European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2008:T005706.20080813 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 13 August 2008 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0057/06 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99906014.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | B24B 7/28 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zum Erzeugen einer qualitativ anspruchsvollen Oberfläche sowie Breitschleifvorrichtung und die Verwendung derselben | ||||||||
Name des Anmelders: | Steinemann Technology AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Hans Weber Maschinenfabrik GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit der Änderungen (ja) Neuheit (ja) Erfinderische Tätigkeit (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 01 062 072 in geänderter Form Beschwerde eingelegt.
Gegen das Patent war Einspruch eingelegt worden in vollem Umfang gemäß Artikel 100 (a) EPÜ, wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit.
Die Einspruchsabteilung entschied, daß die mit Schreiben vom 15. September 2005 eingereichten und in der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2005 weiter geänderten Ansprüche 1-3 Artikel 123 (2) und (3) EPÜ erfüllen. Außerdem ist das Verfahren von Anspruch 1 des Streitpatents in der geänderten Fassung neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, insbesondere gegenüber dem nächstkommenden Stand der Technik D3 (DE-A-3 933 697).
II. Anspruch 1 gemäß der angefochtenen Entscheidung lautete wie folgt (die Änderungen gegenüber Anspruch 1 wie erteilt sind in Fettdruck mit allfälligen Streichungen in eckigen Klammern; beide von der Kammer hinzugefügt):
"1. Verfahren zum Betrieb einer Breitschleifmaschine mit Schleifkräften primär in der Durchlaufrichtung der Gegenstände zum Erzeugen einer qualitativ anspruchsvollen geschliffenen Oberfläche auf flachen Gegenständen (1), welche kontinuierlich durch die Breitschleifmaschine mit wenigstens zwei Breitschleifeinheiten transportiert werden, dadurch gekennzeichnet, a) dass wenigstens zwei Schleifeinheiten (3, 4, 11, 12) in einem leichten Eingriffswinkel (alpha) quer zur Vorschubrichtung (Pfeil 2) der Gegenstände (1) leicht versetzt eingesetzt sind, derart, dass in der Kalibrierschleifstufe [oder Feinschleifstufe] eine Rhombusmusterung (8) erzeugt wird,
b) wobei die Grob- bzw. Kalibrierschleifstufe (11` 12) in wenigstens zwei Schleifstufen aufgeteilt ist, welche in einem leichten Eingriffswinkel (alpha), quer zur Vorschubrichtung (Pfeil 2) der Gegenstände (1) versetzt sind, c) und mit den Schleifspuren eine [rhombusartige Rohmusterung] Rhombusmusterung (8) erzeugt wird, welche in einer anschließenden Feinschleifstufe überschliffen wird, derart, dass die Rhombusmusterung von Auge sichtbar bleibt, d) wobei der Anpressdruck in der Feinschleifstufe einstellbar oder regelbar ist."
III. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hielt an diesem Anspruch in ihrer auf dem 30. Juni 2006 datierten Erwiderung auf die Beschwerdebegründung fest.
IV. Mit Bescheid vom 23. April 2008, als Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung vor der Kammer, teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung im Hinblick auf Anspruch 1 dieses einzigen Antrages mit.
Die in Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen schienen die Erfordernisse von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ zu erfüllen.
Anspruch 1 schien aber nach Ansicht der Kammer die Erfordernisse von Artikel 84 nicht zu erfüllen, da er im Merkmal a) noch die Bezugszeichen "3,4" - die sich auf die Feinschleifmaschinen einer ersten Ausführungsform bezogen, welche aber von Anspruch 1 nicht mehr umfasst wurde - enthielt bzw. weil im Merkmal b) die gegenüber dem Oberbegriff erneuten Definition "in wenigstens zwei Schleifstufen aufgeteilt sind" sowie "welche in einem leichten Eingriffswinkels (alpha), quer ..." als redundante Merkmale betrachtet wurden. Außerdem erschien eine Präzisierung des Merkmals "von Auge sichtbar" durch Ersatz mittels des Ausdruckes "mit blossem Auge sichtbar" möglich, da die Erkennung der Rhombusmusterung laut Streitpatent bzw. gemäß der Argumentation der Beschwerdegegnerin ohne Hilfsmittel stattfinden sollte.
