European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2006:T112905.20061107 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 07 November 2006 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1129/05 | ||||||||
Anmeldenummer: | 98810526.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | D01G 15/24 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Deckelgarnitur | ||||||||
Name des Anmelders: | MASCHINENFABRIK RIETER AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Trützschler GmbH & Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - (Hauptantrag - nein; Hilfsantrag - ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat am 5. September 2005 gegen die am 5. Juli 2005 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent Nr. 0 887 445 zu widerrufen, Beschwerde eingelegt. Gleichzeitig hat sie die Beschwerdegebühr entrichtet und die Beschwerde begründet.
II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des während der mündlichen Verhandlung eingereichten geänderten Anspruchs 1 weder neu sei, noch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe und dass somit die in Artikel 100 a) in Verbindung mit den Artikeln 54 und 56 EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstünden.
III. Mit der Beschwerde reichte die Beschwerdeführerin neue Ansprüche ein und beantragte auf dieser Grundlage, das Patent aufrechtzuerhalten.
Von der Beschwerdeführerin wurden u.a. folgende Dokumente mit der Beschwerdebegründung eingereicht:
D24: Klein, "Handbuch der textilen Fertigung, Band 2, Putzerei und Karderie", Seiten 48 bis 53;
D25: Johannsen, "Handbuch der Baumwollspinnerei, Band II", Seiten 49 bis 51;
D26: B. Wolf, "Baumwollspinnerei, Technologie und Maschinen", Seiten 52, 53;
D27: Dr. W. Oeser, "Baumwoll- und Zellwollspinnerei", Seiten 77, 78.
IV. Von den im Einspruchsverfahren genannten Dokumenten sind für die vorliegende Entscheidung relevant:
D3: DE-A-25 44 517;
D17: DE-A-39 28 754;
D18: DE-A-25 47 728;
D19: DE-A-741 208;
D21: US-A-3 373 461;
D22: US-A- 462 121;
D23: US-A-3 057 020.
V. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hat im Beschwerdeverfahren u. a. das folgende Dokument eingereicht:
D30: US-A-474 349.
VI. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung übersandten Mitteilung legte die Beschwerdekammer ihre vorläufige Meinung dar, wonach der mit der Beschwerde eingereichte Anspruch 1 zum einen das Erfordernis der Klarheit nicht erfüllte (Artikel 84 EPÜ) und zum anderen die Änderungen nicht durch die Einspruchsgründe mangelnder Neuheit oder erfinderischer Tätigkeit veranlasst zu sein schienen (Regel 57a EPÜ). Der Gegenstand des Anspruchs 1 scheine neu zu sein, es sei aber fraglich, ob er auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
VII. Als Antwort auf die Mitteilung der Kammer und zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin nochmals geänderte Ansprüche gemäß einem Hauptantrag und einem Hilfsantrag 1 ein. Die Ansprüche des Hauptantrags beruhten dabei auf den erteilten Ansprüchen, wobei an den unabhängigen Ansprüchen 1 und 2 Änderungen vorgenommen worden waren und der ebenfalls erteilte unabhängige Anspruch 10 unverändert übernommen wurde.
VIII. Am 7. November 2006 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
IX. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent auf Grundlage des Hauptantrags oder des während der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsantrags 1 aufrechtzuerhalten.
X. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und den Widerruf des Patents. Sie beantragte außerdem die Aufnahme einer Erklärung der Patentinhaberin in das Protokoll der mündlichen Verhandlung. Dieser Antrag wurde von der Kammer abgelehnt. Hinsichtlich der Begründung wird auf das Protokoll verwiesen.
