T 1035/05 (Pigmentmischung/MERCK) of 1.7.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:T103505.20080701
Datum der Entscheidung: 01 Juli 2008
Aktenzeichen: T 1035/05
Anmeldenummer: 99109909.4
IPC-Klasse: C09B 67/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Pigmentmischung
Name des Anmelders: Merck Patent GmbH
Name des Einsprechenden: Ciba Holding Inc.
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Änderungen, ursprünglich offenbart (Artikel 123(2) EPÜ- ja)
Deutlichkeit der Ansprüche - nicht zu prüfen
Neuheit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, dass das Europäische Patent Nr. 0 960 911 in der geänderten Fassung den Erfordernissen des EPÜ genügt.

II. Der angefochtenen Entscheidung zugrunde lagen die Ansprüche 1-4 gemäß Hauptantrag (vormaligem Hilfsantrag 2) sowie die Seiten 2 bis 6 der Beschreibung, jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 08. Juni 2005. Die Ansprüche lauten wie folgt:

"1. Pigmentgemisch bestehend aus mindestens zwei Komponenten, wobei Komponente A mit ein oder mehreren Metalloxiden und/oder Metallen beschichtete SiO2-Flakes und Komponente B plättchenförmige, nadelförmige oder sphärische Farbmittel oder Füllstoffe sind,

dadurch gekennzeichnet, dass Komponente A mit TiO2 und/oder Fe2O3 beschichtete SiO2-Flakes sind und

Komponente A und Komponente B im Verhältnis 10:1 bis 1:10 gemischt sind."

"2. Pigmentgemisch nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet daß Komponente B eingefärbte Glaspartikel, Ruß, Silica, organische Farbpigmente und/oder anorganische Farbpigmente sind."

"3. Verwendung des Pigmentgemisches nach Anspruch 1 in Farben, Lacken, insbesondere Automobillacken, Druckfarben, Kunststoffen, Pulverlacken, zur Saatguteinfärbung, in kosmetischen Formulierungen und zur Veredelung von Lebensmitteln."

"4. Formulierungen enthaltend ein Pigmentgemisch nach Anspruch 1."

III. Im Einspruchsverfahren wurden u. a. die folgenden Dokumente zitiert:

(D1) WO-A-93 08 237

(D2) DE-A-44 19 123

(D4) DE-A-42 40 511

(D7) WO-A-97 39 065

IV. Die Einsprechende beantragte den vollständigen Widerruf des Patents. Sie hielt den beanspruchten Gegenstand weder für neu noch für erfinderisch (Artikel 100 (a) EPÜ).

V. Die Einspruchsabteilung entschied, dass die Ansprüche klar und die geänderten Ansprüche den Erfordernissen des Artikels 123 EPÜ genügen. Der Gegenstand der Ansprüche sei neu, da unter anderem keines der Dokumente (D2), (D4) und (D7) das beanspruchte Mischungsverhältnis der Komponenten offenbare.

Dokument (D7) sei als der nächstliegende Stand der Technik anzusehen. Aufgabe der Erfindung sei es, Pigmentmischungen mit verbesserten optischen Eigenschaften, insbesondere höherem Deckvermögen, und verbesserter Einarbeitbarkeit, bereitzustellen. Selbst wenn der Fachmann die in (D7) beschriebenen beschichteten Siliciumdioxidplättchen mit Farbpigmenten mischen würde, um das Deckvermögen zu erhöhen, würde er nicht zum Gegenstand der Ansprüche des angefochtenen Patents gelangen, da (D7) lehre, die auf den Siliziumdioxidplättchen aufgebrachten TiO2-Schichten zu reduzieren.

VI. Im Beschwerdeverfahren wurden zusätzlich die folgenden Dokumente und Beweismittel eingereicht:

(D4A) US-A-5 441 564

(D11) R. Maisch et al., Perlglanzpigmente, Carl R.

Vincentz Verlag, Hannover/DE, 1996, 30-47, 62-71, 100-101, 148-151

(D12) EP-A-0 406 657

(D13) Neunzehn Rakelabzüge und die entsprechenden

Versuchsprotokolle, eingereicht von der Beschwerdeführerin mit dem Schreiben von 10. Dezember 2007

VII. Der Entscheidung liegen die Ansprüche 1 bis 3, eingereicht mit Schreiben vom 22. August 2006, zugrunde. Deren Anspruch 1 lautet wie folgt:

"1. Pigmentgemisch bestehend aus mindestens zwei Komponenten, wobei Komponente A mit ein oder mehreren Metalloxiden und/oder Metallen beschichtete SiO2-Flakes und Komponente B plättchenförmige, nadelförmige oder sphärische Farbmittel oder Füllstoffe sind, dadurch gekennzeichnet, dass Komponente A mit TiO2 und/oder Fe2O3 beschichtete SiO2-Flakes sind und Komponente B eingefärbte Glaspartikel, Ruß, Silica, organische Farbpigmente und/oder anorganische Farbpigmente sind, und Komponente A und Komponente B im Verhältnis 10:1 bis 1:10 gemischt sind."