Mangelnde Neuheit war nach Ansicht der Kammer von der Beschwerdeführerin nicht behauptet worden und es war auch kein Dokument ersichtlich, das alle Merkmale des Anspruchs 1 aufwies.
Die Kammer wies im Hinblick auf die zu führende Diskussion auch auf die folgenden Punkte hin.
Gemäß dem Streitpatent ist die zu lösende Aufgabe eine Verbesserung der Oberflächenstruktur der Werkstücke für die nachfolgende Bearbeitung (z.B. für das Aufbringen bzw. Aufleimen von weiteren Schichten wie Lack, Folien, Papier, Kunststoff, usw.), die mit einem möglichst geringen Aufwand zu erreichen sein soll. Als verbesserte Oberflächenstruktur wird gemäß dem Streitpatent eine solche mit einer Rhombusmusterung angesehen, da diese Quer- und Längsspuren vermeidet (siehe Patent, Seite 3, Zeilen 22 und 23 und Zeile 43 bis Seite 4, Zeile 3, sowie Zeilen 12 bis 24 und Zeilen 39 und 40; Seite 5, Zeilen 30 bis 35).
Ob die mit dem Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents erhältliche Oberflächenstruktur gegenüber jenen von D1 (DE-A-30 29 591), D2 (DE-C-4 414 958) oder D3 tatsächlich - objektiv gemessen (z.B. Ra- bzw. Rz-Werte, etc.) - eine Verbesserung darstellt, ist durch keinerlei Versuchsergebnisse belegt. Das Streitpatent zitiert zwar D1 und D2 in seiner Beschreibung, die als nächstkommender Stand der Technik schon in der ursprünglich eingereichten Anmeldung enthalten waren, es gibt aber keine Ergebnisse von Vergleichsversuchen. Somit könnte die zu lösende objektive technische Aufgabe lediglich darin zu sehen sein, ein weiteres Verfahren zum Erzeugen einer Oberflächenstruktur für die nachfolgende Behandlung bereitzustellen, das mit einem möglichst geringen Aufwand erreichbar ist.
Das Verfahren nach Anspruch 1 schien sich von jenem nach D2 dadurch zu unterscheiden, dass eine zweite, um einen leichten Eingriffswinkel (alpha) quer zur Vorschubrichtung verschränkte Schleifeinheit vorhanden ist und das Werkstück nach dem Verlassen der letzten Feinschleifstufe eine Rhombusmusterung aufweist (D2 macht diesbezüglich keine Aussage; gemäß dem Streitpatent wird mit den Feinschleifstufen nach D2 versucht, die Schleifspuren der zwei vorangehenden Kalibrierschleifstufen zu beseitigen; siehe Patent, Seite 3, Zeilen 12 bis 16).
Bei der Ausführungsform gemäß den Figuren 1 und 2 der D3 kann die Vorrichtung Hubtische aufweisen (siehe Relevanz der Dokumente unten), über welche die Anpressung der Werkstücke gegen die Förderbänder 11 und 13 der Querbandschleifer 7 und 8 erfolgt (siehe Spalte 2, Zeilen 50 bis 54). D3 erwähnt übrigens die orthogonalen Schleifriefen bei der Diskussion der Nachteile des Standes der Technik (siehe D3, Spalte 1, Zeilen 23 bis 35). Es wird daher zu diskutieren sein, ob mittels dieser Hubtische der Anpressdruck gesteuert werden kann. Falls diese Frage mit ja zu beantworten wäre, dann würde sich das Verfahren nach Anspruch 1 von jenem nach der Ausführungsform der D3 gemäß den Figuren 1 und 2 nur dadurch unterscheiden, dass nach dem Durchlaufen der Feinschleifstufe eine noch von (blossem) Auge sichtbare Rhombusmusterung am Werkstück erhalten wird.
