T 0998/05 () of 22.3.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T099805.20070322
Datum der Entscheidung: 22 März 2007
Aktenzeichen: T 0998/05
Anmeldenummer: 00991060.5
IPC-Klasse: C22B 15/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Sulfidierung von Sulfiderzen zur nassmetallurgischen Gewinnung von Kupfer und anderen Metallen
Name des Anmelders: Beckmann, Alexander
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
European Patent Convention 1973 R 67
Schlagwörter: Erweiterung gegenüber Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Form (nein)
Neuheit (Hauptantrag - nein, Hilfsantrag 1 - ja
Zurückverweisung an die Erstinstanz zur weiteren Prüfung
Rückzahlung der Beschwerdegebühr (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0734/91
T 0063/93
T 0092/96
T 0802/97
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer (Anmelder) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 00 991 060.5 Beschwerde eingelegt.

Die Prüfungsabteilung teilte dem Anmelder in ihrem Erstbescheid gemäß Artikel 96 (2) EPÜ vom 2. März 2004 mit, dass das Verfahren des sodann gültigen Anspruchs 1 gegenüber den Verfahren gemäß den Entgegenhaltungen D1 (=DE-A-24 271 58), D2 (=US-A-3 985 555) und D3 (=US-A-3 459 535) nicht neu sei (siehe Punkte 2, 3 und 4 des Bescheids).

Der Wortlaut dieses Anspruchs 1 lautete:

"1. Verfahren zur Gewinnung von Metallen aus kupfersulfidischen und/oder kupfereisensulfidischen Erzen mit Laugungsschritten mikrobiologischer und chemischer Art zur Lösung der Metalle, dadurch gekennzeichnet, dass

1. in einem den Laugungsschritten vorgeschaltetem Umwandlungsschritt die Erze unter Schwefelzugabe und Additiven zu Covellin, Pyrit und Begleitsulfiden umgesetzt werden, und

2. Kupfer und andere im Reaktionsprodukt enthaltene Metalle, Edelmetalle und seltene Erden gewonnen werden."

Des Weiteren teilte die Prüfungsabteilung dem Anmelder mit, dass nicht erkennbar wäre, welcher Teil der Anmeldung die Grundlage für einen neuen, gewährbaren Anspruch bilden könnte (siehe Punkt 6 des Bescheids).

Nach einer gewährten Fristverlängerung von zwei Monaten reichte der Anmelder als Reaktion auf den Erstbescheid mit seinem Schreiben datiert vom 13. September 2004 einen geänderten Anspruch 1 ein. (Für den Wortlaut dieses Anspruchs, siehe Punkt V.)

Der Anmelder legte im Antwortschreiben zunächst dar, dass im geänderten Anspruch 1 klargestellt wurde, dass die spezifizierten mikrobiologischen und chemischen Laugungsschritte auch alternativ eingesetzt werden können und dass die genannten Additive in der Reaktionsmischung nur gegebenenfalls enthalten wären. Des Weiteren nannte er die Basis dieser Änderungen von Anspruch 1. Im Anschluß daran brachte er Argumente betreffend die Neuheit des Verfahrens von Anspruch 1 gegenüber den Verfahren gemäß den Entgegenhaltungen D1 bis D3, in Kombination mit einem als Anlage 1 beigefügten Phasendiagramm für Cu, S und Fe, vor.

Unter Berücksichtigung der Antwort des Anmelders vom 13. September 2004 entschied die Prüfungsabteilung, daß die in Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen nach Artikel 84 und 123 (2) EPÜ zulässig sind, daß diese Änderungen aber keinen Unterschied bewirken und es daher dem beanspruchten Verfahren des nunmehr vorliegenden Anspruches 1 weiterhin gegenüber D2 und D3 an der notwendigen Neuheit mangelt.

