European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2007:T001906.20070717 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 17 Juli 2007 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0019/06 | ||||||||
Anmeldenummer: | 98120679.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | C09C 1/30 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Siliciumoxid, das an seiner Oberfläche teil- oder vollständig silylierte Polykieselsäureketten trägt | ||||||||
Name des Anmelders: | Wacker Chemie AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Degussa AG | ||||||||
Kammer: | 3.3.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Antrags (ja) Unzulässige Änderung der Patentansprüche (nein) Stützung durch die Beschreibung (ja) Neuheit (ja): bekanntes Herstellungsverfahren führt nicht zum beanspruchten Produkt Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 0 926 210, betreffend Siliciumdioxid, das an seiner Oberfläche teil- oder vollständig silylierte Polykieselsäureketten trägt, zurückzuweisen.
II. Die Einsprechende hatte den Widerruf des Patents in vollem Umfang aufgrund von Artikel 100(a) EPÜ insbesondere wegen mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit des beanspruchten Gegenstandes beantragt.
Der Einspruch stützte sich unter anderem auf die folgenden Dokumente
(1): Firmenprospekt "Schriftenreihe Pigmente-Grundlagen von AEROSIL" der Firma DEGUSSA AG, Nummer 11, Juni 1993; und
(4): DE-A-3839900.
III. In ihrer Entscheidung befand die Einspruchsabteilung unter anderem folgendes:
- weder Dokument (1) noch Dokument (4) würden ein nachbehandeltes Siliciumdioxid, das an der Oberfläche teil- oder vollständig silylierte Polykieselsäureketten trage, offenbaren;
- Dokument (4) offenbare ein Verfahren zur Herstellung von hydrophobiertem Siliciumdioxid, wobei ein Überschuss an Silyliermittel bezogen auf die vorhandenen Silanolgruppen des Siliciumdioxids zugegeben werde; dieses Verfahren führe jedoch nicht zwangsläufig zur Bildung von Polykieselsäureketten;
- der beanspruchte Gegenstand sei daher neu gegenüber dem zitierten Stand der Technik;
- Trocken-Toner, die das beanspruchte nachbehandelte Siliciumdioxid enthalten, würden verbesserte Ladungseigenschaften, Fliesseigenschaften und Stabilität aufweisen, während Silikonkautschukmassen bzw. Siliconelastomeren, die ein solches Siliciumdioxid enthalten, verbesserte rheologische und mechanische Eigenschaften bzw. eine verbesserte Transparenz aufweisen würden;
- daher sei es angesichts der Lehre des Standes der Technik nicht naheliegend gewesen, das aus dem Dokument (4) bekannte Herstellungsverfahren wie beansprucht zu verändern, um ein Siliciumdioxid, das Polykieselsäureketten trage und die obigen Eigenschaften aufweise, zu erhalten.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) reichte mit Schreiben vom 20. Juli 2006 einen geänderten Anspruchssatz als Hilfsantrag ein.
Die Beschwerdeführerin kündigte mit Schreiben vom 12. April 2007 an, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht vertreten sein werde.
Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer wurde am 17. Juli 2007 abgehalten.
Die Beschwerdegegnerin reichte in der mündlichen Verhandlung einen neuen Anspruchssatz als alleinigen Antrag ein.
V. Der unabhängige Anspruch 1 des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchssatzes lautet wie folgt:
"1. Siliciumdioxid, das an seiner Oberfläche teil- oder vollständig silylierte Polykieselsäureketten aus Einheiten der Struktur Ra(OH)bSiOc und (OH)dSiOe wobei R gleich oder verschieden sein kann und ein substituierter oder nicht substituierter Kohlenwasserstoffrest ist, a 1, 2 oder 3 ist, sowie b 0, 1 oder 2 ist und c 1, 2 oder 3 ist, wobei a + b + c gleich 4 ist, d 0, 1, 2 oder 3 ist, e 1, 2, 3 oder 4 ist und d + e gleich 4 ist, trägt, wobei die Summe aus Silanolgruppen der Siliciumdioxid-Oberfläche (SiOH) und aufgepfropften Silyliermittelresten (SiRa) größer ist als die Zahl der Silanolgruppen auf der Oberfläche von unbehandeltem Siliciumdioxid, wobei a 1, 2 oder 3 sein kann und R gleich oder verschieden sein kann und ein substituierter oder nicht substituierter Kohlenwasserstoffrest ist."
