European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2006:T111205.20061123 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 23 November 2006 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1112/05 | ||||||||
Anmeldenummer: | 96909144.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | B23B 51/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Schneidwerkzeug | ||||||||
Name des Anmelders: | Gühring, Jörg, Dr. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Hartmetallwerkzeugfabrik Andreas Maier GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit der ihr Einspruch zurückgewiesen wurde. Die Einspruchsabteilung kam zum Ergebnis, dass die Kombination der alternativen Konzepte zur Erzeugung schmaler Späne, die in den vom selben Anmelder stammenden Entgegenhaltungen mit gleichem Anmeldetag
D2: DE-A-37 30 378 und
D6: DE-A-37 30 377
beschrieben seien, für den Fachmann nicht naheliegend sei.
II. Der Einspruch richtete sich gegen das Patent im gesamten Umfang und stützte sich auf den in Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ genannten Einspruchsgrund.
III. Anspruch 1 des Patents hat folgenden Wortlaut:
"1. Schneidwerkzeug, insbesondere Bohrer, Fräser, Gewindebohrer, Reibahle, Senker, mit einem Schaft und einem Schneidteil (1), an dem zumindest eine Schneide (8, 9; 28) zur zerspanenden Bearbeitung eines Werkstückes (30) vorgesehen ist, wobei das Schneidteil mit einer Gleitschicht (20) geringerer Härte als eine Grundschicht (26) oder ein Grundkörper (20) des Schneidteiles beschichtet ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Hauptschneide (8, 9) wellenförmig ausgebildet ist, indem in einer Freifläche (10) des Schneidwerkzeuges (2) und in einer Spannut (4, 5) eine Vielzahl von nebeneinanderliegenden, rillenförmigen Ausnehmungen (14) bzw. Rillen (18) ausgebildet sind."
IV. Für das Beschwerdeverfahren sind folgende weitere Entgegenhaltungen des Einspruchsverfahrens relevant:
D1: DD-PS-202 898;
D4: DE-OS-2 357 134.
V. In der im Anhang der Ladung zur mündlichen Verhandlung versandten Mitteilung forderte die Kammer die Parteien u. a. auf, darzulegen, ob es für den Fachmann naheliegend gewesen wäre, ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik, der anscheinend durch D2 gegeben sei, die aus D6 bekannten Merkmale des Anspruchs auch bei einem Schneidwerkzeug nach D2 anzuwenden.
VI. Am 23. November 2006 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
VII. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
VIII. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
- Die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 seien aus D1 bzw. D4 bekannt.
- Die Merkmale im Kennzeichen des Anspruchs 1 beeinflussten die Funktion der im Oberbegriff definierten Gleitschicht nicht, sondern wirkten sich direkt auf die Spanbildung, den Spanbruch und den Spanabtransport aus.
- D2 und D6 offenbarten wellenförmige Hauptschneiden, die zur Erzeugung eines strukturierten Spans dienten. Der Ausdruck "wellenförmig" im Anspruch 1 erlaube keine Unterscheidung zwischen den Ausbildungen der Hauptschneiden gemäß dem Stand der Technik und dem Patent. Zum Beispiel zeige die Figur 2 von D6 in der Variante Id eine wellenförmige Hauptschneide wie sie auch im Patent offenbart sei.
