T 1062/05 (Silizierung/ECM) of 14.11.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T106205.20071114
Datum der Entscheidung: 14 November 2007
Aktenzeichen: T 1062/05
Anmeldenummer: 99117815.3
IPC-Klasse: C04B 35/573
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung silizierter Formkörper
Name des Anmelders: ECM Ingenieur-Unternehmen für Energie und Umwelttechnik GmbH
Name des Einsprechenden: SGL CARBON AG
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit: Nein (alle Anträge)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent Nr.0 995 730 zu widerrufen.

II. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens wurde unter anderem folgender Stand der Technik genannt:

E1: GB 2 043 111 A

E3: US 4 477 493 A

E4: DE 44 18 945 A1

Seitens der Einsprechenden war unter anderem mangelnde Neuheit im Hinblick auf sowohl E1 als auch E4 geltend gemacht worden. In der angefochtenen Entscheidung gelangte die Einspruchsabteilung bezüglich der geänderten Ansprüche gemäß dem in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2005 vorgelegten Antrag zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 im Hinblick auf E1 nicht neu sei.

III. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) reichte mit ihrer Beschwerdebegründung vom 5. Oktober 2005 zwei geänderte Anspruchssätze als Haupt- bzw. Hilfsantrag 1 ein und vertrat die Auffassung, dass die beanspruchten Verfahren im Hinblick auf den in der angefochtenen Entscheidung genannten Stand der Technik neu und erfinderisch seien. Insbesondere offenbare E1 nicht die Bildung poröser Schalen. Ferner habe es nicht nahegelegen, das aus E4 bekannte, lose beschichtete Silizium-Granulat im Rahmen des Verfahrens nach E1 als Ausgangsmaterial für einen Spendersilizium-Formkörper einzusetzen.

Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur Herstellung silizierter Formkörper, wobei mindestens teilweise poröse Grünkörper aus Kohlenstoff, insbesondere aus kohlefaserverstärktem Kohlenstoff, mit flüssigem Silizium unter Sauerstoffabschluss infiltriert werden, mit den Schritten:

a) Beschichten von Partikeln oder Gruppen von Partikeln eines Silizium-Pulvers oder Silizium-Granulats mit einer porösen, für flüssiges Silizium durchlässigen Schicht zur Bildung von Schalen aus einem Material, welches bei der Schmelztemperatur von Silizium nach vorheriger Reaktion mit dem Silizium eine formstabile poröse Schicht aus Siliziumkarbid hinreichender Festigkeit bildet;

b) Formen von Spendersilizium entsprechend Oberflächenabschnitten des Grünkörpers zur Herstellung von Spendersilizium-Formkörpern;

c) Trocknen und/oder Aushärten der Spendersilizium-Formkörper;

d) Auflegen der Spendersilizium-Formkörper auf den Grünkörper;

e) Aufheizen des Grünkörpers mit aufgelegten Spendersilizium-Formkörpern auf Temperaturen, bei denen Silizium schmilzt und darüber hinaus, bis der Kohlenstoff mit dem Silizium unter Bildung von Siliziumkarbid reagiert;

f) Infiltrieren des Grünkörpers mit Spendersilizium, das aus den Spendersilizium-Formkörpern nach unten auf den Grünkörper fließt."

Der Wortlaut von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von diesem Wortlaut lediglich dadurch, dass in Abschnitt a) die Merkmale "Beschichten von Partikeln oder Gruppen von Partikeln eines Silizium-Pulvers oder Silizium-Granulats" ersetzt sind durch:

"Beschichten von Silizium-Granulat"

IV. In ihrem Antwortschreiben machte die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) mangelnde Klarheit der neu eingereichten Ansprüche geltend und verwies bezüglich der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit auf ihre im Einspruchsverfahren erhobenen Einwände. In einem weiteren Schreiben erhob sie zusätzliche Klarheitseinwände sowie Einwände unter Artikel 123(2) und (3) EPÜ.

V. In ihren Schriftsätzen vom 8. März und vom 20. Juni 2006 wies die Beschwerdeführerin diese Einwände zurück. Sie reichte aber am 12. Oktober 2007 zusammen mit ihrer Antwort auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung zwei zusätzliche Anspruchssätze als Hilfsanträge 2 und 3 ein. Am 5. November 2007 reichte sie schließlich noch einen weiteren Anspruchssatz als Hilfsantrag 4 ein.

