European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2008:T104605.20080220 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 20 Februar 2008 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1046/05 | ||||||||
Anmeldenummer: | 96900964.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | H02K 41/03 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Herstellung eines Synchron-Linearmotors | ||||||||
Name des Anmelders: | Siemens Aktiengesellschaft | ||||||||
Name des Einsprechenden: | SEW-Eurodrive GmbH & Co | ||||||||
Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Vorrichtungsmerkmal in Verfahrensanspruch - Klarheit (bejaht) Erfinderische Tätigkeit (bejaht) Beanspruchter Gegenstand nicht in den Figuren dargestellt - Figuren überflüssig (verneint) Grosse Beschwerdekammer - Befassung (verneint) |
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Orientierungssatz: |
siehe Punkt 2.13, 3 und 4.2 |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 0 754 366 in geändertem Umfang.
II. In der angefochtenen Entscheidung wurde unter anderem festgestellt, dass im Hinblick auf die Lehre der Dokumente:
D4: US 4 859 974 A und
D7: EP 0 437 571 B1
in Kombination mit dem allgemeinen Wissen des Fachmanns der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ).
Weiterhin stellte die Einspruchsabteilung fest, dass die geänderte Beschreibung die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.
III. Die Parteien wurden zu einer mündlichen Verhandlung vor der Kammer geladen. In einer Anlage zur Ladung wurde eine vorläufige Stellungnahme der Kammer abgegeben.
IV. Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, die am 20. Februar 2008 stattfand, wurden von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) überreicht: Beschreibung Seiten 1 bis 4, Ansprüche 1 bis 7, Zeichnungen Fig. 1 bis 3.
V. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen; ferner, der Großen Beschwerdekammer folgende Frage vorzulegen:
"Sind alle Zeichnungen und sich auf diese beziehenden Beschreibungsteile eines Patentes zu streichen, die Ausführungsbeispiele erläutern, welche nicht den Gegenstand des im Einspruchsverfahren eingeschränkten Hauptanspruches zeigen (Art. 84 EPÜ) und nicht zur Auslegung der Patentansprüche dienen (Art. 69 EPU)?"
VI. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, das Patent in geändertem Umfang mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
- Beschreibung Seiten 1 bis 4;
- Ansprüche 1 bis 7;
- Zeichnungen Fig. 1 bis 3,
alle eingereicht in der mündlichen Verhandlung.
VII. Anspruch 1 gemäß dem einzigen Antrag der Beschwerdegegnerin lautet wie folgt:
"Verfahren zur Herstellung eines Synchron-Linearmotors mit einem mit einer Wicklung versehenen Primärteil und einem Sekundärteil, das aus einer langgestreckten ferromagnetischen Trägerplatte besteht, auf der jeweils einen Parallelspalt zueinander einschließende Permanentmagnete befestigt werden, wobei zwischen den Permanentmagneten (4) dem Polteilungsrastermaß des Synchron-Linearmotors entsprechende Distanzelemente aus unmagnetischem Material angeordnet werden, dadurch gekennzeichnet, dass die bereits fertig aufmagnetisierten Permanentmagnete (4) auf der Trägerplatte (1) festgeklebt werden und dass in der Trägerplatte Stifte (3) als Distanzelemente befestigt werden."
VIII. Die Ansprüche 2 bis 7 sind von dem Anspruch 1 abhängig.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Artikel 56 EPÜ
2.1 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin stellt die Druckschrift D4 und dort das Ausführungsbeispiel gemäß Fig. 11 den nächstliegenden Stand der Technik dar.
2.2 D4 offenbart verschiedene Ausführungsbeispiele eines Synchron-Linearmotors. In jedem Beispiel besteht der Synchron-Linearmotor aus zwei jeweils mit einer Wicklung versehenen Statoren 90, 95 und einem dazwischen angeordneten Läufer 75, 75' (Figuren 1 bis 7), 200 (Figuren 10A bis 10C) oder 300 (Figur 11).
2.3 In dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 11 der D4 (vgl. Spalte 8 Zeilen 4 bis 30) besteht der Läufer aus zwei langgestreckten nicht-ferromagnetischen Platten 302 (Spalte 8, Zeilen 6 bis 11 und Zeilen 22 bis 26). Auf jeder Platte befindet sich eine Vielzahl von parallel zueinander angeordneten U-Kanälen 304 aus nicht-ferromagnetischem (d.h. unmagnetischem) Material.
2.4 Die Magnete 310 werden zwischen benachbarten U-Kanälen 304 einer der Platten mit wechselnder Nord-Süd Polarität angebracht (Spalte 8, Zeilen 20 bis 22). Unter dem Begriff "Magnet" versteht der Fachmann im Normalfall ein Objekt, das schon aufmagnetisiert ist. Ist das noch nicht der Fall, so wird dies normalerweise zum Ausdruck gebracht. Deshalb wird der Fachmann aus dem oben erwähnten Satz implizit herauslesen, dass die Magnete vor der Montage an der Platte 302 bereits fertig aufmagnetisiert sind.
