T 1535/05 () of 14.2.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:T153505.20080214
Datum der Entscheidung: 14 Februar 2008
Aktenzeichen: T 1535/05
Anmeldenummer: 00951251.8
IPC-Klasse: B22D 11/124
B22D 11/12
B22D 11/22
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Einrichtung zum Herstellen eines Stranges aus Metall
Name des Anmelders: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
Name des Einsprechenden: SMS Demag AG
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent EP-B1-1 200 216 betrifft ein Verfahren und eine Einrichtung zum Herstellen eines Metallstranges mittels einer Stranggießanlage. Insbesondere betrifft das Patent die sogenannte "Soft-Reduction", wobei der Strang bei der Dickenreduktion eine erstarrte Hülle und einen flüssigen Kern aufweist. Gegen das Patent hatte die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent zu widerrufen, weil sein Gegenstand nicht neu bzw. nicht erfinderisch sei (Artikel 100 a) i.V.m. 52(1), 54(1) und 56 EPÜ).

Während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) als Hilfsantrag 3 geänderte Ansprüche eingereicht. Die Einspruchsabteilung kam zum Ergebnis, dass unter Berücksichtigung der Änderungen die genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents gemäß Hilfsantrag 3 nicht entgegenstünden; ihre Zwischenentscheidung ist am 10. Oktober 2005 zur Post gegeben worden.

II. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 12. Dezember 2005 Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet und am 30. Januar 2006 ihre Beschwerde begründet.

III. In einer Mitteilung vom 5. September 2007 hat die Kammer zur Frage von Neuheit und erfinderische Tätigkeit eine vorläufige Stellungnahme abgegeben. Eine mündliche Verhandlung fand am 14. Februar 2008 statt.

IV. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) oder, alternativ, die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Basis der Anspruchssätze gemäß Hilfsantrag 1 oder Hilfsantrag 2, jeweils eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 27. Januar 2006.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Ansprüche

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 10 des erteilten Patents (gemäß dem Hauptantrag) lauten wie folgt:

"1. Verfahren zum Herstellen eines Stranges (1) aus Metall mittels einer Stranggießanlage, die zumindest eine Kühleinrichtung (5) zur Kühlung des Stranges (1) aufweist, wobei der Kühleinrichtung (5) zumindest ein Reduktionsgerüst (9,10,11) zur Dickenreduktion des Stranges (1) zugeordnet ist, wobei der Strang (1) bei der Dickenreduktion eine erstarrte Hülle (21) und einen flüssigen Kern (2) aufweist,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Kühlung mittels eines Temperatur- und Erstarrungsmodells (13) derart eingestellt wird, dass die Erstarrungsgrenze (22) zwischen der erstarrten Hülle (21) und dem flüssigen Kern (22) bei Einlauf des Stranges (1) in das Reduktionsgerüst (9,10,11) einer vorgegebenen Soll-Erstarrungsgrenze zwischen der erstarrten Hülle (21) und dem flüssigen Kern (2) entspricht."

"10. Stranggießanlage zum Herstellen eines Stranges (1), insbesondere nach einem Verfahren gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Stranggießanlage zumindest eine Kühleinrichtung (5) zur Kühlung des Stranges (1) und zumindest ein zugeordnetes Reduktionsgerüst (9,10,11) zur Dickenreduktion des Stranges (1) sowie eine Recheneinrichtung zur Steuerung der Kühlung des Stranges mittels der Kühleinrichtung aufweist,

dadurch gekennzeichnet,

dass auf der Recheneinrichtung ein Temperatur- und Erstarrungsmodell (13) zur derartigen Einstellung der Erstarrungsgrenze (22) zwischen einer erstarrten Hülle (21) und einem flüssigen Kern (2) des Stranges (1) bei Einlauf des Stranges (1) in das Reduktionsgerüst (9,10,11) implementiert ist, dass die Erstarrungsgrenze (22) einer vorgegebenen Soll-Erstarrungsgrenze zwischen der erstarrten Hülle (21) und dem flüssigen Kern (2) entspricht."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 9 betreffen bevorzugte Ausführungsformen des in Anspruch 1 definierten Verfahrens.