Der Wortlaut von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag durch die geänderten Abschnitte a) und b), welche wie folgt lauten:

"a) Beschichten von Partikeln oder Gruppen von Partikeln eines Silizium-Pulvers oder Silizium-Granulats mit einer porösen, für flüssiges Silizium durchlässigen Schicht zur Herstellung von Spendersilizium, wobei Schalen aus einem Material gebildet werden, welches bei der Schmelztemperatur von Silizium nach vorheriger Reaktion mit dem Silizium eine formstabile poröse Schicht aus Siliziumkarbid hinreichender Festigkeit bildet;

b) Formen des Spendersiliziums entsprechend Oberflächenabschnitten des Grünkörpers zur Herstellung von Spendersilizium-Formkörpern;"

Der Wortlaut von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 lediglich dadurch, dass in Abschnitt a) die Merkmale "Beschichten von Partikeln oder Gruppen von Partikeln eines Silizium-Pulvers oder Silizium-Granulats" ersetzt sind durch:

"Beschichten von Silizium-Granulat"

Der Wortlaut von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4

unterscheidet vom Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag lediglich durch die geänderten Abschnitte a) und b), welche wie folgt lauten:

"a) Beschichten von Silizium-Granulat mit einer porösen, für flüssiges Silizium durchlässigen Schicht aus einem Material, welches bei der Schmelztemperatur von Silizium nach vorheriger Reaktion mit dem Silizium eine zum im Wesentlichen formstabilen Halten der porösen Schicht hinreichende Festigkeit aufweist;"

b) Formen des Spendersiliziums entsprechend Oberflächenabschnitten des Grünkörpers zur Herstellung von Spendersilizium-Formkörpern;"

VI. Die Beschwerdegegnerin erhob in ihrer Antwort auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung zusätzliche Einwände unter Artikel 123 (2) und (3) EPÜ. Ferner machte sie mangelnde Neuheit im Hinblick auf E1 und mangelnde erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf E3 geltend. In ihrem letzten Schriftsatz vom 7. November 2007 beanstandete die Beschwerdegegnerin den Hauptantrag und alle vier Hilfsanträge unter Artikel 123 (3) EPÜ und bestritt die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 der Hilfsanträge 1, 3 und 4 im Hinblick auf E1.

VII. Am 14. November 2007 wurde mündlich verhandelt.

VIII. Die entscheidungserheblichen Ausführungen der Parteien können wie folgt zusammengefasst werden:

Die Beschwerdeführerin war der Auffassung, dass die Änderungen im jeweiligen Anspruch 1 gemäß allen Anträgen auf dem Inhalt der zugrunde liegenden Anmeldung in ihrer ursprünglichen Fassung basieren und verwies diesbezüglich auf die Ansprüche 1 und 2 und die Beschreibungsabschnitte [0010] und [0011] des Streitpatents. Ferner machte sie in der mündlichen Verhandlung geltend, dass der Wortlaut des jeweiligen Anspruchs 1 aller Anträge die besondere Beschaffenheit der erfindungsgemäß verwendeten Spendersilizium-Formkörpers zumindest implizit klar zum Ausdruck bringe. Insbesondere werde in Schritt a) jedes Siliziumkorn mit einem Material überzogen bzw. davon umhüllt, und das dabei gebildete "Spendersilizium" werde im Schritt b) zu "Spendersilizium-Formkörpern" weiterverarbeitet, wobei das umhüllende Beschichtungsmaterial von solcher Beschaffenheit sei, dass es bei der Schmelztemperatur von Silizium mit letzterem reagiere und poröse bzw. rissige, für flüssiges Silizium durchlässige, formstabile und feste Schalen bilde.

