T 1217/05 () of 8.5.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T121705.20070508
Datum der Entscheidung: 08 Mai 2007
Aktenzeichen: T 1217/05
Anmeldenummer: 03003369.0
IPC-Klasse: A47B 96/14
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Aluminiumwinkelprofil
Name des Anmelders: BIMA Industrie-Service GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 84
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein) - fachübliche Maßnahmen
Stützung durch die Beschreibung und Ausführbarkeit im gesamten beanspruchten Bereich (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0409/91
T 0659/93
T 0332/94
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Prüfungsabteilung hat mit der Entscheidung vom 31. März 2005 die europäische Patentanmeldung Nr. 03 003 369.0 zurückgewiesen.

Zur Begründung führte sie aus, dass der Gegenstand des Anspruches 1 in der Fassung der mit Schreiben vom 29. April 2004 eingereichten Haupt- und Hilfsanträge im Hinblick auf die Druckschriften GB-A-328 603 (D1) und GB-A-1 602 264 (D2) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Darüber hinaus seien diese Ansprüche auch unklar.

II. Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin am 25. Mai 2005 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 21. Juli 2005 eingegangen.

Mit der Ladung zu einer mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdekammer der Beschwerdeführerin (Anmelderin) ihre vorläufige Einschätzung mitgeteilt, insbesondere dass sie hinsichtlich der materiellrechtlichen Mängel der Anmeldung im wesentlichen mit der Prüfungsabteilung übereinstimme.

In der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer vom 8. Mai 2007 hat die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag mit den Ansprüchen 1 bis 5 und neue Hilfsanträge 1 und 2, jeweils mit den Ansprüchen 1 bis 3 überreicht.

III. Anspruch 1 des Hauptantrages hat folgenden Wortlaut:

"Aluminiumwinkelprofil mit einem einen U-Querschnitt begrenzenden Seitenschenkel, dadurch gekennzeichnet, daß das Profil aus einer solchen Aluminiumlegierung besteht, daß der Seitenschenkel federn kann, und daß der Winkel zwischen dem Quersteg (3) und mindestens dem einen Seitenschenkel (1, 2) bei 89,5º liegt."

Anspruch 1 des Hilfsantrages 1 hat folgenden Wortlaut:

"Aluminiumwinkelprofil mit einem einen U-Querschnitt begrenzenden Seitenschenkel, dadurch gekennzeichnet, daß das Profil aus einer solchen Aluminiumlegierung besteht, daß der Seitenschenkel federn kann, daß der Winkel zwischen dem Quersteg (3) und mindestens dem einen Seitenschenkel (1, 2) bei 89,5º liegt, wobei die lichte Weite des Profils am Fuß des Seitenschenkels (1, 2), also in Höhe des Quersteges (3), geringfügig, z.B. 0,1 mm, kleiner als die Nennweite ist und daß mindestens einer der Seitenschenkel (1,2) sich in Richtung seines freien Längsrandes verjüngt."

Anspruch 1 des Hilfsantrages 2 unterscheidet sich im wesentlichen von demjenigen des vorhergehenden Antrages durch die Streichung von "geringfügig, z.B. 0,1 mm," in Zeile 8.

IV. Die Beschwerdeführerin hat unter anderem Folgendes vorgetragen:

Der Gegenstand des Anspruches 1 des Hauptantrages könne nicht nahegelegen haben, weil die entgegengehaltenen Druckschriften D1 und D2 einem gänzlich anderen Zweck dienten. Diese beträfen nämlich Profile zur gewerblichen Verwendung im Gegensatz zu dem beanspruchten Aluminiumwinkelprofil zur Verwendung im Hobbybereich, insbesondere zum Verkauf in Baumärkten.

Im Gegensatz zur Prüfungsabteilung argumentiert sie, dass der nächstliegende Stand der Technik in D2 offenbart sei, und dass, davon ausgehend, der Fachmann nicht im Rahmen fachüblicher Überlegungen zum Gegenstand des Anspruches 1 gelangen könne.

