T 1253/05 (Herstellung von 6-Aminocapronitril und Hexamethylendiamin/BASF) of 31.3.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T125305.20090331
Datum der Entscheidung: 31 März 2009
Aktenzeichen: T 1253/05
Anmeldenummer: 99942875.8
IPC-Klasse: C07C 209/48
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verbessertes Verfahren zur gleichzeitigen Herstellung von 6-Aminocapronitril und Hexamethylendiamin
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: E.I. DU PONT DE NEMOURS AND COMPANY
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Haupt- und Hilfsantrag: erfinderische Tätigkeit (nein) - beanspruchter Temperaturbereich weder zielgerichtet noch kritisch - Routinetätigkeit
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 9. September 2005 eingegangene Beschwerde des Beschwerdeführers (Einsprechender) richtet sich gegen die am 1. Juli 2005 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, in der festgestellt wurde, dass das europäische Patent Nr. 1 107 941 in geänderter Fassung den Erfordernissen des Übereinkommens genügt.

II. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang vom Beschwerdeführer aus den Einspruchsgründen des Artikels 100 (a) EPÜ, insbesondere wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit, angegriffen worden. Zur Stützung des Einspruchs wurden unter anderem die folgenden Druckschriften angezogen:

(1) WO-A-98 11 060 und

(3) DE-A-1 268 611.

III. Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung fest, dass der Gegenstand des damaligen Hauptantrages ausgehend von der Druckschrift (1) als nächstliegendem Stand der Technik erfinderisch sei.

IV. Mit Schreiben vom 12. März 2009 reichte der Beschwerdegegner (Patentinhaber) unter anderem einen ersten Hilfsantrag ein, den er in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zu seinem Hauptantrag machte. In dieser mündlichen Verhandlung reichte er auch einen neuen Hilfsantrag ein.

Der Anspruch 1 des Hauptantrages lautet wie folgt:

"Verfahren zur gleichzeitigen Herstellung von 6-Aminocapronitril und Hexamethylendiamin, ausgehend von Adipodinitril, umfassend die Schritte

a) Hydrierung von Adipodinitril, wobei der Gehalt in dem in Schritt a) eingesetzten Adipodinitril an 1-Amino- 2-cyano-cyclopenten unter 5000 Gew.-ppm bezogen auf Adipodinitril liegt, in Gegenwart eines Katalysators, der als katalytisch aktive Komponente ein Element der achten Nebengruppe enthält, unter Erhalt einer Mischung enthaltend 6-Aminocapronitril, Hexamethylendiamin, Adipodinitril und Hochsieder,

b) Destillative Abtrennung von Hexamethylendiamin aus der Mischung enthaltend 6-Aminocapronitril, Hexamethylendiamin, Adipodinitril und Hochsieder, und entweder

c1) Destillative Abtrennung von 6-Aminocapronitril, und anschliessend

d1) Destillative Abtrennung von Adipodinitril oder

c2) Gleichzeitige destillative Abtrennung von 6- Aminocapronitril und Adipodinitril in getrennte Fraktionen,

dadurch gekennzeichnet, dass in den Schritten d1) oder c2) die Sumpftemperaturen unterhalb von 185ºC liegen, wobei man nach den Schritten d1) oder c2) das Adipodinitril in Schritt a) zurückführt."

Der Anspruch 1 des Hilfsantrages unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrages nur dadurch, dass die Sumpftemperaturen in den Schritten d1) oder c2) "mindestens 130ºC betragen und unterhalb von 180ºC liegen".

