European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2009:T000706.20090305 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 05 März 2009 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0007/06 | ||||||||
Anmeldenummer: | 96101193.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | C01B 33/18 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Granulate auf Basis von pyrogen hergestelltem Siliciumdioxid, Verfahren zu ihrer Herstellung und ihre Verwendung | ||||||||
Name des Anmelders: | Evonik Degussa GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Heraeus Quarzglas GmbH & Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (ja) - Verbesserung nachgewiesen | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde betrifft die am 2. Dezember 2005 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent EP-B-0 725 037 zu widerrufen.
II. Der Entscheidung lagen die Ansprüche 1 bis 4 des Streitpatents in der erteilten Fassung zugrunde. Die Einspruchsabteilung stützte sich u.a. auf die folgenden Dokumente:
D1: EP-A-0 050 902
D5: DE-A-1 209 108
D6: WO-A-94/20 203
D7: DE-A-36 11 449
III. Die Einspruchsabteilung befand, dass der Gegenstand der Ansprüche zwar neu, aber im Hinblick auf Dokument D7 als nächstliegendem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Laut Absatz [0009] des Streitpatents bestehe die Aufgabe der Erfindung darin, Sprühgranulate von pyrogen hergestelltem Siliciumdioxid zu entwickeln, die als Katalysatorträger bei der Herstellung von Polyethylen eingesetzt werden könnten. Die im Streitpatent enthaltenen Vergleichsversuche, die dort selbst als dem Stand der Technik nach D7 entsprechend bezeichnet seien, fielen in den Bereich des Anspruchs 1 und lösten bereits die Aufgabe der Erfindung.
IV. Gegen diese Entscheidung wurde mit Schreiben vom 28. Dezember 2005 von der Patentinhaberin (im folgenden als Beschwerdeführerin bezeichnet) Beschwerde eingelegt.
Am Beschwerdeverfahren beteiligt ist die Einsprechende als Beschwerdegegnerin.
V. Am 5. März 2009 fand eine mündliche Verhandlung statt. Die Beschwerdeführerin legte neue Ansprüche 1 bis 4 als einzigen neuen Antrag vor. Diese Ansprüche haben den nachstehenden Wortlaut:
"1. Granulate auf Basis von pyrogen mittels Flammenhydrolyse aus einer flüchtigen Siliciumverbindung hergestelltem Siliciumdioxid, dadurch gekennzeichnet, daß sie bei einer Temperatur von 150 bis 1.100 ºC während eines Zeitraumes von 1 bis 8 h getempert und/oder silanisiert sind und die folgenden physikalisch - chemischen Kenndaten aufweisen:
Mittlerer Korndurchmesser: 10 bis 120 mym
BET-Oberfläche: 40 bis 400 m2/g
Porenvolumen: 0,5 bis 2,5 ml/g
Porengrößenverteilung: weniger als 5 % des Gesamtporenvolumens haben einen Porendurchmesser kleiner 5 nm, Rest Meso- und Makroporen
pH-Wert: 3,6 bis 8,5
Stampfdichte: 220 bis 700 g/l."
"2. Verfahren zur Herstellung der Granulate nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass man pyrogen mittels Flammenhydrolyse aus einer flüchtigen Siliciumverbindung hergestelltes Siliciumdioxid in Wasser dispergiert, wobei die Dispersion eine Konzentration an Siliciumdioxid von 5 bis etwa 19,9 Gew.-% aufweist sprühtrocknet und [] die erhaltenen Granulate bei einer Temperatur von 150 bis 1.100 ºC während eines Zeitraumes von 1 bis 8 h tempert und/oder Silanisiert [sic]."
"3. Verwendung der Granulate nach Anspruch 1 als Katalysatorträger, insbesondere zur Herstellung von Polymerisationskatalysatoren."
"4. Verwendung der Granulate nach Anspruch 1 als Katalysatorträger für die Herstellung von Katalysatoren für die Herstellung von Polyethylen."