II. Mit dem Bescheid vom 12. Dezember 2006, der als Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung vor der Kammer beigefügt war, teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt geltenden Anträge mit. Als Hauptantrag lagen die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Ansprüche 1 bis 14 bzw. als Hilfsantrag lagen die mit der Beschwerdebegründung vom 19. Juli 2005 eingereichten Ansprüche 1 bis 14 vor. Anspruch 1 des Hauptantrags schien die Erfordernisse von Artikel 123 (2) zu erfüllen, während dies für Anspruch 1 des Hilfsantrags nicht zutraf. Das Verfahren von Anspruch 1 des Hauptantrags schien gegenüber dem Verfahren von D2 neu zu sein, während es gegenüber jenem gemäß D3 als nicht neu erachtet wurde. Im Übrigen schien sich die Frage der ausreichenden Offenbarung im Hinblick auf die Verfahren nach D1 bzw. D3 und der Argumentation des Beschwerdeführers zu stellen, da deren Reaktionsbedingungen mit jenen der vorliegenden Anmeldung weit zu überlappen schienen, aber argumentiert wurde, dass diese Verfahren andere Reaktionsprodukte ergeben würden.

Die Kammer äußerte außerdem ihre vorläufige Absicht, für den Fall, daß ein neuer Anspruchssatz den Erfordernissen der Artikel 123 (2), 84, 83 und 54 EPÜ genügte, die Angelegenheit gemäß Artikel 111 (1) EPÜ zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückverweisen, da diese die erfinderische Tätigkeit nicht geprüft hatte.

Bezüglich der beantragten Rückzahlung der Beschwerdegebühr sollte in der mündlichen Verhandlung diskutiert werden, ob aufgrund der Sachlage ein wesentlicher Verfahrensfehler vorliegt, oder nicht. Nach ihrer vorläufigen Ansicht konnte die Kammer keinen wesentlichen Verfahrensfehler der Prüfungsabteilung erkennen.

III. Mit Schreiben vom 22. Februar 2007 reichte der Beschwerdeführer neue Hilfsanträge 1 bis 3 zusammen mit weiteren Argumenten im Hinblick auf die Neuheit gegenüber den Entgegenhaltungen D1 und D3 in Kombination mit der Anlage 1 (= "Mineralogie", H. Schröcke, Berlin - New York, de Gruyter, 1981, Seiten 244 bis 247) ein.

IV. Am 22. März 2007 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Der Beschwerdeführer beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf folgender Grundlage zu erteilen:

mit den Ansprüchen 1 bis 14 vom 13. September 2004 (Hauptantrag) oder mit den Ansprüchen 1 bis 13 gemäß dem Hilfsantrag, eingereicht am 22. März 2007 in der mündlichen Verhandlung, und den Seiten 1 bis 3 der ursprünglichen Beschreibung und Seite 4 wie am 22. März 2007 in der mündlichen Verhandlung eingereicht, beziehungsweise die Angelegenheit an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Des Weiteren wurde die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt.

Zusätzlich zur Entgegenhaltung D3 und der Anlage 1 wurde auch die folgende während der mündlichen Verhandlung überreichte Druckschrift berücksichtigt:

D4 = "Die Erzmineralien und ihre Verwachsungen", Seite 734

V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

"1. Verfahren zur Gewinnung von Metallen aus kupfersulfidischen und/oder kupfereisensulfidischen Erzen mit Laugungsschritten mikrobiologischer und/oder chemischer Art zur Lösung der Metalle, dadurch gekennzeichnet, dass

1. in einem den Laugungsschritten vorgeschaltetem Umwandlungsschritt die Erze unter Schwefelzugabe und gegebenenfalls Additiven zu Covellin, Pyrit und Begleitsulfiden umgesetzt werden, und

2. Kupfer und andere im Reaktionsprodukt enthaltene Metalle, Edelmetalle und seltene Erden gewonnen werden."

VI. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet wie folgt (Änderungen gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags in Fettdruck, hinzugefügt von der Kammer):

"1. Verfahren zur Gewinnung von Metallen aus kupfersulfidischen und/oder kupfereisensulfidischen Erzen mit Laugungsschritten mikrobiologischer und/oder chemischer Art zur Lösung der Metalle, dadurch gekennzeichnet, dass

1. in einem den Laugungsschritten vorgeschaltetem Umwandlungsschritt die Erze unter Schwefelzugabe und gegebenenfalls Additiven zu Covellin, Pyrit und Begleitsulfiden in einem Drehrohrofen oder Wirbelschichtreaktor umgesetzt werden, und

2. aus dem Covellin Kupfer mit Laugungsverfahren herausgelöst wird."