V. Der Beschwerdeführer trug keine Neuheitseinwand gegen den Gegenstand des Hilfsantrages vor. Er bestritt jedoch die erfinderische Tätigkeit dieses Antrages und ging von der Druckschrift (1) als nächstliegendem Stand der Technik aus, welche ebenfalls ein Verfahren zur gleichzeitigen Herstellung von 6-Aminocapronitril und Hexamethylendiamin aus Adipodinitril, umfassend die beanspruchten Schritte a), b), c1, d1) und c2), offenbare, wobei die Bildung von 1-Amino-2-cyano-cyclopenten (ACCPE) vermieden werden solle. Die Sumpftemperatur im Schritt c2) sei im Bereich von 50 bis 250ºC allgemein offenbart und im Beispiel 1 betrage sie ca. 180ºC. Diesem Verfahren gegenüber habe die Aufgabe darin bestanden, lediglich ein weiteres Verfahren zur gleichzeitigen Herstellung von 6-Aminocapronitril und Hexamethylendiamin aus Adipodinitril bereitzustellen. Das beanspruchte Verfahren könne keine Verbesserung gegenüber dem Verfahren der Druckschrift (1) darstellen, da im Beispiel 1 der Druckschrift (1) Adipodinitril mit einem viel niedrigeren Gehalt an ACCPE, nämlich 280 ppm, als im Streitpatent, nämlich 2700 ppm, schon erreicht worden sei. Das Verfahren des Streitpatentes unterscheide sich von der Offenbarung der Druckschrift (1) höchstens in der Sumpftemperatur von 130 bis 180ºC in den Schritten d1) bzw. c2). Die Druckschrift (3) lehre jedoch bereits, dass bei der Destillation von ACCPE-enthaltendem Adipodinitril die Sumpftemperatur 185ºC nicht überschreiten solle, um Verunreinigungen zu vermeiden. Darüber hinaus habe der Beschwerdegegner keine Verbesserung gegenüber der in der Druckschrift (1) offenbarten Sumpftemperatur von 50ºC gezeigt, so dass der ausgewählte Temperaturbereich willkürlich sei.

VI. Der Beschwerdegegner trug vor, dass der Gegenstand des Streitpatentes erfinderisch sei, und ging ebenfalls von der Druckschrift (1) als nächstliegendem Stand der Technik aus. Er argumentierte, dass eine Sumpftemperatur von 50ºC in dieser Druckschrift nicht offenbart sei, da der Bereich von 50 bis 250ºC nur in Zusammenhang mit einem Druck von 10 bis 300 mbar beschrieben worden sei. Bei 10 mbar könne jedoch eine Sumpftemperatur von 50ºC nicht erreicht werden. Demgegenüber habe die Aufgabe darin bestanden, ein weiteres Verfahren zur gleichzeitigen Herstellung von 6-Aminocapronitril und Hexamethylendiamin aus Adipodinitril bereitzustellen, wobei das zurückzuführende Adipodinitril einen niedrigen Gehalt an ACCPE enthalte. Die Ergebnisse der Tabelle 1 der Streitpatentschrift zeigten, dass es bei einer Sumpftemperatur von ca. 180ºC zu einer sprunghaften Verringerung des gebildeten ACCPEs gegenüber einer Sumpftemperatur von ca. 200ºC komme. Der Druckschrift (1) sei nicht zu entnehmen, dass die Sumpftemperatur überhaupt für die Nebenproduktbildung relevant sei. Die Druckschrift (3) betreffe nicht die Rückgewinnung von Adipodinitril aus einer Aminocapronitril-Hexamethylendiamin-Synthese, sondern die Reinigung von Adipodinitril, das aus Adipinsäure und Ammoniak hergestellt worden sei. Darüber hinaus betreffe sie nicht die Verhinderung der Bildung von ACCPE bei der Destillation von Adipodinitril sondern die destillative Entfernung von ACCPE aus Adipodinitril. Hierbei solle die Sumpftemperatur bei der Destillation lediglich deswegen 185ºC nicht überschreiten, damit sich die höher siedenden Verunreinigungen des Adipinsäurenitrils nicht zersetzten. Mit Schreiben vom 12. März 2009 reichte der Beschwerdegegner ein zusätzliches Ausführungsbeispiel ein.