Änderungen bzw. Auslassungen gegenüber dem Wortlaut der erteilten Ansprüche erscheinen in Fettdruck bzw. sind durch [] symbolisiert.
VI. In der Beschwerdebegründung hat sich die Beschwerdeführerin wie folgt geäußert:
Bei der Auswahl des nächstliegenden Standes der Technik müssten die in T 0439/92 entwickelten Kriterien beachtet werden. Es komme dabei nicht nur auf äußerliche strukturelle Ähnlichkeiten mit der erfindungsgemäßen Lösung, sondern vor allem darauf an, dass die Lösung auf den gleichen Zweck bzw. auf die gleiche Wirkung gerichtet sei und daher für den erfindungsgemäß angestrebten Zweck am besten geeignet sei.
Die Aufgabe des Streitpatents sei es, Sprühgranulate von pyrogen hergestelltem Siliziumdioxid herzustellen, die als Katalysatorträger bei der Herstellung von Polyethylen eingesetzt werden können. Dokument D7 betreffe dagegen eine andere Aufgabe, nämlich Grundstoffe zur Herstellung von keramischen Werkstoffen herzustellen. D7 weise keine Überschneidung seiner Aufgabe mit der des Streitpatents auf und sei für den beanspruchten Gegenstand irrelevant. Dieser könne daher ausgehend von D7 für den Fachmann nicht naheliegend sein.
Während der mündlichen Verhandlung argumentierte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen wie folgt:
Der entscheidende Unterschied der erfindungsgemäßen Granulate zu den aus D7 bekannten Sprühgranulaten bestehe darin, dass sie getempert und/oder silanisiert seien. Durch diese Maßnahmen werde die Oberfläche der Sprühgranulate hydrophobiert und könne daher leichter mit dem Katalysator und den hydrophoben Reaktanden bei der Polyethylensynthese in Wechselwirkung treten. Wie aus den Beispielen 2 und 3 in Paragraph [0073] des Streitpatents hervorgehe, führe dies zu besseren Ergebnissen bei der Verwendung der Sprühgranulate als Katalysatorträger. Dies gelte sowohl für silanisierte als auch für nur thermisch behandelte Produkte. Die Sprühgranulate nach D7 würden nicht silanisiert und/oder getempert und seien daher nicht in dem Masse hydrophob (siehe Vergleichsbeispiel 1 der Tabelle in Paragraph [0073]). Sie mögen sich allenfalls zufällig auch als Katalysatorträger eignen, so wie im Wesentlichen auch alle feinteiligen Oxide. Dies weise jedoch noch nicht auf die Erfindung hin. Die Vergleiche belegten, dass die aus D7 bekannten Produkte jedenfalls schlechter geeignet seien als die erfindungsgemäßen. Da die Aufgabenstellung von D7, wie erwähnt, eine ganz andere sei, läge auch für den Fachmann kein Grund vor, die Produkte zu tempern und/oder zu silanisieren, um sie hydrophober zu machen. Diese Nachbehandlungen mögen zwar dem Fachmann an sich bekannt sein, hätten aber im Zusammenhang mit den beanspruchten Sprühgranulaten nicht nahegelegen. Tempern fasse der Fachmann im Allgemeinen dann ins Auge, wenn dem Produkt Feuchtigkeit entzogen werden solle. Ein solcher Zwischenschritt sei bei den Sprühgranulaten aus D7, die ja als Grundstoffe für keramische Werkstoffe dienen sollten, nicht angezeigt und naheliegend, da die keramischen Werkstoffe im Verlaufe ihrer Herstellung gesintert würden. Für eine Silanisierung dieser Grundstoffe gäbe es überhaupt keinen Anlass.
Auch ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik habe die Erfindung nicht nahegelegen. Die Sprühgranulate aus D1 seien auf dem Wege über ein Gel als Zwischenprodukt hergestellt, das gemäß Beispiel 1 erst durch 20-stündiges Altern bei 90ºC und bei einem pH - Wert von 2 erhalten werde. Herstellungsverfahren und sprühgetrocknetes Endprodukt seien daher - wie bereits von der Prüfungs- und der Einspruchsabteilung anerkannt - vom erfindungsgemäßen Produkt deutlich verschieden.