Anspruch 4 lautet wie folgt:
"4. Verfahren zur Herstellung von Siliciumdioxid nach Anspruch 1, das an seiner Oberfläche teil- oder vollständig silylierte Polykieselsäureketten trägt, dadurch gekennzeichnet, dass das Silyliermittel im molaren Überschuss, bezogen auf die vorhandenen Silanolgruppen des Siliciumdioxids, zugegeben wird, wobei Wasser dabei mindestens in gleichen molaren Mengen wie das Silyliermittel vorliegt, wobei die Silylierung unter Einwirkung von Basen erfolgt, wobei die Silylierung bei Temperaturen größer oder gleich 60ºC erfolgt und die Reaktionszeit der Silylierung bei größer oder gleich 2 Stunden liegt."
Dieser Anspruchssatz enthält abhängige Ansprüche 2, 3, 5 und 6, die sich auf besondere Ausgestaltungen des beanspruchten Produktes bzw. des beanspruchten Herstellungsverfahrens beziehen, sowie Ansprüche 7 und 8, die sich auf einen Toner bzw. auf eine vernetzbare Siliconmasse und Siliconelastomer beziehen, die das erfindungsgemäße Siliciumdioxid enthalten.
VI. Die Beschwerdeführerin hat inter alia schriftlich folgendes vorgetragen:
- Dokument (4) offenbare ein Verfahren zur Herstellung eines nachbehandelten Siliciumdioxids, das alle Verfahrensmerkmale des unabhängigen Verfahrensanspruchs des Streitpatents enthalte; daher müsse dieses Verfahren zwangsläufig zum beanspruchten Produkt führen;
- wenn man die Entscheidung T 666/89 berücksichtige, seien sowohl das im Dokument (4) beschriebene Verfahren wie auch das dadurch hergestellte Produkt mit dem im Anspruch 5 gemäß Hauptantrag beanspruchten Herstellungsverfahren bzw. mit dem im Anspruch 1 beanspruchten Produkt identisch;
- der beanspruchte Gegenstand sei daher nicht neu;
- angesichts der erfindungsgemäßen Beispiele 1 bis 7 und der Vergleichsbeispiele 8 und 9 des Streitpatents enthalte der Gegenstand des unabhängigen Verfahrensanspruchs nicht alle wesentlichen technischen Merkmale, die notwendig seien, um das gewünschte Produkt herzustellen; daher entspreche der Verfahrensanspruch 5 nicht den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ.
VII. Die Beschwerdegegnerin hat unter anderem schriftlich und mündlich folgendes vorgetragen:
- der Wortlaut des unabhängigen Verfahrensanspruchs 4 gemäß des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Antrags sei mit der Beschreibung der ursprünglich eingereichten Unterlagen im Einklang; daher entsprächen die in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ;
- alle wesentliche technische Verfahrensmerkmale des Gegenstands des unabhängigen Verfahrensanspruchs seien wohl in den erfindungsgemäßen Beispielen 1 bis 7, aber nicht in den Vergleichsbeispielen 8 und 9 enthalten; daher entspreche der Anspruch 4 den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ;
- das im Dokument (4) offenbarte Herstellungsverfahren umfasse nicht eine Reaktionszeit von mindestens 2 Stunden; außerdem sei dieser Verfahrensschritt zusammen mit den anderen wesentlichen Verfahrensmerkmalen des Anspruchs 4 wesentlich, um ein Siliciumdioxid zu erhalten, das Polykieselsäureketten mit den im Anspruch 1 angegeben Einheiten trage;
- daher könne das in Dokument (4) offenbarte Verfahren nicht zum Produkt des Anspruchs 1 des Streitpatents führen;
- die im Dokument (1) beschriebenen hydrophobierten Siliciumdioxiden würden keine Polykieselsäureketten mit den im Anspruch 1 angegebenen Einheiten enthalten;
- wie in der Beschreibung des Streitpatents erklärt, würden Trocken-Tonern, Silikonkautschukmassen und Siliconelastomere, die das beanspruchte Siliciumdioxid enthalten, verbesserte Eigenschaften aufweisen;
- angesichts des Standes der Technik sei es für den Fachmann nicht naheliegend gewesen, das aus dem Dokument (4) bekannte Herstellungsverfahren wie beansprucht zu verändern, um ein Siliciumdioxid herzustellen, das an seiner Oberfläche Polykieselsäureketten trage und verbesserte Eigenschaften aufweise;
- daher sei der beanspruchte Gegenstand neu und erfinderisch gegenüber dem zitierten Stand der Technik.