VII. Der Beschwerdeführer hat im wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Das erste Merkmal gemäß den Änderungen von Anspruch 1 des neuen Hilfsantrags "in einem Drehrohrofen oder Wirbelschichtreaktor" habe eine Basis in Anspruch 6 bzw. Seite 4 der Beschreibung der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht (entspricht der veröffentlichten WO-A-01 44 524; siehe Seite 4, Zeilen 22 und 23) während das zweite Merkmal "aus dem Covellin Kupfer mit Laugungsverfahren herausgelöst wird" eine Basis auf Seite 2, der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht, hat (siehe Seite 2, Zeilen 15 bis 18). Somit seien die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ für Anspruch 1 des Hilfsantrags erfüllt.

Das Verfahren von Anspruch 1 des Hauptantrags sei gegenüber jenem der Entgegenhaltung D3 neu, da bei dem Verfahren nach D3 keine Umsetzung zu Covellin (CuS) erfolge, sondern eine Umsetzung zu Chalkosin (Cu2S). Die in D3 genannten Reaktionsgleichungen (1) bis (3) (in Spalte 3, Zeilen 30 bis 37) sind nicht geeignet, die beschriebene Reaktion zu charakterisieren, da, wenn die Reaktionen (2) und (3) stattfinden würden, Schwefel freigesetzt werden müßte. Gemäß Anlage 1 findet die Reaktion (3) erst bei Temperaturen oberhalb 743ºC statt, weshalb die bei D3 tatsächlich ablaufende Gesamtreaktion

2 CuFeS2 + S -> Cu2S + 2 FeS2

sein muß, da nur diese Reaktionsgleichung zu einer halbstöchiometrischen Umsetzung führt. Diese Sicht werde durch die bevorzugte Ausführungsform, nämlich das Beispiel 1 der D3 bestätigt, bei dem die Umsetzung in einer geschlossenen Retorte erfolge. Auch D4 stütze diese Sicht.

Aufgrund der Elementaranalyse des Erzes und den angegebenen prozentualen Gehalten der Metalle im Erz ließen sich mit den Atomgewichten die Stoffmengen für die Elemente Cu, Fe und S mit 3.26 Mol, 3.85 Mol bzw. 7.58 Mol berechnen. Die der Reaktionsmischung zugesetzten 10 Gew.% von elementarem Schwefel (68.5 g) entsprächen 2.14 Mol, so dass keine stöchiometrische Zugabe sondern lediglich ca. 65% der stöchiometrisch benötigten Menge zugegeben werde, von der aber nur 8 Gew.% in der Umsetzung aufgenommen wurde. Somit entspräche der aufgenommene Schwefel lediglich ca. 52.4% der stöchiometrisch benötigten Menge. Auf der Basis der Elementaranalyse des Reaktionsprodukts, wobei davon ausgegangen werde, dass mit der Bezeichnung "St" der gebundenen Schwefel gemeint sei, ließen sich ebenfalls die Stoffmengen für Cu, Fe und S mit 3.26, 3.87 und 9.13 Mol berechnen. Für das angenommene Reaktionsprodukt wären somit ca. 1.63 mol des Schwefels im Cu2S und 7.73 mol im FeS2 gebunden, womit sich insgesamt ein Schwefelgehalt von beiden Substanzen von 9.36 mol ergebe. Unter Berücksichtigung der Messungenauigkeiten etc. sei dieses Ergebnis in guter Übereinstimmung mit der angenommenen Reaktionsgleichung für die Umsetzung in Cu2S. Die von der Kammer durchgeführten Berechnungen auf der gleichen Basis der Elementaranalysen zeigten, dass mit den ermittelten Molzahlen und den möglichen Reaktionsprodukten CuS, Cu2S, FeS und FeS2 mehrere Lösungen möglich seien, wie. z.B. eine Mischung von 100% Cu2S (entsprechend 259,07 g), 93% FeS2 (entsprechend 429.21 g) und 7% FeS (entsprechend 24.0 g) würde ebenfalls in Summe eine Reaktionsmischung von 713.45 g ergeben. Eine Mischung mit 100% Cu2S, 92% FeS2 sowie 8% FeS würde exakt den Wert gemäß der Berechnung der Kammer ergeben. Somit offenbare D3 nicht eindeutig die Umsetzung zu Covellin. Daher erfolge keine Laugung von Covellin sondern von Cu2S. Bei einem fachmännischen Verständnis des Begriffes "Umsetzung" sei klar, daß ein als Zwischenprodukt gebildetes CuS nicht unter den Begriff "Umsetzung" zu Covellin von Anspruch 1 falle, da damit eine fast vollständige Umsetzung gemeint sei. Deshalb sei das Verfahren nach Anspruch 1 des Hauptantrags neu gegenüber dem Verfahren nach D3.

Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags sei aufgrund der verwendeten Ofentypen neu gegen über den Verfahren nach D1 bis D3.

Die Prüfungsabteilung habe einen wesentlichen Verfahrensfehler begangen, weil sie dem Anmelder nicht mehr als eine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (vgl. Richtlinien, Teil C, Kapitel VI, 2.5) und der erste Prüfungsbescheid sich im Wesentlichen mit D1 beschäftigte. Lediglich im Hinblick auf D1 wurde ausgeführt, daß der Gegenstand von Anspruch 1 nicht neu sei und die Merkmale der Ansprüche 2 bis 5, 7, 9 und 10 aus D1 hergeleitet werden können, während zur Offenbarung von D2 und D3 nur zwei kurze Absätze enthalten waren. Im Antwortschreiben vom 13. September 2004 war ausführlich zu den Unterschieden Stellung genommen worden, so dass eine Bona Fide Antwort vorlag, aufgrund derer die Anmeldung nicht hätte zurückgewiesen werden dürfen. Deshalb wird die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

Hauptantrag

1.1 Anspruch 1 des Hauptantrags basiert auf Anspruch 1 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (entspricht der veröffentlichten WO-A-01 44 524) in Kombination mit Seite 2, zweiter Absatz bis Seite 3, zweiter Absatz der Beschreibung, wonach die Umsetzung der Erze auch ohne Zusatz von Additiven möglich ist bzw. die Laugung entweder chemisch oder mikrobiologisch durchgeführt werden kann.

Die Formulierungen "mikrobiologisch und/oder chemischer Art" bzw. "gegebenenfalls Additiven" von Anspruch 1 des Hauptantrags erfüllen daher die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ.

Hilfsantrag 1

1.2 Die erste Änderung von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1, das zusätzliche Merkmal "in einem Drehrohrofen oder Wirbelschichtreaktor" hat eine Basis in Anspruch 6 bzw. Seite 4 der Beschreibung der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht (siehe WO-A-01 44 524, Seite 4, Zeilen 22 und 23). Das zweite zusätzlich aufgenommene Merkmal "aus dem Covellin Kupfer mit Laugungsverfahren herausgelöst wird" hat eine Basis auf Seite 2 der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht hat (siehe Seite 2, Zeilen 15 bis 18).

Somit erfüllt Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ.

1.3 Die abhängigen Ansprüche 2 bis 13 basieren auf den Ansprüchen 2 bis 5 und 7 bis 14 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung.