VII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen wie folgt:
D7 sei gattungsgemäß, weil es ebenfalls ein pyrogen hergestelltes Siliziumdioxid betreffe, das mittels Sprühtrocknung zu einem Sprühgranulat verformt werde. Derartige Sprühgranulate fänden gemäß Absatz [0003] des Streitpatents Anwendung als Träger für Katalysatoren. Daher sei das Sprühgranulat gemäß D7 prinzipiell für den gleichen Zweck einzusetzen wie gemäß Streitpatent. Darüber hinaus offenbare D7 als einziger Stand der Technik ein sprühgetrocknetes SiO2 - Granulat, das ohne ein Gel als Zwischenprodukt vor dem Sprühtrocknen hergestellt werde. Das Streitpatent stelle zudem in den Absätzen [0072] und [0073] selbst einen Vergleich mit den Beispielen 1, 5, 9, 11 und 13 als Vergleichs beispiele gemäß dem Stand der Technik nach D7 her. Mindestens das Granulat nach Vergleichsbeispiel 1 sei für die Anwendung als Katalysatorträger bei der Herstellung von Polyethylen geeignet. Die Granulate gemäß D7 erfüllten also die Aufgabe des Streitpatents, was ein starkes Indiz für die Einordnung als nächstliegender Stand der Technik sei. Ein Effekt der nunmehr als alternative Nachbehandlung beanspruchten thermischen Behandlung (Temperung) gehe aus den Beispielen und Vergleichsbeispielen 1 bis 3 (Paragraph [0073] des Streitpatents) nicht hervor. Die in den Beispielen 2 und 3 anhand der Ausbeute an Polyethylen pro Gramm Titankatalysator gezeigte Steigerung könne auch allein der Silanisierung zuzuschreiben sein. Daher sei eine Verbesserung gegenüber D7 für getemperte Sprühgranulate nicht anzuerkennen. Die Wirkung des Temperns werde im Streitpatent nirgends genau beschrieben und könne daher nun nicht den Kern der vermeintlichen Erfindung bilden. Im Übrigen sei es selbstverständlich, auf nassem Weg gewonnene Produkte im anspruchsgemäßen Temperaturbereich auszuheizen. Die Beschwerdegegnerin verwies auf D1, Beispiel 1, und die dort beschriebene Wärmebehandlung bei 900ºC. Der Fachmann würde, wenn eine entsprechende Anwendung wie z.B. als Katalysatorträger ins Auge gefasst werde, die sprühgetrockneten Granulate automatisch tempern und/oder durch Silanisieren hydrophobieren.
Die Beschwerdegegnerin ging während der mündlichen Verhandlung alternativ auch von D1 als nächstliegendem Stand der Technik aus. Aus diesem Dokument seien bereits sprühgetrocknete Granulate aus flammenhydrolytisch hergestelltem Siliciumdioxid bekannt, welche sich als Katalysatorträger für die Polymerisierung von Ethylen eigneten. Die Produkte wiesen dieselbe BET-Oberfläche, mittlere Korndurchmesser, Porenvolumen und pH-Wert auf wie die des Streitpatents. Da sie zudem in einem Verfahren hergestellt würden, das dieselben Verfahrensschritte wie in Anspruch 2 des Streitpatents aufweise, müssten auch die restlichen Kenngrößen, wie Porengrössenverteilung und Stampfdichte in die anspruchsgemäßen Bereiche fallen. Wie aus Beispiel 1 der D1 hervorgehe, würden die Sprühgranulate bei 900 ºC wärmebehandelt, also getempert. Wenn in D1 von einem Gel als Zwischenprodukt gesprochen werde, dann sei damit nichts anders als eine Lösung bzw. Dispersion von feinteiligem SiO2 in Wasser gemeint. Ein Unterscheid zum Streitpatent sei darin nicht zu sehen.