VII. Mit Schreiben vom 13. November 2008 hat ein Dritter Einwendungen gegen die Patentierbarkeit des Gegenstandes des Streitpatentes erhoben (Artikel 115 EPÜ).

VIII. Der Beschwerdeführer beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Der Beschwerdegegner beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf Grundlage des am 12. März 2009 als damaligen ersten Hilfsantrages eingereichten Hauptantrages oder des in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hilfsantrages aufrechtzuerhalten.

IX. Am Ende der mündlichen Verhandlung, die am 31. März 2009 stattfand, wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Haupt- und Hilfsantrag

2. Der Anspruch 1 des Hilfsantrages betrifft eine Ausführungsform, welche die engste beanspruchte Ausgestaltung des Streitpatentes darstellt. Der Hauptantrag betrifft eine breitere Ausgestaltung des Streitpatentes, welche die Ausführungsform des Hilfsantrages mit umfasst. Eine derartige Antragskonstellation hat im Falle mangelnder erfinderischer Qualität der Ausführungsform des Hilfsantrages zur Folge, dass zwangsläufig der Hauptantrag, der diese naheliegende Ausführungsform einschließt, insoweit ebenso nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen kann. Aus diesem Grunde wird im Anschluss zuerst der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrages auf seine Patentfähigkeit untersucht.

3. Änderungen (Artikel 123 EPÜ)

Die in den erteilten Anspruch 1 eingeführten Merkmale des Gehaltes an ACCPE in dem in Schritt a) eingesetzten Adipodinitril und der Zurückführung des abgetrennten Adipodinitrils finden ihre Stütze im Anspruch 16 bzw. Anspruch 14 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung. Die Sumpftemperaturen in den Schritten c2) oder d1) von mindestens 130ºC und unterhalb von 180ºC stützen sich auf Seite 10, Zeilen 21 bis 23, Seite 10, Zeile 46 und Seite 11, Zeile 1 der ursprünglich eingereichten Fassung.

Die Abänderung des erteilten Anspruchs 1 beschränkt den beanspruchten Gegenstand, wodurch der Schutzbereich des Streitpatentes im Vergleich zur erteilten Fassung nicht erweitert wird.

Der geltende Anspruchssatz erfüllt demzufolge alle Voraussetzungen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.

4. Neuheit

Der Beschwerdeführer trug keine Neuheitseinwand gegen den Gegenstand des Hilfsantrages vor. Ob das Verfahren dieses Antrages tatsächlich neu ist, kann indessen dahinstehen, denn es beruht ohnehin nicht auf erfinderischer Tätigkeit (siehe Punkt 5 unten).

5. Erfinderische Tätigkeit

5.1 Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur gleichzeitigen Herstellung von 6-Aminocapronitril und Hexamethylendiamin aus Adipodinitril, wobei das unreagierte und abgetrennte Adipodinitril in die Hydrierung zurückgeführt wird, und wodurch als Ziel die Bildung von ACCPE vermieden werden soll (siehe Absatz [0010] der Streitpatentschrift). Die Druckschrift (1) beschreibt nun ein gattungsgemäßes Verfahren und beschäftigt sich ebenfalls mit dem Problem des unerwünschten Nebenproduktes ACCPE.

Demzufolge betrachtet die Kammer, im Einklang mit der Einspruchsabteilung, dem Beschwerdeführer und dem Beschwerdegegner, die Druckschrift (1) als nächstliegenden Stand der Technik und Ausgangspunkt bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.

