European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2007:T026106.20070530 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 30 Mai 2007 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0261/06 | ||||||||
Anmeldenummer: | 00113428.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | B65B 25/14 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung zum Verpacken einer Materialbahnrolle | ||||||||
Name des Anmelders: | Voith Patent GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Trancel Systems AB Metso Paper, Inc. |
||||||||
Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Zulässigkeit: Hauptantrag und Hilfsantrag 1 (ja) Hilfsantrag 2 als verspätet (nicht zugelassen) Klarheit: Hauptantrag und Hilfsantrag 1 (nein) |
||||||||
Orientierungssatz: |
Siehe Punkt 3 der Gründe |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, durch die das Patent Nr. 1 044 882 widerrufen wurde, Beschwerde eingelegt.
II. Mit zwei Einsprüchen war das gesamte Patent nach Artikel 100 a) EPÜ wegen fehlender Neuheit sowie fehlender erfinderischer Tätigkeit angegriffen worden.
III. Die Einspruchsabteilung erachtete den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag I, II oder III als nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.
IV. Am 30. Mai 2007 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, zu der die Beschwerdegegnerin 1 (Einsprechende 1) nicht erschien, wie angekündigt mit ihrem Brief vom 25. April 2007.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und
1) das Patent auf der Basis des Anspruchs 1 (Hauptantrag) in der Fassung vom 30. Mai 2007 aufrecht zu erhalten,
2) hilfsweise das Patent auf der Basis des Anspruchs 1 (Hilfsantrag 1) in der Fassung vom 30. Mai 2007 aufrecht zu erhalten,
3) hilfsweise das Patent auf der Basis des Anspruchs 1 (Hilfsantrag 2) in der Fassung vom 30. Mai 2007 aufrecht zu erhalten.
Die Beschwerdegegnerin 1 beantragte im schriftlichen Verfahren die Zurückweisung der Beschwerde. Die Beschwerdegegnerin 2 (Einsprechende 2) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
V. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt (Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 werden durchgestrichen oder in Fettdruck angezeigt):
"Vorrichtung zum Verpacken einer Materialbahnrolle mit einer zwei Tragwalzen (8, 9) aufweisenden Wickelstation, die einen eine angetriebene Tragwalze (8) aufweisenden Rollenantrieb [deleted: (8) ]und einen Verpackungsbahnspender (10) mit einer Verpackungsbahnrolle (11) und einer Verpackungsbahnabgabeeinrichtung (33) aufweist, die in einem spitzen Winkel zur Umfangsrichtung der Materialbahnrolle (2) einstellbar ist und eine Verpackungsbahn (12) aus Packpapier, das bei ungleichmäßigen Belastungen mit dem Risiko des Einreißens behaftet ist, zur Anlage an die Materialbahnrolle (2) ausgibt, wobei der Verpackungsbahnspender (10) entlang der Materialbahnrolle (2) axial bewegbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Verpackungsbahnspender (10) einen Antrieb (16) zur Bewegung entlang der Materialbahnrolle (2) aufweist und daß eine Steuereinrichtung (23) vorgesehen ist, die mit einer Durchmesser-Meßeinrichtung (22) verbunden ist und die die Wikckelgeschwindigkeit und den Vorschub des Verpackungsbahnspenders (10) unter Berücksichtigung des Durchmessers der Materialbahnrolle (2) und des Winkels so aufeinander abstimmt, dass eine Wicklung ohne unzulässige seitliche Spannungen auf die Verpackungsbahn (12) realisierbar ist".
Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 lautet wie folgt (Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 werden durchgestrichen oder in Fettdruck angezeigt):
"Vorrichtung zum Verpacken einer Materialbahnrolle mit einer zwei Tragwalzen (8, 9) aufweisenden Wickelstation, die einen eine angetriebene Tragwalze (8) aufweisenden Rollenantrieb [deleted: (8) ]und einen Verpackungsbahnspender (10) mit einer Verpackungsbahnrolle (11) und einer Verpackungsbahnabgabeeinrichtung (33) aufweist, die in einem spitzen Winkel zur Umfangsrichtung der Materialbahnrolle (2) einstellbar ist und eine Verpackungsbahn (12) aus Packpapier, das bei ungleichmäßigen Belastungen mit dem Risiko des Einreißens behaftet ist, zur Anlage an die Materialbahnrolle (2) ausgibt, wobei der Verpackungsbahnspender (10) entlang der Materialbahnrolle (2) axial bewegbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Verpackungsbahnspender (10) einen Antrieb (16) zur Bewegung entlang der Materialbahnrolle (2) aufweist und daß eine Steuereinrichtung (23) vorgesehen ist, die mit einer Durchmesser-Meßeinrichtung (22) verbunden ist und die die Wikckelgeschwindigkeit und den Vorschub des Verpackungsbahnspenders (10) unter Berücksichtigung des Durchmessers der Materialbahnrolle (2) und des Winkels so aufeinander abstimmt, dass eine Wicklung ohne unzulässige seitliche Spannungen auf die Verpackungsbahn (12) realisierbar ist, wobei der Verpackungsbahnspender (10) eine Klebevermittlungseinrichtung (24) aufweist, mit deren Hilfe die Verpackungsbahn (12) praktisch vollflächig mit der äußersten Lage der Materialbahnrolle verbindbar ist".
Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 2 lautet wie folgt (Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 werden durchgestrichen oder in Fettdruck angezeigt):
"Vorrichtung zum Verpacken einer Materialbahnrolle mit einer Wickelstation, die einen Rollenantrieb (8) und einen Verpackungsbahnspender (10) mit einer Verpackungsbahnabgabeeinrichtung (33) aufweist, die in einem spitzen Winkel zur Umfangsrichtung der Materialbahnrolle (2) einstellbar ist, [deleted: wobei ]mit dem der Verpackungsbahnspender (10) entlang der Materialbahnrolle (2) axial bewegbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Verpackungsbahnspender (10) einen Antrieb (16) zur Bewegung entlang der Materialbahnrolle (2) aufweist und daß eine Steuereinrichtung (23) vorgesehen ist, die mit einer Durchmesser-Meßeinrichtung (22) verbunden ist und die die Wickelgeschwindigkeit, den Winkel und den Vorschub des Verpakkungsbahnspenders [sic] (10) unter Berücksichtigung des Durchmessers der Materialbahnrolle (2) aufeinander abstimmt".
VI. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
a) Zulassung des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 in das Beschwerdeverfahren
Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag bzw. gemäß dem Hilfsantrag 1 entspreche, bis auf die Aufnahme ein paar zusätzlicher, den Schutzumfang des jeweiligen Anspruchs 1 einschränkender Merkmale, dem am 24. April 2007 als Hauptantrag bzw. Hilfsantrag eingereichten Anspruch 1. Der am 24. April 2007, d.h. fristgerecht vor der mündlichen Verhandlung eingereichte Anspruch 1 gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag, sei die Reaktion der Beschwerdeführerin auf den der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigelegten, die vorläufige Meinung der Kammer wiedergebenden Bescheid gewesen. Die Beschwerdegegnerinnen hätten daher genug Zeit gehabt, sich argumentativ auf den geänderten Anspruch 1 einzustellen.
Daher sollen sowohl der Hauptantrag als auch der Hilfsantrag 1 ins Beschwerdeverfahren zugelassen werden.
b) Klarheit, Artikel 84 EPÜ
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 definiere eindeutig eine Vorrichtung mit einem Verpackungsbahnspender und mit einer Steuereinrichtung, welche vier Parameter aufeinander abstimmt. Die Zeilen 13 bis 18 der Seite 3 der ursprünglich eingereichten Beschreibung offenbarten dem Fachmann, dass seitliche Spannungen, welche zu einem Einreißen einer aus Packpapier bestehenden Verpackungsbahn führen könnten, als unzulässige seitliche Spannungen zu betrachten seien. Der Fachmann entscheide daher je nach Anwendungsfall, welche seitliche Spannungen als unzulässig für die jeweilige Verpackungsbahn zu betrachten seien und welche Grenzspannungswerte entsprechend an die Steuereinrichtung einzugeben seien. Es bestehe somit für den Fachmann keine Unklarheit betreffend sowohl die strukturellen Merkmale der beanspruchten Vorrichtung als auch die Art der Bedienung der beanspruchten Steuereinrichtung.