1.4 Somit erfüllen die Ansprüche 1 bis 13 vom Hilfsantrag die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

2. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

Hauptantrag

2.1 D3 offenbart ein Verfahren zum Gewinnen von Metallen, insbesondere von Kupfer und Eisen, aus komplexen Cu-Fe-S Mineralsulfiden, wie z.B. Chalkopyrit (CuFeS2) oder Bornit (Cu3FeS2), die durch Reaktion mit Schwefel in mehrere einfache Sulfide umgewandelt werden, wodurch die saure Auslaugung des behandelten Minerals verbessert wird (siehe Zusammenfassung; und Spalte 1, Zeilen 25 bis 37). Diese genannten Mineralien enthalten neben den Metallen Cu und Fe auch andere NE-Metalle z.B. Zink, Nickel und/oder Kobalt etc., die als Rückstand bei der Auslaugung des mit Schwefel umgesetzten Minerals erhalten werden, wobei eine Temperatur von 450-500ºC für Chalkopyrit besonders bevorzugt ist (siehe Spalte 2, Zeilen 21 bis 67; Spalte 3, Zeilen 66 bis 73; Spalte 4, Zeilen 6 bis 20 und Zeilen 50 bis 56).

Gemäß D3 erfolgt die Umsetzung von Chalkopyrit gemäß der Reaktionsgleichung

(1) CuFeS2 + S -> CuS + FeS2,

wobei auch die Gleichgewichtsreaktionen

(2) 2 CuS ? Cu2S + S

und

(3) FeS2 ? FeS + S

berücksichtigt werden müssen. De Zusammensetzung des Endprodukts hängt von den relativen Raten der drei Gleichungen als auch der Verdampfung von elementarem Schwefel ab. Die beiden Gleichgewichtsreaktionen (2) und (3) resultieren gemäß D3 in der Regenerierung von freiem Schwefel, sodass die Menge an zugesetztem Schwefel zwischen 50% und 100% der - bezogen auf den eingesetzten Chalkopyrit - stöchiometrisch notwendigen Menge beträgt (siehe Spalte 3, Zeilen 26 bis 59; und Anspruch 7).

2.2 Die Argumente der Anmelderin, wonach gemäß D3 kein Covellin sondern bei der Umsetzung (ausschließlich) Cu2S aufgrund einer halbstöchiometrischen Zugabe von Schwefel erhalten würde, sind für die Kammer aus folgenden Gründen nicht akzeptabel.

2.2.1 Anlage 1 belegt lediglich, dass sich - in isolierter und gereinigter Form vorliegendes - FeS2 gemäß der Reaktionsgleichung FeS2 -> FeS + S bei Temperaturen oberhalb 743ºC und bei Normaldruck zersetzt (siehe Seiten 246 bis 247, Absatz "Physikalisch-chemische Eigenschaften").

Diese Eigenschaft von FeS2 erlaubt aber keinerlei Rückschluss auf das Verhalten von FeS2 in einer Mischung mit Chalkopyrit, Schwefel, CuS, Cu2S sowie FeS bei den genannten Temperaturen im Bereich um 400-500ºC. Die Anlage 1 ist daher nicht für einen Nachweis geeignet, dass die Gleichgewichtsreaktion (3) gemäß D3 bei den angegebenen Temperaturen nicht stattfindet.

2.2.2 Auch D4 ist für einen derartigen Nachweis, dass die Gleichgewichtsreaktion (3) in der Reaktionsmischung gemäß D3 nicht stattfindet, nicht geeignet. D4 offenbart vielmehr, dass Pyrit bei niedrigem S-Druck beim Erhitzen in Magnetkies (FeS) übergeht und umgekehrt dieser bei hohem S-Partialdruck in Pyrit. Weiters wird offenbart, dass das Gleichgewicht dieser Reaktion mit hohem S-Druck stark steigend bei einem Druck von 1 atm und 570ºC liegt (siehe Seite 734, Absatz "Physikalisch-chemisch"). Der Druck von 1 atm impliziert, dass die Substanzen FeS2, FeS und Schwefel in einem abgeschlossenen Bombenrohr vorliegen. Diese Tatsache läßt aber ebenfalls keinerlei Rückschluss auf das Verhalten von Pyrit in der Reaktionsmischung gemäß D3 zu, die ein offenes, d.h. druckloses System darstellt (vgl. Paragraph 2.2.4 unten).

2.2.3 Auch die von der Anmelderin durchgeführten Berechnungen auf der Basis der Analysenwerte von Beispiel 1 der D3 sind nicht geeignet, diese Behauptung nachzuweisen.

