European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2008:T112805.20080506 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 06 Mai 2008 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1128/05 | ||||||||
Anmeldenummer: | 96939801.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61B 17/70 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung zur Verbindung eines Längsträgers mit einer Pedikelschraube | ||||||||
Name des Anmelders: | Synthes AG Chur | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Biedermann Motech GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit und erfinderische Tätigkeit (Ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Mit Entscheidung vom 22. Juli 2005 wies die Einspruchsabteilung den Einspruch gegen die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0951245 zurück.
In ihrer Begründung hielt sie den Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung für neu gegenüber der Druckschrift D1: DE-C-195 09 392 und für erfinderisch gegenüber D1 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen oder mit der Druckschrift D2: WO-A-94/00066.
II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) legte hiergegen mit Schreiben vom 30. August 2005 Beschwerde ein und entrichtete am selben Tag die Beschwerdegebühr. In ihrer am 30. November 2005 eingegangenen Beschwerdebegründung und ihrer späteren Antwort auf die Erwiderung der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) bestritt die Beschwerdeführerin weiterhin die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber den Druckschriften D1 und D2.
III. Am 6. Mai 2008 fand eine mündliche Verhandlung statt. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurden folgende Anträge gestellt:
Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0951245.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
IV. Anspruch 1 des Streitpatents (Hauptantrag) lautet:
"Vorrichtung zur Verbindung eines Längsträger (1) mit einer Pedikelschraube (2) innerhalb eines Wirbelsäulenfixationssystems, mit einem Aufnahmekopf (3) mit der Zentralachse (4) und einem quer zur Zentralachse (4) verlaufenden Kanal (5) zur Aufnahme des Längsträgers (1), einer nach oben geöffneten Aufnahme (33) für ein Spannmittel (10; 17) sowie einem nach unten geöffneten, sich konisch nach unten verjüngenden Hohlraum (6) mit der Zentralachse (4), in welchem koaxial gleitend eine Spannzange (7) mit der Zentralachse (4) untergebracht ist, weiche zur federnden Aufnahme des Kopfes (9) einer Pedikelschraube (2) ausgebildet ist, wobei der Hohlraum (6) in axialer Richtung nach oben in die Aufnahme (33) des Spannmittels (10) mündet
dadurch gekennzeichnet, dass
die Spannzange (7) durch das Spannmittel (10;17) entweder direkt oder indirekt axial nach unten drückbar und radial zusammenpressbar ist, und dass
die Spannzange (7) hohlkegelstumpfförmig ausgebildet ist und mit mindestens vier axial verlaufenden Schlitzen (8) versehen ist, von denen eine Anzahl in die Basisfläche (34) und eine andere Anzahl in die Deckfläche (35) der hohlkegelstumpfförmigen Spannzange (7) münden."
V. In der mündlichen Verhandlung brachten die Beteiligten im Wesentlichen Folgendes vor:
i) Beschwerdeführerin
Die Druckschrift D1 (s. Abb. 1 und 2) offenbare eine Vorrichtung, die alle Merkmale des Anspruchs 1, insbesondere eine Spannzange aufweise. Diese könne sowohl vom gesamten Element 20 als auch nur von dessen unteren Abschnitt 24 gebildet werden. In jedem Fall sei der untere Abschnitt hohlkegelstumpfförmig ausgebildet und mit axial verlaufenden Schlitzen 28 versehen, die in die untere Fläche (Deckfläche) 22 des konischen Abschnitts 24 mündeten. Zudem weise die obere Fläche des gesamten Elements 20 eine Ausnehmung 27 auf, die einem Schlitz im Sinne des Patents gleichgesetzt werden könne, d. h. einem Schlitz, der in die obere Fläche (Basisfläche) der Spannzange münde. Da die Ausführungsform gemäß Anspruch 9 von D1 axial verlaufende Schlitze 28 vorsehe, die sich nahezu über die gesamte Länge des zylinderförmigen Abschnitts 23 der Spannzange erstreckten, seien aber auch dann, wenn nur der untere Abschnitt 24 als Spannzange angesehen würde, in der Basisfläche, der Trennfläche zwischen den Elementen 23 und 24, mündende Schlitze vorhanden. Somit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der aus D1 bekannten Vorrichtung nicht neu.