Das beanspruchte Verfahren sei im Hinblick auf den angezogenen Stand der Technik neu und erfinderisch. In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin argumentiert, dass ausgehend von E4 als nächstliegendem Stand der Technik die technische Aufgabe in der Bereitstellung eines Verfahrens mit verbesserter Prozessführung bestehe. Insbesondere seien geometrisch komplexe Werkstücke besser und gezielter silizierbar. Zudem werde ein seitliches Herunterfallen des Spendersilizium-Granulats vom Grünkörper durch die Verwendung von Spendersilizium-Formkörpern vermieden. Eine Kombination von E4 und E1 würde der Fachmann nicht in Betracht ziehen, da die Lehren der beiden Dokumente inkompatibel seien. Insbesondere stelle E4 auf den Erhalt der Schüttfähigkeit des beschichteten Siliziumgranulats ab, während gemäß E1 Mischungen von Siliziumpulver (nicht Siliziumgranulat) und Kohlenstoffpulver unter hohem Druck zu Formkörpern gepresst werden. Das Verfahren von E1 offenbare lediglich die Verwendung von kompaktierten, also im Wesentlichen porenfreien Spendersilizium-Formkörpern mit einer skelettartigen Matrix aus Siliziumkarbid und eingelagerten Siliziumpartikeln. Die gemäß E1 angewandten Pressdrücke seien so hoch, dass bei einem Einsatz des aus E4 bekannten, beschichteten Granulats im Rahmen des Verfahrens nach E1 alle eventuell gebildeten Schalen durch die Kompaktierung des Formkörpers zerstört werden würden.

Die Beschwerdegegnerin hielt ihre Einwände nach Artikel 123 (2) und (3) EPÜ gegen die geänderten Ansprüche auch in der mündlichen Verhandlung aufrecht, und erhob erneut Einwände betreffend die Klarheit der Ansprüche. In der mündlichen Verhandlung hat sie zudem die Auffassung vertreten, dass selbst unter der Annahme, dass der jeweilige Anspruch 1 jedes vorliegenden Antrags so zu verstehen sei, wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, der jeweilige Anspruchsgegenstand im Hinblick auf E1 nicht neu sei. Insbesondere sei in E1 das Pressen bei hohen Drücken nicht zwingend vorgeschrieben, und die laut E1 verwendbaren Pulver schließen auch feinere Silizium-Granulate ein. Demnach seien in E1 Verfahren offenbart, die zu Formkörpern führen, in welchen die umhüllende "Schale" der Siliziumpartikel erhalten bleibe.

In der mündlichen Verhandlung hat sie zudem argumentiert, dass ausgehend von E4 als nächstliegendem Stand der Technik die Aufgabe in der Bereitstellung eines alternativen Verfahrens mit langsamer Freigabe des Siliziums gesehen werden könne. E4 offenbare die Verwendung von Siliziumgranulat, wobei jedes Korn umhüllt sei, und auch die Variante des Infiltrierens von oben nach unten. Das Verwenden von Spendersilizium-Formkörpern an Stelle von schüttbarem Granulat werde durch E1 nahegelegt und ergebe lediglich den Vorteil, dass das Spendersilizium-Granulat nicht seitlich von dem zu silizierenden Formkörper herunterfallen könne. Folglich seien die anspruchsgemäßen Verfahren im Hinblick auf eine Kombination von E4 mit E1 auch nicht erfinderisch.

IX. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des mit der Beschwerde-begründung als Hauptantrag eingereichten Anspruchssatzes.

Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents

- auf der Basis der Ansprüche gemäß Hilfsantrag 1, eingereicht mit der Beschwerdebegründung;

- bzw. auf der Basis der Ansprüche gemäß einem der Hilfsanträge 2 oder 3, eingereicht mit Schreiben vom 12. Oktober 2007;

- bzw. auf der Basis der Ansprüche gemäß Hilfsantrag 4, eingegangen am 5. November 2007.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit - Anspruch 1

