European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2007:T016706.20071115 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 15 November 2007 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0167/06 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99948978.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60R 16/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zum Betrieb einer multifunktionalen Anzeige- und Bedieneinrichtung in einem Kraftfahrzeug sowie multifunktionale Anzeige- und Bedieneinrichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | Volkswagen Aktiengesellschaft | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - Haupt- und Hilfsantrag - verneint | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Mit Entscheidung vom 9. August 2005 hat die Prüfungsabteilung die europäische Patentanmeldung Nr. 99 948 978.4 zurückgewiesen. Die Zurückweisung erfolgte mit der Begründung, dass der beanspruchte Anmeldegegenstand im Hinblick auf den Stand der Technik, wie er unter anderem in den Entgegenhaltungen
D3: DE-C-35 14 438
D14: DE-A-36 28 333
D18: EP-A-0 701 926
offenbart ist, nicht die in den Artikeln 52 (1) und 54 EPÜ verlangte Neuheit aufweise, bzw. nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ).
II. Gegen diese Entscheidung der Prüfungsabteilung hat die Beschwerdeführerin (Anmelderin) am 21. September 2005 unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 6. Dezember 2005 eingegangen.
III. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 15. November 2007 statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des Hauptantrags, eingereicht mit Schreiben vom 12. Oktober 2007, oder des Hilfsantrags, überreicht in der mündlichen Verhandlung, zu erteilen.
IV. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zum Betrieb einer multifunktionalen Anzeige- und Bedieneinrichtung (1) in einem Kraftfahrzeug, bei welchem menü- und funktionsbezogene Parameter in einem Displayfeld (2) angezeigt werden, wobei sinnfällig zum Displayfeld (2) Bedienelemente (3) zur Menü- und/oder Funktionsauswahl angeordnet sind, wobei im Displayfeld (2) je nach aktuell ausgewählter Menü- und/oder Funktionszuweisung der Anzeige- und Bedieneinrichtung (1) ein Informations-Panel (4) projiziert wird, das kleiner als das gesamte Displayfeld (2) ist, und im verbleibenden Displayfeld (2a, 2b) Funktions- und/oder Statusanzeigen (6) generiert werden, die in räumlicher Zuweisung zu den Bedienelementen (3) stehen, wobei weitere Bedienelemente vorgesehen sind, denen fest eine Hauptmenü- bzw. Geräteauswahl zugewiesen ist, dadurch gekennzeichnet, dass ein bidirektionaler Drehknopf (7)
- zur Bedienung weiterer Funktionen,
- zur Bedienung der Bedienfunktionen, welche bereits mit vorhandenen Bedienelementen auswählbar sind,
- zur manuellen Eingabe einer Telefonnummer oder
- zur Eingabe eines Städtenamens mit Hilfe der Anzeige auf dem Informations- Panel (4) über eine Spellerfunktion,
eingebunden ist."
Der unabhängige Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag durch den Wortlaut seines kennzeichnenden Teils, der wie folgt lautet:
"... dadurch gekennzeichnet, dass ein bidirektionaler Drehknopf (7) zur Eingabe eines Städtenamens mit Hilfe der Anzeige auf dem Informations-Panel (4) über eine Spellerfunktion vorgesehen ist."
V. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin kann wie folgt zusammengefasst werden:
Der Gegenstand der Ansprüche gemäß Haupt- und Hilfsantrag gehe nicht über die ursprüngliche Offenbarung hinaus.
Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 11 gemäß Hauptantrag ergebe sich nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik, insbesondere nicht in naheliegender Weise aus der Kombination der Entgegenhaltungen D3 mit D18 oder der Entgegenhaltungen D14 mit D18. D3 und D14 beschrieben multifunktionale Anzeige- und Bedieneinrichtungen, wobei D14 die Verwendung sogenannter Softkeys und D3 die Verwendung von Touchscreens und Softkeys offenbare. Durch Softkeys bzw. Touchscreens seien die Bedienelemente mehrfach mit Funktionen belegt worden, so dass die bedienbare Funktion vom angezeigten Kontext abhängig sei. Auf diese Weise werde die Anzahl der zu bedienenden Funktionstasten erheblich geringer als bei einer Bedieneinrichtung mit fester Zuordnung zwischen Bedienelement und Funktion. Dadurch seien diese Multifunktions-Bedieneinrichtungen deutlich übersichtlicher.