Es wird weiters zu diskutieren sein, welche Effekte mit diesen unterscheidenden Merkmalen verbunden sind bzw. ob diese Effekte vom Fachmann vorhersehbar waren (durch allgemeines Fachwissen) und/oder durch den vorliegenden Stand der Technik nahegelegt werden, oder nicht. Es stellt sich auch die Frage, ob das Beibehalten der Rhombusmusterung nach der letzten Feinschleifstufe implizit höhere Ra- bzw. Rz-Werte der bearbeiteten Oberfläche gegenüber dem vollständigen Entfernen des Musters bedeutet. Es wird daher zu diskutieren sein, ob sich der Gegenstand gemäß Anspruch 1 des einzigen Antrags in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, oder nicht.
V. Mit Schreiben vom 2. Juli 2008 reichte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) eine Stellungnahme zum Bescheid der Kammer zusammen mit einem Anspruch 1 eines Hilfsantrags ein.
VI. Am 13. August 2008 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. In dieser erklärte die Beschwerdegegnerin die Rücknahme des mit der Beschwerdeerwiderung vom 30. Juni 2006 angekündigten Hauptantrags, d.h. die Zurückweisung der Beschwerde. Des Weiteren erklärte sie, den mit Schreiben vom 2. Juli 2008 als Hilfsantrag eingereichten Anspruch 1 als neuen Hauptantrag weiterzuverfolgen. Insbesondere die erfinderische Tätigkeit dieses Antrags wurde anschließend diskutiert.
i) Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
ii) Die Beschwerdegegnerin beantragte, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung das Patent in geändertem Umfang, mit Anspruch 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 2. Juli 2008, sowie mit den Ansprüchen 2 bis 10, wie in der angefochtenen Entscheidung aufrechterhalten, aufrechtzuerhalten.
Während der mündlichen Verhandlung wurden insbesondere die für diese Entscheidung relevanten Dokumente D2 und D5 (DE-U-9 414 952) aus dem Einspruchsverfahren diskutiert.
VII. Der Wortlaut von Anspruch 1 des einzigen Antrages lautet (Änderungen gegenüber dem aufrechterhaltenen Anspruch 1 sind in Fettdruck mit allfälligen Streichungen in eckigen Klammern; beide hinzugefügt von der Kammer):
"1 . Verfahren zum Betrieb einer Breitschleifmaschine mit Schleifkräften primär in der Durchlaufrichtung der Gegenstände zum Erzeugen einer qualitativ anspruchsvollen geschliffenen Oberfläche auf flachen Gegenständen (1), welche kontinuierlich durch die Breitschleifmaschine mit wenigstens zwei Breitschleifeinheiten transportiert werden, dadurch gekennzeichnet, a) dass wenigstens zwei Schleifeinheiten ([3,4]11, 12) in einem leichten Eingriffswinkel (alpha) quer zur Vorschubrichtung (Pfeil 2) der Gegenstände (1) leicht versetzt eingesetzt sind, derart, dass in der Kalibrierschleifstufe eine Rhombusmusterung (8) erzeugt wird,
b) wobei die Grob- bzw. Kalibrierschleifstufe (11` 12) in wenigstens zwei Schleifstufen aufgeteilt ist [welche in einem leichten Eingriffswinkel (alpha), quer zur Vorschubrichtung (Pfeil 2) der Gegenstände (1) versetzt sind,]
c) und mit den Schleifspuren eine Rhombusmusterung (8) erzeugt wird, welche in einer anschliessenden Feinschleifstufe überschliffen wird, derart, dass die Rhombusmusterung (8) [von] mit blossem Auge sichtbar bleibt,
d) wobei der Anpressdruck in der Feinschleifstufe einstellbar oder regelbar ist."
VIII. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Die Änderungen von Anspruch 1 werden nicht beanstandet und die Neuheit des beanspruchten Verfahrens wird nicht angegriffen.