VIII. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 926 210.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, das Patent auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 8, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, aufrecht zu erhalten.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit des von der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung eingereichten Antrags
Nach Artikel 10b(1) VOBK steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt.
Nach Artikel 10b(3) werden Änderungen des Vorbringens nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist.
Die von der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung geänderte Anspruchsfassung wirft keine über den Umfang der Beschwerdebegründung hinausgehende Frage auf und konnte ohne Verzögerung des Verfahrens von der Kammer abgehandelt werden. Dieser Antrag war daher zuzulassen.
Außerdem kann die in der mündlichen Verhandlung abwesende Beschwerdeführerin nicht überrascht sein, da die geänderte Anspruchsfassung als Reaktion zu den mit Schreiben vom 27. März 2007 von der Beschwerdeführerin gegen den damaligen Hilfsantrag vorgebrachten Einwänden eingereicht wurde und diese damit rechnen musste, dass die Beschwerdegegnerin versuchen würde alle Einwände zu entkräften.
2. Artikel 123 EPÜ
Durch die Änderungen wurde der beanspruchte Gegenstand eingeschränkt.
Die Kammer hat sich davon überzeugt, dass die geänderten Ansprüche 1 bis 8 den Erfordernissen der Artikel 123 (2) und (3) EPÜ entsprechen.
Anspruch 1 ist nämlich eine Kombination der Ansprüche 1 und 2 der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen; die Ansprüchen 2 und 3 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 3 und 4; Anspruch 4 ist eine Kombination der ursprünglichen Ansprüche 5, 6 und 7 zusammen mit der auf Seite 9, Zeilen 21 bis 23 beschriebenen bevorzugten Ausführungsform, wonach die Silylierung bei Temperaturen größer oder gleich 60ºC erfolgt und die Reaktionszeit bei größer oder gleich 2 Stunden liegt.
Die Ansprüche 5 bis 8 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 8 und 9 bzw. 12 und 13.
3. Artikel 84 EPÜ
Der Gegenstand des Anspruchs 4 bezieht sich auf ein Herstellungsverfahren eines Siliciumdioxids gemäß Anspruch 1, wobei die folgenden wesentlichen Verfahrensmerkmale aufgeführt werden:
- das Silyliermittel muss im molaren Überschuss, bezogen auf die vorhandenen Silanolgruppen des Siliciumdioxids, zugegeben werden;
- Wasser muss mindestens in gleichen molaren Mengen wie das Silyliermittel vorliegen;
- die Silylierung muss unter Einwirkung von Basen und bei Temperaturen größer oder gleich 60ºC erfolgen;
- die Reaktionszeit der Silylierung muss bei größer oder gleich 2 Stunden liegen.
Da die erfindungsgemäßen Beispiele 1 bis 7 des Streitpatents Herstellungsverfahren beschreiben, die alle Merkmale des Gegenstands des Anspruchs 4 enthalten [Basen können gemäß der Beschreibung (Seite 6, Zeilen 7 bis 9) auch in situ, z.B. von Hexamethyldisilazan, entstehen], und im Gegensatz dazu die Vergleichsbeispiele 8 und 9 sich auf Verfahren beziehen, die entweder eine kürzere Reaktionszeit und eine niedrigere Temperatur (Beispiel 8) oder keine Basen bei der Silylierung (Beispiel 9) verwenden, findet die Kammer, dass der Gegenstand des Anspruchs 4 von der Beschreibung gestützt ist.