Dass im Patent das Zwischenelement, auf das die vertikale Druckkraft ausgeübt werde, von der Spannzange 7 entkoppelt sei, unterscheide den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht von demjenigen aus D1, denn beansprucht werde weder das Zwischenelement noch der Anschlag, der die Verschiebung der Spannzange im sich konisch verjüngenden Hohlraum 6 begrenze.
Für den Fall, dass der Anspruch 1 gegenüber D1 als neu anerkannt werden sollte, gelte es festzuhalten, dass die in Figur 1 von D1 sichtbare Begrenzungslinie zwischen dem zylinderförmigen und dem konischen Abschnitt der Spannzange dem Fachmann die Möglichkeit nahelege, die Spannzange in zwei getrennten Teilen herzustellen und dann aus Gründen der Homogenität auch Schlitze anzubringen, die in die obere Basisfläche des konischen Abschnitts mündeten. Somit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber D1 unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens zumindest nicht erfinderisch.
Die Druckschrift D2 (s. Abb. 1 und 2) offenbare die Möglichkeit, Schlitze anzubringen, die abwechselnd in die Basisfläche und in die Deckfläche einer hohlen Spannzange mündeten, in der der kegelstumpfförmige Kopfteil einer Pedikelschraube sitze. Für den Fachmann sei es naheliegend, die Lehren der Druckschriften D1 und D2 zu kombinieren, wobei er ebenfalls ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelange.
ii) Beschwerdegegnerin
Die Druckschrift D1 offenbare keine hohlkegelstumpfförmige Spannzange im Sinne des Patents, sondern ausschließlich eine Spannzange, die aus einem konischen und einem zylinderförmigen Abschnitt bestehe. Außerdem gebe es keinen Schlitz, der in die obere Fläche dieser Spannzange münde. Die obere Ausnehmung 27 diene nicht dazu, die Spannzange elastisch zu verformen, um das Einklinken des Schraubenkopfes von unten her zu ermöglichen, sondern dazu, den Längsträger 15 aufzunehmen, der mit der Schraube verbunden werden solle. Aus Anspruch 9 von D1 gehe hervor, dass sich die Schlitze in den zylinderförmigen Abschnitt der Spannzange erstreckten, aber nicht in die obere Fläche dieser Spannzange. Selbst wenn die imaginäre Trennfläche zwischen den Elementen 23 und 24 als obere Fläche der Spannzange angesehen würde, würden die Schlitze nicht abwechselnd in die beiden entgegengesetzten Flächen münden. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei daher gegenüber D1 neu.
Der Fachmann habe auch keinen Anlass gehabt, den Gegenstand von D1 so zu verändern, um zu demjenigen des strittigen Anspruchs 1 zu gelangen, denn Aufbau und Anordnung der jeweiligen Bestandteile seien völlig unterschiedlich. Die Erfindung ermögliche das Einklinken des Schraubenkopfes in den Aufnahmekopf 3, nachdem die Pedikelschraube dem Patienten implantiert worden sei; D1 hingegen nicht. In D1 müsse der Schraubenkopf zuerst in die Spannzange eingeklinkt und dieser Aufbau in den Aufnahmekopf 5 montiert werden, bevor die Schraube dem Patienten implantiert werde. Um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen, müsste man also die gesamte Konzeption der Vorrichtung aus D1 überarbeiten, d. h. eine Spannzange 20 aus zwei Teilen herstellen und Schlitze anbringen, die in die entgegengesetzten Flächen des konischen Teils mündeten. Hierfür biete D1 keinerlei Anregung.
