T 0060/06 (Offenbarung der Erfindung) of 8.10.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T006006.20071008
Datum der Entscheidung: 08 October 2007
Aktenzeichen: T 0060/06
Anmeldenummer: 98117924.5
IPC-Klasse: C22C 1/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Geschäumte Struktur
Name des Anmelders: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 R 27(1)(e)
Schlagwörter: Offenbarung, Ausführbarkeit der Erfindung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. In ihrer am 9. September 2005 zur Post gegebenen Entscheidung stellte die Prüfungsabteilung fest, die europäische Anmeldung Nr. 98117924.5 offenbare die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, daß ein Fachmann sie ausführen kann und wies die Anmeldung zurück. Sie begründete ihre Entscheidung insbesondere damit, daß die Beschreibung dem Fachmann keinerlei Einzelheiten des Verfahrens zur Veränderung der physikalischen Eigenschaften der geschäumten Struktur in einem Fahrzeug vermittle. So sei nicht aufgezeigt,

(a) wie das Medium in das Innere der geschäumten Struktur eingebracht und wieder daraus entfernt wird und (b) welche Medien für die Veränderung der Steifigkeit, der thermischen, akustischen und elektrischen Eigenschaften tatsächlich eingesetzt werden sollen. Dies herauszufinden bliebe allein dem Fachmann überlassen. Anspruch 1 könne in diesem Zusammenhang lediglich als eine Aufforderung an den Fachmann zur Durchführung einer Forschungsreihe zur Ermittlung der notwendigen Verfahrensschritte angesehen werden. Ein Mangel der Beschreibung liege auch darin, nicht wenigstens einen Weg zur Ausführung der Erfindung aufzuzeigen, wie dies Regel 27(1)e) EPÜ fordere. Die Anmeldung erfülle somit nicht die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ und Regel 27(1)e) EPÜ.

II. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen diese Entscheidung am 28. September 2005 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 24. Dezember 2005 beim Europäischen Patentamt eingegangen.

In der Sache trug die Beschwerdeführerin vor, es handele sich bei der vorliegenden Anmeldung um eine Grundsatzerfindung, bei der es unerheblich sei, welches Medium zur Veränderung der gewünschten physikalischen Eigenschaften der Schaumstruktur verwendet würde. Die grundsätzlich neue und erfinderische Idee liege in der temporären Befüllung einer geschäumten Struktur mit einem geeigneten Medium in einem Fahrzeug. Habe der Fachmann die Erfindung erst einmal verstanden, was im vorliegenden Fall ausgesprochen einfach sei, so könne er unter Zuhilfenahme seines allgemeinen Fachwissens die Erfindung ohne weiteres ausführen. Dabei würde der Fachmann ein solches Medium wählen, welches sich aufgrund seiner stofflichen Eigenschaften am besten für den jeweiligen Anwendungszweck eigne. Dazu gehöre auch die Durchführung einiger Versuche, um das beanspruchte Verfahren auf seine Bedürfnisse abzustimmen.

Im Detail wies die Beschwerdeführerin auf den ersten Absatz auf Seite 3 der Beschreibung hin, wonach z.B. in einer offenporigen Struktur das gewählte Medium unmittelbar eingebracht werden könne, sofern die Randbereiche der Schaumstruktur abgedichtet seien. Alternativ könne ein Kanalsystem in einem Schaumkörper verwendet werden, welches eine definierte und wiederholbare Befüllung und Entleerung der Struktur ermögliche. Als Medien kämen gasförmige, flüssige oder pulverförmige Stoffe in Frage, wie dies Seite 3, Zeilen 8 und 9 der Anmeldung konkret offenbare. Aufgrund der vielen Hinweise in der Beschreibung sei die Ausführbarkeit des beanspruchten Verfahrens durch einen Fachmann problemlos möglich und mithin gegeben.

Die Beschwerdeführerin beantragte deshalb

- die Zurückweisungsentscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben,

- die Erteilung eines Patents zu beschließen auf der Grundlage der

- Ansprüche 1 bis 18, eingegangen am 5. April 2005,

- der Beschreibungsseiten 1 bis 4, 4a, eingegangen am 24. Dezember 2005;

- hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

III. Mit Schreiben vom 13. September 2007, eingegangen bei EPA am 21. September 2007, nahm die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung unter der Voraussetzung zurück, daß die Kammer die Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung anerkennen und die Zurückverweisung der Anmeldung an die Prüfungsabteilung beabsichtigen sollte.

IV. Der der Entscheidung der Prüfungsabteilung zugrunde liegenden unabhängigen Ansprüche 1 und 13 lauten wie folgt:

"1. Verfahren zur Veränderung der physikalischen Eigenschaften einer geschäumten Struktur in einem Fahrzeug, wobei

- in Abhängigkeit von äußeren Bedingungen oder vom Betriebszustand des Fahrzeugs oder eines Aggregates des Fahrzeugs oder

- willkürlich durch den Bediener

das Innere der geschäumten Struktur mit einem gasförmigen, flüssigen oder pulverförmigen Medium so befüllt wird, daß sich die physikalischen Eigenschaften in der gewünschten Weise verändern."

"13. Fahrzeug mit einer geschäumten Struktur, mit einer Einrichtung, durch die das Innere der geschäumten Struktur

- in Abhängigkeit von äußeren Bedingungen oder vom Betriebszustand des Fahrzeugs oder eines Aggregates des Fahrzeugs oder

- willkürlich durch den Bediener

mit einem gasförmigen, flüssigen oder pulverförmigen Medium so befüllt wird, daß sich die physikalischen Eigenschaften in der gewünschten Weise verändern."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 12 und 14 bis 18 beziehen sich auf bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1 oder des Fahrzeugs nach Anspruch 13.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Geänderte Ansprüche, Artikel 123 (2) EPÜ

Die von der Anmelderin mit Schreiben vom 1. April 2005 eingereichten geänderten Ansprüche sind von der Prüfungsabteilung im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ nicht beanstandet worden. Die Kammer sieht keine Veranlassung, von dieser Bewertung abzuweichen.