D2 stelle den nächstkommenden Stand der Technik dar, bei dem die Schleifeinheiten 1 und 2 die Kalibrierstufen darstellen. Dabei ist die Schleifeinheit 2 schräg zur Vorschubrichtung der Spanplatten angeordnet, weshalb zwingender weise eine Rhombusmusterung erzeugt werde, welche dann mit der Feinschleifeinheit 3, die einen Druckschuh 16 aufweist, weiter geschliffen wird (siehe Figuren 1 und 2). Gemäß D2 ist wenigstens ein Paar der Kontaktwalzen übereinander angeordneter Schleifeinheiten gegenüber der Vorschubrichtung schräg angeordnet (siehe Spalte 1, Zeilen 41 bis 52). Es können also auch die Paare von zwei Schleifeinheiten sein. D2 macht keine Aussage, wie weit in dieser Feinschliffstuffe geschliffen wird, aber es soll ein einwandfreies regelmäßiges und feines Schliffbild der Plattenoberfläche erzielt werden (siehe Spalte 1, Zeilen 35 bis 40; Spalte 2, Zeilen 60 bis 64).
Somit sind die Merkmale a), b) und d) von Anspruch 1 bekannt, da jene von Merkmal d) entweder implizit oder explizit von D2 offenbart werden. Der Begriff "Druckbalken" setzt nämlich voraus, dass der Anpressdruck einstellbar ist, womit die erste Alternative von Anspruch 1 aus D2 bekannt ist. Gemäß einer weiteren Ausführungsform von D2 sind zwei beabstandet hintereinander angeordnete und getrennt mit unterschiedlicher Andruckkraft steuerbare Druckschuhe 16 vorgesehen (siehe Spalte 3, Zeilen 16 bis 20).
D5 beschreibt den Stand der Technik, wonach beim Breitschleifen von Spanplatten (welche mehrheitlich Halbfabrikate sind, an denen anschließend weitere Oberflächenveredelungen vorgenommen werden müssen, z.B. Beschichten mit einer dünnen Folie) der Schleifvorgang in mehreren Schritten, als Kalibrierschliff, als Feinschliff und als Schuhschliff durchgeführt wird. Dabei hat der Feinschliff die Hauptaufgabe die Oberflächenrauhigkeit des Kalibrierschliffes zu verbessern, während der Schliff mit dem Schleifschuh zum Ausmerzen der Rattermarken dient (siehe D5, Seite 3, Zeilen 7 bis 24).
Die Aufgabenstellung von D2 läßt eine Rhombusstruktur zu und ist die gleiche Aufgabe wie im Streitpatent und ergibt eine längere Standzeit der Schleifbänder und ein besonders sauberes Schliffbild der Oberfläche (siehe D2, Spalte 1, Zeile 64 bis Spalte 2, Zeile 7 und Spalte 3, Zeilen 6 bis 15). Aufgrund des Schrägstellens der Schleifbänder einer Schleifeinheit ist ein gleichmäßiges Schliffbild ohne Schleifriefen bereits vorhanden (siehe D2, Figur 2). Deshalb möchte der Fachmann ausgehend von D2 nur mehr die Rauhigkeit beim Feinschleifen ausgleichen und er wird nicht mehr machen, als für die weitere Verarbeitung der Spanplatten notwendig ist. Damit ist aber nahegelegt, das Rhombusmuster nicht auszuschleifen, sondern zu erhalten. Außerdem erwähnt D2 eine Verminderung des Schleifdruckes in der Feinschleifeinheit bzw. wird dies sogar als Polieren bezeichnet, was impliziert, dass Schleifspuren nicht voll entfernt werden, sondern nur die Spitzen weggenommen werden. Somit müßten die Rhomben vorhanden bleiben. Das Verfahren von Anspruch 1 beinhalte daher keine erfinderische Tätigkeit.
IX. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Die hinzugefügten Merkmale in Anspruch 1 basieren auf Seite 9, Zeilen 17 und 18 sowie Seite 4, Zeilen 17 bis 20 und Zeilen 25 bis 29 bzw. Seite 7, Zeile 33 bis Seite 8, Zeile 3 und Zeilen 19 und 20 bzw. Figur 2. Die Streichung einer Alternative aus Anspruch 1 wie erteilt (der auf den Ansprüchen 1-3 der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht basiert), d.h. die Streichung der Erzeugung der Rhombusmusterung in der Feinschleifstufe, ist unter Artikel 123 (2) und (3) EPÜ nicht zu beanstanden. Die anderen Streichungen in den Merkmalen a) und b) nehmen Bezug auf den Bescheid der Kammer und räumten dessen Beanstandungen unter Artikel 84 EPÜ aus.