XI. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
a) Hauptantrag:
Keine der vorgebrachten Entgegenhaltungen offenbare eindeutig, dass der den Längskanten angrenzende Randbereich des Garniturstreifens mit Spitzen bestückt ist, so dass die Gegenstände der Ansprüche 1 und 2 neu seien. Aus dem durch D24 bis D27 dokumentierten allgemeinen Fachwissen, ergebe sich für den Fachmann, dass die Basis der Garnitur am Deckelstab entlang ihrer Längskanten mittels Clips befestigt werde. Da die Clips in die angrenzenden Randbereiche der Garnitur griffen, könnten diese nicht mit Spitzen bestückt werden. Keine der Entgegenhaltungen beschäftige sich im Detail mit der Befestigung der Garnitur am Deckel, sondern behandle davon entfernte technische Probleme. So gehe es in D17 zum Beispiel um Dichtungsanordnungen zwischen den Deckeln. Die Zeichnungen, die in den Entgegenhaltungen die Anordnung von Spitzen auf der Garnitur des Deckelstabs darstellten, seien schematische Darstellungen. Ebenso wenig wie der Fachmann aus Figur 5 von D21 die Lehre ziehen würde, dass die einzelnen Garniturstreifen nur vier Spitzen aufwiesen, würde der Fachmann aus den schematischen Figuren unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens schließen, dass die Randbereiche der Garnitur mit Spitzen besetzt sind.
b) Hilfsantrag 1:
In Figur 7 von D23 werde eine Garnitur am Deckelstab mit einem Clip befestigt, wobei der Clip eine die Basis der Garnitur tragende Sohle aufweise. Allerdings werde in Spalte 4, Zeilen 8-14, eine kraftschlüssige Verbindung des Clips am Deckelstab offenbart. Im Unterschied zu der in Figur 7 von D23 offenbarten Befestigungsart der Garnitur am Deckelstab werde beansprucht, dass die Sohle der flexiblen Garnitur durch Führungsnuten oder durch abgewinkelte Seiten im Deckelstab formschlüssig mit dem Deckelstab befestigt ist. Diese unterscheidenden Merkmale lösten das technische Problem, eine alternative Befestigung bereit zu stellen. Die anspruchsgemäße Lösung des Problems sei weder durch D23 alleine noch in Kombination mit dem aus D27, Figur 44b, oder dem aus D30 bekannten Deckelstab nahe gelegt.
XII. Die Beschwerdegegnerin brachte folgende Argumente vor:
a) Hauptantrag:
Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 sei nicht neu, da er durch die aus D3, D17, D19, D21, D22 und D23 bekannten Deckelstäbe und Garnituren vorweggenommen sei. Zum Beispiel zeige D19 in Figur 2 bereits einen Deckelstab für eine Wanderdeckelkarde mit einer flexiblen Garnitur. Das Merkmal "den Längskanten angrenzenden Randbereiche des Garniturstreifens mit Spitzen bestückt" (Unterstreichung hinzugefügt) sei breit auszulegen. Die Ausdehnung des Randbereiches sei undefiniert. Das Merkmal bedeute insbesondere nicht, dass der Randbereich bis zum Rand mit Spitzen bestückt sein müsse. Bei den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Dokumenten D24 bis D27, die das Fachwissen dokumentieren sollten, handle es sich auch nur um eine Auswahl aus dem Stand der Technik, die nicht zum Beweis herangezogen werden könne, dass dem Fachmann keine anderen Befestigungsmöglichkeiten zur Verfügung standen.
b) Hilfsantrag 1:
Die am Anspruch vorgenommenen Änderungen führten zu einem völlig neuen Gegenstand, wodurch die Beschwerdegegnerin überrascht worden sei. Der Hilfsantrag sei daher nicht zulässig.
Darüber hinaus sei der Gegenstand des Hilfsantrags unklar. Es ergebe sich ein Widerspruch zwischen dem Wortlaut des Anspruchs und der Beschreibung, insbesondere zu Spalte 3, Zeilen 50-54. Nicht die Sohle sei durch angewinkelte Seiten im Deckelstab formschlüssig befestigt, sondern die schrägen Seitenwände der Sohle arbeiteten mit entsprechend angewinkelten Seiten des Profils zusammen.
Der Gegenstand des Anspruchs beruhe außerdem nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die aus D23, Figur 9 bekannte Vorrichtung unterscheide sich von dem beanspruchten Deckelstab nur dadurch, dass die Führungsnuten nicht im Deckelstab angeordnet seien, sondern an dem Element 44, das am Deckelstab befestigt werde. Es handle sich dabei also lediglich um eine umgekehrte Anordnung, die für den Fachmann nahe liege.