1.1 Nächstliegender Stand der Technik

1.1.1 Das in der Beschreibung des Streitpatents angeführte Dokument E4 beschreibt Verfahren zur Herstellung silizierter Bauteile durch Infiltrieren von porösen Formteilen aus Kohlenstoff oder Siliziumkarbid-Kohlenstoff-Mischungen mit geschmolzenem Silizium unter Vakuum oder unter Schutzgas. Als Spendersilizium wird ein schüttbares Siliziumgranulat verwendet, welches aus Siliziumteilchen von mindestens 1 mm besteht, die mit einer Beschichtung versehen sind, welche Kohlenstoff und ein Bindemittel enthält. Die Beschichtung wird vorzugsweise durch Mischen des Siliziumgranulats mit Kohlenstoff und einem flüssigen Bindemittel, vorzugsweise einer wässrigen Lösung eines organischen Bindemittels, aufgebracht und anschließend getrocknet. Die Schüttbarkeit des Granulats ändert sich durch die Beschichtung und das anschließende Trocknen nicht. Die zu infiltrierenden Formteile, beispielsweise Siliziumkarbid-Kohlenstoff-Gleitringe, werden im Brennofen auf oder in eine Schüttung des Granulats gestellt. Diesbezüglich sei insbesondere auf die Ansprüche 1 bis 3, 8 und 14, Spalte 2, Zeilen 19 bis 33, Spalte 3, Zeile 64 bis Spalte 4, Zeile 6, Spalte 4, Zeilen 37 bis 49, und Spalte 5, Zeilen 22 bis 24, verwiesen. Während der ersten Phase des Silizierbrandes zersetzt sich das organische Bindemittel der Beschichtung zu Kohlenstoff. Wenn dann das Silizium im Inneren der Teilchen zu schmelzen beginnt, reagiert es mit dem Kohlenstoff der Beschichtung zu Siliziumkarbid, welches als durchlässige Hülle um das geschmolzene Silizium erhalten bleibt. Siehe hierzu Spalte 2, Zeile 56 bis Spalte 3, Zeile 2. In Spalte 3, Zeilen 18 bis 26 finden sich folgende, das eigentliche Infiltrieren betreffende Angaben: "Das geschmolzenen Silicium dringt durch die Beschichtung langsamer in die Formkörper und reagiert verzögert. Beides führt zu einer Vermeidung von Ausschuss durch Rißbildungen in den silicierten Bauteilen. Es wird eine gleichmäßige Siliciumaufnahme in den Formkörpern erreicht. Ferner werden großflächige Siliciumanhaftungen verhindert, deren Entfernung beim anschließenden Reinigungsprozeß besonders zeitaufwendig ist." (Hervorhebung durch die Kammer). In Spalte 5, Zeilen 34 bis 43, der E4 wird außerdem ausdrücklich betont, dass der Kohlenstoff der Beschichtungsmischung in einer Menge zugesetzt wird, "die ausreicht, um eine Beschichtung des Siliciumgranulats zu erhalten, die beim Schmelzen des Siliciums im Inneren der beschichteten Granulatteilchen eine intakte Hülle bildet" (Hervorhebung durch die Kammer). Die in E4 beschriebenen porösen "Hüllen" aus Siliziumkarbid sind also offensichtlich von ausreichender Formstabilität und Festigkeit. Dies wurde von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung auch nicht bestritten. Die Kammer merkt zudem an, dass in der Würdigung von E4 im Streitpatent die Patentinhaberin selbst die in E4 offenbarten Siliziumkarbidhülle als "poröse Schale um die Siliziumteilchen" bezeichnet hat (Hervorhebung durch die Kammer), siehe Beschreibungsabschnitt [0004].

1.1.2 In der Würdigung der E4 im Streitpatent wird allerdings nicht erwähnt, dass E4 gemäß einer speziellen Ausführungsform auch das Anordnen von mehreren zu silizierenden Bauteilen übereinander offenbart, wobei die Bauteile jeweils durch Schichten des Siliziumgranulats voneinander getrennt sind (E4, Spalte 4, Zeilen 9 bis 12). Es ist plausibel und durch die Beschwerdeführerin auch nicht widerlegt worden, dass bei dieser speziellen Vorgangsweise unweigerlich geschmolzenes Silizium aus den Granulat-Trennschichten auch "nach unten" fließt und derart die darunter liegenden Bauteile infiltriert, selbst wenn dies in E4 nicht explizit erwähnt wird. Das Aufbringen einer Trennschicht des schüttbaren Granulats kann dabei nach Auffassung der Kammer im weitesten Sinn als ein "Auflegen" von Spendersilizium auf das darunter liegende Bauteil und als ein "Formen" des Spendersiliziums "entsprechend Oberflächenabschnitten" an der Oberseite des Bauteils angesehen werden.