Die Druckschrift D2 offenbare eine konische Verbindung zwischen einer Pedikelschraube und einem Verankerungselement. Der konische Teil und der kugelförmige Teil seien jedoch gegenüber dem Gegenstand des Patents umgekehrt angeordnet. Es seien zwar Schlitze angebracht, die in beide Flächen des kugelschichtförmigen Teils mündeten, doch werde dieses Teil ausgedehnt und nicht zusammengedrückt. Selbst wenn man die Druckschriften D1 und D2 kombinierte, würde man deshalb nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen. Somit sei der Gegenstand dieses Anspruchs gegenüber dem Stand der Technik erfinderisch.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Neuheit
Die Druckschrift D1 stellt den nächsten Stand der Technik dar. In den Worten des strittigen Anspruchs 1 offenbart sie (s.Figuren 1 bis 3) eine Vorrichtung zur Verbindung eines Längsträgers 15 mit einer Pedikelschraube 1 innerhalb eines Wirbelsäulenfixationssystems, mit einem Aufnahmekopf 5 mit der Zentralachse 8 und einem quer zur Zentralachse 4 verlaufenden Kanal 10 zur Aufnahme des Längsträgers, einer nach oben geöffneten Aufnahme 9 für ein Spannmittel 45 sowie einem nach unten geöffneten, sich konisch nach unten verjüngenden Hohlraum 16 mit der Zentralachse 8, in welchem koaxial gleitend eine Spannzange 20/24 mit der Zentralachse 8 untergebracht ist, welche zur federnden Aufnahme des Kopfes 3 einer Pedikelschraube 1 ausgebildet ist, wobei der Hohlraum 16 in axialer Richtung nach oben in die Aufnahme 9 mündet.
Der Oberbegriff des Patentanspruchs 1 ist also aus D1 bekannt.
Weiter offenbart D1 die folgenden Merkmale des kennzeichnenden Teils:
- die Spannzange (Druckelement 20 oder nur dessen unterer Teil 24) ist durch das Spannmittel (Mutter 45) axial nach unten drückbar und radial zusammenpressbar. Wie im Patent werden diese Wirkungen durch die einander entsprechenden und ergänzenden Kegelformen des Bereichs 16 des Aufnahmekopfs 5 und des Abschnitts 24 der Spannzange 20 erreicht (s. Spalte 3, Zeilen 48 - 65).
- die Spannzange (wenigstens ein Teil, falls sie vom gesamten Druckelement 20 gebildet wird) ist hohlkegelstumpfförmig ausgebildet und mit mindestens vier axial verlaufenden Schlitzen 28 versehen, die in die Deckfläche 22 der hohlkegelstumpfförmigen Spannzange 20 münden (s. Spalte 2, Zeilen 40 - 44). Wie im Patent ermöglichen die in der Spannzange 20 angebrachten Schlitze 28 eine gewisse elastische Verformung dieser Spannzange beim Einklinken des Schraubenkopfes 3 in die Spannzange (s. Spalte 3, Zeilen 17 - 25).
Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin ist die Ausnehmung 27 jedoch kein Schlitz im Sinne des Patents. Zum einen kann sie schon auf Grund ihrer Form nicht als Schlitz angesehen werden und zum anderen spielt sie keinerlei Rolle für die Dehnbarkeit des kegelstumpfförmigen Abschnitts der Spannzange, der für das Einklinken des Schraubenkopfes in den entsprechenden Hohlraum vorgesehen ist. Im Übrigen befindet sich diese Ausnehmung weit oberhalb des Kopfes 3 und dient ausschließlich zur Aufnahme des Längsträgers 15.
In der Ausführungsform gemäß Anspruch 9 von D1 ist vorgesehen, zwei einander gegenüberliegende Schlitze auf nahezu die gesamte Länge des zylinderförmigen Abschnitts 23 der Spannzange 20 zu verlängern. Da diese Schlitze nicht bis zur Basisfläche der Spannzange reichen, sind es nach wie vor Schlitze, die in die Deckfläche 22 des konischen Abschnitts 24 der Spannzange münden. Wenn man nur den Kegelstumpf 24 als Spannzange ansieht, würden diese Schlitze 28 das konische Teil 24 komplett durchtrennen und alle zugleich in dessen Basisfläche und Deckfläche münden.
