioritätsdatum bekannte Fachbegriffe waren.

2.1.2 "Referenzsignal": Das weitere Dokument D4 zeigt, dass die Korrelation eines empfangenen Signals mit einem Referenzsignal zum Prioritätsdatum allgemeines Fachwissen war.

2.1.3 "Matched-Filterung": Dieser Begriff wird nicht mehr im neuen Anspruchssatz verwendet.

2.2 Die Formeln in den unabhängigen Ansprüchen enthalten kleine Fehler. Das Symbol "fs" wird nicht konsequent benutzt. Zudem fehlen einige Klammern. Diese Fehler können jedoch im Laufe des weiteren Prüfungsverfahrens von der Beschwerdeführerin ohne weiteres bereinigt werden.

2.3 Die Form der Referenzsignale ist in den Ansprüchen eindeutig definiert. Es ist für den Fachmann klar, dass e1, e2, e3 und e4 vorgegebene Navigationscodes und fs eine vorgegebene Unterträgerfrequenz sind und C der Amplitude des demodulierten empfangenen Signals entspricht. Das Demodulieren und die Korrelation eines empfangenen Signals mit einem Referenzsignal, um einen zeitlichen Versatz zu ermitteln, sind ebenfalls dem Fachmann bekannte Maßnahmen (siehe D4). Damit ist der Gegenstand, für den Schutz begehrt wird, hinreichend klar definiert.

3. Artikel 83 EPÜ

3.1 Die Kammer teilt die Meinung der Prüfungsabteilung, dass der Fachmann nicht in der Lage wäre, die Umformungen der Formeln in Absätze [0027] bis [0030] der Anmeldung nachzuvollziehen. Angesichts des jetzt beanspruchten Gegenstands ist dieser Mangel aber keine Basis für einen Einwand unter Artikel 83 EPÜ. Der Fachmann könnte mit Hilfe der Lehre der Absätze [0029], [0030] und [0033] das nötige Signal x'(t) erzeugen und das empfangene Signal verarbeiten. Dass dieses Signal das gewünschte Merkmal einer konstanten Amplitude zeigt, könnte er auch bestätigen, indem er die sechzehn möglichen Kombinationen der Werte von e1, e2, e3 und e4 prüft.

3.2 Die Kammer kommt somit zu dem Schluss, dass angesichts des jetzt beanspruchten Gegenstands die Anmeldung die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ erfüllt.

4. Ergebnis

4.1 Die Beschwerdeführerin hat die Einwände der Prüfungsabteilung überwunden. Der Gegenstand, für den Schutz begehrt wird, ist klar und daher auch recherchierbar. Er ist auch ausführbar. Es muss aber noch geprüft werden, ob die anderen Erfordernisse des EPÜ erfüllt sind. Die Kammer beschließt deswegen, die Angelegenheit zur weiteren Prüfung und Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird auf der Grundlage der Ansprüche des Hauptantrags zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückverwiesen.

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