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 erfülle daher die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
c) Zulassung des Hilfsantrags 2 ins Beschwerdeverfahren
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 sei identisch mit dem am 27. Oktober 2004 als Hilfsantrag I eingereichten und als Hilfsantrag II unter Kapitel 4. der Entscheidungsgründe der Einspruchsabteilung abgehandelten Anspruch 1. Die Beschwerdegegnerinnen haben daher seit dem Einspruchsverfahren diesen Anspruch gekannt. Das Einreichen dieses Anspruchs während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer stelle für die dort anwesende Beschwerdegegnerin 2 weder eine Überraschung dar noch entstünden für sie daraus Schwierigkeiten für die Vorbereitung einer Argumentationslinie.
Daher solle der Hilfsantrag 2 ins Beschwerdeverfahren zugelassen werden.
VII. Die Beschwerdegegnerin 1 hat sich zur Sache nicht geäußert.
Die Beschwerdegegnerin 2 hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
a) Zulassung des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 in das Beschwerdeverfahren
Es gebe keine Gründe, welche gegen die Zulassung des Hauptantrags bzw. des Hilfsantrags 1 ins Beschwerdeverfahren sprächen.
b) Klarheit, Artikel 84 EPÜ
Da die im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag bzw. gemäß Hilfsantrag 1 beanspruchte Steuereinrichtung die Realisierung einer Packpapierwicklung ohne unzulässige seitliche Spannungen ermöglichen solle, sei der Schutzumfang der Vorrichtung gemäß Anspruch 1 immer in Abhängigkeit von dem zu benutzenden Material für die Verpackungsbahn und die Art der Wicklung zu betrachten. Da zudem der Begriff "unzulässige seitliche Spannungen" an keiner Stelle in der ursprünglichen Offenbarung definiert worden sei, sei es für den Fachmann unklar, bis zu welcher Größe seitliche Spannungen seitens der Steuereinrichtung zuzulassen seien. Somit sei es für den Fachmann unklar, bei welcher Größe von seitlichen Spannungen sich eine Vorrichtung mit den im Anspruch 1 aufgelisteten strukturellen Merkmalen und mit einer bestimmten Verpackungsbahn aus Packpapier innerhalb des Schutzumfangs des Anspruchs 1 befinde und bei welcher nicht.
Daher erfülle der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht.
c) Zulassung des Hilfsantrags 2 ins Beschwerdeverfahren
Die Beschwerdegegnerin 2 sei durch die Einreichung des Hilfsantrags 2 erst während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer überrascht worden, da im bisherigen Verfahren, sei es im Einspruchsverfahren oder im schriftlichen Teil des Beschwerdeverfahrens, eine Vorrichtung mit der Merkmalskombination nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 nicht beansprucht worden sei. Die Beschwerdegegnerin 2 sei daher nicht darauf vorbereitet, diesem geänderten Anspruch 1 argumentativ zu begegnen. Es komme erschwerend dazu, dass, da nach Angaben der Beschwerdeführerin die Basis für die vorgenommene Änderung in der ursprünglichen Beschreibung zu finden sei, dieses geänderte Merkmal nicht recherchiert worden sei. Die Beschwerdegegnerin 2 benötige daher die Durchführung einer zusätzlichen Recherche, um eine fundierte patentrechtliche Stellungnahme gegenüber dem geänderten Anspruch 1 abgeben zu können. Eine solche zusätzliche Recherche könne nur nach Vertagung der mündlichen Verhandlung durchgeführt werden und impliziere automatisch eine unnötige Verzögerung des gesamten Verfahrens.
Die Beschwerdeführerin habe keine Gründe angegeben, warum sie den Hilfsantrag 2 in einem solchen späten Verfahrensstadium vorgelegt habe.