VIII. Anträge:
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patentes auf der Basis der Patentansprüche 1 bis 4, gemäß Antrag eingereicht während der mündlichen Verhandlung.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Änderungen
1.1 Der neue Anspruch 1 beruht auf dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 und folgenden weiteren Offenbarungsstellen in der Beschreibung, ursprünglich eingereichte Fassung:
Seite 8, Zeile 24: "mittels Flammenhydrolyse";
Seite 8, Zeilen 13 bis 19: "daß sie bei einer Temperatur von 150 bis 1.100 ºC während eines Zeitraumes von 1 bis 8 h getempert und/oder silanisiert sind".
Verfahrensanspruch 2 beruht auf dem ursprünglich eingereichten Verfahrensanspruch 7 in Verbindung mit Produktanspruch 5 und der Beschreibung, ursprünglich eingereichte Fassung, Seite 8, Zeile 24.
Die Verwendungsansprüche 3 und 4 beruhen auf den ursprünglich eingereichten Verwendungsansprüchen 8 und 9 in Verbindung mit Anspruch 5.
Die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ sind somit erfüllt.
1.2 Der Schutzumfang der geänderten Ansprüche ist durch Aufnahme positiver Merkmale in Anspruch 1 und 2 gegenüber demjenigen der erteilten Ansprüche eingeschränkt worden.
Die Erfordernisse des Artikels 123(3) EPÜ sind somit erfüllt.
2. Neuheit
2.1 D7 betrifft Grundstoffe zur Herstellung von keramischen Werkstoffen (siehe Anspruch 1; Beschreibung, Seite 2, Zeile 49). Insbesondere sind aus D7 sprühgetrocknete Granulate aus flammenhydrolytisch hergestelltem Siliciumdioxid (A 200) mit einer BET-Oberfläche von 196 m**(2)/g bzw. 183 m**(2)/g, einer Stampfdichte von 210 bzw. 400 g/l und einem pH-Wert von 8 bzw. 3,4 bekannt (siehe Beispiel 12, Tabelle 1; Seite 3, Zeilen 45 bis 61; sowie Bild 3). Das spezifische Porenvolumen (in ml/g) und die Porengrössenverteilung (insbesondere das Porenvolumen der Poren mit einem Durchmesser von < 5 mym) dieser Sprühgranulate sind in D7 nicht angegeben. Andere sprühgetrocknete Granulate aus D7 sind aus im Lichtbogenverfahren hergestelltem Siliciumdioxid hergestellt (TK 900). Keines dieser Sprühgranulate ist jedoch thermisch und/oder chemisch nachbehandelt (silanisiert).
Das Streitpatent selbst enthält die Vergleichsbeispiele 1, 5, 9, 11 und 13, die laut Abschnitt [0072] gemäß dem Stand der Technik nach D7 hergestellt sind. Die Kenndaten dieser Vergleichsprodukte fallen, soweit bestimmt, auch in die Bereiche von Anspruch 1 des Streitpatents. Die Porengrössenverteilung (insbesondere das Porenvolumen der Poren mit einem Durchmesser von < 5 mym) wurde jedoch nicht bestimmt. Die Produkte gemäß Vergleichsbeispielen sind nicht thermisch und/oder chemisch nachbehandelt (silanisiert).
2.2 D5 offenbart pyrogen im Lichtbogen oder durch Flammenhydrolyse hergestelltes Siliciumdioxid, das mittels Sprühtrocknung zu Sprühgranulaten verformt wird, die als Adsorptionsmittel oder als Katalysatorträger eingesetzt werden können. Die erzielbaren Korngrößen liegen bei 5 mym bis 500 mym, die spezifischen Oberflächen nach BET bei 175 m**(2)/g (im Beispiel 1 bei 150 m**(2)/g), das Schüttgewicht bei 470 g/l. Die erhaltenen Produkte können zwecks nachträglicher Verringerung der spezifischen Oberfläche bei Temperaturen von etwa 800 ºC bis 1200 ºC getempert werden (Spalte 3, Zeilen 11 bis 14; Anspruch 2). Der pH - Wert und die Stampfdichte der Sprühgranulate sind nicht angegeben. Eine Silanisierung ist nicht offenbart.