VI. Stand der Technik

Die Einspruchsabteilung hat die folgenden Druckschriften in Betracht gezogen:

D1: DE-A1-2 444 443

D2: DE-C2-196 12 420

D3: K.Hart et al., "Neubau einer Vertikalstranggießanlage

bei der AG der Dillinger Hüttenwerke", Stahl und Eisen 117 (1997) Nr. 11, Seiten 73 bis 79, 153, Verlag Stahleisen GmbH, Düsseldorf.

VII. Vorbringen der Parteien

Neuheit - Druckschrift D1

Die Beschwerdeführerin trug vor, dass D1 ein Verfahren zum Stranggießen einer Stahlschmelzes betreffe, wobei die Lage des vorderen Ende des Sumpfes in einer definierten Lage gehalten werde. Zur Bestimmung der Position der Sumpfspitze werde die Dickenänderung des Stahlstranges nach der Reduktion ermittelt und mit einem bestimmten Bezugswert verglichen, wobei die Ziehgeschwindigkeit und/oder die Menge des Kühlwassers angepasst werde.

Die in Anspruch 1 definierte Erstarrungsgrenze sei nicht, wie das vordere Ende eines Sumpfes, ein Punkt, sondern der Verlauf der Grenze zwischen der erstarrten Hülle und dem flüssigen Kern. Deshalb offenbare D1 keine bestimmte Lage der Erstarrungsgrenze.

D1 beschreibe auch kein Temperatur- und Erstarrungsmodell, sondern ein einfaches Regelungsverfahren mit dem Zweck, zu bestimmen, ob der Sumpf zwischen einem Walzenpaar liege oder nicht. Nach D1 werde die Dickendifferenz anhand eines Grenzwerts (Bezugswert epsilon) geregelt. Im Gegensatz dazu betreffe ein Modell eine mathematische Nachbildung eines Systems, im vorliegenden Fall des Verlaufs der Erstarrungsgrenze, als Funktion verschiedener Modellparameter, insbesondere der Kühlung. Der Fachmann wisse, wie ein solches Modell ausgeführt sein müsse, um die gewünschte Erstarrungsgrenze zu ermitteln; Beispiele der relevanten Modellparameter seien in der Beschreibung dargestellt (Absatz [0025]). Die gewünschte Erstarrungsgrenze werde durch die Kühlung des Stranges mit Hilfe dieses Modells erzielt.

Die Beschwerdegegnerin führte aus, D1 offenbare, dass die Lage des vorderen Endes des Sumpfes der Erstarrungsgrenze zwischen der erstarrten Hülle und dem flüssigen Kern entspreche. Die Erstarrungsgrenze sei nicht in dem Streitpatent definiert und nach Figur 1 sei diese Grenze (Bezugszeichen 22) als ein Punkt, der der Spitze des Sumpfes entspreche, dargestellt. D1 offenbare daher eine Erstarrungsgrenze im Sinne des in Anspruch 1 definierten Verfahrens.

Die Lage der Sumpfspitze werde anhand der Dickenänderung ermittelt und die Kühlmenge derart gesteuert, dass die Sumpfspitze in einer bestimmten Lage gehalten werde. Nach dem Verfahren des Streitpatents werden zwei konkrete Werte für die Erstarrungsgrenze, nämlich ei und eo, verglichen, und die Kühlung auf Basis der Differenz eingestellt; das Verfahren nach Anspruch 1 betreffe daher auch lediglich ein Regelungsverfahren. Der Bezugswert epsilon in D1 definierte einen konkreten Wert, nämlich die Dicke der Platte, der von der Art des jeweils bearbeiteten Stahls bestimmt sei und auch bestimmten Erstarrungsbedingungen entspreche; dies sei daher als ein "Temperatur- und Erstarrungsmodell" anzusehen. Wie im Streitpatent werden zwei konkrete Werte, nämlich die Dickenänderung und der Bezugswert epsilon, auswertet, um die Kühlung zu steuern. D1 offenbare daher, dass die Kühlung mittels eines Temperatur- und Erstarrungsmodells eingestellt werde, um die Lage der Erstarrungsgrenze in einer vorgegebenen Position zu halten.

