T 1581/05 () of 8.11.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T158105.20071108
Datum der Entscheidung: 08 November 2007
Aktenzeichen: T 1581/05
Anmeldenummer: 98122912.3
IPC-Klasse: B65H 7/20
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Bogentrenner
Name des Anmelders: Koenig & Bauer Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: MAN Roland Druckmaschinen AG
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 R 57a
Schlagwörter: Neuheit, Hauptantrag - nein
Hilfsantrag eingereicht während der mündlichen Verhandlung - nicht zugelassen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die am 14. Dezember 2005 zur Post gegeben wurde und mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 0 922 658 zurückgewiesen worden ist, Beschwerde eingelegt.

Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit, Artikel 54 EPÜ, und mangelnde erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ) angegriffen worden.

II. Am 8. November 2007 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

III. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Europäischen Patents Nr. 0 922 658 in vollem Umfang.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, als Hauptantrag, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte sie, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten ersten Hilfsantrags aufrechtzuerhalten.

IV. Der unabhängige Anspruch 1 des Patents wie erteilt lautet wie folgt:

"1. Bogentrenner in bogenverarbeitenden Maschinen, wobei der Bogentrenner mindestens jeweils ein Arbeitsorgan zum Erfassen und Trennen, ein Arbeitsorgan zum Fördern sowie Steuerorgane zum Zuführen von einem das Erfassen, Trennen und Fördern der Bogen unterstützenden Blas- und/oder Saugluftstroms aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass den Arbeitsorganen (7, 8) und/oder den Steuerorganen (27) jeweils ein separat ansteuerbarer Antrieb (22, 23, 26) zugeordnet ist und die Bewegungen der Antriebe (22, 23, 26) innerhalb eines Arbeitstaktes zueinander verstellbar ausgeführt sind."

Anspruch 1 gemäß erstem Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass nach dem Wort "Arbeitstaktes" der Ausdruck "zur Veränderung von Übernahme-/Übergabevorgangen" eingefügt worden ist.

V. Im Beschwerdeverfahren wurde unter anderem auf folgende Druckschrift Bezug genommen:

D1 DE-A 195 11 296

VI. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents sei nicht neu in Hinblick auf die Druckschrift D1. Diese Druckschrift offenbare eine Vorrichtung zum Anheben und Abtransportieren flächiger Gegenstände ("Bogentrenner") mit einem Arbeitsorgan zum Erfassen und Trennen (Huborgan 10), einem Arbeitsorgan zum Fördern (Halteorgan 9), und einer Steuervorrichtung 29 zum Zuführen von Blas- und/oder Saugluft (siehe Figur 4 und Spalte 4, Zeilen 26 bis 50). Das Halteorgan 9, das Huborgan 10 und die Steuervorrichtung 29 seien jeweils mit eigenen Antriebseinheiten (Ventile 39, 42 und 31) verbunden. Das letzte Merkmal des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1, wonach "die Bewegungen der Antriebe (22, 23, 26) innerhalb eines Arbeitstaktes zueinander verstellbar ausgeführt sind" sei auch durch die Druckschrift D1 vorweggenommen, siehe Ansprüche 10 und 11 sowie Spalte 5, Zeilen 29 bis 34.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Das Huborgan 10 der aus der Druckschrift D1 bekannten Vorrichtung zum Anheben und Abtransportieren flächiger Gegenstände besitze keinen eigenen Antrieb. Seine Hubbewegungen werden nur über das Ventil 42 realisiert. Lediglich die Steuercharakteristik des Halteorgans 9 sei veränderbar ausgestaltet, die Steuercharakteristik des Huborgans 10 könne nicht relativ zu der Bewegung des Halteorgans 9 verstellt werden. Der Druckschrift D1 sei somit kein Hinweis auf eine Verstellbarkeit der Bewegungen von Antrieben im Sinne des Streitpatents zu entnehmen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents sei somit neu, Artikel 54 EPÜ.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Einwand der mangelnden Neuheit