XIII. Die Ansprüche 1, 2 und 10 des Hauptantrags haben folgenden Wortlaut:
"1. Deckelstab für eine Wanderdeckelkarde mit einer flexiblen Garnitur, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest einer, und vorzugsweise jeder, der den Längskanten angrenzenden Randbereiche des Garniturstreifens mit Spitzen (s) bestückt ist.
2. Flexible Garnitur für eine Wanderdeckelkarde mit einer Basis und darin befestigten Spitzen (s), dadurch gekennzeichnet, dass zumindest einer, und vorzugsweise jeder, der den Längskanten angrenzenden Randbereiche des Garniturstreifens mit Spitzen (s) bestückt ist.
10. Deckelstab mit einer flexiblen Garnitur, wobei die flexible Garnitur eine Basis mit darin befestigten Spitzen aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Basis (50) der flexiblen Garnitur eine Sohle (66, 66A, 66B) zur Befestigung der flexiblen Garnitur am Deckelstab aufweist."
Der einzige Anspruch des Hilfsantrags 1 lautet:
"1. Deckelstab mit einer flexiblen Garnitur, wobei die flexible Garnitur eine Basis mit darin befestigten Spitzen aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Basis (50) der flexiblen Garnitur eine Sohle (66, 66A, 66B) zur Befestigung der flexiblen Garnitur am Deckelstab aufweist, und wobei die Sohle (66, 66A) durch Führungsnuten (67, 68) oder durch angewinkelte Seiten (70) im Deckelstab (33) formschlüssig mit dem Deckelstab (33) befestigt ist."
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag - Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
2.1 Interpretation der Ansprüche 1 und 2
Die beiden unabhängigen Ansprüche enthalten in ihrem Kennzeichen das Merkmal "zumindest einer, und vorzugsweise jeder, der den Längskanten angrenzenden Randbereiche (des Garniturstreifens) mit Spitzen (s) bestückt ist".
2.1.1 Die flexible Garnitur einer Wanderdeckelkarde wird im allgemeinen in Form eines auf einer Rolle aufgewickelten Streifens angeliefert und von diesem entsprechend der benötigten Länge, die größer ist als die Breite der Garnitur, abgeschnitten. Daher lassen sich die Längskanten des Garniturstreifens eindeutig mit den sich in Längsrichtung des Streifens ausdehnenden Kanten identifizieren.
2.1.2 Der Ausdruck "angrenzenden Randbereiche" ist in Bezug auf die Ausdehnung des Bereichs im Patent nicht näher definiert. Um den beanspruchten Gegenstand mit dem Stand der Technik vergleichen zu können, ist dieser Ausdruck unter Berücksichtigung der Beschreibung auszulegen. Gemäß Spalte 1, Zeilen 25-38, in Verbindung mit Spalte 3, Zeilen 2-5, ist mit dem Randbereich des Garniturstreifens die bei Verwendung von Clipsvorrichtungen an den Längskanten als Nutzfläche verloren gegangene Randzone gemeint. Der Verlust an Nutzfläche bei 32-35 mm breiten Garniturstreifen kann gemäß Spalte 1, Zeilen 30-33, wie auch gemäß den Angaben in D24 bis D27, etwa 10-13 mm betragen. Gemäß Spalte 3, Zeilen 18-21, wird die Breite eines nur mit Spitzen bestückten Randbereichs im Vergleich zu einem konventionellen Deckelstab mit bis zu 4 oder 5 mm angegeben. Die Ansprüche sind aber weder auf diese Breitenangaben beschränkt, noch kann davon ausgegangen werden, dass alle aus dem Stand der Technik bekannten Clipsvorrichtungen eine Zone dieser Breite unnutzbar machen. Den Angaben der Beschreibung kann allerdings entnommen werden, dass der Garniturstreifen möglichst nah an seine Längskante/n heran mit Spitzen besetzt sein soll. Dies ist nach Auffassung der Kammer dann erfüllt, wenn der Abstand zwischen der einer Längskante benachbarten Spitzenreihe und der Längskante nicht wesentlich grösser ist als der mittlere Abstand der Spitzenreihen über die Arbeitsbreite des Garniturstreifen betrachtet. Dieses Verhältnis kann schematischen Zeichnungen entnommen werden und schliesst im Sinne des Patents die aus den von der Beschwerdeführerin selbst vorgelegten Dokumenten D24 bis D27, und auch die aus den von der Beschwerdegegnerin entgegengehaltenen Dokumenten D23, Figuren 7 und 9, und D22, Figur 5, bekannten Anordnungen aus.