Erfinderische Tätigkeit

a) Druckschriften D1 und D2

Die Beschwerdeführerin hat D1 als nächstliegenden Stand der Technik angesehen, da sie ein Verfahren gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 beschreibe. Nach D1 werde die Lage der Sumpfspitze in einem bestimmten Bereich gehalten. Ausgehend davon stelle sich das Streitpatent die Aufgabe, die Soft-Reduction zu verbessern. Durch die Verwendung des Temperatur- und Erstarrungsmodells werde eine genaue Einstellung erreicht, nachdem nicht nur die Lage der Sumpfspitze, sondern ein bestimmter Wert der Erstarrungsgrenze eingestellt werden könne.

Obwohl D2 die Einstellung der Kühlung aufgrund eines Kühlmodells beim Stranggießen beschreibe, sei keine Dickenreduktion erwähnt. Der Fachmann müsse das aus D2 bekannte Modell zur Anwendung auf das Verfahren in D1 erst noch so umarbeiten und anpassen, dass eine auf den Verlauf der Erstarrungsgrenze bei Einlauf des Stranges in das Reduktionsgerüst mögliche Einstellung des Kühlsystems erhalten werden könne. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ergebe sich nicht damit in naheliegender Weise aus diesem Stand der Technik.

Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass der Fachmann aus der D1 ein Verfahren zum Herstellen eines Stranges entnehme, bei dem die Lage des vorderen Endes des Sumpfes, welche gleichzeitig der Erstarrungsgrenze entspreche, mittels der Erstarrungsbedingungen durch das Aufbringen von Kühlwasser gesteuert werden könne.

Aus D2 sei ein Verfahren zur Steuerung der Kühlung bzw. des Erstarrungsverhaltens des Stranges bekannt, wobei die notwendige Kühlung mittels eines Kühlmodells in Abhängigkeit von einer vorgegebenen Solltemperaturverteilung im Strang ermittelt werde. Nach D2 (Anspruch 9) erfolge die Vorgabe der Solltemperaturverteilung im Strang in Form des Sumpfprofils oder der Position der Sumpfspitze.

Es bedürfe daher keiner erfinderischen Tätigkeit, das Temperatur- und Erstarrungsmodell aus D2 in eine Stranggießanlage gemäß D1 zu übertragen.

b) Druckschriften D3 und D2

Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, dass die D3 in ihrem Offenbarungsgehalt nicht über die D1 hinaus gehe und deshalb nicht als geeigneter Ausgangspunkt dienen könne. Sie beschreibe ein Verfahren, bei dem die Soft-Reduction-Zone hinsichtlich der Walzen abhängig von der Position der Sumpfspitze verändert werde; dies sei etwas anderes als die Einstellung der Erstarrungsgrenze für Soft-Reduction an einer bestimmten Position des Strangs, wie im Streitpatent. D3 gebe auch keinen Hinweis auf eine Einstellung der Kühlung. Obwohl D2 die Kühlung eines Stranges anhand eines Kühlmodells offenbare, könne der Fachmann trotzdem nicht durch die Kombination der D3 mit D2 zu den Merkmalen des Anspruchs 1 gelangen.

Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass D3 im Streitpatent erwähnt sei (Absatz [0003]) und sich mit der Problematik der Lage der Sumpfspitze in Relation zur Soft-Reduction-Zone befasse. Die jeweilige Lage des Sumpfes werde ermittelt und anhand eines Thermal-Tracking-Modells würden ständig die einzustellenden Maulweiten der Walzensegmente an das Regelungssystem gegeben, wodurch die auf das aktuelle Sumpfprofil bezogenen optimalen Werte von Lage und Rate der Soft-Reduction sichergestellt würden. D3 enthalte die Lehre, dass die Sumpfspitze kontrolliert in der Soft-Reduction-Zone positioniert werden müsse, um einen signifikant positiven Effekt der Soft-Reduction zu erzielen (Seite 74, rechte Spalte). Deshalb stelle sich ausgehend von D3 die Aufgabe, die Sumpfspitze noch besser zu kontrollieren; diese Aufgabe entspreche auch der Aufgabe des Streitpatents (siehe Absatz [0004]).

D2 beschreibe ein Verfahren zur Steuerung der Form des Sumpfprofils oder der Position der Sumpfspitze mittels eines Temperatur- und Erstarrungsmodells (Anspruch 9). Es sei naheliegend, dieses Modell im Verfahren der D3 anzuwenden, um die oben genannten Aufgabe zu lösen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Anspruch 1 des Hauptantrags

2. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

2.1 Druckschrift D1

D1 offenbart ein gattungsgemäßes Verfahren zum Herstellen eines Stahlstranges mittels einer Stranggießanlage. Bei einem solchen Verfahren weist der Strang in der Frühphase eine erstarrte Hülle und einen flüssigen Kern oder Sumpf auf. Beim Verfahren nach D1 wird der Erstarrungszustand gesteuert, sodass die Lage des vorderen Endes des Sumpfes, an dem die Erstarrung des schmelzflüssigen Stahles beendet wird, nahe bei einem Paar von Reduktionswalzen liegt. Die Dickenänderung des Stranges bei diesem Reduktionsschritt hängt von der Anwesenheit oder dem Fehlen der Sumpfspitze ab. So erfolgt dann, wenn der Sumpf zwischen die Walzen gerät, eine erhebliche Deformierung des Stranges, sodass sich eine große Dickenänderung ergibt. Diese Dickenänderung wird gemessen und der Wert dient dazu, die Erstarrungsbedingungen, wie die Menge des Kühlwassers und die Ziehgeschwindigkeit, zu steuern.

Nach Anspruch 1 des Streitpatents wird die Erstarrungsgrenze im Strang aus einer gegebenen Kühlung mittels des Temperatur- und Erstarrungsmodell bestimmt und mit einer Soll-Erstarrungsgrenze verglichen; wenn die Differenz zu groß ist, wird die Kühlung des Stranges verändert. Im Gegensatz zu dem in D1 beschriebenen Verfahren braucht man nicht die Dickenänderung zu messen, weil die Kühlung gemäß Anspruch 1 nicht auf der Basis der Dickenänderung, sondern mittels des Temperatur- und Erstarrungsmodells eingestellt wird. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 ist daher in Vergleich zu D1 neu.

2.2 Druckschrift D2

D2 betrifft die Steuerung der Kühlung des Stranges in einer Stranggießanlage. Sie offenbart keine Soft-Reduction, d.h. ein Reduktionsgerüst zur Dickenreduktion eines Stranges mit einer erstarrten Hülle und einen flüssigen Kern. Die Beziehung zwischen der Kühlung und der Einstellung eines vorgegebenen Wertes der Erstarrungsgrenze beim Einlauf in das Reduktionsgerüst ist daher auch nicht offenbart.

2.3 Druckschrift D3

D3 beschreibt ein Verfahren zur Reduzierung von Seigerungen durch Soft-Reduction. Der Strang fährt durch Walzen, die mehrere Segmente bilden. Die jeweilige Position der Sumpfspitze wird ermittelt und die Soft-Reduction wird durch die Walzen, die der Lage des Sumpfes entsprechen, durchgeführt. Jedoch wird die Lage des Sumpfes nicht durch die Kühlung an einem bestimmten Segment gehalten. Die Lage des Sumpfes und die Optimierung der Soft-Reduction-Parameter, insbesondere die Rate der Reduktion, werden mittels einem Thermal-Tracking-Modell eingestellt (siehe Seite 74, Bild 2; Seite 77, linke Spalte, vorletzter Absatz; Seite 78, rechte Spalte, letzter Absatz unter der Überschrift "Steuerungs-/ Regelungssystem").