Entgegen dieser Tendenz werde erfindungsgemäß mit einem bidirektionalen Drehknopf nicht nur ein weiteres Bedienelement, sondern eine zusätzliche, dritte Art von Bedienelementen eingeführt. Ausgehend von den Entgegenhaltungen D3 und D14 habe der zuständige Durchschnittsfachmann keinerlei Veranlassung, eine dritte Art von Bedienelementen vorzusehen. Diese Lösung erscheine zunächst unlogisch und paradox, zudem es gerade das Ziel der bekannten multifunktionalen Anzeige- und Bedieneinrichtungen sei, die Anzahl von Bedienelementen zu reduzieren. Diesen Trend durchbreche die Erfindung. Der Fachmann würde D18 bei der Weiterentwicklung der multifunktionalen Bedieneinrichtung gemäß D3 nicht in Betracht ziehen, denn Softkeys bzw. Touchscreens erlaubten es bereits, sämtliche durch den bidirektionalen Drehknopf anwählbare Funktionen (z.B. Auf- und Abscrollen, Betätigung der Entertaste) auszuführen. Der Einsatz eines bidirektionalen Drehknopfs habe somit nicht nahegelegen.
In Hinblick auf die Frage, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, bringe die Spellerfunktion bei der Eingabe von Städtenamen den Vorteil von sehr kurzen Buchstabenlisten mit sich. Dadurch komme der Fahrer viel schneller zur Auswahl der gewünschten Stadt. Die damit erreichte kurze Bedienzeit sei für den Einsatz in einem Kraftfahrzeug von besonderer Wichtigkeit, da der Fahrer vom Fahrbetrieb minimal abgelenkt werde. Weil die Buchstabenlisten kurz seien, hätte sich der Fachmann mit der Auswahl der gewünschten Buchstaben durch eine Taste begnügt und den Vorteil eines Drehknopf als andersartiges Bedienelement nicht erkannt.
Der Begriff "Spellerfunktion" sei ein Terminus technicus, der für den Fachmann zur Zeit der Einreichung der vorliegenden Anmeldung allgemein bekannt und klar gewesen sei.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ und ist somit zulässig.
2. Hauptantrag
2.1 Zulässigkeit der Änderungen
Bezüglich der in den Ansprüchen des Hauptantrags vorgenommenen Änderungen bestehen seitens der Kammer keine Bedenken in Hinblick auf die Erfüllung der Anforderungen des Artikels 123 (2) EPÜ.
2.2 Erfinderische Tätigkeit
2.2.1 Bei der vorliegenden zweiteiligen Fassung des Anspruchs 1 hat die Anmelderin den Anspruch gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik, wie er in D14 oder in D3 offenbart ist, abgegrenzt. Sie hat auch anerkannt, dass in diesen Schriften jeweils ein Verfahren zum Betrieb einer multifunktionalen Anzeige- und Bedieneinrichtung beschrieben ist, das sämtliche Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 aufweist (vgl. z.B. D14, Figur 3: menü- und funktionsbezogene Parameter "LIMIT", "GESCHW." in einem Displayfeld mit Informations-Panel, Bedienelemente (Softkeys 8-15) zur Menü- und/oder Funktionsauswahl, weitere Bedienelemente 2-7).
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich somit von diesem Stand der Technik dadurch, dass ein bidirektionaler Drehknopf (7)
- zur Bedienung weiterer Funktionen,
- zur Bedienung der Bedienfunktionen, welche bereits mit vorhandenen Bedienelementen auswählbar sind,
- zur manueller Eingabe einer Telefonnummer oder
- zur Eingabe eines Städtenamens mit Hilfe der Anzeige auf dem Informations-Panel (4) über eine so genannte Spellerfunktion,
eingebunden ist.
2.3 Durch die Einbindung des beanspruchten Drehknopfes soll insbesondere eine kurze Bedienzeit erreicht werden, was die Ablenkung des Fahrers vom Fahrbetrieb möglichst reduzieren dürfte. Aus diesem sich ergebenden Unterschied gegenüber dem Stand der Technik kann somit als objektive Aufgabe angesehen werden, die Bedienung von modernen Kraftfahrzeugen, die sich durch den Einsatz von immer zahlreicheren und neuen Komfortgeräten auszeichnen (Autotelefon, Navigationsgerät, usw.), zu erleichtern.
2.4 In Hinblick auf die verschiedenen, im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 erwähnten Möglichkeiten der "Bedienung" und "Eingabe" über den Drehknopf ist zuerst festzustellen, dass diese sich auf Alternativlösungen beziehen. Dabei ist die als dritte Alternativlösung erwähnte "manuelle Eingabe einer Telefonnummer" eine Unterart der zweiten Alternativlösung, nämlich eine Bedienung der Bedienfunktion "Telefonieren", welche bereits mit demjenigen vorhandenen Bedienelement ausgewählt wurde, dem die Geräteauswahl "Telefon" zugewiesen ist.