Nach Ansicht der Beschwerdeführerin ist Anspruch 1 der Hilfsanträge auch klar. Zwar würde die in der veröffentlichten Anmeldung in Absatz 3 genannte Aufgabe im Falle der Verwendung des beanspruchten Aluminiumwinkelprofils mit inkompressiblen Platten, beispielsweise einer Marmor- oder Plexiglasplatte, nicht gelöst. Dies sei aber auch nicht erforderlich, weil diese Verwendung einen Sonderfall beträfe und der Anspruch nicht in seiner gesamten Breite ausführbar sein müsse. Vielmehr genüge die Angabe eines einzigen Weges zur Ausführung der Erfindung.

V. Die Beschwerdeführerin beantragt, die Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und ein Patent auf der Basis des Hauptantrages, hilfsweise eines der beiden Hilfsanträge 1 und 2 zu erteilen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 EPÜ und den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ und ist deshalb zulässig.

2. Hauptantrag - Anspruch 1 - erfinderische Tätigkeit

2.1 Nächstkommender Stand der Technik

Der nächstkommende Stand der Technik ist aus Druckschrift D2 bekannt, die unstreitig ein Aluminiumwinkelprofil mit den Merkmalen des Oberbegriffs dieses Anspruches offenbart. Die Nachteile derartiger Profile sind in Absatz 2 der veröffentlichten Anmeldung beschrieben.

2.2 Aufgabe und Lösung

Dem Gegenstand des Anspruches 1 liegt die Aufgabe zugrunde, das aus D2 bekannte Aluminiumwinkelprofil derart weiterzuentwickeln, dass es sich problem- und werkzeuglos von einem Laien montieren lässt und dennoch spaltfrei und bei normaler Beanspruchung unverrückbar auf der Platte sitzt (entspricht im wesentlichen Absatz 3 der veröffentlichten Anmeldung).

Diese Aufgabe wird gemäß Anspruch 1 dadurch gelöst, dass das Profil aus einer solchen Aluminiumlegierung besteht, dass der Seitenschenkel federn kann, und dadurch, dass der Winkel zwischen dem Quersteg und mindestens dem einen Seitenschenkel bei 89,5º liegt. Dadurch können die Seitenschenkel beim Aufschieben auf die Platte auseinander federn und eine federnde Vorspannung erzeugen, die eine satte Anlage an und einen festen Sitz auf der Platte gewährleistet (siehe Absätze 5 und 6 der veröffentlichten Anmeldung).

2.3 Naheliegen der Lösung

2.3.1 Im Hinblick auf den Offenbarungsgehalt der Druckschrift D2 bleibt somit zu untersuchen, ob die Auswahl einer geeigneten Aluminiumlegierung und das Vorsehen eines Winkels von 89,5º zwischen mindestens dem einen Seitenschenkel und dem Quersteg erfinderische Überlegungen erforderte.

2.3.2 Aus den im Recherchenbericht genannten Druckschriften ergibt sich nach Auffassung der Kammer ein konsistentes Bild des allgemeinen Fachwissens auf dem Gebiet der Winkelprofile, insbesondere der Maßnahmen zur Erzielung einer sicheren und leicht zu montierenden Plattenbefestigung.

a) Winkelprofile aus federelastischem Material kennt der Fachmann beispielsweise aus D1 (Spalte 1, Zeile 64: "resilient composition", Ansprüche 1 oder 3), GB-A-1 553 537 (Figur 1 in Verbindung mit Seite 2, rechte Spalte, Zeilen 4 - 25; da der Abstand X des Profils kleiner ist als die Plattendicke, ist es für den Fachmann offensichtlich, dass zumindest einer der Seitenschenkel federn kann), FR-A-1 019 123 (siehe Seite 1, linke Spalte, letzter Absatz, Satz 1) oder FR-A-1 185 486 (siehe Seite 2, rechte Spalte, Absatz 1, letzter Satz).

b) Profile mit leicht gegeneinander geneigten Seitenschenkeln, die also nicht im rechten Winkel vom Quersteg abstehen, kennt der Fachmann beispielsweise aus D1 (siehe Figur 1 und Spalte 2, Zeilen 25 - 30), GB-A-944 184 (siehe Spalte 1, Zeile 23) oder

FR-A-1 019 123 (siehe z.B. Figur 1).