2.5 Die zweite, nicht dargestellte Platte wird oben angebracht, um die Magnete 310 zu fixieren (Spalte 8, Zeilen 22 bis 26).
2.6 Durch die parallele Anordnung der U-Kanäle 304 werden die Magnete 310 zwangsläufig so angeordnet, dass sie einen Parallelspalt einschließen. Dabei ist es implizit, dass die U-Kanäle 304 als Distanzelemente dienen, um die Magnete 310 dem Polteilungsrastermaß des Synchron-Linearmotors entsprechend zu halten.
2.7 Der Gegendstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich durch folgende Merkmale von der Offenbarung der Druckschrift D4:
a) die Trägerplatte ist aus ferromagnetischem Material gebildet;
b) die Permanentmagnete werden auf der Trägerplatte festgeklebt; und
c) in der Trägerplatte werden Stifte als Distanzelemente befestigt.
2.8 Die Parteien akzeptieren die unter Ziffer 14 der angefochtenen Entscheidung angegebene objektive Aufgabe, das Verfahren nach D4 dahin weiterzubilden, dass auf einfachere und kostengünstigere Weise eine kompakte Bauweise des Sekundärteils zu erzielen ist.
2.9 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass der hier tätige Fachmann Veranlassung hätte, die Lehre der Druckschrift D7 bei der Lösung dieses objektiven Problems zu berücksichtigen, weil D7 unter anderem als Aufgabe angibt (Seite 2, Zeilen 47 - 49) "das Verfahren zur Herstellung eines solchen Elektromotors zu vereinfachen".
2.10 Der in D7 beschriebene Elektromotor hat einen zylindrischen oder rohrartigen metallischen Gehäusemantel 12 (vgl. Seite 3, Zeile 30) sowie ringsegmentförmige, an der Innenseite des Gehäusemantels gehaltene Magnete 20 (vgl. Anspruch 1). Es bestehen also erhebliche strukturelle Unterschiede zwischen dem Motor nach D7 (Rotationsmaschine mit einem außerhalb des Rotors angeordneten Stator) und dem Motor nach D4 (Linearmaschine mit zwei an gegenüberliegenden Seiten des Läufers angeordneten Statoren). Im Hinblick auf diese strukturellen Unterschiede braucht der von D4 ausgehende Fachmann, damit er D7 in Betracht zieht, einen Anhaltspunkt dafür, dass sich in D7 eine Lösungsmöglichkeit zum objektiven Problem befindet.
2.11 Zur Verbindung zwischen dem Magneten 20 und dem Gehäusemantel 12 wird in D7 ein Schmelzkleber 21 verwendet (vgl. Anspruch 1). Dabei liegt der Erfindung die Erkenntnis zugrunde, dass bei einer Fixierung der Magnete mittels eines Schmelzklebers eine verbesserte Verbindung der Magnete mit dem Gehäusemantel erreichbar ist (vgl. Seite 2, Zeilen 51 bis 53). Die Beschwerdekammer ist der Auffassung, dass dieser Hinweis in D7 den von D4 ausgehenden Fachmann auf die Idee bringen könnte, das in D4 beschriebene Verfahren so zu ändern, dass die Magnete 310 auf der unteren, in Figur 11 abgebildeten Platte festgeklebt werden (Merkmal (b)). Selbst wenn der Fachmann dieses tun würde, käme er aber noch nicht zu den Merkmalen (a) und (c).
2.12 Zum Merkmal (c) bringt die Beschwerdeführerin vor, dass die Ausbildung der Distanzelemente als Stifte nicht das Verfahren kennzeichne. Es könne daher nicht dazu dienen, einen Unterschied zwischen dem angeblich erfinderischen Verfahren und dem bekannten Verfahren zu begründen.
2.13 Die Beschwerdekammer folgt dieser Ansicht nicht. Technische Verfahren sind nichts abstraktes, sondern werden mit oder an bestimmten Gegenständen ausgeführt. Das Befestigen von Stiften als Distanzelementen in der ferromagnetischen Trägerplatte ist eine zur Herstellung des Synchron-Linearmotors vorzunehmende Handlung und somit ein Schritt des beanspruchten Verfahrens. Die Kammer sieht weiterhin keinen Mangel der Klarheit in diesem Verfahrensmerkmal (Artikel 84 EPÜ).
2.14 Es wird nicht bestritten, dass es dem Fachmann allgemein bekannt ist, dass "Stifte, die im Feingerätebau häufig Verwendung finden ..., ... als Befestigungs-, Verbindungs-, Mitnehmer-, Halte, Paß-, Gelenk-, Sicherungs-, Anschlag- oder Nietstifte dienen" können (vgl. Fachbuch "Feinmechanische Bauelemente" von Prof. Dr. Ing. Siegfried Hildebrand, Seite 212, Zeilen 1 und 2, das von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht worden ist).