- Mit den aus D2 und D6 bekannten wellenförmigen Ausgestaltungen der Hauptschneiden würden, wie auch im Patent beabsichtigt, die Entstehung von Wickel- oder Fließspänen vermieden und der Spanabfluss erleichtert, wodurch sich Leistung und Standzeit des Werkzeugs steigern ließen. In D2 seien die Spannuten mit Rillen versehen, die sich bis in die Hauptschneiden fortsetzten, die Hauptfreiflächen seien der einfacheren Nachschleifbarkeit wegen aber glatt ausgebildet. In D6 dagegen enthielten nur die Hauptfreiflächen Rillen, die sich bis in die Hauptschneiden fortsetzten und die, unabhängig davon ob dies explizit offenbart sei oder nicht, zu einer Verbesserung der Kühlmittelzufuhr führten. Durch die beanspruchte gleichzeitige Ausbildung von Rillen in der Freifläche und der Spannut ergäbe sich keine besondere kombinatorische, sondern nur die jeweilige erwartungsgemäße Wirkung, so dass die Kombination beider Maßnahmen naheliegend sei und der Gegenstand des Anspruchs 1 daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
- Aufgrund der fehlenden Wechselwirkung der Merkmale "Gleitschicht" und "wellenförmige Hauptschneide mit Rillen in Spannut und Freifläche" würde der Fachmann auch ausgehend von einem Bohrer nach D2 oder D6, gegebenenfalls mit entsprechender Beschichtung, mit dem Ziel die Leistung und Standzeit des Bohrers noch weiter zu verbessern, ohne weiteres zusätzlich auf die Maßnahmen der jeweils anderen Entgegenhaltung (D6 oder D2) zurückgreifen, um den gewünschten Bohrer herzustellen (Beschwerdebegründung, Absatz V.).
IX. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:
- Anspruch 1 definiere eine neue Hauptschneide, die wellenförmig durchgehend sei, und dadurch zur Bildung eines stabileren, steiferen Spans führe. Dieser Span werde in den Rillen der Spannut gebrochen und lasse sich durch die Gleitschicht besser ableiten. Die Rillen in der Freifläche führten ebenfalls zu verbesserter Spanbildung und zu zuverlässigerer Zufuhr von Kühlmittel an die Schneide, so dass sich eine mehrfache kombinatorische Wirkung aller Anspruchsmerkmale ergäbe.
- Mit den aus D2 und D6 bekannten Ausbildungen der Hauptschneiden sei dagegen eine andere Form der Spanbildung beabsichtigt, bei der es darauf ankäme, die Späne in schmale Spanstreifen zu unterteilen (D2, Spalte 3, Zeilen 27-34), was insbesondere durch die Trapez-Profile der Hauptschneiden erreicht würde. Alternativ zu diesen Trapez-Profilen seien zwar in D2 und D6 auch wellenförmige Hauptschneiden offenbart. Für den Fachmann sei jedoch kein Hinweis dahingehend zu entnehmen, welche Profile der Hauptschneiden aus D2 und D6 miteinander zu kombinieren wären, wenn er die Art der Spanbrechung beibehalten wollte. Er erhielte insbesondere keinen Hinweis, Rillen in den Spannuten und Freiflächen derart auszubilden, dass die Hauptschneide wellenförmig würde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ
2.1 Die Erfindung geht von der Entgegenhaltung D1 aus, die den nächstliegenden Stand der Technik darstellt (Patentschrift, Absatz [0008]). Sie offenbart ein Schneidwerkzeug mit den Merkmalen aus dem Oberbegriff des Anspruchs 1, insbesondere das Merkmal, wonach das Schneidteil mit einer Gleitschicht geringerer Härte als eine Grundschicht beschichtet ist.
Im Oberbegriff des Anspruchs ist alternativ definiert, dass das Schneidteil mit einer Gleitschicht geringerer Härte als ein Grundkörper des Schneidteiles beschichtet ist. Für diese Alternative ist der nächstliegende Stand der Technik D4.
2.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich vom nächstliegenden Stand der Technik durch die Merkmale im kennzeichnenden Teil (siehe oben, Nummer III).