2.2 Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 ist nicht neu im Sinne von Artikel 54 (1) und (2) EPÜ, da die aus D17, Figuren 2 und 3, bekannte Vorrichtung alle Merkmale der beiden Ansprüche offenbart. Die Figuren 2 und 3 selbst unterscheiden sich lediglich in Hinsicht auf die Befestigung der Abdichtungsvorrichtung (26) am Deckelstab, weisen aber ansonsten die gleichen Merkmale auf (vgl. Spalte 2, Zeilen 57-64, und Spalte 3, Zeilen 39/40). Im einzelnen zeigen diese Figuren eine Garnitur (24) mit
- einer Basis und darin befestigten Spitzen, wobei
- beide der den Längskanten angrenzenden Randbereiche des Garniturstreifens mit Spitzen bestückt sind.
Diese Garnitur ebenso wie der Deckelstab (18), an dem sie befestigt ist, ist für die Anwendung in einer Wanderdeckelkarde geeignet, denn die Kardier- oder Deckelstäbe (18) weisen keine Merkmale auf, die sie für den Fachmann für einen solchen Gebrauch prinzipiell ungeeignet erscheinen lassen. Außerdem ist es dem Fachwissen zuzuordnen, dass solche Garniturstreifen flexibel sind.
2.3 Den Argumenten der Beschwerdeführerin, dass die Zeichnungen nur schematisch seien und dass die Befestigung des Garniturstreifens dem Fachwissen nach, wie durch D24 bis D27 dokumentiert, nur mit Clips erfolgen könne, kann die Kammer nicht folgen.
Zum Offenbarungsgehalt einer Druckschrift gehören neben der Beschreibung auch die Zeichnungen. Bei der Auslegung der Zeichnungen im Hinblick auf die Vorwegnahme des Merkmals "der den Längskanten angrenzenden Randbereiche mit Spitzen bestückt", wird der Fachmann den gesamten Offenbarungsgehalt der D17 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen berücksichtigen.
Die von der Beschwerdeführerin eingereichten Dokumente belegen zwar ihr Argument hinsichtlich des Fachwissens, stellen aber lediglich eine Auswahl der dem Fachmann vor dem Prioritätstag bekannten Möglichkeiten dar. So offenbart zum Beispiel D23, Spalte 4, Zeilen 47-49 die Befestigung des Garniturstreifens mittels eines Klebers auf der Garniturrückseite an einem als Clip ausgebildeten Element, welches an dem Deckelstab angebracht wird. Aus D18, Seite 5, vorletzte Zeile bis Seite 6, Zeile 6, ist die Verwendung eines aushärtenden Kunstharzes zur Befestigung eines Kratzenbeschlags direkt an einem Kardendeckel bekannt. Die Verwendung einer Klebefolie zwischen Garniturstreifen und Deckel ist aus D3, Seiten 5 und 6, bekannt. In den offenbarten Ausführungsformen sind entsprechend der oben ( 2.1.2) angegebenen Auslegung auch die "angrenzenden Randbereiche" sämtlicher dargestellter Kanten mit Spitzen bestückt.