Daher solle die Einreichung des Hilfsantrags 2 als ein Verfahrensmissbrauch gewertet und als verspäteter Antrag ins Verfahren nicht zugelassen werden.
Entscheidungsgründe
1. Zulassung des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 ins Beschwerdeverfahren
Sowohl Anspruch 1 gemäß Hauptantrag als auch Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 wurden während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer am 30. Mai 2007 eingereicht. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag bzw. gemäß dem Hilfsantrag 1 entspricht, bis auf die Aufnahme ein paar zusätzlicher, den Schutzumfang des jeweiligen Anspruchs 1 einschränkender Merkmale, dem am 24. April 2007 als Hauptantrag bzw. Hilfsantrag eingereichten Anspruch 1. Dieser letzte wurde als Reaktion auf den der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigelegten, die vorläufige Meinung der Kammer wiedergebenden Bescheid und vor Ablauf der in diesem Bescheid angegebenen Frist eingereicht.
Die Beschwerdegegnerin 2 erhob gegen die Zulassung sowohl des Hauptantrags als auch des Hilfsantrags 1 ins Beschwerdeverfahren keine Einwände.
Die Kammer sieht daher keinen Grund, welcher gegen die Zulassung sowohl des Hauptantrags als auch des Hilfsantrags 1 ins Beschwerdeverfahren sprechen würde, und lässt beide Anträge ins Beschwerdeverfahren zu.
2. Klarheit, Artikel 84 EPÜ
2.1 Artikel 84 EPÜ in Verbindung mit Regel 29 (1) EPÜ sieht vor, dass die Patentansprüche deutlich sein müssen und den Gegenstand, für den Schutz begehrt wird, durch Angabe der technischen Merkmale der Erfindung anzugeben haben. Mit diesen Erfordernissen wird bezweckt (siehe T 728/98, ABl. EPA 2001, 319, insbesondere Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe), dass gewährleistet ist, dass die Öffentlichkeit nicht im Unklaren darüber bleibt, welcher Gegenstand unter einen bestimmten Anspruch fällt, und welcher nicht.
Dies gilt umso mehr für Merkmale, die wesentlich für die Erfindung sind, als sie den beanspruchten Gegenstand vom Stand der Technik abgrenzen sollen, sodass keine Unsicherheit darüber entsteht, ob der beanspruchte Gegenstand vorweggenommen ist oder nicht.
2.2 Im vorliegenden Fall richtet sich der geänderte Anspruch 1 des Hauptantrags bzw. des Hilfsantrags 1 auf eine Vorrichtung, deren Steuereinrichtung die Wickelgeschwindigkeit und den Vorschub des Verpackungsbahnspenders unter Berücksichtigung des Durchmessers der Materialbahnrolle und des Winkels so aufeinander abstimmt, dass eine Wicklung ohne unzulässige seitliche Spannungen auf die Verpackungsbahn realisierbar ist. Damit das in Artikel 84 EPÜ enthaltene Erfordernis der Klarheit erfüllt wird, müssen diese unzulässigen seitlichen Spannungen so definiert werden, dass der Fachmann eindeutig unterscheiden kann, welche seitlichen Spannungen als zulässig zu betrachten sind und welche nicht.
Die Kammer stellt zunächst fest, dass im Anspruch 1 keine nähere Definition über die Größe der auf der Verpackungsbahn entstandenen seitlichen Spannungen, über die diese Spannungen als unzulässig zu betrachten sind, zu finden ist. Die einzige zusätzliche Information, die der Fachmann dem Anspruch 1 betreffend der zu applizierenden Verpackungsbahn entnimmt, ist, dass die Verpackungsbahn aus Packpapier besteht, welches bei ungleichmäßigen Belastungen mit dem Risiko des Einreißens behaftet ist. Dieser Satz gibt zwar an, dass bei ungleichmäßigen Belastungen ein Risiko des Einreißens des Packpapiers besteht, ihm ist aber keine Korrelation zwischen der genannten ungleichmäßigen Belastungen und unzulässigen seitlichen Spannungen zu entnehmen. Somit definiert er auch nicht, welche Spannungen als unzulässige seitliche Spannungen zu betrachten sind.
