T 0227/06 () of 30.3.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T022706.20090330
Datum der Entscheidung: 30 März 2009
Aktenzeichen: T 0227/06
Anmeldenummer: 03720139.9
IPC-Klasse: G08B 13/194
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Verfolgung wenigstens eines Objekts in einer Szene
Name des Anmelders: Robert Bosch GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 03 720 139.9 zurückgewiesen worden ist.

II. Nach der angefochtenen Entscheidung war der Gegenstand eines mit Schreiben vom 17. Mai 2005 eingereichten Anspruchs 1 nicht neu im Hinblick auf folgendes Dokument des Standes der Technik:

D1: JP 08 150125 A

Eine maschinelle Übersetzung auf Englisch (D1e) des Dokuments D1 war einem Bescheid der Prüfungsabteilung vom 26. Januar 2005 beigefügt.

III. In einer Mitteilung vom 20. Januar 2009 bezog sich die Kammer zusätzlich auf eine "intellektuelle" Teilübersetzung des Dokuments D1 auf Deutsch, die im Folgenden als D1d kennzeichnet wird.

IV. Am 30. März 2009 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

V. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

Ansprüche:

- 1 bis 8, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,

Beschreibung:

- Seiten 1 und 2, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,

- Seite 1a, eingereicht mit Schreiben vom 17. Mai 2005,

- Seiten 3 bis 8, wie ursprünglich eingereicht,

Zeichnungen:

- Blätter 1/2 und 2/2 wie ursprünglich eingereicht.

VI. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt (Bezeichnungen A bis G von der Kammer hinzugefügt):

A "Verfahren zur Verfolgung wenigstens eines Objekts in einer Szene,

B wobei das wenigstens eine Objekt mittels eines Bildgebers (1) in der Szene verfolgt wird,

C wobei der Bildgeber (1) eine Folge von Bildern von der Szene erzeugt,

D wobei dem wenigstens einen Objekt eine Bewegung in Abhängigkeit von aufeinanderfolgenden Bildern zuerkannt wird,

E wobei ein Zähler gestartet wird, wenn ein Stillstand des sich zuvor bewegenden Objekts erkannt wird und

F wobei in Abhängigkeit von einem Zählerstand eine Signalisierung erzeugt wird,

G wobei die Bewegung des wenigstens einen Objekts durch eine jeweilige Liste bezüglich Bewegungsvektoren und Zeit beschrieben wird."

Die Ansprüche 2 bis 8 sind von Anspruch 1 abhängig.

VII. Im Wesentlichen gab die Beschwerdeführerin zu bedenken, dass die geänderten Ansprüche keinen Sachverhalt einbrächten, der über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausginge und dass ihr Gegenstand gegenüber Dokument D1 neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen, Artikel 123(2) EPÜ

2.1 Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 hat eine Basis in den Ansprüchen 1 und 3 der ursprünglich eingereichten Anmeldung (siehe Veröffentlichung WO 03/079306 A1). Lediglich der im ursprünglichen Anspruch 3 verwendete Begriff "Bewegungsrichtung" wurde durch den in der Beschreibung (Seite 6, Zeilen 22 bis 30) benutzten Begriff "Bewegungsvektoren" ersetzt.

2.2 Die abhängigen Ansprüche haben eine Basis in den ursprünglich eingereichten abhängigen Ansprüchen.

2.3 Die Beschwerdekammer ist daher zu der Auffassung gekommen, dass die geänderten Ansprüche keinen Sachverhalt einbringen, der über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.

3. Neuheit und erfinderische Tätigkeit, Artikel 54 und 56 EPÜ

3.1 Die Druckschrift D1 offenbart eine "Vorrichtung zur Überwachung von Patienten im Krankenzimmer" (siehe Titel). Es handelt sich dabei "um eine Vorrichtung, die schnell und präzise Körperhaltungen des Patienten erkennt wie An- oder Abwesenheit im Krankenzimmer, Position im Krankenzimmer, ob der Patient aufrecht steht oder gestürzt ist etc., das Entstehen abweichender Situationen für den Patienten selbsttätig erfasst und umgehend einen Alarm für das Pflegepersonal auslöst" (siehe Abs. 0001 von D1d). Die Vorrichtung erkennt Position und Körperhaltung eines sich im Krankenzimmer bewegenden oder ruhenden Patienten (siehe Abs. 0007 von D1d). Anhand der Vorrichtung werden also Objekte (Patienten) in einer Szene (im Krankenzimmer) erkannt (vgl. Merkmal A von Anspruch 1).