Deshalb offenbart D3 keine Steuerung des Kühlungssystems mittels eines Temperatur- und Erstarrungsmodells derart, dass die Erstarrungsgrenze bei Einlauf des Sumpfes in das Reduktionsgerüst einem Soll-Wert entspricht.

3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

3.1 Druckschriften D1 und D2

Das Streitpatent betrifft die Soft-Reduction beim Stranggießen. Diese Behandlung des Stranges wird hauptsächlich zur Reduzierung von Makroseigerungen und Porosität während der Erstarrung des Kerns des Stranges verwendet. D1 offenbart auch ein Stranggießverfahren, beidem eine Dickenreduktion des Stranges mittels Reduktionswalzen durchgeführt wird, um diese Mängel zu vermeiden, und wird daher als nächstliegender Stand der Technik angesehen. Nach D1 wird die Lage der Sumpfspitze anhand der Dickenänderung ermittelt und die Kühlung wird gesteuert, sodass die Sumpfspitze in einer bestimmten Lage gehalten wird.

Ausgehend von D1 wird die Aufgabe darin gesehen, wie die Beschwerdeführerin dargelegt hat, die Soft-Reduction zu verbessern.

Nach dem Verfahren des Anspruchs 1 wird die Kühlung mittels eines Temperatur- und Erstarrungsmodells anstelle der Messung der Dickenänderung des Stranges eingestellt, um die Lage des Sumpfs zu steuern. Dabei weist der Strang bei der Dickenreduktion eine erstarrte Hülle und einen flüssigen Kern auf, wobei die Erstarrungsgrenze zwischen erstarrtem und flüssigem Metall bei Einlauf in das Reduktionsgerüst einer vorgegebenen Soll-Erstarrungsgrenze entsprechen soll.

D2 beschreibt ein Verfahren zur Steuerung der Kühlung eines Stranges in einer Stranggießanlage, wobei die Kühlung mittels eines Kühlmodells in Abhängigkeit von einer vorgegebenen Solltemperaturverteilung im Strang ermittelt wird. Das Modell kann den Verlauf der Erstarrungsfront in Abhängigkeit der Kühlmittelmenge berechnen (Seite 3, Zeilen 4 bis 6 und 51 bis 52) und entspricht insoweit dem Temperatur- und Erstarrungsmodell beim Streitpatent. Die Vorgabe der Solltemperaturverteilung im Strang erfolgt in Form des Sumpfprofils oder der Position der Sumpfspitze (Anspruch 9 der D2). Die Kammer folgt daher der Argumentation der Beschwerdegegnerin, dass bei D2 die Kühlung mittels eines Temperatur- und Erstarrungsmodells eingestellt werden kann, sodass die Erstarrungsgrenze einer vorgegebenen Soll-Erstarrungsgrenze entspricht.

Jedoch ist es nicht der D2 zu entnehmen, wie ein solches Modell im Rahmen der Soft-Reduction verwendet werden könnte, weil Dickenreduktion des Stranges und Reduktionsgerüste in D2 weder diskutiert noch erwähnt sind. Diese Information muss der Fachmann der D1 entnehmen.

Die Lehre der D1 ist, dass das vordere Ende des noch nicht erstarrten Sumpfes, also die Sumpfspitze, nicht über die Rollen hinausgeraten soll (siehe, z.B. Seite 2, Zeilen 2 bis 9). Es ist daher ein wesentliches Merkmal des in D1 offenbarten Verfahrens, dass das Reduktionsgerüst bei der Sumpfspitze angeordnet sein soll, wo das Erstarren des schmelzflüssiges Metalls in dem Strang beendet wird (siehe Seite 4, dritte Absatz und Anspruch 1).