2.3 Es ist weiterhin aus D1 bekannt, pyrogen hergestelltes Siliciumdioxid bei saurem (pH - Wert < 5) oder alkalischem pH - Wert (> 7) in Wasser zu dispergieren und das entstehende Gel bei 90ºC zu altern, bis bei Abkühlung auf Raumtemperatur ein steifes Xerogel entsteht. Dieses wird unter Zusatz von Ethanol aufgenommen und zu Granulaten sprühgetrocknet. Die Granulate dienen als Katalysatorträger bei der Polymerisation von Olefinen, insbesondere von Polyethylen. Die Sprühgranulate werden bei 900 ºC thermisch behandelt (Seite 8, Beispiel 1). Ihre mittlere Korngröße, die spezifische Oberfläche nach BET und das Porenvolumen fallen in die anspruchsgemäßen Bereiche, das Stampfvolumen und die Porengrössenverteilung sind nicht bekannt. Schon allein aufgrund des unterschiedlichen Herstellungsverfahrens (Ausbildung eines Gels bzw. Xerogels, das unter Zusatz von Ethanol aufgenommen und zu Granulaten sprühgetrocknet wird), ist von einer von den Produkten des Streitpatents unterschiedlichen Struktur der Sprühgranulate auszugehen.
2.4 Die Neuheit des Anspruchsgegenstandes gegenüber D1 bis D8 wurde in der angefochtenen Entscheidung anerkannt. Die Parteien haben im Beschwerdeverfahren dies nicht in Frage gestellt. Die Kammer kommt ebenfalls zum Ergebnis, dass keines der ermittelten Dokumente die Neuheit des Gegenstands der Ansprüche vorwegnimmt.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 Nächstliegender Stand der Technik
Unter den zitierten Dokumenten hat offenbar die Beschwerdeführerin selbst im Streitpatent das Dokument D7 als denjenigen Stand der Technik angesehen, mit dem die Erfindung verglichen werden solle. Desgleichen ging die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung von D7 aus, weil das Herstellverfahren der Granulate dem des Streitpatents entspreche und die Granulate selbst "Werte von BET-Oberfläche, Porenvolumen, pH-Wert und Stampfdichte zeigen, die in den erfindungsgemässen Bereichen liegen."
Die Kammer kann sich dem anschließen, da der Erfinder selbst ausführlich im Streitpatent auf dieses Dokument einging und den dort offenbarten Stand der Technik konkret als Vergleich für seine Erfindung heranzog.
3.2 Aufgabe
Ausgehend von D7 besteht die Aufgabe des Streitpatents darin, Sprühgranulate von pyrogen mittels Flammenhydrolyse hergestelltem Siliziumdioxid bereitzustellen, die eine verbesserte Eignung als Katalysatorträger bei der Herstellung von Polymerisationskatalysatoren für die Herstellung von Polyethylen besitzen. Diese Formulierung steht im Einklang mit den Ausführungen in Abschnitt [0009] in Verbindung mit den vergleichenden Versuchen in Abschnitt [0073] des Streitpatents.
3.3 Lösung
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent Granulate gemäß Anspruch 1 vor, welche dadurch gekennzeichnet sind, dass sie bei einer Temperatur von 150 bis 1100ºC während 1 bis 8 Stunden getempert und/oder silanisiert sind.
3.4 Aufgabe gelöst?
Die gestellte Aufgabe ist nach Überzeugung der Kammer mit den anspruchsgemäßen Produkten gelöst, d.h. diese eignen sich prinzipiell als Katalysatorträger bei der Herstellung von Polyethylen. Eine Verbesserung gegenüber bekannten Sprühgranulaten von pyrogen hergestelltem Siliciumdioxid, insbesondere denen gemäß dem nächstliegenden Stand der Technik D7, kann auf Basis der in Abschnitt [0073] des Streitpatents aufgeführten Versuche ebenfalls anerkannt werden, und zwar aus folgenden Gründen.