Zunächst ist bei den Analysewerten des Reaktionsprodukts gemäß diesem Beispiel zu bemerken, dass mit der Bezeichnung St aufgrund der weiteren Angaben zur Bestimmung von S**(0) bzw. von SSO4 - d.h. es wurden 0.2% elementarer Schwefel aber kein Schwefel in Sulfatform bestimmt - die Summe des vorhandenen Schwefels, d.h. Schwefel "total" - bedeutet. Somit ist im Reaktionsprodukt tatsächlich 40.0-0.2 = 39.8% Schwefel (Sgeb) in gebundener Form enthalten (vergleiche Spalte 4, Zeilen 71 bis 73).

Aufgrund der Analyse des Ausgangsmaterials Chalkopyrit gemäß diesem Ausführungsbeispiel in D3 (685 g Chalkopyrit enthaltend 30.2% Cu, 31.4% Fe und 35.5% S wurden mit 10 Gew.% elementarem Schwefel, d.h. 68.5 g bzw. 2.14 Mol, zur Reaktion gebracht) lassen sich über deren Atomgewichte die Molzahlen für Cu (3.26 Mol), Fe (3.86 Mol) und S (7.58 Mol) berechnen. Ausgehend von den Elementaranalysen für Cu, Fe und dem impliziten Sgeb der Reaktionsmischung, nämlich von 28.3% Cu, 29.5% Fe und 39.8% S läßt sich mit den, über die Atomgewichte berechneten Molzahlen für Cu (3.26 Mol), Fe (3.86 Mol) und S (9.07 Mol) unter Berücksichtigung der Molekulargewichte der möglichen Reaktionsprodukte CuS, Cu2S, FeS und FeS2 errechnen, in welchen Anteilen diese Reaktionsprodukte in der Reaktionsmischung vorliegen können. Aufgrund der errechneten Molzahlen für Cu, Fe und Sgeb sollten die Reaktionsprodukte eine Masse von 713.45 g aufweisen, wobei allerdings auch noch geringe Mengen anderer Sulfidbildner wie Ni, Co, etc. vorhanden sein können.

Basierend auf diesen Molzahlen sind theoretisch mehrere Lösungen möglich, wie vom Beschwerdeführer dargelegt wurde. So ergibt eine Mischung von z.B. 100% Cu2S entsprechend 259.07 g, 93% FeS2 entsprechend 429.21 g und 7% FeS entsprechend 24.0 g ebenfalls in Summe eine Reaktionsmischung von 713.45 g einfachen Fe-Sulfiden bzw. Cu-Sulfiden; eine andere Mischung mit 100% Cu2S, 92% FeS2 sowie 8% FeS ergibt ebenfalls exakt den Wert von 712.92 g, der gemäß der vorgelegten Berechnung der Kammer auch für eine Mischung von 65% CuS mit 35% Cu2S sowie 65% FeS und 35% FeS2 gilt. Allerdings stellen diese weiteren Lösungsmöglichkeiten der Berechnung keinen Nachweis dar, dass mit dem Verfahren nach D3 tatsächlich kein Covellin erhalten wird. Vielmehr steht die von der Kammer errechnete Lösung, nämlich einer Reaktionsmischung von 65% CuS mit 35% Cu2S sowie 65% FeS und 35% FeS2 in Übereinstimmung mit der spezifischen Offenbarung der D3, wonach in erster Linie CuS und FeS2 gebildet werden und nur ein Teil der Produkte gemäß der Reaktionsgleichung (1) entsprechend den Gleichgewichtsreaktion (2) und (3) weiter reagiert (siehe Spalte 3, Zeilen 43 bis 46).

2.2.4 In diesem Zusammenhang werden auch die Argumente betreffend einer geschlossenen Retorte gemäß Beispiel 1 von D3 zurückgewiesen, da eine Retorte ein offenes Gefäß darstellt. Außerdem wird in D3 darauf hingewiesen, dass Schwefel aus der Reaktionsmischung verdampft (siehe Spalte 3, Zeilen 39 bis 42) und auch gemäß Beispiel 1 enthält die resultierende Reaktionsmischung (enthält 9.12 Mol) um 19.28 g weniger Schwefel als die Ausgangsmischung (welche 2.14 + 7.58 = 9.72 Mol enthält), wie mittels der Berechnung festgestellt wurde. Somit muß bei D3 ein offenes Reaktionssystem vorgelegen haben aus dem Schwefel verdampfte, da sonst die Schwefelmenge in der Reaktionsmischung nicht weniger werden könnte.