3.2 Die Struktur der Vorrichtung ist in Abbildung 4 von D1 als Blockdiagramm angezeigt. Eine Sensoroptik zum Importieren von Bilddaten besteht aus einem Laserprojektor 101, einer Lichtmuster-Projektionskomponente 102, einem Bildgeber 103, einer Linse 104 und einem infrarot-transparenten Bandpassfilter 105 (siehe Abs. 0022 von D1d). Ein ins Krankenzimmer projiziertes Punkte-Projektionsbild wird über den Bildgeber 103 abgebildet (siehe Abs. 0023) und in einen Bildspeicher 201 importiert (siehe Abs. 0024). Ein Komponent 202 errechnet aus dem Punkte-Projektionsbild die Koordinaten der einzelnen Punkte. Das Projektionsbild wird in bestimmten Zyklen abgebildet und die Position und Körperhaltung eines Patienten wird über Veränderungen der Koordinaten der einzelnen Punkte des Projektionsbildes erkannt (siehe Abs. 0007).

Aus dieser Offenbarung ist ersichtlich, dass der Bildgeber 103 eine Folge von Bildern von der Szene erzeugt (vgl. Merkmal C), dass dem Patienten eine Bewegung in Abhängigkeit von aufeinanderfolgenden Bildern zuerkannt wird (Merkmal D) und, dass der Patient mittels des Bildgebers 103 in der Szene verfolgt wird (vgl. Merkmal B).

3.3 Nach Meinung der Beschwerdeführerin zeichnet sich das Verfahren nach Anspruch 1 dadurch aus, dass ein Zähler gestartet wird, wenn ein Stillstand eines sich zuvor bewegenden Objektes erkannt wird (Hervorhebung durch die Kammer).

3.4 Stillstand als Auslösekriterium

Laut Merkmal E des vorliegenden Anspruch 1 wird "bei einem Stillstand des sich zuvor bewegenden Objekts ein Zähler gestartet". Der Begriff "Stillstand" wird in den Ansprüchen nicht näher definiert. Bei dem Ausführungsbeispiel (vgl. Fig. 4 und Seite 5, Zeilen 16 bis 23 der Anmeldung) ist das sich bewegende Objekt eine Person. Laut Zeilen 18 bis 21: "Zum Zeitpunkt 16 kommt jedoch die Person aus der Bewegung zum Stillstand, wobei nun das erfindungsgemäße Verfahren einen Zähler startet, um die Verweildauer zu überwachen". In diesem Kontext ist der Begriff "Stillstand" so auszulegen, dass die Person sich nicht mehr fortbewegt, sondern verweilt. Kleinere Bewegungen, wie z.B. Kopfbewegungen oder Wanken, die bei einer verweilenden Person immer vorkommen, scheinen durch den Begriff "Stillstand" nicht ausgeschlossen zu sein.

In Dokument D1 wird am Ende von Absatz [0007] offenbart (siehe D1d), dass Alarm gegeben wird, wenn der Patient sich über einen zuvor festgelegten Zeitraum in einer bestimmten Situation befindet.

Gemäß Absatz [0007] weist die Vorrichtung von D1 einen Mechanismus zur Beurteilung der Patientensituation auf, der die Situation des Patienten anhand der Ergebnisse der Erkennung der beweglichen Objekte, der Erkennung der Patientenposition und der Erkennung der Körperhaltung des Patienten beurteilt.

Gemäß Absatz [0018] von D1 identifiziert der Mechanismus zur Erkennung der Patientensituation 9 die Position des Patienten im Krankenzimmer.

