T 1101/05 () of 22.11.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T110105.20071122
Datum der Entscheidung: 22 November 2007
Aktenzeichen: T 1101/05
Anmeldenummer: 03019142.3
IPC-Klasse: B22D 17/14
B22D 17/32
B22D 17/20
B29C 45/34
B29C 45/63
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vakuum Druck- oder Spritzgiessmaschine
Name des Anmelders: Fondarex S.A.
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 116
European Patent Convention 1973 R 86(3)
European Patent Convention 1973 R 67
Schlagwörter: Ermessen der Prüfungsabteilung hinsichtlich der Zulässigkeit eines Hilfsantrags in angemessener Weise ausgeübt (bejaht)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 03019142.3 betrifft eine Druck- oder Spritzgießmaschine und insbesondere ein Füllsystem zum Bestimmen der Befüllung des Formhohlraums und der Füllbuchse bzw. des Extruderschneckengehäuses.

II. Die Prüfungsabteilung ist zum Ergebnis gekommen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu bzw. nicht erfinderisch sei. Sie war auch der Auffassung, dass die Anmeldung die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht erfülle, weil Anspruch 1 nicht klar sei. Sie hat daher mit der am 25. April 2005 zur Post gegebenen Entscheidung die Patentanmeldung zurückgewiesen.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (die Anmelderin) am 11. Juni 2005 Beschwerde mit Begründung eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet.

Die Kammer hat in einer Mitteilung vom 2. Juli 2007 unter anderen zur Neuheit, erfinderischen Tätigkeit und Klarheit eine vorläufige Stellungnahme abgegeben. Am 22. November 2007 fand eine mündliche Verhandlung statt, während der die Beschwerdeführerin einen Satz geänderter Ansprüche eingereicht hat.

IV. Anspruch 1 hat den folgenden Wortlaut:

"1. Druck- oder Spritzgiessmaschine zum Vergiessen eines Schmelzenmateriales mit

- einem auf das Schmelzenmaterial einen Druck ausübenden Organ, wie einem Giesskolben (11) oder einer Extruderschnecke, der bzw. die in einer Füllbüchse oder einem Extruderschneckengehäuse (9) verschiebbar ist, um das eingefüllte Schmelzenmaterial in einen Formhohlraum (7) einzupressen,

- sowie mit einer Entlüftungsvorrichtung, die mindestens ein mit dem Formhohlraum (7) einer Giessform (3,4) in Verbindung stehendes, und ein aus einer mit einer Vakuumquelle (in 14) verbindenden Offenstellung in eine Geschlossenstellung bringbares Ventil (17) aufweist, welche Stellungen über einen dem Ventil (17) vorgeschalteten Materialsensor (18, 18') steuerbar sind, welcher über eine Ausgangsleitung (19) ein Schliesssignal an das Ventil (17; 17') abgibt, und der auch mit einer einen weiteren Teil (8,11; 22) - ausser dem Ventil (17) - steuernden Steuereinrichtung (14) über eine Steuerverbindung (19, 20) verbunden ist,

dadurch gekennzeichnet,

(a) dass ein Füllsystem (22) zum Bestimmen der Befüllung der Füllbüchse oder des Extruderschneckengehäuses (9) vorgesehen ist, und

(b) dass dieses Füllsystem (22) mit der das Signal des Materialsensors (18, 18') erhaltenden Steuereinrichtung (14) so verbunden ist, dass es auf Grund dieses Signals die Befüllung der Füllbuchse oder des Extruderschneckengehäuses (9) korrigiert."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 betreffen bevorzugte Ausführungsformen der in Anspruch 1 definierten Druck- oder Spritzgießmaschine.

V. Stand der Technik

Die folgenden Druckschriften sind in der Entscheidung zitiert:

D1: JP-A-2003 001396

D2: EP-A-0 937 524

D3: DE-A-4 216 773

D4: DE-A-10 144 945

D5: DE-A-28 18 442

D6: DE-A-19 508 867

VI. Vorbringen der Beschwerdeführerin

a) Patentfähigkeit des Gegenstandes gemäß Anspruch 1

Die Beschwerdeführerin führte aus, dass im Unterschied zu den Vorrichtungen der oben genannten Druckschriften das Signal des nahe dem Vakuumventil gelegenen Sensors nach der vorliegenden Erfindung benutzt werde, um das Formfüllsystem zu steuern. Die objektive Aufgabe sei es, Dosierfehler bei der Befüllung des Formhohlraums zu vermeiden. Die Lösung dieser Aufgabe sei nach der Erfindung, das Signal des Sensors sowohl als Korrektursignal für die Dosierung der Füllbuchse als auch für die Steuerung des Vakuumventils zu verwenden. Da diese Lösung nicht dem zitierten Stand der Technik zu entnehmen sei, sei der Gegenstand des Anspruchs 1 als erfinderisch anzusehen.