Es ist unbestritten, dass die Druckschrift D1 einen Bogentrenner gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 offenbart. Dieser Bogentrenner umfasst nämlich (siehe insbesondere Figur 4, Spalte 4, Zeilen 26 bis 50 und Spalte 4, Zeile 67 bis Spalte 5, Zeile 7):

- ein Arbeitsorgan zum Erfassen und Trennen (Huborgan 10 zum Anheben des obenliegenden Bogens)

- ein Arbeitsorgan zum Fördern (Halteorgan 9, das mittels des Zylinder-Kolben-Aggregats 7 in Abtransportrichtung bewegt wird), und

- eine Steuervorrichtung 29 mit Steuerleitungen 30, 38 und 41 zum Zuführen von einem das Erfassen, Trennen und Fördern der Bogen unterstützenden Blas- und Saugluftstroms 32, 40.

Die Druckschrift D1 offenbart ferner, dass den Arbeitsorganen 9, 10 und der Steuervorrichtung 29 jeweils ein separat ansteuerbarer Antrieb zugeordnet ist. Der Begriff "ein separat ansteuerbarer Antrieb zugeordnet" ist nach Auffassung der Kammer im Lichte der Beschreibung des Streitpatents so auszulegen, dass das die dort beschriebene Arbeitsorgane (Trennsauger 7, Transportsauger 8) und das "Steuerorgan zum Zuführen von einem das Erfassen, Trennen und Fördern der Bogen unterstützenden Blas- und/oder Saugluftstroms" (Steuereinrichtung 27) so - elektrisch und/oder mechanisch - angetrieben werden, dass diese Organe die an jeweiligen Bewegungen, die für den Betrieb des Bogentrenners notwendig sind, ausführen können. Das Halteorgan 9 und das Huborgan 10 müssen jeweils eine auf- und abwärts gerichtete Hubbewegung ausführen, das Huborgan 10 muss dabei den Bogen abheben und freigeben, das Halteorgan 9 muss den Bogen erfassen und in Abtransportrichtung bewegen (siehe Figuren 8 und 9, Spalte 2, Zeile 58 bis Spalte 4, Zeile 15 und Spalte 4, Zeile 51 bis Spalte 5, Zeile 7). Die Bewegungen des Huborgans 10 bzw. des Halteorgans 9 werden über eine Saugleitung 40 und Druckluftzuleitung 32 durch das über die Steuerleitung 41 ansteuerbare Ventil 42 bzw. durch die über Steuerleitungen 30, 38 ansteuerbaren Ventile 39, 31 und das Zylinder-Kolben-Aggregat 7 ausgelöst. Die Ventile 42, 31 und 39 sowie das Zylinder-Kolben-Aggregat 7 sind somit als "separat ansteuerbare Antriebe" im Sinne des Streitpatents zu betrachten. Ein "Antrieb" für die Steuervorrichtung 29 ist nach Auffassung der Kammer in der Druckschrift D1 implizit offenbart, da sonst der Bogentrenner nicht funktionieren würde.

Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, dass lediglich dem Halteorgan 9 ein eigener Antrieb zugeordnet sei, nämlich das Zylinder-Kolben-Aggregat 7, mit dem das gesamte Halteorgan 9 in Abtransportrichtung der Bogen verfahrbar sei. Dahingegen weise das Huborgan 10 keinen eigenen Antrieb auf.

Dem kann nicht gefolgt werden. Weder aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 noch aus der Beschreibung des Streitpatents geht hervor, dass der Begriff "Antrieb eines Arbeitsorgan" so wie die Beschwerdegegnerin vorgetragen hat, verstanden werden soll. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass der Wortlaut des letzten kennzeichnenden Merkmals, wonach "die Bewegungen der Antriebe (22, 23, 26) ... zueinander verstellbar ausgeführt sind" nicht so ausgelegt werden kann, dass die Bewegung jedes einzelnen Antriebs (22, 23, 26) verstellbar ausgeführt sind. Selbst wenn nur ein Antrieb eines Arbeitsorgans relativ zu den anderen Antriebe verstellbar ausgeführt ist, sind die Bewegungen der Antriebe zueinander verstellbar.