Die Neuheit des beanspruchten Verfahrens werde nicht bestritten.
D2 ist widersprüchlich, da es einerseits bei Spanplatten nicht notwendig sei, eine gute Oberfläche zu haben, andererseits aber vom Polieren der Oberfläche gesprochen werde. Das zweite Ausführungsbeispiel von D2 erwähnt sogar Filz zum Polieren (siehe Spalte 3, Zeilen 21 bis 30). D2 beansprucht einen sehr feinen Endschliff. Dieser impliziere durch das beschriebene Polieren, dass allfällige Muster vom Kalibrierschliff beseitigt werden sollen (siehe Spalte 2, Zeilen 6 und 7; Spalte 3, Zeilen 11 und 12). Die von Anspruch 1 zu lösende Aufgabe ist eine Verbesserung der Oberflächenstruktur der Werkstücke für die nachfolgende Bearbeitung (z.B. für das Aufbringen von weiteren Schichten wie Folien, Kunststoff, usw.), die mit einem möglichst geringen Aufwand zu erreichen sein soll (siehe Patent, Seite 3, Zeilen 22 und 23 und Zeile 43 bis Seite 4, Zeile 3, sowie Zeilen 12 bis 24 und Zeilen 39 und 40; Seite 5, Zeilen 30 bis 35). Als verbesserte Oberflächenstruktur wird gemäß Streitpatent eine solche mit einer Rhombusmusterung angesehen, da diese Quer- und Längsspuren vermeidet. Das Verfahren nach D2 erzeuge keine Rhombusmusterung, da nur ein Walzenpaar der zweiten Schleifeinheit gegenüber der Vorschubrichtung schräg gestellt ist. Wie ein Rhombus auszusehen habe ist aus Figur 2 des Streitpatents gut erkennbar. Das Streitpatent verlangt das bewusste Aufrechterhalten der Rhombusstruktur. Das Polieren gemäß D2 sei nicht mit dem Feinschliff gemäß Streitpatent vergleichbar. Somit lasse sich das beanspruchte Verfahren nicht in naheliegender Weise von D2 herleiten. Das Verfahren nach Anspruch 1 beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Änderungen von Anspruch 1 (Artikel 84, 123 (2) und (3) EPÜ)
Anspruch 1 des einzigen Antrags basiert auf den Ansprüchen 1 und 3 in Kombination mit Seite 4, Zeilen 17 bis 20 und Zeilen 25 bis 29; bzw. Seite 7, Zeile 33 bis Seite 8, Zeile 3 und Zeilen 19 und 20; und Seite 9, Zeilen 17 und 18; sowie Figur 2 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (= publizierte WO-A-99 46082). Somit erfüllt Anspruch 1 die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ.
Die Streichung der Alternative aus Anspruch 1, nämlich der alternativen Erzeugung der Rhombusmusterung durch zwei Feinschleifeinheiten, welche dem ersten Lösungsweg gemäß Figur 1 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung entsprach, ist nicht zu beanstanden. Der Ersatz des breiteren, da nur eine Ähnlichkeit mit einem Rhombus aufweisenden Merkmals "rhombusartige Rohmusterung" in Merkmal c) von Anspruch 1 wie erteilt durch das Merkmal "Rhombusmusterung", das bereits in Merkmal a) verwendet wurde, wird als Einschränkung erachtet. Daher erfüllt Anspruch 1 auch die Erfordernisse von Artikel 123 (3) EPÜ.
Anspruch 1 ist auch im Hinblick auf Artikel 84 EPÜ nicht zu beanstanden.
2. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
Die Neuheit des Verfahrens gemäß Anspruch 1 wurde nicht bestritten. Es sind auch keine Dokumente im Verfahren, die ein Verfahren offenbaren, das alle Merkmale des Anspruchs 1 aufweist. Das Verfahren von Anspruch 1 ist daher neu (Artikel 54 EPÜ).