Die Vorrichtung von D1 weist eine Alarmeinheit 10 auf (Absatz [0019]), an der die Krankenschwester je nach Gesundheitszustand des zu überwachenden Patienten die Positionen und Körperhaltungen, die sie als gefährlich für diesen Patienten einschätzt, sowie die Dauer der Situation einstellt. Befindet sich der Patient dann über den vorher festgelegten Zeitraum in der definierten Position und Körperhaltung, wird automatisch ein Alarm an das Pflegepersonal übermittelt (Absatz [0019]).

Die Kammer sieht keinen wesentlichen Unterschied zwischen dem im vorliegenden Anspruch 1 beanspruchten Erkennen eines "Stillstands des sich zuvor bewegenden Objekts" und der in D1 veröffentlichten Feststellung, ob sich der Patient über den vorher festgelegten Zeitraum in der definierten Position und Körperhaltung befindet.

3.5 Verwendung eines Zählers zur Bestimmung des Zeitablaufs

Die Beschwerdeführerin trägt vor, dass die D1 völlig offen lässt, wie der Zeitablauf bestimmt wird. Die Bestimmung eines Zeitablaufes mittels eines Zählers sei eine von mehreren Möglichkeiten, einen Zeitablauf zu ermitteln, wobei die Verwendung eines Zählers, der bei Erkennung eines Stillstandes gestartet wird, eine besonders vorteilhafte Ausgestaltung sei, die aus der Entgegenhaltung D1 nicht hervorgehe.

Es wurde nicht bestritten, dass es bei elektronischen, bzw. Computergesteuerten Systemen üblich ist, Zähler zu verwenden, um Zeitabläufe zu erfassen. Nach Auffassung der Kammer liegt es dem Fachmann zumindest nahe, bei D1 einen Zähler zu verwenden, um zu erfassen, ob sich der Patient über den vorher festgelegten Zeitraum in der definierten Position und Körperhaltung befindet.

3.6 Nach Merkmal G des Anspruchs 1 wird die Bewegung des wenigstens einen Objekts durch eine jeweilige Liste bezüglich Bewegungsvektoren und Zeit beschrieben (Hervorhebung durch die Kammer).

Bei D1 werden in den Speichereinheiten 301 und 302 Zeitreihendaten von Punktekoordinaten abgespeichert (siehe D1d, Absätze 0031 bis 0033). Die Punkte-Koordinatendaten aus dem letzten, bzw. aus den letzten 10 Zyklen werden verglichen um festzustellen, ob Objekte sich bewegt haben (siehe D1d, Absätze 0031 und 0033). Es gibt aber keinen Hinweis dafür, dass bei D1 Bewegungsvektoren abgespeichert werden.

Aus diesem Grund kommt die Kammer zur Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber Dokument D1 als neu anzusehen ist.

3.7 Das Verfahren gemäß D1 betrifft grundsätzlich die Überwachung einer einzigen Person, wobei die Überwachung anhand einer Liste oder Sequenz von Bildern der Szene (Punktekoordinaten) erfolgt. Die gemäß Anspruch 1 vorgesehene Liste von Bewegungsvektoren macht es möglich, die Überwachung von komplexeren Situationen zu vereinfachen, z. B. Situationen, in denen gleichzeitig mehrere Personen überwacht werden. Keines der im Recherchebericht zitierten Dokumente weist auf die Möglichkeit hin, bei einem Verfahren zur Verfolgung eines Objekts in einer Szene eine Liste bezüglich Bewegungsvektoren und Zeit zu benutzen, um die Bewegung des Objekts zu beschreiben.

3.8 Aus den dargelegten Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass es im Hinblick auf den vorliegenden Stand der Technik für den Fachmann nicht naheliegend war, zu einem Verfahren gemäß Anspruch 1 zu gelangen. Der Gegenstand dieses Anspruchs beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

3.9 Die abhängigen Ansprüche 2 bis 8 betreffen besondere Ausführungsformen eines Verfahrens gemäß Anspruch 1 und beruhen somit auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

Ansprüche:

- 1 bis 8, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 30. März 2009,

Beschreibung:

- Seiten 1 und 2, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 30. März 2009,

- Seite 1a, eingereicht mit Schreiben vom 17. Mai 2005,

- Seiten 3 bis 8, wie ursprünglich eingereicht,

Zeichnungen:

- Blätter 1/2 und 2/2 wie ursprünglich eingereicht.

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