2.3 Der Ausdruck im kennzeichnenden Teil "wellenförmig" ist nicht näher definiert und muss daher zunächst im Lichte der Beschreibung ausgelegt werden. In Spalte 5, Zeilen 22-25 wird offenbart, dass die Rillen oder Ausnehmungen einen wellenförmigen oder U-förmigen Querschnitt haben. In Spalte 8, Zeilen 22-25 wird offenbart, dass die Rillen und Ausnehmungen Radien bestimmter Dimensionen aufweisen. Im Zusammenhang mit den Figuren 1 und 2, die ebenfalls nur gerundete Rillen oder Ausnehmungen erkennen lassen, folgt, dass der Ausdruck "wellenförmig" so verstanden werden muss, dass er Profile mit einer Vielzahl von Rillen umfasst, deren Täler ausschließlich durch gerundete Flächen ausgebildet sind. Diese Auslegung des Ausdrucks "wellenförmig" steht auch im Einklang mit der Bezeichnung der aus dem Stand der Technik bekannten Profile. So werden in D2 oder D6 den wellenförmigen Profilen trapezförmige Profile gegenübergestellt, wobei letztere ebene Rillenböden und ebene Seitenwände aufweisen, die durch ihre Verschneidung Ecken bilden (z. B. D2, Figuren 1 bis 5 und Figuren 6 und 8, jeweils im Zusammenhang mit den entsprechenden Passagen der Beschreibung).
2.4 Ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik ist die Aufgabe formuliert, das Schneidwerkzeug gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 dahingehend weiterzubilden, dass bei einfachem Aufbau eine weiter verbesserte Standzeit bei höherer Schnittgeschwindigkeit bzw. bei reduzierter Kühlmittelzufuhr erzielbar ist (Patentschrift, Absatz [0011]).
2.5 Diese Aufgabe wird durch die Kombination der Merkmale des Anspruchs 1 gelöst.
2.6 Die beiden Entgegenhaltungen D1 und D4 selbst geben dem Fachmann keinen Hinweis, die Hauptschneiden der in ihnen offenbarten Schneidwerkzeuge wellenförmig auszubilden.
2.7 D2 offenbart Schneidwerkzeuge, die so ausgebildet sind, dass sie den Schneidvorgang optimieren und die thermische Belastung des Werkzeugs durch Kontaktwärme und Reibung durch den abfließenden Span reduzieren und dadurch die Leistung und Standzeit des Werkzeuges steigern und die Oberflächenqualität der Werkstücksfläche verbessern (Spalte 2, Zeile 68 bis Spalte 3, Zeile 10). Hierzu wird die Spannut mindestens auf einem Teil ihrer Wandung wellenartig mit zu ihr längslaufenden, bis in die Schneide hinein durchgeführten Leitrillen und längs diesen verlaufenden Leitrippen versehen, wodurch der Spanfluss vergleichmäßigt, die Kontaktfläche zwischen Span und Werkzeug und damit seine Aufheizung vermindert und die Bildung von Wickelspänen vermieden wird (Spalte 3, Zeilen 11-40). Den bevorzugten Ausführungsformen entsprechend kann das wellenartige Profil der Rillen und Arbeitsschneiden trapezförmig (z. B. Figuren 1 bis 5,7) oder wellenförmig (z. B. Figuren 6, 8 bis 10) sein, oder die Rillen können einen gewölbten Rinnenboden, auch in Form eines Korbbogens, aufweisen (Figur 11). Keinem der drei Profile für die Arbeitsschneiden und Rillen werden besondere Vorteile zugewiesen, die es für eine offensichtliche Auswahl durch den Fachmann in den Vordergrund rücken würde. Zwar sollten gemäß dem allgemeinen Teil der Beschreibung hinsichtlich einer besseren Gleichförmigkeit der Führung des Werkzeugs kontinuierlich verlaufende, wellenförmige Begrenzungen der Spannutwandung bevorzugt sein (Spalte 3, Zeile 66 bis Spalte 4, Zeile 3), was aber angesichts des gesamten Offenbarungsgehalts von D2 nicht bedeutet, dass den wellenförmigen Ausgestaltungen klar der Vorzug zu geben ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass in Spalte 4, Zeilen 1-3, sogleich Nachteile des wellenförmigen Profils erwähnt werden (vergrößerte Reibung im Vergleich zur kantigen Trapezform). Außerdem sind in der detaillierten Beschreibung der Ausführungsformen die trapezförmigen und wellenförmigen Profile gleichwertig nebeneinander gestellt, wobei für die trapezförmigen Profile herausgestellt wird, dass sie die Bildung schmaler Späne bewirken (Spalte 5, Zeilen 33-41), was den Spanbruch bei langspanenden Materialien fördert und damit ihren Abtransport erleichtert (Spalte 3, Zeilen 27-37).