2.2.5 Einen experimentellen Nachweis für die von ihm behauptete halbstöchiometrische Umsetzung des Chalkopyrits mit elementarem Schwefel zu Cu2S hat der Beschwerdeführer nicht vorgelegt. Der Beschwerdeführer ist somit seiner Beweispflicht nicht nachgekommen.

2.2.6 Im Übrigen offenbart D3 explizit die Umsetzung mit elementarem Schwefel in einem Verhältnis von ca. 0.5 bis 1.0 Mol Schwefel pro Mol Chalkopyrit bei den angegebenen Temperaturen (siehe Anspruch 7). Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Reaktion identischer Ausgangsverbindungen bei identischen Reaktionsbedingungen auch identische Reaktionsprodukte ergibt, muß von der Kammer ebenfalls geschlossen werden, dass gemäß dem Verfahren nach D3 Covellin erhalten wird.

2.2.7 Das Verfahren zur Umsetzung von Chalkopyrit mit elementarem Schwefel gemäß D3 ergibt daher Covellin, Pyrit und andere einfache Sulfide (d.h. Begleitsulfide), die anschließend mittels Schwefelsäure ausgelaugt werden, um das Kupfer und die anderen Metallgehalte zu gewinnen.

Somit erfüllt das Verfahren gemäß D3 alle Erfordernisse der Formulierung von Anspruch 1 des Hauptantrags. Dem Verfahren von Anspruch 1 des Hauptantrags mangelt es daher an der notwendigen Neuheit gegenüber D3. Anspruch 1 erfüllt deshalb nicht das Erfordernis von Artikel 54 EPÜ. Der Hauptantrag ist daher nicht gewährbar.

Hilfsantrag 1

2.3 D3 erwähnt keinerlei Ofentypen und offenbart im Zusammenhang des Beispiels lediglich die Verwendung einer Retorte (siehe Spalte 4, Zeilen 66 und 67).

Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist somit gegenüber dem Verfahren von D3 aufgrund des Merkmals, dass die Umsetzung in einem "Drehrohrofen oder Wirbelschichtreaktor" erfolgt, neu.

2.4 Die beiden anderen Entgegenhaltungen D1 und D2 offenbaren ebenfalls kein Verfahren zur Herstellung von Covellin, bei dem die Umsetzung in einem Drehrohrofen oder einem Wirbelschichtreaktor erfolgt.

2.5 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 erfüllt somit das Erfordernis von Artikel 54 EPÜ.

3. Zurückverweisung an die Erstinstanz (Artikel 111 (1) EPÜ)

3.1 In der angefochtenen Entscheidung wurde die Frage der erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem recherchierten Stand der Technik, insbesondere gegenüber D3, nicht angesprochen.

Der vorliegende Anspruch 1 unterscheidet sich außerdem wesentlich von dem zugrunde liegenden unabhängigen Anspruch 1 (der angefochtenen Entscheidung) dadurch, daß gemäß vorliegendem Anspruch 1 die zu verwendenden Öfen wesentliche Merkmale des Verfahrens darstellen. Es liegt somit ein neuer Fall vor, wobei von der Erstinstanz zu berücksichtigen sein wird, ob eine zusätzliche Recherche in Bezug auf die nunmehr spezifizierten Ofentypen zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit notwendig ist, oder nicht.

3.2 Die Kammer hält daher, in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 111 (1) EPÜ, eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Erstinstanz zur weiteren Entscheidung für geboten, um die Prüfung der Sache durch zwei Instanzen zu ermöglichen.