2.3 Auch der einzigen Passage in der ursprünglichen Offenbarung, siehe Seite 3, Zeilen 13 bis 18, in welcher unzulässige seitliche Spannungen auf der Verpackungsbahn erwähnt werden und welche die Beschwerdeführerin als Basis für die im jetzigen Anspruch 1 vorgeschlagene Formulierung angegeben hat, kann der Fachmann nicht eindeutig entnehmen, ab welcher Größe die seitlichen Spannungen auf der Verpackungsbahn als unzulässig zu betrachten sind. In dem genannten Satz der ursprünglichen Offenbarung werden die unzulässigen seitlichen Spannungen in dem letzten Halbsatz als solche charakterisiert, "die insbesondere bei Packpapier zu einem Einreißen der Verpackungsbahn führen könnten".
2.4 Die Verwendung des Worts "insbesondere" bringt zum Ausdruck, dass auftretende seitliche Spannungen zwar vornehmlich, aber diese nur beispielsweise dann als unzulässig gelten, wenn sie zu einem Einreißen einer aus Packpapier bestehenden Verpackungsbahn führen könnten. Welche anderen seitlichen Spannungen als unzulässig zu betrachten seien, ist dieser Passage nicht zu entnehmen, denn im Anspruch 1 sind keine Einschränkungen bezüglich der Zulässigkeit der seitlichen Spannungen zu finden. Aber auch bei der Annahme, dass diese unzulässigen seitlichen Spannungen als diejenigen zu betrachten sind, welche zu einem Einreißen einer aus Packpapier bestehenden Verpackungsbahn führen könnten, ist dem Fachmann bekannt, dass die Größe einer auf eine Packpapierbahn wirkenden seitlichen Spannung, welche ein Einreißen dieser Bahn hervorruft, sowohl von der Qualität des zu benutzenden Packpapiers als auch von der Art der Belastungen, welche auf die Packpapierbahn wirken, z.B. gleichmäßige oder ungleichmäßige, abhängig ist und eine große Variation aufweist, d.h. zu einem undefinierten Bereich von Spannungswerte führt.
2.5 Im vorliegenden Fall liefern deshalb weder der restliche Teil des Anspruchs 1 noch die ursprüngliche Beschreibung eine klare Definition dessen, was beansprucht wird, nämlich welche "seitlichen Spannungen auf der Verpackungsbahn" als "unzulässig" zu betrachten sind. Wenn das Kriterium, anhand dessen die Steuereinrichtung die vier Variablen zur Vermeidung von unzulässigen seitlichen Spannungen an der Verpackungsbahn aufeinander abstimmt, dem Fachmann nicht konkret bekannt ist, dann ist auch die Funktion der Steuereinrichtung und somit die Steuereinrichtung selbst unbestimmt.
2.6 Aus den vorstehend genannten Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass Anspruch 1 des Hauptantrags bzw. des Hilfsantrags 1 dem in Art. 84 EPÜ enthaltenen Erfordernis der Klarheit nicht genügt.
3. Zulassung des Hilfsantrags 2 in das Beschwerdeverfahren
3.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 wurde während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer am 30. Mai 2007 eingereicht.
3.2 Die Vorrichtung nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von der Vorrichtung nach Anspruch 1 in der erteilten Fassung dadurch, dass nicht nur die Wickelgeschwindigkeit und der Vorschub des Verpackungsbahnspenders, sondern auch der Winkel unter Berücksichtigung des Durchmessers der Materialbahnrolle aufeinander abgestimmt werden.
Nach Angaben der Beschwerdeführerin handelt es sich hierbei um ein der ursprünglichen Beschreibung entnommenes Merkmal. Sie hat weiter argumentiert, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 2 dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem der Einspruchsabteilung vorgelegten Hilfsantrag II entspreche und somit der Beschwerdegegnerin 2 seit dem Einspruchsverfahren bekannt sei.