2.8 D6 offenbart Schneidwerkzeuge, deren Arbeitsschneiden und angrenzende Freiflächen mit eingeformten Spanbrechernuten versehen sind. Mit dieser Schneidengeometrie wird der Aufbau von Torsionsschwingungen an den Werkzeugen verringert, wodurch sich die Standzeit erhöht. Die durch die profilierten Arbeitsschneiden des Werkzeugs geschaffenen schmalen Späne sind so geformt, dass der Abtransport mit Hilfe einer Absaugvorrichtung erleichtert wird (Spalte 2, Zeile 40 bis Spalte 3, Zeile 3). Die Spanbrechernuten können jede beliebige Form haben (Spalte 3, Zeilen 47 bis 50), wobei in der Beschreibung der Ausführungsformen insbesondere trapezförmige oder wellenförmige Arbeitsschneiden und Nuten offenbart sind, ohne dass sich für eins der Profile eine besondere Bevorzugung ableiten ließe.
2.9 Um ausgehend von D1 (oder D4) zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen, müsste der Fachmann eine zweifache Auswahl aus den in D2 und D6 offenbarten Profilformen treffen. Keine dieser beiden Entgegenhaltungen alleine oder in Kombination, bzw. in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen gibt dem Fachmann einen Hinweis, eine wellenförmige Hauptschneide auszubilden, indem eine Vielzahl von nebeneinanderliegenden, rillenförmigen Ausnehmungen bzw. Rillen in der Spannut und der Freifläche des aus D1 (oder D4) bekannten Schneidwerkzeugs ausgebildet sind.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher ausgehend von D1 (oder D4) durch die Kombination mit D2 und D6 nicht nahe gelegt.
2.10 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass es mangels einer kombinatorischen Wirkung insbesondere der Merkmale des Kennzeichens des Anspruchs 1 naheliegend wäre, zur Verstärkung der erzielten Wirkungen der Rillen in der Spannut oder Freifläche, die jeweils andere Fläche auch mit Rillen zu versehen. Die Kammer kann diesem Argument nicht folgen, da D2 und D6, neben den schon erwähnten alternativen Profilformen, auch andere Merkmale offenbaren, die zu einer weiteren Verbesserung oder Verstärkung der erreichten Wirkungen geeignet sind (D2: Kombination verschiedener Profile an einem Werkzeug, wellenförmige Ausbildung der Rillen in Längsrichtung; D6: Variation der Wellenlänge/Amplitude/Orientierung der Nuten), so dass der Fachmann mangels eines zielführenden Hinweises auf die wellenförmige Ausbildung der Rillen, nicht in naheliegender Weise zur beanspruchten Merkmalskombination gelangt.
2.11 Die Kammer kann darüberhinaus auch keinen Fehler in der Entscheidung der Einspruchsabteilung zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 erkennen, in der von D2 als nächstliegendem Stand der Technik ausgegangen wurde. Ein entsprechender von der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung verfolgter Einwand führt aus den obigen unter Ziffer 2.10 genannten Gründen nicht zum Erfolg.
2.12 Der übrige im Einspruchsverfahren zitierte Stand der Technik gibt ebenfalls keinen Hinweis auf die dem Patent zu Grunde liegende Aufgabe und ihre Lösung, so dass die Erfindung nicht nahe gelegt ist. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht damit auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde zurückgewiesen.