b) Rückzahlung der Beschwerdegebühr

Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass eine Verhandlung im Sinne von Artikel 116 EPÜ nur sinnvoll sei, wenn verhandelt werde. Da die Prüfungsabteilung während der mündlichen Verhandlung nicht bereit gewesen sei, zu "verhandeln" und einen Hilfsantrag nicht zugelassen habe, sei die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen. Hätte man während der Verhandlung das Für und Wider im Vergleich mit dem Stand der Technik besprechen können, dann wäre man zu einem gewährbaren Anspruch gelangt, sodass die Beschwerde nicht nötig gewesen wäre.

VII. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte,

(i) die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben;

(ii) ein Patent auf der Grundlage des in der Verhandlung vorgelegten Hauptantrags zu erteilen, und

(iii) die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Anspruchssatz enthielt einen unabhängigen Anspruch, der zwei mit "und/oder" verknüpfte Alternativen enthielt. Das Signal des Materialssensors wird außer dem Entlüftungsventil einer Steuereinrichtung zugeführt, die bei der ersten Alternative über ein einen Nachdruck zum Nachfüllen des Schmelzmaterials in den Formhohlraum ausübendes Organ die Füllung des Formhohlraums und bei der zweiten Alternative über ein Füllsystem die Befüllung der Füllbuchse bzw. des Extruderschneckengehäuses korrigiert. Die Prüfungsabteilung war der Meinung, dass der Gegenstand der ersten Alternative nicht neu, erfinderisch und klar ist, und hat aus diesen Gründen die Anmeldung zurückgewiesen. Zur weiten Alternative hat sie nicht Stellung genommen, was für die Entscheidung auch nicht erforderlich war.

Der von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgelegte neue Anspruch 1 ist nur auf die zweite Alternative gerichtet. Da diese Alternative noch nicht Gegenstand der Prüfung durch die Prüfungsabteilung war und sich von der ersten Alternative erheblich unterscheidet, macht die Kammer von ihrer Kompetenz nach Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch und verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung über die Patentfähigkeit dieses Anspruchs an die Prüfungsabteilung zurück.

3. Rückzahlung der Beschwerdegebühr

Die Beschwerdeführerin trägt vor, dass eine Verhandlung im Sinne von Artikel 116 EPÜ nur sinnvoll sei, wenn "verhandelt" werde. Sie argumentiert, hätte man während der Verhandlung das Für und Wider der Erfindung im Vergleich mit dem Stand der Technik im Hinblick auf mögliche Anspruchsfassungen besprechen können, dann wäre die Beschwerde nicht nötig gewesen. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr sei daher gerechtfertigt.

Artikel 116 (1) EPÜ garantiert jedem Anmelder das Recht auf eine mündliche Verhandlung ("oral proceedings" auf englisch und "procédure orale" auf französisch), damit sie ihre Sache vor der Prüfungsabteilung mündlich vortragen kann, wenn sie der Ansicht ist, ihre Sache besser mündlich als schriftlich vortragen zu können. Der Zweck einer mündlichen Verhandlung liegt jedoch nicht darin, mit der Prüfungsabteilung zu "verhandeln" im Sinne einer gemeinsamen Erarbeitung eventuell gewährbarer Ansprüche. Die Vorlage von einem Erteilungsantrag zugrundeliegenden Ansprüchen ist grundsätzlich Aufgabe des Anmelders.

Gemäß Regel 86(3) letzter Satz EPÜ (1973) kann eine europäische Patentanmeldung nach der Erwiderung auf den ersten Bescheid der Prüfungsabteilung nur noch mit deren Zustimmung geändert werden. Der Prüfungsabteilung wird daher insoweit ein Ermessen eingeräumt. Die Entscheidung, den Hilfsantrag nicht zuzulassen, ist begründet (siehe Seite 3, Absatz 1 der Entscheidungsgründe) und die Kammer kann nicht erkennen, dass die Prüfungsabteilung ihr Ermessen nicht in angemessener Weise ausgeübt hat.

Die Entscheidung über die Zulässigkeit des Hilfsantrag erging damit nicht aufgrund eines Verfahrensfehlers, so dass kein Anlass für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ (1973) besteht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage des in der Verhandlung vorgelegten Hauptantrags zurückverwiesen.

3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

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