3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
3.1 Nächster Stand der Technik
D2 wurde unbestritten als nächstkommender Stand der Technik für das in Anspruch 1 beanspruchte Verfahren erachtet.
3.1.1 D2 offenbart eine Bandschleifmaschine für Spanplatten mit mehreren, jeweils paarweise übereinander angeordneten und zwischen sich einen Schleifspalt festlegenden Schleifeinheiten, bei denen mittels Kontaktwalze und Druckschuh das Schleifband gegen die zu schleifende Oberfläche nur leicht angedrückt wird, und bei der die Laufrichtungen der Schleifbänder zumindest eines Paares von übereinander angeordneten Schleifeinheiten in entgegengesetzten Sinn von der geradlinigen und horizontalen Vorschubrichtung der zu schleifenden Platten abweichen und bezüglich der zu schleifenden Platten mittensymmetrisch und gegensinnig verschränkt angeordnet sind (siehe Anspruch 1; Figuren 1-3).
Bei der Ausführungsform gemäß den Figuren 1 und 2 weist die Schleifmaschine die Kalibrierschleifstationen 1 und 2 auf, von denen die Station 2 um einen Winkel bezogen zur Vorschubrichtung der Platte, insbesondere zwischen 3-5º, versetzt ist (siehe Spalte 2, Zeilen 20 bis 55). Die Feinschleifstation 3 dient zum feinen Endschliff der Platte 13, mittels der ein besonders sauberes Schliffbild der Plattenoberfläche erreicht wird, wobei die Schleifeinheiten 8 und 9 getrennt mit unterschiedlicher Andruckkraft steuerbare Druckschuhe 16 aufweisen, die mehr ein Polieren als einen feinen Endschliff bedingen (siehe Spalte 2, Zeile 56 bis Spalte 3, Zeile 20). Durch die Schrägstellung der Schleifstation 2 wird die Abbauleistung der Schleifeinheiten 6,7 entscheidend gesteigert, so dass die Wirtschaftlichkeit der Bandschleifmaschine erhöht wird und gleichzeitig werden vom Kalibrierschleifen herrührende Markierungen auf der (den) Plattenoberfläche(n) entsprechend der Winkelstellung der Kontaktwalzen 11 gleichsam abgeschrägt (siehe Spalte 1, Zeilen 53 bis 63 und Spalte 2, Zeilen 56 bis 63).
3.1.2 Aufgrund der Schrägstellung der Schleifeinheiten 6 und 7 der zweiten Schleifstation wird ein Rhombusmuster auf der Oberfläche der Spanplatte erzeugt, das anschließend in der Schleifstation 3 einem feinen Endschliff bzw. einem Polieren unterzogen wird.
3.1.3 Die Aufgabenstellung von D2 ist die Bandschleifmaschine der D1 in der Weise weiterzuentwickeln, dass die Standzeit der Schleifbänder verlängert wird und dennoch ein einwandfreies regelmäßiges und feines Schliffbild der Plattenoberfläche erzielt wird (siehe Spalte 1, Zeilen 17 und 18 und Zeilen 35 bis 40).
3.2 Aufgabe
Das Verfahren gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich daher vom Verfahren nach der beschriebenen Ausführungsform gemäß den Figuren 1 und 2 der D2 dadurch, dass
a) auch die erste Schleifeinheit der Kalibrierstufe in einem leichten Eingriffswinkel quer zur Vorschubrichtung der flachen Gegenstände (Spanplatten) angeordnet ist, und
b) die Rhombusmusterung auch nach dem Polieren in der Feinschleifstufe mit blossem Auge sichtbar bleibt.
3.2.1 Durch das Merkmal a) werden Schleifriefen auf der Plattenoberfläche vermieden, die durch eine gegenüber der Vorschubrichtung der Spanplatten mit orthogonaler Achse angeordnete Schleifeinheit entstehen können und die damit gleichsam erzeugte Rhombusstruktur kann, je nach Eingriffswinkel, unter Umständen subjektiv optisch ansprechender wirken. Im Übrigen wird derselbe Effekt wie mit der zweiten schräg gestellten Schleifeinheit erzielt, nämlich eine Steigerung des Wirkungsgrades bzw. eine Abschrägung von Schleifspuren.