Es würde sich für den Fachmann zwar anbieten, das Kühlmodell der D2 im Verfahren der D1 einzusetzen, um die Messung der Dickenänderung bei der D1 zu vermeiden. Er würde damit die aus der D1 bekannte Regelung einschließlich der Messung der Dickenänderung durch das Kühlmodell der D2 ersetzen, um durch die Steuerung der Kühlung mittels des Kühlmodells die Sumpfspitze an der in D1 beschriebenen Stelle zwischen den Reduktionswalzen zu halten. Ein Anlass, auch die Lage der Sumpfspitze zu verändern, nämlich um die in Anspruch 1 des Streitpatents angegebene Soll-Erstarrungsgrenze, bei der noch ein flüssiger Kern vorhanden ist, einzuhalten, ergibt sich hieraus jedoch nicht. Hierzu ist zu bemerken, dass gemäß Druckschrift D3 eine derartige Soll-Erstarrungsgrenze, bei der noch eine Soft-Reduction möglich ist, etwa 1.5 m hinter der Sumpfspitze liegt (siehe Seite 77, linke Spalte, dritter Absatz). Auch eine Kombination der Druckschriften D1 und D2 kann damit keinen Hinweis darauf liefern, die Kühlung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents so einzustellen, dass der Strang bei der Dickenreduktion im Reduktionsgerüst einen noch flüssigen Kern aufweist, was eine besonders große Dickenreduktion erlaubt (siehe Absatz [0002] des Streitpatents).

Die Kombination der D1 und D2 führt daher nicht zum Verfahren des Anspruchs 1.

3.2 Druckschriften D3 und D2

D3 offenbart ein Soft-Reductions-Verfahren zur Reduzierung von Makroseigerungen. Die Anlage nach D3 weist eine Soft-Reduction-Zone auf, die aus fünf Segmenten von Reduktionsgerüsten gebildet ist. Die jeweilige Lage des Sumpfes innerhalb der Soft-Reduction-Zone und die optimalen Soft-Reduction-Parameter werden online mit einem Thermal-Tracking-Modell ermittelt.

Jedes Walzensegment ist unabhängig verstellbar und wird hinsichtlich der Lage des Sumpfes mittels des Thermal-Tracking-Modells für die Soft-Reduction gesteuert. Anstelle der Steuerung der Lage des Sumpfes in einer vorgegebenen Position, wie im Streitpatent und D1 beschrieben, werden nach D3 die Walzensegmente bezüglich der Sumpfposition gesteuert. Bei der Steuerung nach D3 handelt es sich daher um ein anderes Prinzip als beim Streitpatent und in der D1. Im Vergleich mit der D1 ist die D3 daher von der angefochtenen Erfindung weiter entfernt und daher als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit weniger geeignet. Nach D2 wird das Kühlmodell verwendet, um die Form und/oder die Position des Sumpfes zu steuern. Da es bei der D3 nicht beabsichtigt ist, den Sumpf auf einer bestimmten vorgegebenen Position zu halten, hat der Fachmann keinen Grund, die D2 mit D3 zu kombinieren. Deshalb führen die Druckschriften D3 und D2 nicht zu der Erfindung.

4. Zusammenfassung

4.1 Die beanspruchte Lösung lässt sich daher aus dem Stand der Technik nicht in einer naheliegenden Weise ableiten und das Verfahren nach Anspruchs 1 des Hauptantrags wird somit als erfinderisch angesehen.

4.2 Die Stranggießanlage gemäß Anspruch 10 des Hauptantrags definiert eine Recheneinrichtung zur Steuerung der Kühlung des Stranges anhand eines Temperatur- und Erstarrungsmodells, um die Erstarrungsgrenze bei Einlauf des Stranges in das Reduktionsgerüst zu steuern. Diese Anlage ist daher aus gleichen Gründen wie Anspruch 1 neu und erfinderisch.

4.3 Da die Ansprüche gemäß dem Hauptantrag den Erfordernisse des EPÜ genügen, ist es nicht erforderlich, die Hilfsanträge in Betracht zu ziehen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.

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