So offenbart die Druckschrift (1) in den Ansprüchen 1 und 5 ein Verfahren zur gleichzeitigen Herstellung von 6-Aminocapronitril und Hexamethylendiamin, indem Adipodinitril in Gegenwart eines Katalysators, der eine Verbindung auf der Basis eines Metalles, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Nickel, Kobalt, Eisen, Ruthenium und Rhodium, partiell hydriert wird und das unreagierte Adipodinitril in die Hydrierung zurückgeführt wird. Hexamethylenediamin wird aus der Hydriermischung enthaltend 6-Aminocapronitril, Hexamethylendiamin, Adipodinitril und Hochsieder in einer Kolonne (K4) destillativ abgetrennt (siehe Seite 11, Zeilen 18 bis 27) und 6-Aminocapronitril und Adiponitril werden gleichzeitig in einer Kolonne (K5) in getrennte Fraktionen destillativ abgetrennt (siehe Seite 11, Zeilen 39 bis 46), wobei diese letztgenannte Destillation, die Schritt c2) des Verfahrens des Streitpatentes entspricht, bei einer Sumpftemperatur im Bereich von 50 bis 250ºC durchgeführt wird (siehe Seite 12, Zeilen 4 bis 5). Im Beispiel 1 wird Adipodinitril mit einem Gehalt an ACCPE von 280 ppm erhalten.

Der Beschwerdegegner trug vor, dass eine Sumpftemperatur von 50ºC in der Druckschrift (1) nicht eigenständig offenbart sei, da der Bereich von 50 bis 250ºC nur in Zusammenhang mit einem Druck von 10 bis 300 mbar beschrieben worden sei, wobei bei 10 mbar eine Sumpftemperatur von 50ºC nicht erreicht werden könne. Die Grenzwerte des Temperaturbereiches und des Druckbereiches sind jedoch nicht in Kombination, sondern losgelöst voneinander offenbart, d.h. bei einer Temperatur von 50ºC muss der Druck nicht zwingend 10 mbar betragen. Der Beschwerdegegner argumentierte nicht, dass die Destillation der Druckschrift (1) bei einer solchen Sumpftemperatur nicht ausführbar wäre. Die Kammer sieht daher die Sumpftemperatur von 50ºC als eigenständig in der Druckschrift (1) offenbart an.

Der Beschwerdeführer trug vor, dass er für Beispiel 1 der Druckschrift (1) eine Sumpftemperatur von ca. 180ºC errechnet habe, ohne dass er allerdings irgendwelche Kalkulationen vorwies. In Abwesenheit solcher Kalkulationen kann das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt werden und die Sumpftemperatur in diesem Beispiel bleibt unermittelbar.

5.2 Ausgehend von diesem Stand der Technik liegt dem Streitpatent gemäß Beschwerdegegner in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer die Aufgabe zugrunde, ein weiteres Verfahren zur gleichzeitigen Herstellung von 6-Aminocapronitril und Hexamethylendiamin aus Adipodinitril bereitzustellen, wobei das zurückzuführende Adipodinitril einen niedrigen Gehalt an ACCPE enthalte. Der Beschwerdegegner trug nicht vor, dass das beanspruchte Verfahren zu irgendwelchen Vorteilen vis-à-vis dem in der Druckschrift (1) offenbarten Verfahren führt.

5.3 Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrages vor, welches durch eine Sumpftemperatur von 130 bis 180ºC in den Schritten d1) bzw. c2) gekennzeichnet ist.

5.4 Aus Beispiel 1 zusammen mit Tabelle 1 der Streitpatentschrift geht hervor, dass das beanspruchte Verfahren zu Adipodinitril mit einem Gehalt an ACCPE unter 3000 Gew.-ppm bezogen auf Adipodinitril führt. Die Aufgabe kann somit als erfolgreich gelöst angesehen werden.

5.5 Es bleibt nun zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die genannte Aufgabe durch die Bereitstellung des anspruchsgemäßen Verfahrens zu lösen.