1.1.3 Aus dem oben Gesagten ergibt sich, dass E4 alle Merkmale der Präambel und des Schritts a) von Anspruch 1 offenbart. Die Merkmale der Schritte b) bis f) sind ebenfalls offenbart, allerdings lediglich im Zusammenhang mit einer aufgeschütteten Schicht aus beschichtetem Granulat und nicht im Zusammenhang mit einem daraus gebildeten Formkörper. Im Hinblick auf die Ähnlichkeiten des in E4 offenbarten Verfahrens und des beanspruchten Verfahrens (Siliziumgranulat; poröser Schale zur gewünschten Verzögerung der Infiltration; abwärtsgerichtete Infiltration) kann E4 als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden.

1.2 Technische Aufgabe

1.2.1 Laut Streitpatent (siehe Absatz [0005]) liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Herstellung silizierter Formköper aufzuzeigen, das in einfacher und schonender Weise die Herstellung auch komplizierter, größerer Strukturen ermöglicht. Den Absätzen [0007] und [0008] des Streitpatents ist zu entnehmen, dass mit "einfach" bzw. "schonend" gemeint ist, dass das Silizium von oben nach unten einsickert, anstatt von unten nach oben aufzusteigen, dass das Silizium langsam in den Grünkörper eindringt, und dass nur ein geringer Aufwand bei der Endbearbeitung notwendig ist. Diese und andere, die Prozesssicherheit betreffende Wirkungen (siehe auch Absatz [0018] des Streitpatents), die auf der speziellen Schalen-Struktur des Spendersiliziums und/oder auf dessen Anordnung auf dem zu infiltrierenden Bauteils beruhen, werden jedoch bereits mit der oben erwähnten Variante des Verfahrens von E4 erreicht, siehe diesbezüglich die obigen Punkte 1.1.1 und 1.1.2. Manche der in der mündlichen Verhandlung zusätzlich geltend gemachten und in den Absätzen [0009] und/oder [0018] angesprochenen Vorteile können lediglich unter bestimmten Umständen realisiert werden, nämlich bei der Silizierung von Werkstücken mit komplexen Formen und/oder mit unterschiedlicher Wandstärke und/oder durch gezielteres, beispielsweise inhomogenes Infiltrieren. Anspruch 1 ist aber keineswegs durch entsprechende, das zu infiltrierende Bauteil oder die Ausgestaltung des Spendersilizium-Formkörpers betreffende Merkmale auf derartige Verfahren beschränkt. Vielmehr umfasst Anspruch 1 in seiner ganzen Breite auch das homogene Silizieren von Bauteilen mit einfachen Formen und Oberflächen. Die zuvor angeführten Vorteile können daher bei der Formulierung der technischen Aufgabe nicht berücksichtigt werden.

1.2.2 Ausgehend von E4 als nächstliegendem Stand der Technik kann die technisch Aufgabe aber in der Bereitstellung eines Verfahrens zur Herstellung silizierter Formköper gesehen werden, welches ein genaueres Dosieren des Spendersiliziums ermöglicht.

1.2.3 Diese Aufgabe wird gemäß Anspruch 1 durch die Verwendung eines entsprechend der Oberfläche des zu infiltrierenden Bauteils geformten Spendersilizium-Formkörpers gelöst. Es bestand Einigkeit zwischen den Parteien, dass bei der Verwendung eines Spendersilizium-Formkörpers, der entsprechend der Oberfläche des zu infiltrierenden Bauteils geformt ist, ein seitliches Herabfallen von Spendersilizium bei dessen Anordnung auf dem Bauteil nicht eintreten kann. Auch nach Auffassung der Kammer wird durch diese Maßnahme verhindert, dass für die gewünschte Silizierung mehr Spendersilizium als notwendig eingesetzt werden muss.

1.3 Naheliegen der Lösung

1.3.1 Gemäß E4 soll das Spendersilizium-Granulat auch nach der erfolgten Beschichtung noch schüttfähig sein (Spalte 5, Zeilen 63 bis 64; Anspruch 16). Ein Trocknen und/oder Aushärten des Granulats als Formkörper wie in Merkmal c) des vorliegenden Anspruch 1 wird daher durch E4 selbst nicht angeregt.