2.5 Aus D18 ist eine multifunktionale Anzeige- und Bedieneinrichtung bekannt, bei der zur Anwahl bzw. Bedienung von Bedienfunktionen 5 innerhalb einer Funktionsgruppe 4, welche bereits mit vorhandenen Bedienelementen 3 ausgewählt wurde, ein bidirektionaler Drehknopf 2 eingebunden wird (vgl. Anspruch 1).
2.6 Der mit der oben genannten Aufgabe beschäftigte Fachmann entnimmt der Entgegenhaltung D18, dass mit einem einzigen bidirektionalen Drehknopf die Funktionen von drei Softkeys (Aufscrollen, Abscrollen, Enter-Funktion) ausgeführt werden können und somit dessen Anwendung, z.B. beim Telefonieren oder bei der Eingabe von Buchstaben, sehr einfach und schnell erfolgen kann (vgl. D18, Spalte 4, Zeilen 44-47). Die Vorteile, die mit dem Einsatz eines solchen bidirektionalen Drehknopfes verbunden sind, insbesondere die kürzere Bedienzeit bei der Bedienung besonderer Funktionen, dürften somit dem Fachmann nicht entgehen. Folglich lag es nach Auffassung der Kammer nahe, zumindest zur Bedienung von bestimmten Bedienfunktionen, welche bereits mit vorhandenen Bedienelementen ausgewählt worden sind, z.B. beim Telefonieren oder bei der Eingabe von Buchstaben, einen zusätzlichen Drehknopf nach Art der Entgegenhaltung D18 in der multifunktionalen Anzeige- und Bedieneinrichtung gemäß D3 bzw. D14 neben den Softkeys einzubinden.
2.7 Das Vorbringen der Beschwerdeführerin bezüglich der paradoxen Einführung des Drehknopfes als dritte Art von Bedienelementen hat die Kammer nicht überzeugt. In D18 wurde schon erkannt, dass der Trend zu einer Reduzierung der Anzahl der Arten von Bedienelementen zu einer erschwerten Bedienbarkeit führen kann und deshalb umgekehrt werden sollte (D18, Spalte 1, Zeilen 3-31 und 45-56).
2.8 Da zumindest eine der beanspruchten Alternativlösungen sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, kommt die Kammer zum Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ). Der Hauptantrag ist somit nicht gewährbar.
3. Hilfsantrag
In Hinblick auf das Merkmal des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ist im zweiten Absatz der Seite 6 der vorliegenden Anmeldung mit der internationalen Veröffentlichungsnummer WO-A-00/21795 lediglich erwähnt, dass die Eingabe des Städtenamens mittels des Drehknopfes 7 und über eine "sogenannte Spellerfunktion [erfolgt], wie sie beispielsweise in der nicht vorveröffentlichten Patentanmeldung der Anmelderin DE 198 27 753 beschrieben ist". Über die Eigenschaften der "Spellerfunktion" sowie ihrer technischen Realisierung enthält die ursprüngliche Anmeldung keine weiteren Informationen. Die Anmeldung DE 198 27 753 war zum Anmeldedatum der vorliegenden Anmeldung jedoch nicht veröffentlicht. Dies hat die Kammer veranlasst, die Klarheit des Begriffs "Spellerfunktion" und die Ausführbarkeit des beanspruchten Verfahrens in Frage zu stellen (Artikel 83 und 84 EPÜ).
Zu diesen Einwänden hat die Beschwerdeführerin vorgetragen, dass der Begriff "Spellerfunktion" für den Fachmann zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung ohnehin bekannt und die Implementierung einer derartigen Funktion durch geeignete Software des Navigationssystems problemlos sei.
Demnach ist ersichtlich, dass die im Navigationssystem integrierte "Spellerfunktion" unabhängig von der Art der Eingabe ist. Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob die Eingabe mit einem Drehknopf, mit einem Softkey oder einer normalen Bedientaste erfolgt. Angesichts der Schlussfolgerung, dass in der naheliegenden Kombination der Entgegenhaltung D3 bzw. D14 mit D18 der Drehknopf schon vorteilhaft zur Eingabe von Buchstaben zum Einsatz kommt, bedurfte es keiner erfinderischen Tätigkeit, noch eine nach den Ausführungen der Beschwerdeführerin an sich bekannte Spellerfunktion vorzusehen, um die Auswahl eines Städtenamens weiter zu vereinfachen und zu beschleunigen. Somit ist auch der Hilfsantrag nicht gewährbar.
4. Da keiner der Anträge gewährbar ist, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.