5.5.1 Nachdem jedoch kein technischer Effekt für die beanspruchte Untergrenze von 130ºC gegenüber der in der nächstliegenden Druckschrift (1) offenbarten Sumpftemperatur von 50ºC gezeigt worden ist, ist die ausgewählte Temperaturuntergrenze von 130ºC in Anspruch 1 weder zielgerichtet noch kritisch, sondern rein willkürlich. Um zu der beanspruchten Lösung zu gelangen, musste der Fachmann im Rahmen der Lehre der Druckschrift (1), nämlich innerhalb des offenbarten Sumpftemperaturbereiches von 50 bis 250ºC, lediglich den mittleren Temperaturbereich willkürlich auswählen, der jedoch gegenüber der in der Druckschrift (1) offenbarten Sumpftemperatur von 50ºC keine Vorteile zeigt und deswegen als beliebig anzusehen ist. Dass die Destillation bei einer Sumpftemperatur von höchstens 180ºC durchgeführt werden sollte, um die ACCPE Nebenprodukte gering zu halten, kann ohnehin nicht als überraschend angesehen werden, insbesondere angesichts der Lehre der Druckschrift (3). Dieser Druckschrift, die ein Verfahren zur Reinigung von Adipodinitril betrifft und sich speziell mit ACCPE-Verunreinigungen beschäftigt (siehe Spalte 1, Zeilen 1 bis 2 und 15 bis 27), ist zu entnehmen, dass bei der Destillation von ACCPE-enthaltendem Adipodinitril die Sumpftemperatur 185ºC nicht überschreiten soll, um eine hohe Reinheit des Endproduktes zu erreichen (siehe Spalte 3, Zeilen 38 bis 50 und Spalte 3, Zeile 59 bis Spalte 4, Zeile 6).

Die vorgenommene Auswahl des Bereiches der Sumpftemperatur in der destillativen Abtrennung von Adipodinitril stellt also lediglich eine Routinetätigkeit dar, die keines erfinderischen Zutuns des Fachmanns bedurfte.

5.5.2 Das Argument des Beschwerdegegners, dass der Fachmann die Druckschrift (3) gar nicht angezogen hätte, da sie nicht die Rückgewinnung von Adipodinitril aus einer Aminocapronitril-Hexamethylendiamin-Synthese, sondern die Reinigung von Adipodinitril, das aus Adipinsäure und Ammoniak hergestellt worden sei (siehe Spalte 1, Zeilen 15 bis 27), betreffe, überzeugt die Kammer nicht. Um Adipodinitril mit geringem Gehalt an ACCPE zu erreichen, hätte der Fachmann die Lehre der Druckschrift (3) sehr wohl herangezogen, da sich diese Druckschrift mit der Reinigung von ACCPE-enthaltendem Adipodinitril beschäftigt. Hierbei ist das Herstellungsverfahren des Adipodinitrils irrelevant, solange es mit ACCPE verunreinigt ist. Auch wenn die Druckschrift (3) nicht ausdrücklich die Verhinderung der Bildung von ACCPE bei der Destillation von Adipodinitril, sondern die destillative Entfernung von ACCPE aus Adipodinitril beschreibt, ist der geringe Gehalt an ACCPE im Adipodinitril, das beim beanspruchten Verfahren destillativ erhalten wird, nicht überraschend, da die Druckschrift (3) lehrt, dass eine hohe Reinheit des Adipodinitrils nur zu erhalten ist, wenn man bei der Destillation des ACCPE-enthaltendem Adipodinitril die Sumpftemperatur unterhalb von 185ºC hält.

5.6 Die Kammer kommt aus den oben angeführten Gründen zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrages eine naheliegende Lösung der obengenannten Aufgabe darstellt und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Der Hilfsantrag des Beschwerdegegners ist folglich wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gemäß Artikel 52 (1) und 56 EPÜ nicht gewährbar.

5.7 Nachdem der Hauptantrag eine breitere Ausgestaltung des Streitpatentes betrifft, welche die Ausführungsform des Hilfsantrages mit umfasst, hat die mangelnde erfinderische Qualität der Ausführungsform des Hilfsantrages zur Folge, dass der vorangehende Hauptantrag, der diese naheliegende Ausführungsform einschließt, insoweit ebenso nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

5.8 Der Hauptantrag teilt daher das Schicksal des Hilfsantrages, indem er wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gemäß Artikel 52 (1) und 56 EPÜ ebenfalls nicht gewährbar ist.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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