Bei dem Bogentrenner nach der Druckschrift D1 sind die Hubbewegungen des Halteorgans 9 und die Bewegung des Zylinder-Kolbenaggregats 7 zueinander verstellbar ausgeführt, siehe Spalte 4, Zeilen 39 bis 41, Spalte 5, Zeilen 8 bis 40 und Ansprüche 10 und 11, woraus sich aber zwangsläufig ergibt, dass die Bewegungen dieser Antriebe innerhalb eines Arbeitstaktes zueinander verstellbar ausgeführt sind.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents ist daher nicht neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ.

2. Erster Hilfsantrag

Der erste Hilfsantrag wurde erst im Laufe der mündlichen Verhandlung vorgelegt, somit nach der in der Ladung zu mündlichen Verhandlung gesetzten Frist zur Vorlage von Anträgen und Stellungnahmen. Der Antrag ist damit verspätet vorgelegt.

Entsprechend ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern kann es die Kammer ablehnen, alternative Anspruchsfassungen nach Regel 57a EPÜ zu berücksichtigen, wenn diese zum Beispiel in einem sehr fortgeschrittenen Verfahrensstadium eingereicht worden und nicht eindeutig gewährbar sind.

Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass die Zweckangabe, zur Veränderung von Übernahme-/Übergabevorgängen, im letzten kennzeichnenden Merkmal des Anspruchs eingefügt worden ist. Dieses Merkmal lautet nunmehr wie folgt: "die Bewegungen der Antriebe (22, 23, 26) innerhalb eines Arbeitstaktes zur Veränderung von Übernahme-/Übergabevorgangen zueinander verstellbar ausgeführt sind".

Nach Auffassung der Kammer stellt im vorliegenden Fall die Hinzufügung der Zweckangabe keine sachliche Änderung dar, die dem beanspruchten Gegenstand zur Neuheit verhelfen würde. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass das Merkmal des Anspruchs 1 des Streitpatents "die Bewegungen der Antriebe innerhalb eines Arbeitstaktes zueinander verstellbar ausgeführt sind" (d. h. ohne explizite Angabe des Zwecks) aus der Druckschrift D1 bekannt ist (siehe Punkt 1 oben). Dieses Merkmal bewirkt, dass die Steuercharakteristik der Arbeitsorgane 9, 10 zueinander variierbar ist (siehe die Aufgabe, die der Erfindung nach der Druckschrift D1 zugrunde liegt, Spalte 1, Zeilen 15 bis 18). Die Variierbarkeit der Steuercharakteristik der Arbeitsorgane wird für das in der Druckschrift D1 (Spalte 2, Zeile 39 bis Spalte 5, Zeile 40) beschriebene Ausführungsbeispiel wie folgt näher spezifiziert: "Hierdurch kann in einfacher Weise sowohl der Weg, den die Halteorgane zurücklegen, als auch ihre Beschleunigung und Geschwindigkeit variiert werden" (Spalte 1, Zeilen 50 bis 56). Dies bedeutet nach Auffassung der Kammer nichts anderes, dass bei dem aus der Druckschrift D1 bekannten Bogenleger als unmittelbare Folge der Verstellung der Bewegungen der Antriebe innerhalb eines Arbeitstaktes zueinander, die Möglichkeit besteht, die Übernahme- und Übergabevorgänge anzupassen, z. B. im Hinblick auf Material und Format der Bögen (siehe Spalte 5, Zeilen 26 bis 34).

Folglich ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des ersten Hilfsantrags nicht eindeutig gewährbar. Der zudem verspätet eingebrachte erste Hilfsantrag ist somit nicht in das Verfahren zuzulassen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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