Die Ansprüche 2 und 3 sind wortgleich mit den oben unter Punkt II zitierten Ansprüchen 3 und 4.

VIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Der Ersatz des Wortes "Metalloxid" im Absatz [0010] der geänderten Beschreibung des Patents durch "(TiO2 und/oder Fe2O3)" erfülle nicht die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ, da das Wort "Metalloxid" nicht Mischungen verschiedener Metalloxide offenbare. Der im schriftlichen Verfahren erhobene Einwand gegen Anspruch 1 unter Artikel 123 (2) EPÜ wurde nicht aufrechterhalten.

Die zweiteilige Form des Anspruchs 1 sei irreführend und mache den Anspruch unklar, da die Merkmale des kennzeichnenden Teils entgegen den Bestimmungen der Regel 43 (1) EPÜ zumindest teilweise im Stand der Technik bekannt gewesen seien. Auch sei die Einschränkung der Metalloxide auf "TiO2 und/oder Fe2O3" im geänderten Absatz [0009] der Beschreibung nicht im Einklang mit Anspruch 1, der auch weitere Schichten anderer Metalloxide zulasse.

Der Gegenstand der Ansprüche sei nicht neu im Hinblick auf das Dokument (D4a). Das Dokument offenbare die beanspruchten Mischungen von Interferenzpigmenten mit plättchenförmigen Farbpigmenten und deren Gewichtsverhältnisse (siehe Ansprüche 1 und 8 und den Bezug auf (D1) bezüglich der Interferenzpigmente).

IX. Die Beschwerdegegnerin argumentierte, der Absatz [0009] des Patents entsprechende Teil der ursprünglichen Fassung der Anmeldung bilde die Grundlage für den im Absatz [0010] vorgenommenen Ersatz des Wortes "Metalloxid" durch "(TiO2 und/oder Fe2O3)".

Sie sah den Anspruch 1 weder aufgrund seiner zweiteiligen Form noch im Lichte der Beschreibung als unklar an.

Das Dokument (D4a) schlage als plättchenförmige Matrixmaterialien neben SiO2 auch Glimmer, Kaolin oder Talk vor und verwende in den Beispielen ausschließlich Glimmer. Dokument (D4a) beziehe sich zwar auf die im Dokument (D1) beschriebenen Interferenzpigmente, jedoch offenbare Dokument (D1) auch Interferenzpigmente, deren Matrixmaterialien neben SiO2 auch Farbstoffe oder Kupplungsreagentien enthalten können. Diese Matrixmaterialien könnten allgemein mit Metallen oder Metalloxiden beschichtet werden. Außerdem unterscheide sich die im vorliegenden Anspruch 1 definierte Komponente B von den im Dokument (D4a) genannten plättchenförmigen Farbpigmenten. Daher offenbare das Dokument (D4a) nicht die spezifische Kombination der Komponenten A und B gemäß dem vorliegenden Anspruch 1.

X. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, das Patent auf Basis der mit Schreiben vom 22. August 2006 eingereichten Patentansprüche 1 bis 3 aufrechtzuerhalten.

Ferner beantragte sie, die Dokumente (D11) und (D12) und die Beweismittel (D13) nicht zum Verfahren zuzulassen.

XI. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen in den Ansprüchen (Artikel 123 (2) und (3) EPÜ)

2.1 Der vorliegende Anspruch 1 basiert auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 bis 4; die vorliegenden Ansprüche 2 und 3 entsprechen den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 5 und 6.

2.2 Die Änderungen führen zur Einschränkung des Schutzbereichs der unabhängigen erteilten Ansprüche 1, 5 und 6 durch die in den Anspruch 1 aufgenommenen zusätzlichen Merkmale der erteilten Ansprüche 2 bis 4.

2.3 Diese Änderungen sind daher unter Artikel 123 EPÜ nicht zu beanstanden.

3. Deutlichkeit der Ansprüche (Artikel 84 EPÜ)

Die Beschwerdeführerin erachtete den Anspruch 1 für nicht deutlich aufgrund der Aufteilung der Merkmale auf die Präambel und den kennzeichnenden Teil.

Im vorliegenden Anspruch 1 sind die erteilten Ansprüche 1 bis 4 derart kombiniert, dass die in den kennzeichnenden Teilen der erteilten Ansprüche 2 bis 4 enthaltenden Merkmale im kennzeichnenden Teil des vorliegenden Anspruchs 1 zusammengefasst wurden (siehe oben unter den Punkt VII).

Dies bedeutet, dass sich durch die nach Erteilung vorgenommenen Änderungen die Aufteilung der Merkmale der Ansprüche auf Präambel und kennzeichnenden Teil gegenüber der erteilten Fassung nicht geändert hat. Der angebliche Mangel an Deutlichkeit bestand daher schon in der erteilten Fassung der Ansprüche.