Daher kann sich die Kammer dem von der Beschwerdeführerin unter Artikel 84 EPÜ erhobenen Einwand (siehe Punkt VI oben) nicht anschließen.
4. Neuheit
4.1 Der unabhängige Verfahrensanspruch 4 bezieht sich auf ein Verfahren, das eine Reaktionszeit bei der Silylierung von mindestens 2 Stunden als wesentliches Merkmal umfasst.
Das im Dokument (4) offenbarte Verfahren umfasst vorzugsweise eine Reaktionszeit von 10 bis 1800 Sekunden (siehe Seite 2, Zeilen 64 bis 65), d.h. eine Reaktionszeit von maximal 30 Minuten. Längere Rektionszeiten sind im Dokument (4) nicht offenbart.
Daher ist der Gegenstand des Anspruchs 4 neu gegenüber dem Dokument (4).
4.2 Die Beschwerdegegnerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass alle Verfahrensmerkmale des Anspruchs 4 wesentlich sind, um ein Siliciumdioxid, das Polykieselsäureketten mit den beanspruchten Einheiten trägt, zu erhalten.
Die Kammer hat keinen Grund, diese Aussage der Beschwerdegegnerin zu bezweifeln, da alle erfindungsgemäßen Beispiele 1 bis 7 im Gegensatz zu den Vergleichsbeispielen 8 und 9 alle diese Verfahrensmerkmale beschreiben (siehe Punkt 3 oben).
Daher kommt die Kammer zum Ergebnis, dass das im Dokument (4) beschriebene Verfahren, das nicht alle wesentliche Merkmale des Gegenstands des Anspruchs 4 des Streitpatents enthält, nicht zu einem nachbehandelten Siliciumdioxid mit den Merkmalen des Gegenstands des Anspruchs 1 führen kann.
Daher ist die von der Beschwerdeführerin zitierte Entscheidung T 666/89 (ABl. 1993, 495, Punkt 6 der Entscheidungsgründe), wonach eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich für einen Produktanspruch ist, wenn die Ausführung eines in einer Vorveröffentlichung spezifisch oder wörtlich beschriebenen Verfahrens zwangsläufig zu einem Erzeugnis führt, das als solches nicht beschrieben wird, im vorliegenden Fall nicht anwendbar.
Daher ist auch der Gegenstand des Produktanspruchs 1 neu gegenüber dem Dokument (4).
4.3 Die Neuheit des Gegenstands des Verfahrensanspruchs bzw. des Produktanspruchs wurde von der Beschwerdeführerin nur aufgrund der Offenbarung des Dokuments (4) geltend gemacht. Weiterhin hat die Kammer keine Veranlassung, sich der Meinung der ersten Instanz nicht anzuschließen, dass das beanspruchte Produkt bzw. das beanspruchte Herstellungsverfahren neu gegenüber dem zitierten Stand der Technik, z.B. Dokument (1), sind (siehe Punkt III oben).
4.4 Daher ist der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 8 neu.
5. Erfinderische Tätigkeit
5.1 Die Erfindung des Streitpatents betrifft Siliciumdioxid, das an seiner Oberfläche teil- oder vollständig silylierte Polykieselsäureketten trägt (Seite 2, Zeilen 3 bis 4).
Es war aus dem Stand der Technik bekannt, die freie Silanolgruppen von Siliciumdioxid mit Organosiliciumresten eines Silyliermittels umzusetzen, um eine homogene Hydrophobierung des Siliciumdioxids zu erzielen (Seite 2, Zeilen 17 bis 19 und 26 bis 29).
Daher nennt das Streitpatent als die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe, die Bereitstellung eines weiteren hydrophobierten Siliciumdioxids, das verbesserte Eigenschaften aufweist (Seite 2, Zeilen 21 bis 25 und Seite 6, Zeilen 20 bis 34).
5.2 Die Kammer hat sich davon überzeugt, dass sich Dokument (4) als einziges Dokument mit der im Streitpatent genannten technischen Aufgabe befasst (siehe Dokument (4) Seite 2, Zeilen 23 bis 28 und 41 bis 52).