3.3 Nach der Beschwerdegegnerin 2 sei in keinem der Anspruchssätze der ursprünglich eingereichten Anmeldung, des erteilten Patents sowie der während des gesamten Einspruchsverfahrens und während der gesamten schriftlichen Phase des Beschwerdeverfahrens eingereichten Anträge ein Anspruch mit einer Vorrichtung mit einem solchen Merkmal eingereicht worden. Sie könne daher nicht erwarten, während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer mit einer solchen Änderung konfrontiert zu werden, und daher könne auch nicht von ihr verlangt werden, einer solchen Änderung argumentativ entgegen zu treten, auch wenn ihr während der mündlichen Verhandlung Vorbereitungszeit zugestanden werde. Da diese Änderung Merkmale betreffe, welche nach Angaben der Beschwerdeführerin der ursprünglichen Beschreibung entnommen worden seien, müsse sie eine zusätzliche Recherche ausführen, um dieser Änderung adäquat entgegnen zu können. Die Durchführung einer solchen Recherche werde eine Vertagung der mündlichen Verhandlung nach sich ziehen, welche im Gegensatz zum Artikel 10b (3) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern stehe.
3.4 Die Kammer kann sich der Argumentation der Beschwerdeführerin aus folgenden Gründen nicht anschließen:
Während der Anspruch 1 gemäß dem besagten Hilfsantrag II vor der Einspruchsabteilung auf eine Vorrichtung gerichtet ist, bei der die Steuereinrichtung "die Wickelgeschwindigkeit und den Vorschub des Verpackungsbahnspenders unter Berücksichtigung des Durchmessers der Materialbahnrolle und des Winkels aufeinander abstimmt", ist der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 auf eine Vorrichtung gerichtet, bei der die Steuereinrichtung "die Wickelgeschwindigkeit, den Winkel und den Vorschub des Verpackungsbahnspenders unter Berücksichtigung des Durchmessers der Materialbahnrolle aufeinander abstimmt". Dies bedeutet, dass während die Steuereinrichtung nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II zwei Variablen (Wickelgeschwindigkeit und Vorschub des Verpackungsbahnspenders) auf der Basis vorgegebener Werte für den Winkel und den Durchmesser der Materialbahnrolle aufeinander abzustimmen hat, die Steuereinrichtung nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 drei Variablen (Wickelgeschwindigkeit, Winkel und Vorschub des Verpackungsbahnspenders) auf der Basis eines vorgegebenen Wertes für den Durchmesser der Materialbahnrolle aufeinander abzustimmen hat. Somit umfasst die Vorrichtung nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 eine Steuereinrichtung, welche eine andere Funktion ausführt als die, die in der Vorrichtung nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II beansprucht worden ist. Daher ist das Argument der Beschwerdeführerin, dass Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 identisch sei mit dem schon während des Einspruchsverfahrens vorgelegten Anspruch 1, nicht stichhaltig.
3.5 Beim Hilfsantrag 2 handelt es sich daher um einen erst in der mündlichen Verhandlung neu definierten Gegenstand des Hauptanspruchs. Dieser Antrag ist somit als verspätet eingereicht zu werten. Dazu kommt, dass die im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 neu definierte Steuereinrichtung, welche die Wickelgeschwindigkeit, den Winkel und den Vorschub des Verpackungsbahnspenders unter Berücksichtigung des Durchmessers der Materialbahnrolle aufeinander abstimmt, in dieser expliziten Form der ursprünglichen Offenbarung nicht zu entnehmen ist. Die Zulassung eines solchen geänderten Anspruchs verlangt eine Diskussion über die Erfüllung der Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ, geschweige denn die Erörterung der Frage, ob der Beschwerdegegnerin 2 die Möglichkeit einer weiteren Recherche zu bieten wäre. Die Beschwerdeführerin gab keine Gründe an, warum dieser geänderte Anspruch 1 erst während der mündlichen Verhandlung eingereicht werden konnte.
Die Kammer meint dazu, das die Behandlung bereits dieser Fragen, die durch den erst in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 2 aufgeworfen werden, der Kammer und der Beschwerdegegnerin 2 nicht ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung zuzumuten ist.
Die Kammer lässt aus diesem Grund, unter Anwendung ihres Ermessens nach Artikel 10b (3) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, nicht zu.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.