Da dem Fachmann also vor dem Prioritätstag des Patents auch andere Befestigungsmöglichkeiten als die aus D24 bis D27 bekannt waren, wie z.B. Kleben, kann aus D17 in Zusammenhang mit dem Fachwissen nicht entnommen werden, dass der Garniturstreifen mittels eines Clips am Deckelstab befestigt sein muss. Vielmehr steht die Art der Befestigung des Dichtungsstreifens an der Längsseite des Deckelstabs in Figur 2, 3 und 4 der Annahme einer Befestigung der Basis des Garniturstreifens mittels eines Clips entlang der Längskante, wie aus D24 bis D27 bekannt, klar entgegen. Der Dichtungsstreifen soll nämlich auf den Deckelstab aufgeklebt oder mit einem Trägerprofil aufgeschraubt werden (D17, Spalte 3, Zeilen 31-34, 40-54). Dies ist nicht kombinierbar mit einem konventionellen Garniturstreifen-Clip, da letzterer dann entweder über den Dichtungsstreifen greifen müsste, was inkompatibel mit der Funktion des Dichtungsstreifens wäre, oder aber zwischen Dichtungsstreifen und Deckelstab angeordnet sein müsste, was wiederum mit der Befestigung des Dichtungsstreifens weder mittels Trägerprofil noch mittels einer Klebeschicht direkt am Deckelstab vereinbar ist.
Der Fachmann hat also trotz der schematischen Darstellung der Spitzen in diesen Figuren aufgrund der dargestellten Anordnung und Verteilung der Spitzen, sowie den dargestellten Abständen zwischen den Spitzenreihen und dem Abstand zu den Längskanten auch keinen Grund zu der Annahme, dass die den Längskanten angrenzenden Randbereiche nicht mit Spitzen bestückt sind. Er gelangt also bei der Ausführung der Lehre der D17 unter Anwendung seines allgemeinen Fachwissens zwangsläufig zu einem Deckelstab und zu einer flexiblen Garnitur, wie sie mit den Ansprüchen 1 und 2 beansprucht werden.
3. Hilfsantrag 1 - Zulässigkeit
Anspruch 1 des Hilfsantrags enthält die Kombination der Merkmale des ursprünglich erteilten unabhängigen Anspruchs 10 und des von ihm abhängigen Anspruchs 11.
3.1 Artikel 113 (1) EPÜ
Die Beschwerdegegnerin hat die Zulässigkeit des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsantrags 1 bestritten, da die vorgenommenen Änderungen zu einem so späten Zeitpunkt das Verfahren unerwartet in eine neue Richtung lenken würden, auf die sie nicht vorbereitet sein konnte. Wenn sie ohne die erforderliche zeitintensive Vorbereitung Stellung nehmen müsse, verletze das ihren Anspruch auf rechtliches Gehör.
Die Kammer kann der Argumentation der Beschwerdegegnerin nicht folgen. Der nun beanspruchte Gegenstand war bereits im erteilten Patent enthalten und auch Gegenstand des Einspruchsverfahrens, so dass sie nicht von der Änderung überrascht sein konnte.
3.2 Artikel 123 EPÜ
Der neue Anspruch wurde durch Kombination von zwei aufeinander rückbezogenen Ansprüchen gebildet. Die Kammer hat keinen Grund anzunehmen, dass das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfüllt ist. Durch die Aufnahme neuer Merkmale wird der Schutzbereich weiter eingeschränkt, so dass auch das Erfordernis des Artikels 123 (3) EPÜ erfüllt ist.
3.3 Artikel 84 EPÜ
Die am Anspruch vorgenommenen Änderungen erfüllen die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
Die Beschwerdegegnerin argumentierte, der Gegenstand des Anspruchs stehe im Widerspruch zur Beschreibung des Patents, insbesondere zu Absatz [0015], so dass ein Mangel an Klarheit vorläge. Da der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war und mangelnde Klarheit nicht unter den in Artikel 100 EPÜ genannten Einspruchsgründen aufgeführt ist, kann die Kammer diesem Einwand nicht folgen. Sollte der Anspruch dennoch unklar sein, so muss er sachdienlich ausgelegt werden.
Die Kammer sieht allerdings auch keinen Mangel an Klarheit in Form eines Widerspruchs zwischen dem Anspruchsgegenstand und der zitierten Passage der Beschreibung. In dieser Passage wird eine bevorzugte Ausführungsform des Merkmals aus Anspruch 1 "die Sohle durch Führungsnuten oder durch angewinkelte Seiten im Deckelstab formschlüssig mit dem Deckelstab befestigt ist" beschrieben. Dabei wird in der Beschreibung lediglich detaillierter angegeben, dass in einem Ausführungsbeispiel die Sohle mit schrägen Seitenwänden versehen ist, die mit den angewinkelten Seiten des Profils des Deckelstabs zusammenwirken. Da sich diese Ausführungsform dem Anspruch unterordnet, kann die Kammer, auch unter Berücksichtigung der Bezugszeichen, keinen Widerspruch erkennen.