Die Ausbeute an Polyethylen pro Kilogramm Titan ist im Falle des Vergleichsbeispiels 1 (welches ein Beispiel gemäß D7 darstellt, d.h. ohne Nachbehandlung durch Tempern und/oder Silanisieren) niedriger als in den erfindungsgemäßen Beispielen 2 und 3. Die durch die chemische Nachbehandlung allein bzw. durch eine kombinierte thermische und chemische Nachbehandlung erzielten Verbesserungen sind unmittelbar anhand der erzielten Steigerung der Ausbeute an Polyethylen (PE), bezogen auf die Aktivkomponente Titan zu erkennen. Gegenüber dem unbehandelten, sprühgetrockneten Katalysatorträger gemäß Beispiel 1 (entspricht D7) erhöht sich die Ausbeute beim chemisch behandelten (silanisierten) Träger nach Beispiel 4 auf von 292 kg PE/g Ti auf 360 kg PE/g Ti. Die dem Temperungsprozess zuzuschreibende Verbesserung ist durch die weiter verbesserte Ausbeute in Beispiel 3 abzulesen. Hier ist einem Argument der Beschwerdeführerin zufolge anzumerken, dass die Steigerung der Ausbeute auf 376 kg PE/g Ti in Beispiel 3 zwar geringer ausfällt, sie aber trotz eines geringeren Kohlenstoffgehalts von 2,7%, d.h. trotz eines geringeren Silanisierungsgrades erzielt wurde, im Vergleich mit dem Kohlenstoffgehalt von 3,8% in Beispiel 2. Die Kammer kann daher auch für diesen Fall eine Verbesserung anerkennen. Es erscheint auch plausibel, dass eine solche Verbesserung aufgrund der chemischen Nachbehandlung bzw. der kombinierten thermischen und chemischen Nachbehandlung im wesentlichen bei allen Sprühgranulaten, die die anspruchsgemäßen physikalisch/chemischen Kenndaten aufweisen, bewirkt wird, da die Hydrophobizität in jedem Fall erhöht wird.
3.5 Naheliegen
Es bleibt zu untersuchen, ob der Stand der Technik Anregungen gab, zu den Granulaten gemäß Anspruch 1 zu gelangen.
3.5.1 Die Beschwerdegegnerin hat argumentiert, dass es ausgehend von D7 nahegelegen habe, die dort offenbarten Sprühgranulate für einen entsprechenden Anwendungszweck als Katalysatorträger zu tempern bzw. chemisch nachzubehandeln. Außerdem sei das Tempern von Siliciumdioxid - Sprühgranulaten aus D1 bekannt und habe daher als Nachbehandlung nahegelegen.
Die Kammer kann sich dieser Argumentation nicht anschließen. Die Sprühgranulate aus D7 sind nicht als Katalysatorträger bekannt, sondern als Ausgangsstoffe für keramische Werkstoffe. Von 14 Ausführungsbeispielen des Dokuments D7 betrifft auch nur eines (Beispiel 12) ein Sprühgranulat aus reinem SiO2. Es lag angesichts des unterschiedlichen Anforderungsprofils nicht nahe, dieses Produkt nachzubehandeln und auf seine Eignung als Katalysatorträger hin zu untersuchen. Die Temperung lag auch angesichts von D1 nicht nahe (siehe 3.4.2). Aus D5 ist es bekannt, dass man die spezifischen Oberflächen von Sprühgranulaten aus SiO2 durch ein Tempern bei Temperaturen von etwa 800ºC bis 1200ºC nachträglich verringern kann (Spalte 3, Zeilen 11 bis 14; Anspruch 2). Jedoch wird eine solche Verringerung der spezifischen Oberfläche bei Katalysatorträgern im Allgemeinen nicht angestrebt.