3.2.2 Durch das Merkmal b) wird eine Verlängerung der Standzeit des Schleifbandes in der Feinschleifstufe bei gleichzeitig kürzeren Behandlungszeiten für jede einzelne Spanplatte erzielt, wodurch eine Erhöhung des Durchsatzes an Werkstücken aufgrund der kürzeren Schleifzeiten erreicht wird. Aufgrund des Beibehaltens der Rhombusmusterung nach der letzten Feinschleifstufe weisen die fertig bearbeiteten Spanplattenoberflächen - im Vergleich zu Spanplattenoberflächen, bei denen die Rhombusmusterung in der Feinschliffstufe vollständig entfernt wird - implizit höhere Ra- bzw. Rz-Werte und somit eine größere Rauhigkeit auf.
3.2.3 Von der Beschwerdegegnerin ist durch keinerlei Versuchsergebnisse belegt worden, dass die mit dem Verfahren gemäß Anspruch 1 erhältliche Oberflächenstruktur objektiv gemessen eine Verbesserung gegenüber jener des Standes der Technik darstellt, obwohl dieser Mangel im Bescheid der Kammer angesprochen worden war (siehe Punkt IV, oben). Das Streitpatent zitiert zwar D1 und D2 in seiner Beschreibung, die als nächstkommender Stand der Technik schon in der ursprünglich eingereichten Anmeldung enthalten waren, es werden aber keine Ergebnisse von Vergleichsversuchen offenbart.
3.2.4 Somit wird die gegenüber dem Stand der Technik nach D2 zu lösende Aufgabe von der Kammer nur darin gesehen, ein Verfahren zum Erzeugen einer Oberflächenstruktur von flachen Gegenständen, insbesondere Spanplatten, für die nachfolgende Behandlung bereitzustellen, bei dem eine für diese Behandlung ausreichende Oberflächenstruktur bei gleichzeitiger Verlängerung der Standzeit der Schleifbänder und Verkürzung der Taktzeiten mit möglichst geringem Aufwand erzielt wird.
3.3 Lösung der Aufgabe
Diese Aufgabe wird durch das Verfahren nach Anspruch 1 des einzigen Antrags gelöst.
3.4 Diese Lösung wird dem Fachmann aber durch die allgemeine Lehre von D2 nahe gelegt.
3.4.1 Zunächst wird dem Fachmann von D2 offenbart, dass die in der Ausführungsform gemäß den Figuren 1 und 2 dargestellte Bandschleifmaschine mit den orthogonal zur Vorschubrichtung der Spanplatten angeordneten Schleifeinheiten 4 und 5 der ersten Schleifstation Markierungen (bzw. Schleifriefen) beim ersten Kalibrierschleifen auf der Spanplattenoberfläche hinterlassen können, welche anschließend durch die schräg gestellten Schleifeinheiten 6 und 7 der zweiten Schleifstation abgeschrägt bzw. leichter ausgeschliffen werden können (siehe Spalte 1, Zeilen 53 bis 58 und Spalte 2, Zeilen 59 bis 63). Dem Fachmann wird von D2 weiter offenbart, dass bei der Bandschleifmaschine die Kontaktwalzen wenigstens eines Paares von übereinander angeordneten Schleifeinheiten bezüglich der Vorschubrichtung der zu schleifenden Platten mittensymmetrisch und gegensinnig verschränkt angeordnet sind (siehe Spalte 1, Zeilen 41 bis 48; Anspruch 1).
3.4.2 Somit erhält der Fachmann von D2 die Anleitung, auch die Schleifeinheiten 4 und 5 der ersten Schleifstation gegenüber der Vorschubrichtung der Spanplatten schräg zu stellen, da er damit mögliche Markierungen in der Spanplattenoberfläche in dieser ersten Schleifstation, die aufgrund von Kornfehlern oder Kornausbrüchen der Schleifbänder beim ersten Kalibrierschleifen entstehen können, vermeiden kann.