Daher wählt die Kammer Dokument (4) als den besten Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit aus.
Das offenbarte Verfahren unterscheidet sich vom Gegenstand des Verfahrensanspruchs 4 unter anderem dadurch, dass die Reaktionszeit kürzer ist, und die dort offenbarten Verfahrensschritte zu einem Produkt, das keine Polykieselsäureketten trägt, führt (siehe Punkt 4.2 oben).
Die Kammer hat sich auch davon überzeugt, dass Silikonkautschukmassen bzw. Siliconelastomere, die das Produkt gemäß Anspruch 1 - d.h. das durch das Verfahren des Anspruchs 4 hergestellte Produkt - enthalten, hervorragende rheologische und mechanische Eigenschaften bzw. eine hervorragende Transparenz aufweisen (siehe Beispiel 10 und 11). Zudem weisen Trocken-Toner, die das erfindungsgemäße nachbehandelte Siliciumdioxid enthalten, verbesserte Ladungseigenschaften, Fliesseigenschaften und Stabilität (siehe Beispiel 12).
Daher wurde die der Erfindung zugrundeliegende technische Aufgabe durch die Auswahl eines Produktes gemäß Anspruch 1 bzw. eines Herstellungsverfahrens gemäß Anspruch 4 erfolgreich gelöst.
5.3 Das Dokument (4) offenbart ein Herstellungsverfahren, das zu gleichmäßiger oder erhöhter Hydrophobierung eines Siliciumdioxids führt, welches Siliciumdioxid Elastomeren oder Siliconkautschukmassen als Hilfsmittel zugesetzt werden kann (siehe Seite 2, Zeilen 36 bis 52).
Nach diesem Verfahren wird das Silyliermittel im molaren Überschuss, bezogen auf die vorhandenen Silanolgruppen des Siliciumdioxids, zugegeben, und Basen können auch zugesetzt werden (Seite 2, Zeilen 60 bis 61 und Seite 3, Zeilen 18 bis 20); Reaktionstemperaturen über 60ºC können auch gewählt werden (siehe Seite 3, Zeilen 55 bis 56 und Beispiel 1).
Jedoch werden angesichts der Lehre des Dokuments (4) Reaktionszeiten nur bis 30 Minuten und die Verwendung von kleinen Wassermengen bevorzugt (Seite 2, Zeilen 63 bis 65 und Seite 3, Zeilen 16 bis 17), so dass das erhaltene nachbehandelte Siliciumdioxid keine Polykieselsäureketten trägt (siehe Punkt 4.2 oben).
Daher lag es angesichts der Lehre des Dokuments (4) für den Fachmann nicht nahe, eine Kombination von Verfahrensbedingungen wie im Streitpatent zu wählen, wobei Wasser mindestens in gleichen molaren Mengen wie das Silyliermittel vorliegen muss, und die Silylierung unter Einwirkung von Basen, bei Reaktionszeit der Silylierung größer oder gleich 2 Stunden und bei Temperaturen größer oder gleich 60ºC, erfolgen muss.
Außerdem gab der Stand der Technik dem Fachmann keinen Hinweis darauf, wie ein hydrophobiertes Siliciumdioxid, das an seiner Oberfläche teil- oder vollständig silylierte Polykieselsäureketten mit den Einheiten des Anspruchs 1 trägt, herzustellen sei, und dass diese nachbehandelte Siliciumdioxide aufgrund der Anwesenheit dieser Polykieselsäureketten verbesserte Eigenschaften, z.B. bei einer Anwendung in Trocken-Tonern, aufweisen würden (siehe Punkt 5.3 oben)
Daher kommt die Kammer zum Ergebnis, dass der Fachmann aufgrund der Lehre des Standes der Technik keinen Anlass hatte, das im Dokument (4) beschriebene Verfahren zu verändern, um ein Produkt mit den obigen Eigenschaften zu erhalten.
5.4 Daher beruhen die Ansprüche 1 bis 8 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit den Ansprüchen 1 bis 8, eingereicht in der mündlichen Verhandlung und einer noch anzupassenden Beschreibung, aufrecht zu erhalten.