4. Hilfsantrag 1 - Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
4.1 In D23 ist in Figur 9 in Verbindung mit Figur 3 ein Deckelstab (40) gezeigt, der folgende Merkmale aufweist :
- eine flexible Garnitur , wobei die flexible Garnitur eine Basis (64) mit darin befestigten Spitzen aufweist (Spalte 5, Zeilen 6-10),
- die Basis der flexiblen Garnitur weist eine Sohle (48''') auf zur Befestigung der flexiblen Garnitur am Deckelstab (40) auf.
4.2 In D23 ist die Sohle Teil eines Befestigungsmittels (44'''), welches auf den Deckelstab (42) aufgeclipst oder aufgeschoben wird, und dort durch Reibschluss gehalten wird (siehe Spalte 4, Zeilen 8-17: "fit... is close and frictional").
4.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von dem bekannten Deckelstab durch das Merkmal, dass die Sohle durch Führungsnuten oder durch angewinkelte Seiten im Deckelstab formschlüssig mit dem Deckelstab befestigt ist.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu (Artikel 54 (1) und (2) EPÜ).
5. Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
5.1 Das objektive technische Problem besteht darin, eine alternative Befestigungsmöglichkeit des Garniturstreifens am Deckelstab bereitzustellen.
5.2 Diese Aufgabe wird mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst. Das Merkmal, wonach die Sohle der Basis des Garniturstreifens insbesondere im Deckelstab formschlüssig befestigt wird (Unterstreichung hinzugefügt), ist aus dem vorliegenden Stand der Technik und aus dem Fachwissen nicht bekannt und wird auch nicht durch diese nahe gelegt.
In D27 wird in Figur 44b eine Befestigung des Garniturstreifens am Deckelstab mittels einer Klammer offenbart, wobei die Klammer durch ein Pressrad auf den Garniturstreifen aufgepresst wird. D30 zeigt die Befestigung des Garniturstreifens am Deckelstab mit Hilfe eines Metallbandes, wobei das Metallband an den Deckelstabenden verschraubt ist. Somit enthalten D27 und D30 keinen zielführenden Hinweis, der den Anspruchsgegenstand nahe legen könnte. Die übrigen Entgegenhaltungen liegen ferner als der oben behandelte Stand der Technik und können daher ebenfalls nicht zur beanspruchten Lösung führen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
5.3 Das Argument der Beschwerdegegnerin, wonach es sich bei dem beanspruchten Gegenstand lediglich um eine umgekehrte Anordnung der aus D23, Figur 9, bekannten Befestigungsmittel am Deckelstab mit gleicher Wirkung handle, ist nicht überzeugend. D23 selbst schlägt bereits unterschiedliche Befestigungsmittel für Garniturstreifen vor, die jedoch alle auf dem gleichen Befestigungsprinzip beruhen, wonach ein den Garniturstreifen tragender Clip (44, 44'', 44''') über einen Kraft- oder Reibschluss am Deckelstab befestigt ist (Spalte 4, Zeilen 8-17). D23 gibt keinen Hinweis auf eine umgekehrte Anordnung, bei der eine Sohle (48''') in entsprechenden Führungsnuten oder angewinkelte Seiten im Deckelstab befestigt ist. Darüber hinaus lässt sich dem Stand der Technik auch kein Hinweis entnehmen, der den Fachmann anregen könnte, den in D23 offenbarten Kraft- oder Reibschluss durch einen Formschluss zu ersetzen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Auflage das Europäische Patent aufrecht zu erhalten auf der Basis des Hilfsantrags 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 7. November 2006, mit
- einem Patentanspruch
- 4 Spalten Beschreibung,
- Zeichnungen: Figuren 1-4 wie erteilt und Figuren 5 und 6 wie eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 7. November 2006.