T 1322/05 () of 29.5.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T132205.20060529
Datum der Entscheidung: 29 Mai 2006
Aktenzeichen: T 1322/05
Anmeldenummer: 99118490.4
IPC-Klasse: B29C 47/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur fortlaufenden Herstellung eines Verbundrohres mit einer Rohr-Muffe und Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens
Name des Anmelders: Hegler, Ralph-Peter, Dr.-Ing.
Name des Einsprechenden: Corma Inc.
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 108
European Patent Convention 1973 Art 113
European Patent Convention 1973 R 64
European Patent Convention 1973 R 65
European Patent Convention 1973 R 67
Schlagwörter: Zulässigkeit der Beschwerde (ja)
Wesentlicher Verfahrensmangel (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0671/95
T 0257/03
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 0 995 579 widerrufen worden ist, Beschwerde eingelegt.

II. Am 29. Mai 2006 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

III. Der Beschwerdeführer beantragte, die angefochtene Entscheidung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels aufzuheben und die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen sowie die Rückerstattung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

IV. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte als Hauptantrag, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Hilfsweise beantragte sie die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Der Beschwerdeführer hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Die Beschwerde beziehe sich auf einen wesentlichen Verfahrensmangel im Verfahren vor der Einspruchs abteilung. In der Beschwerdebegründung seien ausführliche Gründe angegeben, warum ein solcher Mangel vorliege und warum die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung beantragt werde. Somit sei die Beschwerde begründet und zulässig.

Am 18. August 2004 habe der Beschwerdeführer im Einspruchsverfahren hilfsweise Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Im späteren Schreiben des Beschwerdeführers vom 16. November 2004 sei auf die Anträge vom 18. August 2004 verwiesen worden. Der Antrag auf mündliche Verhandlung sei nicht zurückgezogen worden. Demnach hätte die Einspruchsabteilung vor einer Entscheidung gegen den Beschwerdeführer eine mündliche Verhandlung durchführen müssen. Dies sei aber nicht geschehen. Der Widerruf des Streitpatents ohne vorherige mündliche Verhandlung beruhe somit auf einem wesentlichen Verfahrensmangel, der die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung und die Rückerstattung der Beschwerdegebühr erforderlich mache.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Die Beschwerde sei nicht ausreichend begründet und damit unzulässig. Eine vollständige Begründung erfordere auch eine Begründung in der Sache, also eine Stellungnahme zum Inhalt der angefochtenen Entscheidung. Die Beschwerdebegründung beschränke sich aber auf formelle Gründe. Somit sei es der Kammer verwehrt, den Fall gegebenenfalls weiterzuführen. Im Hinblick auf Artikel 10a, insbesondere Absatz 2, der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, fehlten somit wesentliche Elemente der Grundlage eines Beschwerdeverfahrens. Daraus folge die Unzulässigkeit der Beschwerde. Es sei auch auf die Entscheidungen T 0671/95 und T 0257/03 hingewiesen, aus denen sich ergebe, wann eine Beschwerde zulässig bzw. unzulässig sei.

Das Einspruchsverfahren weise zwar einen Verfahrens mangel auf. Die Angelegenheit sollte aber wegen der zu erwartenden weiteren zeitlichen Verzögerung des Verfahrens nicht an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen werden. Artikel 10 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern gebe der Kammer dazu den notwendigen Ermessensspielraum.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

In der Beschwerdebegründung des Beschwerdeführers wird als einziger Grund für die Beschwerde ein wesentlicher Verfahrensmangel im Einspruchsverfahren angeben. Bei diesem Verfahrensmangel handelt es sich um die Nichtbeachtung eines Antrags auf mündliche Verhandlung und Entscheidung gegen den Antragsteller ohne vorherige mündliche Verhandlung, also um die Verweigerung des rechtlichen Gehörs (Artikel 113(1) EPÜ). Ein solcher Verfahrensmangel hat regelmäßig die Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung der Angelegenheit ohne weitere sachliche Prüfung der Entscheidung zur Folge (siehe z.B. die von der Beschwerdegegnerin zitierte Entscheidung T 0671/95, insbesondere Punkt 3 der Entscheidungsgründe).

Bei dieser Sachlage war es als Begründung für die Beschwerde ausreichend, auf den Verfahrensmangel einzugehen. Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Beschwerde war eine Beschwerdebegründung hinsichtlich der sachlichen Gründe, die die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung zum Widerruf des Patents veranlasst haben, mithin nicht erforderlich.

Die Kammer ist deshalb der Auffassung, dass die Beschwerde den Erfordernissen des Artikels 108 EPÜ und der Regel 64 EPÜ entspricht, so dass eine Verwerfung als unzulässig gemäß Regel 65 EPÜ nicht in Frage kommen kann. Die dem EPÜ untergeordnete Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, insbesondere Artikel 10a, Absatz 2, steht dem nicht entgegen, da als kompletter Sachvortrag des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall die Begründung hinsichtlich des Verfahrensmangels anzusehen ist und hierzu alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel angegeben waren.

Die weitere von der Beschwerdegegnerin im Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit der Beschwerde zitierte Entscheidung T 0257/03 beruht auf einem anderen Sachverhalt. Dabei ging es nicht um einen wesentlichen Verfahrensmangel, der als einzige Konsequenz die Aufhebung der Entscheidung und die Zurückverweisung an die Vorinstanz haben konnte. Diese Entscheidung kann somit im vorliegenden Fall nicht als Stütze für die fehlende Zulässigkeit der Beschwerde dienen.

Die Beschwerde ist somit zulässig.

2. Verfahrensmangel

2.1 Der Beschwerdeführer hatte am 18. August 2004 im Einspruchsverfahren hilfsweise Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Im weiteren Verlauf des Verfahrens wurde dieser Antrag nicht zurückgezogen. Die Einspruchsabteilung hätte vor einer Entscheidung gegen den Beschwerdeführer somit eine mündliche Verhandlung durchführen müssen, um seinen Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Artikel 113(1) EPÜ zu wahren. Die Einspruchsabteilung hat jedoch ohne vorherige mündliche Verhandlung das Streitpatent widerrufen. Dies ist als wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne der Regel 67 EPÜ zu werten.

2.2 Die angefochtene Entscheidung ist aufgrund dieses wesentlichen Verfahrensmangels aufzuheben und an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen (Artikel 111(1) EPÜ und Artikel 10 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern). Eine zu erwartende Verzögerung in der abschließenden Behandlung des Falles ist nicht als besonderer Grund zu sehen, der gegen eine Zurückverweisung spricht. Vorrangig muss beiden Parteien die Möglichkeit gegeben sein, ihre Sache vor zwei Instanzen zu vertreten. Wegen des wesentlichen Verfahrensmangels entspricht es auch der Billigkeit, die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten (Regel 67 EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.

3. Die Rückerstattung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

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