1.3.2 Dokument E1 offenbart Verfahren zur Herstellung von Siliziumkarbid-Formkörpern, wobei ein kompakter, aber poröser Grünkörper aus Siliziumcarbid- und Kohlenstoffteilchen unter Vakuum oder Schutzgas mit geschmolzenem Silizium infiltriert wird. Als Spendersilizium im Sinn des Streitpatents wird eine Mischung verwendet, welche feinverteiltes Silizium und feinverteilten Kohlenstoff enthält. Beim Aufheizen reagiert ein Teil der Mischung zu einer porösen Matrix aus Siliziumkarbid, welche das restliche geschmolzene Silizium in den zu infiltrierenden Grünkörper leitet. Nach Beendigung des Infiltrierens lassen sich eventuelle Siliziumreste und die leicht zerreibbare ("friable") Matrix in einfacher Weise von der Oberfläche des infiltrierten Bauteils abtrennen. Diesbezüglich sei insbesondere auf die Ansprüche 1, 9 und 11; Seite 1, Zeile 115 bis Seite 2, Zeile 15 verwiesen.

i) Die Spendersilizium-Mischung kann als lose Schüttung ohne die Verwendung eines Bindemittels zum Einsatz gebracht werden (Spalte 4, Zeilen 120 bis 129).

Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform wird die Mischung jedoch mit einem wasserlöslichen organischen Bindemittel versetzt und zu einem Formkörper gepresst. Das Bindemittel zersetzt sich beim Erhitzen zu Kohlenstoff. Typischerweise werden Siliziumteilchen ("powder") mit einer mittleren Teilchengröße von 75 µm und Kohlenstoff mit einer mittleren Teilchengröße von 0,1 µm mit einer wässrigen Lösung von Polyäthylengykol gemischt und anschließend getrocknet. Die dabei erhaltenen, beschichteten Siliziumpartikeln werden in Formen unter Druck kompaktiert. Diesbezüglich sei insbesondere auf die Ansprüche 1, 2 bis 4, 9 und 11; Seite 1, Zeile 115 bis Seite 2, Zeile 15; Seite 2, Zeilen 78 bis 97; Seite 3, Zeilen 34 bis 70; und Seite 4, Zeilen 114 to 119, verwiesen.

ii) Um Körper der erforderlichen Form zu bilden, wird die Spendersilizium-Mischung in eigene Formen gefüllt, gepresst und dann in engen Kontakt mit der Oberfläche des zu infiltrierenden Grünköpers gebracht. Alternativ wird die Mischung nach dem Pressen des Grünköpers in dieselbe Form gefüllt und an den Grünkörper angepresst. Exemplifiziert ist die Herstellung von Siliziumkarbid-Dichtungsringen, wobei ein ringförmiger Spendersilizium-Formköper auf einen ringförmigen Grünkörper gleichen Innen- und Außendurchmessers gelegt wird, wobei die Stärke des Spendersiliziumformkörpers durch die für die Infiltration erforderliche Siliziummenge bestimmt wird. Der Spendersilizum-Grünkörper ist also "entsprechend Oberflächenabschnitten" des Grünkörpers geformt, wie es in Schritt b) des vorliegenden Anspruch 1 verlangt wird. Diesbezüglich sei insbesondere auf Seite 3, Zeile 60 bis 65; Seite 4, Zeilen 88 bis 128 verwiesen.

iii) Der Spendersiliziumformkörper wird vorzugsweise oberhalb des zu infiltrierenden Grünkörpers angeordnet. In diesem Fall wird die Infiltration mit nach unten fließendem, geschmolzenem Silizium sowohl durch die Schwerkraft als auch durch Kapillarkräfte bewirkt, wobei die poröse Siliziumkarbid-Matrix ein Abfließen der Siliziumschmelze entlang der seitlichen Flächen des Grünkörpers verhindert bzw. einschränkt. Alternativ kann ein Spendersilizium-Formköper auch unterhalb des Grünkörpers angeordnet sein, oder der Grünkörper wird zwischen zwei Spendersilizium-Formkörpern angeordnet. Diesbezüglich sei auf Seite 3, Zeilen 60 bis Seite 4, Zeile 68; und Seite 4, Zeilen 96 bis 113, verwiesen.