2.15 Es verbleibt aber die Frage, ob es für den von D4 ausgehenden Fachmann naheliegend ist, z.B. um alternative Distanzelemente zu bilden, Stifte in der Platte zu befestigen, anstatt U-Kanäle 304 auf die Platte zu montieren. Dabei ist es nicht ausschlaggebend, ob der Fachmann dies hätte tun können, sondern, ob er es in der Erwartung die Aufgabe zu lösen auch tatsächlich getan hätte.
2.16 Die in Figur 11 von D4 gezeigten U-Kanäle 304 erstrecken sich über die ganze Seitenlänge der Permanentmagnete 310. Bei der Überlegung, die U-Kanäle durch Stifte zu ersetzen, würde der Fachmann bedenken, dass der Kontakt zwischen Permanentmagneten und Distanzelementen nicht mehr breitflächig wäre, sondern eher punktuell. Dem Fachmann ist allgemein bekannt, dass moderne Permanentmagnet-Materialien sehr spröde und deshalb leicht zu beschädigen sind. Der Fachmann würde eine solche Reduzierung der Kontaktfläche zwischen Permanentmagneten und Distanzelementen als nachteilig ansehen, weil dadurch das Risiko erhöht wäre, dass die Magneten durch ihren Kontakt mit den Stiften beschädigt würden. Aus diesem Grund würde er davon absehen, die aus D4 bekannten U-Kanäle durch Stifte zu ersetzen.
2.17 Bei der vorliegenden Erfindung wird dieser Nachteil dadurch überwunden, dass die Permanentmagnete auf der Trägerplatte festgeklebt werden. Die Stifte dienen lediglich dazu, die Permanentmagnete während der Klebung in der richtigen Position zu halten. Danach werden die Magnete durch den Kleber festgehalten. Daher ergibt sich die kombinierte Anwendung von Stiften als Distanzelemente und Kleber zum (endgültigen) Festhalten nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
3. Regel 34 (1)c) EPÜ (1973)
3.1 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die Zeichnungen und dazu gehörigen Beschreibungsteile als offensichtlich belanglos und unnötig zu streichen seien, weil sie Gegenstände darstellen, auf die sich nicht nur der Hauptanspruch, sondern auch (rein denkgesetzlich) die Unteransprüche nicht lesen lassen.
3.2 In den Unteransprüchen sind Merkmale definiert, die in den Zeichnungen und dazu gehörigen Beschreibungsteile gezeigt und beschrieben sind, z.B.:
- Anspruch 2: beidseitig angeordnete Positionierstifte (5), siehe Figur 1;
- Anspruch 3: beidseitig angeordnete Positionierleisten (11, 12), siehe Figuren 2 und 3;
- Anspruch 5: Abdeckplatte (6), siehe Figur 3.
In dem vorliegenden Fall sind die Zeichnungen und dazu gehörigen Beschreibungsteile notwendig, damit die in den Unteransprüchen definierten Aspekte der Erfindung so deutlich und vollständig offenbart sind, dass ein Fachmann sie ausführen kann (Artikel 83 EPÜ). Zumindest aus diesem Grund sind die Zeichnungen und dazu gehörigen Beschreibungsteile nicht offensichtlich belanglos bzw. unnötig. Die Kammer ist der Auffassung, dass das geänderte Patent nicht gegen Regel 34 (1)c) EPÜ (1973) verstoßt.
4. Artikel 112 (1)a) EPÜ
4.1 Die von der Beschwerdeführerin hilfsweise gestellte Vorlagefrage lautet:
"Sind alle Zeichnungen und sich auf diese beziehenden Beschreibungsteile eines Patentes zu streichen, die Ausführungsbeispiele erläutern, welche nicht den Gegenstand des im Einspruchsverfahren eingeschränkten Hauptanspruches zeigen (Art. 84 EPU) und nicht zur Auslegung der Patentansprüche dienen (Art. 69 EPU)?"
4.2 Artikel 112 (1) EPÜ sieht eine Befassung der Großen Beschwerdekammer nur vor, wenn es um die Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung geht oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Dies ist hier aber nicht der Fall. Die von der Beschwerdeführerin formulierte Frage läuft vielmehr darauf hinaus, wann Ausführungsbeispiele, welche nicht dem Gegenstand des im Einspruchsverfahren eingeschränkten Hauptanspruches entsprechen, unter Regel 34 (1)c) EPÜ(1973) bzw. Regel 48 (1)c) EPÜ offensichtlich belanglos und unnötig sind. Das kann aber nicht generell beantwortet werden, sondern hängt vom technischen Inhalt im Einzelfall ab. Eine Vorlage an die Große Beschwerdekammer kommt daher nicht in Betracht. Der Antrag der Beschwerdeführerin musste somit abgelehnt werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die 1. Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
- Beschreibung Seiten 1 bis 4;
- Ansprüche 1 bis 7;
- Zeichnungen Fig. 1 bis 3,
alle eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 20. Februar 2008.
3. Der Antrag auf Vorlage an die Grosse Beschwerdekammer wird zurückgewiesen.