3.5.2 Alternativ ging die Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung von D1 als nächstliegendem Stand der Technik aus. Aus diesem Dokument seien bereits sprühgetrocknete Granulate aus flammenhydrolytisch hergestelltem Siliciumdioxid bekannt, welche sich als Katalysatorträger für die Polymerisierung von Ethylen eigneten. Die Produkte wiesen dieselbe Kenngrößen für die BET-Oberfläche, den mittleren Korndurchmesser, das Porenvolumen und den pH-Wert auf wie die Sprühgranulate des Streitpatents. Sie würden zudem nach einem Verfahren mit denselben Verfahrensschritten wie im Streitpatent hergestellt und müssten demzufolge auch eine Porengrößenverteilung und eine Stampfdichte aufweisen, die in die anspruchsgemäßen Bereiche fallen. Der Anteil der sehr kleinen Poren mit einem Porendurchmesser von < 5 nm sei laut Anspruch 1 des Streitpatents kleiner als 5% des Gesamtporenvolumens, könne also auch 0% betragen. Die Stampfdichte sei zwar nicht angegeben, ergebe sich aber als abgeleitete Größe aus der BET - Oberfläche, dem Porenvolumen und dem mittlerem Korndurchmesser, die alle im anspruchsgemäßen Bereich lägen. Das Tempern der Sprühgranulate bei 900ºC sei in Beispiel 1 der D1 offenbart.
Zwar werde in D1 als Zwischenprodukt ein Siliciumdioxid - Gel hergestellt, dieser Begriff bezeichne aber in diesem Zusammenhang nichts anderes als eine Lösung bzw. Dispersion von feinteiligem SiO2 in Wasser. Der Gesamtanteil an SiO2 in der sprühzutrocknenden Dispersion betrage laut Beispiel 1 der D1 ca. 15% (500 g Aerosil 380 in 2830 ml Wasser), was ebenfalls im Bereich des Verfahrensanspruchs 2 des Streitpatents läge.
Die Beschwerdeführerin hielt dem im Wesentlichen entgegen, dass das in D1 offenbarte Herstellverfahren sich von dem erfindungsgemäßen Verfahren derart unterscheide, dass unterschiedliche Produkte entstünden.
Die Kammer hält es ebenfalls für signifikant, dass gemäß D1 nicht eine Dispersion von Siliciumdioxid in Wasser, sondern ein ethanolhaltiges Gel sprühgetrocknet wird (siehe D1, Anspruch 1; Beispiel 1). Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdegegnerin handelt es sich hier nicht bloß um einen fiktiven Unterschied, sondern um einen fundamental anderen Herstellungsprozess. Dies erkennt der Fachmann daran, dass gemäß D1, Beispiel 1, die ursprünglich hergestellte Dispersion von Siliciumdioxid in Wasser zunächst ein dünnes Gel bildet. Dabei wird mit Salzsäure auf einen pH - Wert von 2 eingestellt (vgl. jedoch Streitpatent, Anspruch 1: pH-Wert 3,6 bis 8,5). Das Gel wird danach während 20 Stunden bei 90ºC gealtert. Das nach dem Abkühlen entstehende steife Xerogel wird dann unter Zusatz von 28.6% Ethanol in ein thixotropes Gel überführt und dieses schließlich sprühgetrocknet. Es erscheint der Kammer unter diesen Umständen nicht plausibel, dass nach diesem Verfahren im Wesentlichen die gleichen Produkte wie im Streitpatent bzw. in D7 erhalten werden (vgl. Punkt 2.4). D1 offenbart daher weder ein dem Streitpatent vergleichbares Herstellverfahren noch kann es Produkte mit den physikalisch - chemischen Kenndaten gemäß Anspruch 1 des Streitpatents nahelegen.
3.6 Die Kammer kommt daher zum Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ).
Das Herstellverfahren nach Anspruch 2 und die Verwendungen gemäß Ansprüchen 3 und 4 sind auf Anspruch 1 rückbezogen und daher ebenfalls patentfähig.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf der Basis der Patentansprüche 1 bis 4 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten Antrag sowie einer noch anzupassenden Beschreibung inklusive der Figuren 1 bis 4, aufrechtzuerhalten.