1.3.3 Im Rahmen der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit kann es dahingestellt bleiben, ob die in E1 beschriebene, poröse Siliziumkarbid-Matrix als Offenbarung von "porösen Schalen" im Sinn des vorliegenden Anspruchs 1 (wie er von der Beschwerdeführerin verstanden wird) anzusehen ist oder nicht. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob das gemäß E1 verwendete Siliziumpulver als Granulat angesehen werden kann. Auf Grund der Ähnlichkeiten der Verfahren gemäß E4 und E1 (Einsickern des Silizium nach unten, Spendersilizium besteht jeweils aus mit Kohlenstoff und organischem Bindemittel beschichteten Siliziumpartikeln, leichte Abtrennbarkeit der verbleiben Reste vom infiltrierten Bauteil) würde nämlich der mit der Lösung der besagten technischen Aufgabe (genaueres Dosieren des Spendersiliziums) befasste Fachmann den Inhalt des Dokuments E1 auf jeden Fall in Betracht ziehen. Der Fachmann wird dabei sein Augenmerk primär auf die mit einem Formkörper gemäß E1 erreichten Wirkungen richten, und weniger auf die Verfahrensschritte zur Herstellung des Formkörpers. Dass laut E1 die Formkörper bei ihrer Herstellung mit Drücken von bis zu 138 MPa ("20000 psi") beaufschlagt werden, stellt demnach keinen Grund dar, dieses Dokument nicht in Betracht zu ziehen (siehe hierzu auch Punkt 1.3.6).

1.3.4 In E1 werden die Vorteile der Infiltration mittels eines auf dem Grünkörper angeordneten Spendersilizium-Formkörpers ausdrücklich angegeben (siehe obigen Punkt 1.3.2 iii). Der Fachmann entnimmt E1, dass bei Verwendung eines entsprechend dimensionierten Formkörpers, welcher ein poröses Silizumkarbid-Gerüst bildet, die Möglichkeit des seitlichen Herabfallens von Spendersilizium nicht besteht, dass dabei aber auch ein seitliches Abfließen von Siliziumschmelze nicht stattfindet, dass die für die Infiltration erforderliche Menge durch eine entsprechende Stärke des Spendersilizium-Formkörpers bereitgestellt werden kann, und dass daher ein insgesamt genaueres Dosieren des Spendersiliziums als bei dem Verfahren gemäß E4 möglich ist. Der mit der besagten Aufgabe befasste Fachmann wird demnach durch E1 angeregt, das Spendersilizium als Formkörper auf dem Grünkörper anzuordnen.

1.3.5 Bezüglich der Schritte b) bis d) gemäß vorliegendem Anspruch 1, welche die Bildung und Anordnung der Spendersilizium-Formkörper betreffen, stellt die Kammer fest, dass diese laut Beschreibung des Streitpatents beispielweise nach einer der beiden folgenden Methoden durchgeführt werden können (siehe Spalte 3, Zeilen 31 bis 38 und Spalte 4, Zeilen 13 bis 18): Das beschichtete Siliziumgranulat wird in eine Form gefüllt, die an die Form des Grünkörpers angepasst ist, und in der Form getrocknet und gehärtet. Der Spendersilizium-Formkörper wird dann der Form entnommen und auf den Grünkörper gelegt. Alternativ dazu kann der Spendersilizium-Formkörper direkt an den Grünkörper angegossen werden, also in einer entsprechend ausgebildeten Form, die Platz lässt für das anzugießende Spendersilizium.

1.3.6 Wie aus obigem Punkt 1.3.2 ii) ersichtlich, offenbart auch E1 vergleichbare Methoden, nämlich ein separates Formen bzw. ein Formen des Grünkörpers und des Spendersiliziums in derselben Form. Nach Auffassung der Kammer würde der Fachmann diese beiden Methoden auch als durchaus kompatibel mit der Verwendung des in E4 beschriebenen Spendersilizium-Granulats erachten. Bei der Herstellung von Siliziumkarbid-Formkörpern unter Verwendung der in E1 offenbarten Methoden wird sich der von E4 ausgehende Fachmann selbstverständlich auf diejenigen Methoden beschränken, bei denen die Ausbildung von porösen Siliziumkarbidhüllen oder -schalen um die einzelnen Siliziumgranulat-Partikel nicht gefährdet wird, da ansonsten das angestrebte langsame Durchsickern des geschmolzenen Siliziums nicht mehr gewährleistet wäre. Falls er ein Formen mit Pressen, das durch den Wortlaut des vorliegenden Anspruchs 1 nicht ausgeschlossen wird, überhaupt in Betracht ziehen würde, dann lediglich bei Drücken, unter denen diese Gefahr nicht besteht. Diese Sichtweise steht nicht im Widerspruch zur Offenbarung der E1, da dort ausdrücklich angegeben ist, dass der Formkörper nicht zwingend porenfrei gepresst werden muss (Seite 3, Zeilen 67 to 70). Da ferner sowohl gemäß E4 als auch gemäß E1 bei der Beschichtung der Siliziumpartikel bevorzugt organische Bindemittel in wässriger Lösung zum Einsatz kommen, drängt sich dem Fachmann ein finales Trocknen und/oder Härten des aus des aus den beschichteten Siliziumpartikeln gebildeten Formkörpers innerhalb der Form als besonders schonende, einstufige Möglichkeit zur Herstellung des Spendersilizium-Formkörpers unter Erhaltung der Hüllenstruktur förmlich auf.