3. Offenbarung der Erfindung, Artikel 83, Regel 27 (1) e) EPÜ

3.1 Einziger Grund für die Zurückweisungsentscheidung der Prüfungsabteilung war die mangelnde Ausführbarkeit der Erfindung. Es ist deshalb zu prüfen, ob die Anmeldung als Ganzes die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, d.h. genügend technische Informationen vermittelt, welche den Fachmann - denn an diesen richtet sich die Anmeldung - in die Lage versetzen, die Erfindung ohne unzumutbaren Aufwand und ohne daß es einer eigenen erfinderischen Leistung bedarf erfolgreich nachzuarbeiten.

3.2 Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Veränderung der physikalischen Eigenschaften einer in einem Fahrzeug eingesetzten geschäumten Struktur. Die veröffentlichte A2 Schrift der Anmeldung offenbart in den Absätzen [0001] und [0005], daß solche Strukturen beispielsweise in Form von Metallschäumen (Aluminiumschaum) oder geschäumten Kunststoffen in den Knautschzonen eines Fahrzeugs zum Auffangen von Stoßenergie als Energieabsorptionselemente eingesetzt werden.

Entsprechend der Aufgabenstellung der Erfindung sollen die physikalischen Eigenschaften der geschäumten Struktur nach ihrer Herstellung jedoch nicht wie üblicherweise unveränderlich festgelegt sein, sondern sich variabel und willkürlich entweder durch einen Bediener oder in Abhängigkeit von den äußeren Bedingungen verändern lassen (siehe A2-Schrift, Absatz [0006]).

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt die Erfindung vor, durch das Einbringen oder das Entfernen eines geeigneten Mediums in oder aus den Hohlräumen des Schaums eine gezielte Veränderung der physikalischen Eigenschaften des Bauteils zu bewirken. So lassen sich z.B. die mechanischen Eigenschaften (d.h. Steifigkeit), die elektrische Leitfähigkeit oder die thermische bzw. der akustische Dämmwirkung einer geschäumten Struktur durch den Benutzer in der gewünschten Weise verändern (siehe A2-Schrift, z.B. Absätze [0008], [0009], [0014], [0015]). Entsprechend der Zielvorgaben kann dies durch Einbringen oder Entfernen eines gasförmigen, flüssigen oder pulverförmigen Mediums geschehen, wobei das Medium mit Hilfe eines permanent in Bereitschaft stehenden Druckspeichers, einer aktivierbaren Energiequelle oder einer pyrotechnischen Einrichtung in die geschäumte Struktur befördert oder daraus abgezogen wird (siehe A2-Schrift, Absatz [0010]). Soll z.B. die akustische und thermische Dämmwirkung des Schaums beeinflusst werden, so liegt es für den Fachmann auf der Hand, ein geeignetes Füllmedium auszuwählen, welches die geforderte hohe thermische bzw. akustische Dämmung aufweist.

Als Ausführungsbeispiele erwähnt die Anmeldung befüllbare offenporige Schäume und nennt Schaumstrukturen mit kanalartig gestalteten Hohlräumen, welche ein bestimmtes Volumen definieren und so ein reproduzierbares Befüllen (und Entleeren) der Kanäle mit einem pulverförmigen Medium ermöglichen (siehe A2 Schrift, Absatz [0011]). Nach einer weiteren Ausführungsform kann die Beschickung und Entleerung der Hohlräume des Schaums mit einem Medium mittels eines "Pre-crash-sensors" ausgelöst und damit eine einstellbare Knautschzonencharakteristik erzeugt werden (siehe A2 Schrift, Absatz [0013]). Entgegen der auf Seite 3 der Zurückweisungsentscheidung vorgetragenen Ansicht der Prüfungsabteilung offenbart die Anmeldung somit eine Reihe von Möglichkeiten, auf welche Art und Weise die Schaumstruktur befüllt und entleert werden kann und welche Medien je nach dem beabsichtigten Zweck benutzt werden können.

Die Anmeldung als Ganzes bietet dem Fachmann somit zahlreiche technische Informationen, wie er die physikalischen Eigenschaften einer Schaumstruktur in einem Fahrzeug für den jeweiligen Bedarfsfall verändern kann. Bei der praktischen Umsetzung des beanspruchten Verfahrens liegt es dabei im Ermessen des Fachmanns, für den vorgesehenen Anwendungszweck die optimale Schaumstruktur, das geeignete Füllmaterial (Medium) und die passende Einrichtung zum Einbringen und Entfernen des Mediums in und aus den Hohlräumen der Schaumstruktur auszuwählen. Hat der Fachmann einmal den erfindungsgemäßen Grundgedanken verstanden, so ist ihm die Anpassung des beanspruchten Verfahrens an die speziellen Gegebenheiten ohne unzumutbaren Aufwand und ohne eigenes erfinderisches Zutun möglich. Die Anmeldung erfüllt somit die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ und von Regel 27 (1) e) EPÜ.

Der Antrag auf mündliche Verhandlung war an die Bedingung einer negativen Entscheidung der Kammer geknüpft. Da dies jedoch nicht zutrifft, kann die Sache ohne die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die 1. Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Prüfungsverfahren fortzusetzen.

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