Daraus folgt, dass das beanspruchte Merkmal, wonach "eine Anzahl (von den Schlitzen) in die Basisfläche und eine andere Anzahl in die Deckfläche der hohlkegelstumpfförmigen Spannzange münden", nicht in D1 offenbart wird. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit gegenüber dieser Druckschrift neu.
3. Erfinderische Tätigkeit
Von den im Patent genannten Vorteilen der Erfindung (Abs. [6]) kann das mögliche nachträgliche Aufklicken des Aufnahmekopfes 3 auf den Kopf 9 der Pedikelschraube als technische Aufgabe angesehen werden, die durch das vorstehend genannte Unterscheidungsmerkmal gegenüber D1 gelöst wird. Die Aufnahme des Schraubenkopfes in die Spannzange wird durch deren Dehnbarkeit und insbesondere durch Schlitze, die zum Teil in deren Deckfläche und zum Teil in deren Basisfläche münden, erleichtert.
Um von D1 ausgehend zu dieser Lösung der Aufgabe zu gelangen, müsste das Element 20 zunächst so geteilt werden, dass dessen Unterteil 24 ein separates Teil bildet. So dann müssten auch noch die Länge und die Verteilung der Schlitze auf die beiden Flächen des so erhaltenen konischen Teils erfindungsgemäß geändert werden. Ein solches Vorgehen kann aber nicht als naheliegend angesehen werden. Schon für das Trennen des konischen Teils 24 vom Element 20 gibt es keine Anregung. Die in Abb. 1 sichtbare durchgezogene Linie zeigt nur, wie in technischen Zeichnungen üblich, eine Änderung der Neigung zwischen dem zylinderförmigen und dem konischen Abschnitt an, aber legt dem Fachmann nicht nahe, die Spannzange 20 in zwei Teile zu trennen.
Aber selbst wenn er eine solche Trennung vornehmen würde, hätte er keinen Hinweis darauf, in dem Teil 24 derartige Schlitze vorzusehen, wie sie in Anspruch 1 definiert sind.
Die Druckschrift D2 offenbart (Abb. 1 und 2) ein Verankerungselement einer Pedikelschraube, deren konisches Ende in eine entsprechende Bohrung eines wulstförmigen Teils gesteckt wird, das mit Schlitzen versehen ist, die abwechselnd in dessen Basis- und dessen Deckfläche münden, um seine radiale Ausdehnung zu erleichtern, damit das Verankerungselement arretiert werden kann.
Auch wenn somit aus D2 das Vorsehen von Schlitzen, die in die entgegengesetzten Flächen eines dehnbaren Teils münden, an sich bekannt ist, kann diese Ausgestaltung nicht direkt auf D1 angewendet werden. Dies gilt schon deshalb, weil D2 keinerlei Anregung dazu gibt, eine Spannzange mit derartigen Schlitzen zu versehen, um ein nachträgliches Aufklicken des Aufnahmekopfes einer Pedikelschraube zu ermöglichen. Zudem wären zu viele Änderungen notwendig, um das Klemmelement der D2 and die Vorrichtung nach D1 anzupassen, um zur beanspruchten Lösung zu gelangen. Dies beruht darauf, dass D2 eine mechanische Umkehrung des konischen und des wulstförmigen Teils offenbart, sodass eine einfache Übertragung dieser Lösung in die Vorrichtung aus D1 nicht denkbar wäre, denn die Spannzange aus D2 dehnt sich gegenüber dem äußeren Verankerungselement aus, während die Spannzange des Patents nach innen drückt, um den Kopf der Pedikelschraube zu fixieren und zu arretieren. Die Druckschriften D1 und D2 sind demnach zu wenig kompatibel, um die beanspruchten Lösung nahe zu legen.
Daraus folgt, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 dem Stand der Technik nicht in naheliegender Weise entnehmen lässt und folglich auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht. Dies gilt auch für die von Anspruch 1 abhängigen Ansprüche.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.