3.4.3 Des Weiteren lehrt D2 den Fachmann, dass beim - dem Kalibrierschleifen - "anschließenden Feinschleifen mit einem Schleifaggregat mit Druckschuhen die Andruckkraft der Druckschuhe und demnach auch der Schleifdruck so weit verringert werden kann, dass die vom Schleifschuh mit Druck beaufschlagten Schleifbänder nahezu nur noch eine Polierfunktion ausüben. Als Resultat ergibt sich zum einen eine erheblich längere Standzeit solcher Schleifbänder und zum anderen ein besonders sauberes Schliffbild der Plattenoberfläche" (siehe Spalte 1, Zeile 64 bis Spalte 2, Zeile 7; siehe auch Spalte 3, Zeilen 6 bis 15).
3.4.4 Der Fachmann wird somit angeleitet, in der Feinschleifstufe nur mehr ein Polieren der beim Kalibrierschleifen inhärent erhaltenen Rhombusmusterung durchzuführen, womit er einerseits ein besonders sauberes Schliffbild erhält und andererseits die Standzeit der Schleifbänder erhöhen kann. Bei diesem Polieren gemäß D2 werden nach Ansicht der Kammer lediglich die Spitzen der Schleifspuren abgerundet, bzw. abgeflacht und/oder entfernt werden, wodurch die Oberflächenrauhigkeit verringert werden wird. Da die bearbeiteten Spanplatten ein Halbfabrikat sind, an dem anschließend weitere Oberflächenveredelungen vorgenommen werden müssen, z.B. Beschichten mit einer dünnen Folie, hat ein Feinschliff die Hauptaufgabe die Oberflächenrauhigkeit des Kalibrierschliffes zu verbessern (siehe D5, Seite 3, Zeilen 7 bis 24). Dabei wird der Fachmann aufgrund der beabsichtigten Weiterverarbeitung eine Oberflächenrauhigkeit anstreben, die für diesen Zweck geeignet ist. Er wird dabei aber nicht ein vollständiges Wegschleifen aller Schleifspuren anstreben, da dies mit einem unnötig größeren Aufwand und größeren Kosten aufgrund größeren Schleifbandbedarfs bzw. längerer Schleifzeiten verbunden wäre. Der Fachmann wird eine gewisse Oberflächenrauhigkeit in Kauf nehmen, die für die Weiterverarbeitung ausreicht, mit der Folge, dass die Rhombusmusterung noch mit freiem Auge sichtbar ist, da diese Rauhigkeit das Optimum für die Lösung der unter Punkt 3.2.4 definierten Aufgabe darstellt.
3.4.5 Alle Argumente der Beschwerdegegnerin im Hinblick auf D2 können von der Kammer aus den folgenden Gründen nicht akzeptiert werden. Ein "feiner Endschliff" bzw. ein "Polieren" einer Oberfläche mit einer bestimmten Ausgangsrauhigkeit bedeutet nicht notwendiger Weise den Erhalt einer möglichst planen Oberfläche mit sehr geringer Rauhigkeit, insbesondere wenn die üblicherweise verwendeten Schleifkorngrößenbereiche für die Kalibrierschliffstufen und die Feinschliffstufe(n) berücksichtigt werden. Im Übrigen ist die Behauptung, dass gemäß D2 alle allfälligen Muster entfernt werden sollen, auch deshalb nicht glaubhaft, da es sich bei den Spanplatten um ein relativ billiges Halbfabrikat handelt, bei dem der Fachmann nur die für den beabsichtigten Zweck absolut notwendigen Arbeitsschritte durchführen wird. Außerdem sind auch die Betriebsparameter der Bandschleifmaschine und insbesondere die Schnittgeschwindigkeiten der Schleifbänder nicht von D2 bekannt, die eine derartige Annahme stützen würden.
3.5 Das Verfahren von Anspruch 1 beinhaltet daher keine erfinderische Tätigkeit. Anspruch 1 des einzigen Antrags erfüllt daher nicht die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ. Der Antrag ist daher nicht gewährbar.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.