1.3.7 Die Kammer gelangt daher zu dem Schluss, dass es für den von E4 ausgehenden Fachmann im Hinblick auf die Offenbarung der E1 zumindest im Fall von Bauteilen mit einfacher Oberflächengeometrie, wie beispielsweise Ringen, nahe liegt, eine auf das zu infiltrierende Bauteil geschüttete Spendergranulat-Schicht durch einen den Dimensionen des Bauteils entsprechenden Formkörper zu ersetzen, der zwar aus einem Granulat mit der in E4 beschriebenen Struktur gebildet ist, jedoch gemäß den Schritten b) bis d) des vorliegenden Anspruch 1 hergestellt und auf dem Bauteil angeordnet wird.

1.4 Die Beschwerdeführerin hat besonders darauf hingewiesen, dass in E1 (Spalte 4, 27 to 32) eine schnelle Infiltration erwähnt wird. Allerdings geht aus besagter Passage lediglich hervor, dass für eine optimale, relativ schnelle Infiltrierung ("optimum, relatively rapid infiltration") unter Schutzgas eine höhere Temperatur erforderlich sei als beim Infiltrieren unter Vakuum. Dies bedeutet nicht, dass gemäß E1 generell ein außergewöhnlich schnelles Infiltrieren angestrebt wird, welches den Fachmann davon abhalten würde, die Lehre von E1 mit jener von E4 zu kombinieren.

1.5 Anspruch 1 gemäß Hauptantrag in seiner von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Bedeutung umfasst daher Verfahren, die sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben. Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht demnach nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinn von Artikel 56 EPÜ.

Hilfsanträge 1 bis 4 - Erfinderische Tätigkeit

1.6 Die Präambel sowie die Schritte c) bis f) des jeweiligen Anspruchs 1 sind gemäß allen vorliegenden Anträgen identisch, Unterschiede bestehen lediglich bezüglich der Formulierung der Schritte a) und/oder b), siehe die obigen Abschnitte III. und V.

1.7 Die verschiedenen Formulierungen in Schritt a) bewirken im Fall der Hilfsanträge 1, 3 und 4 eine Einschränkung auf Silizium-Granulat. Ansonsten sollen die unterschiedlichen Formulierungen von Schritt a) und b) laut der Beschwerdeführerin lediglich dazu dienen, die formalen Einwände der Beschwerdegegnerin gegen Anspruch 1 des Hauptantrags zu überwinden.

1.8 Die negative Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bezieht sich bereits im Fall des Hauptantrags auf ein Verfahren unter Verwendung von beschichtetem Silizium-Granulat. Der besagten Beurteilung liegt zudem jenes Verständnis der Merkmale der Schritte a) und b) zu Grunde, welches die Beschwerdeführerin für alle ihre Anträge geltend gemacht hat. Unter diesen Umständen gelangt die Kammer aus den gleichen Gründen wie bezüglich des Hauptantrags zu dem Schluss, dass der jeweiligen Anspruch 1 gemäß jedem der vier Hilfsanträge Verfahren umfasst, die sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben und demnach nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruhen.

2. Bei dieser Sachlage kann daher weder dem Hauptantrag noch einem der Hilfsanträge 1 bis 4 der Beschwerdeführerin stattgegeben werden.

3. Unter diesen Umständen erübrigt sich auch ein Eingehen auf die von der Beschwerdegegnerin erhobenen formalen Einwände gegen die geänderten Ansprüche.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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