Mangelnde Deutlichkeit der Ansprüche stellt jedoch keinen Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 EPÜ dar. Daher war die vorliegenden Fassung der Ansprüche nicht auf Deutlichkeit zu prüfen.

4. Geänderte Beschreibung

Dem gegen die Beschreibung in der am 08. Juni 2005 vorgelegten Fassung von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwand braucht nicht nachgegangen werden, da bereits andere Gründe den Widerruf des Patents rechtfertigen.

5. Neuheit (Artikel 52 (1), 54 und 100 (a) EPÜ)

5.1 Dokument (D4a) beansprucht eine Pigmentmischung enthaltend

(a) ein plättchenförmiges Interferenzpigment und

(b) ein plättchenförmiges Farbpigment

in einem Gewichtsverhältnis von 1:9 bis 9:1 (siehe Ansprüche 1 und 8).

5.2 Die Interferenzpigmente (a) können die im Dokument (D1) beschriebenen sein (siehe (D4a), Spalte 2, Zeilen 60-63). Dokument (D1) offenbart in den Beispielen 5 bis 9, 17 und 18 Interferenzpigmente, die die folgenden Schichtfolgen aufweisen:

SiO2-Plättchen/SnO2/TiO2 (Beispiele 5-7);

SiO2-Plättchen/Fe2O3 (Beispiele 8-9);

rot gefärbte SiO2-Plättchen/SnO2/TiO2 (Beispiel 17);

mit Ruß getönte SiO2-Plättchen/TiO2 (Beispiel 18).

Der vorliegende Anspruch 1 schließt weder die Färbung bzw. Abtönung der SiO2-Plättchen noch deren Beschichtung mit weiteren Metalloxiden, wie SnO2, zusätzlich zur Beschichtung mit TiO2 und/oder Fe2O3, aus (siehe Anspruch 1 ("... Komponente A mit ein oder mehreren Metalloxiden ... beschichtete SiO2-Flakes ..."); vergleiche Absatz [0009] der Patentschrift (... farbigen oder farblosen Matrix ... . Die SiO2-Flakes werden mit ein oder mehreren Metalloxidschichten ...")).

Daher fallen die Produkte der Beispiele 5 bis 9, 17 und 18 des Dokuments (D1) unter die Definition der Komponente A gemäß dem vorliegenden Anspruch 1.

5.3 Das Dokument (D1) offenbart auch Interferenzpigmente, die nicht unter die Definition der Komponente A gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 fallen (siehe oben unter Punkt IX, dritter Absatz; vergleiche (D1), Beispiele 11 und 24). Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass dieses Dokument konkrete Beispiele der Komponente A gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 aufführt, und dass durch den ausdrücklichen Hinweis im Dokument (D4a) auf die im Dokument (D1) beschriebenen Interferenzpigmente diese konkreten Beispiele der Komponente A zum Offenbarungsgehalt des Dokuments (D4a) gehören.

5.4 Die zweite im Anspruch 1 des Dokuments (D4a) beschriebene Komponente ist ein plättchenförmiges Farbpigment. Da dieses Farbpigment nur organisch und/oder anorganisch sein kann, fällt es unter die Definition der Komponente B gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 ("... und Komponente B plättchenförmige ... Farbmittel ... sind, dadurch gekennzeichnet, dass ... Komponente B ... organische Farbpigmente und/oder anorganische Farbpigmente sind, ...").

5.5 Daher offenbart das Dokument (D4a) die Kombination

- der in den Beispielen 5 bis 9, 17 und 18 des Dokuments (D1) beschriebenen Interferenzpigmente der Komponente A gemäß vorliegendem Anspruch 1 mit

- den im Anspruch 8 von Dokument (D4a) - durch Rückbezug auf den Anspruch 1 - beschriebenen Farbpigmenten der Komponente B gemäß vorliegendem Anspruch 1

innerhalb der im Anspruch 8 von Dokument (D4a) festgelegten Mischungsverhältnisse von 1:9 bis 9:1 Gewichtsteilen.

Folglich ist der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 nicht neu.

5.6 Dokument (D4a) offenbart auch die Verwendung der Pigmentmischungen zum Pigmentieren von Lacken, Druckertinten, Kunststoffsystemen und Beschichtungen (siehe Spalte 3, Zeilen 51-53; vergleiche Seite 9, fünfter Absatz des Schreibens der Beschwerdeführerin mit Datum vom 04. Oktober 2005). Daher ist auch der Gegenstand der Ansprüche 2 und 3 nicht mehr neu.

6. Die zum Nachweis fehlender erfinderischer Tätigkeit von der Beschwerdeführerin nachgereichten Dokumente (D11) und (D12) und Beweismittel (D13) sind daher nicht mehr entscheidungsrelevant. Somit erübrigt sich der Antrag der Beschwerdegegnerin, diese Dokumente und Beweismittel im Beschwerdeverfahren nicht zuzulassen (siehe oben unter Punkt X).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

7. Das Patent wird widerrufen.

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