4. Rückzahlung der Beschwerdegebühr (Regel 67 EPÜ)

4.1 Die vom Anmelder mit Schreiben vom 13. September 2004 in Anspruch 1 des Hauptantrags eingebrachten Änderungen haben diesen Anspruch 1 gegenüber jenem in der ursprünglich eingereichten Form erweitert, da die Laugungsschritte nunmehr sowohl nur mehr "mikrobiologisch" als auch nur mehr "chemisch" sein konnten und auch der Zusatz der Additive im Umwandlungsschritt nur mehr fakultativ war (vergleiche Paragraph I., dritter Absatz oben).

Durch diese Änderungen blieben die Beanstandungen der Prüfungsabteilung somit voll gültig und stellten daher keine Änderungen dar, mit denen die Neuheitseinwände beseitigt werden konnten.

4.2 Auch die vom Anmelder vorgebrachten Argumente, insbesondere jene gegenüber D3 betreffend die unvollständige Umsetzung zu Covellin waren nicht überzeugend, da die Formulierung von Anspruch 1 des damaligen Hauptantrags eindeutig nicht ausschließt, daß Covellin als Zwischenprodukt vorliegt und weiterreagiert. Für die Kammer ist deshalb ein Verfahrensfehler der Prüfungsabteilung nicht erkennbar, da der Erstbescheid eindeutig Neuheitsbeanstandungen auf der Basis der Dokumente D2 und D3 enthielt (siehe Bescheid vom 2. März 2004, Paragraphen 3 und 4).

Im Übrigen basiert die für den Beschwerdeführer negative Entscheidung auf den von der Prüfungsabteilung vorgebrachten Argumenten bezüglich D2 und D3 bzw. dem Grund der mangelnden Neuheit. Zu diesen Argumenten hatte der Beschwerdeführer Stellung genommen und war allerdings zu einer anderen Schlußfolgerung gekommen. Damit sind nach Ansicht der Kammer die Erfordernisse von Artikel 113 (1) EPÜ erfüllt, wonach die Entscheidung nur auf Gründe gestützt werden darf, zu denen der Beteiligte sich äußern konnte, da sich der Beschwerdeführer zum Grund der mangelnden Neuheit nach förmlicher Aufforderung tatsächlich äußern konnte.

Zum Schluss kann eine Zurückweisung für den Beschwerdeführer nicht als Überraschung gekommen sein, denn auf dem Deckblatt jedes Prüfungsbescheids nach Artikel 96 (2) EPÜ wird darauf hingewiesen, dass die Anmeldung nach Artikel 97 (1) EPÜ zurückgewiesen werden kann, wenn die genannten Mängel nicht behoben werden.

4.3 Diese Sicht der Kammer berücksichtigt insbesondere die ständige Rechtsprechung, wonach die Prüfungsabteilung aufgrund der Worte "so oft wie erforderlich" in Artikel 96 (2) EPÜ einen Ermessensspielraum hat, wie viele Bescheide sie als sinnvoll erachtet und daß dem Anmelder nicht mehrmals Gelegenheit zur Stellungnahme zu denselben Einwänden gegeben werden sollten (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 5. Auflage 2006, Kapitel VII.B.3.1 und VII.B.3.6; siehe T 63/93, und T 734/91 sowie T 92/96, alle unveröffentlicht im Amtsblatt).

Die vom Beschwerdeführer zitierte Entscheidung T 802/97 betrifft einen anderen Fall einer Zurückweisung nach dem Erstbescheid, dessen Voraussetzungen - aufgrund einer darin von der Prüfungsabteilung vorgenommenen Verschiebung der Sachprüfung, wegen einer Reihe von Unklarheiten der unabhängigen Ansprüche - mit denen des vorliegenden Falles nicht vergleichbar sind. Diese Entscheidung ist daher für den vorliegenden Fall nicht relevant.

4.4 Der Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr und Zurückverweisung wegen Verfahrensmangel wird daher nicht als gerechtfertigt erachtet.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird daher zurückgewiesen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Prüfung an die erste Instanz auf der Basis der Ansprüche 1 bis 13 des Hilfsantrags 1, wie am 22. März in der mündlichen Verhandlung eingereicht, zurückverwiesen.

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