2.3.3 Bei der praktischen Ausführung des Aluminiumprofils nach D2 mit Hilfe dieses Fachwissens, wird der Fachmann deshalb eine Aluminiumlegierung verwenden, bei der die Seitenschenkel federn können und gegenüber dem Quersteg leicht geneigt sind. Den Neigungswinkel von 89,5º wird der Fachmann - nach Auffassung der Kammer - im Hinblick auf die zugrundeliegende Aufgabe mittels fachüblicher und zumutbarer Versuche festlegen. Überdurchschnittliche Überlegungen sind dazu nicht erforderlich. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil mit diesem Winkel keine über die zu erwartenden und in der Anmeldung und den zitierten Druckschriften beschriebenen Wirkungen hinausgehenden Vorteile ersichtlich sind und solche auch nicht geltend gemacht worden sind.

2.3.4 Aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin, dass Druckschrift D2 einem gänzlich anderen Zweck diene, ergibt sich keine andere Beurteilung, denn aus Anspruch 1 geht keine solche Zweckbestimmung hervor.

2.3.5 Nach Auffassung der Kammer führen demnach fachübliche Maßnahmen den Fachmann in naheliegender Weise von dem aus D2 bekannten Aluminiumwinkelprofil zum Gegenstand des Anspruches 1. Da erfinderische Überlegungen dazu nicht erforderlich waren, beruht der Gegenstand des Anspruches 1 nicht auf der nach Artikel 56 EPÜ erforderlichen erfinderischen Tätigkeit. Somit kann dem Hauptantrag nicht stattgegeben werden.

3. Hilfsanträge - Anspruch 1 - Klarheit und Ausführbarkeit

3.1 Gemäß Artikel 84 EPÜ müssen die Patentansprüche von der Beschreibung gestützt sein. Gemäß Art. 83 EPÜ ist die Erfindung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

3.2 Zur Erfüllung dieser Erfordernisse ist es im Hinblick auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammern erforderlich, dass die Patentansprüche den effektiven Beitrag zum Stand der Technik so wiedergeben, dass der Fachmann deren Gegenstand im gesamten von ihnen abgedeckten Bereich ausführen kann. Die Erfindung muss für einen Fachmann in dem Umfang ausführbar sein, für den in den Ansprüchen Schutz begehrt wird (siehe T 409/91, ABl. EPA 1994, 653, Punkte 2, 3.3; T 659/93 vom 7. September 1994, Punkt 3.4; T 332/94 vom 18. Februar 1998, Punkt 3.1).

3.3 Der Gegenstand des Anspruches 1 ist nicht auf die Verwendung mit kompressiblen Platten beschränkt, sondern umfasst auch die Verwendung mit inkompressiblen Platten.

Es ist unstreitig, dass die in der veröffentlichten Anmeldung in Absatz 3 genannte Aufgabe im Falle der Verwendung des beanspruchten Aluminiumwinkelprofils mit inkompressiblen Platten, beispielsweise einer Marmor- oder Plexiglasplatte, nicht gelöst wird.

Der effektive, nämlich ausführbare Beitrag des Anspruches zum Stand der Technik umfasst also nicht den gesamten beanspruchten Bereich. Deshalb kann es dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Verwendung mit inkompressiblen Platten um einen Sonderfall handelt oder nicht.

3.4 Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Argument der Beschwerdeführerin, dass die Angabe eines einzigen Weges zur Ausführung der Erfindung genüge. Denn dies ist vorliegend nicht der Fall, da kein Weg aufgezeigt worden ist, mit dem die Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich ausgeführt werden könnte.

3.5 Da Anspruch 1 dieser Anträge nicht von der Beschreibung gestützt und sein Gegenstand nur in einem Teilbereich ausführbar ist, sind die Erfordernisse der Artikel 83 und 84 EPÜ nicht erfüllt. Somit kann auch den Hilfsanträgen 1 und 2 nicht stattgegeben werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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