T 0951/05 (Metformin-Zubereitung/ROCHE DIAGNOSTICS) of 25.9.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T095105.20070925
Datum der Entscheidung: 25 September 2007
Aktenzeichen: T 0951/05
Anmeldenummer: 95932741.2
IPC-Klasse: A61K 31/155
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Pharmazeutische Zubereitung enthaltend Metformin und Verfahren zu deren Herstellung
Name des Anmelders: Roche Diagnostics GmbH
Name des Einsprechenden: STRAWMAN LIMITED
Merck Patent GmbH
Andrx Corporation
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung (verneint): Fehlende Nacharbeitbarkeit erwiesen durch Vergleichsversuche der Einsprechenden
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Diese Entscheidung wurde auf Basis des EPÜ 1973 (siehe ABl EPA 2007, Special Edition nº 4, Seite 2, erster Absatz unter "Abbreviations and references") verkündet; deswegen sind alle Zitate von Artikeln des EPÜ in dieser Entscheidung als EPÜ 1973 zu lesen.

II. Auf die Patentanmeldung Nr. 95 932 741.2, eingereicht als WO 96/008243 auf der Basis der internationalen Patentanmeldung PCT/EP95/03610, wurde das europäische Patent Nr. 0 781 129 mit 17 Ansprüchen erteilt.

III. Die unabhängigen Patentansprüche 1, 9, 11, 16 und 17 des erteilten Patents hatten folgenden Wortlaut:

"1. Pharmazeutische Zusammensetzung enthaltend Metformin als Wirkstoff und einen Hydrokolloidbildner als Retardierungsmittel sowie gegebenenfalls pharmazeutisch übliche Hilfsstoffe, wobei die Restfeuchte in der pharmazeutischen Zusammensetzung 0,5 - 3 Gew.-% beträgt.

9. Pharmazeutische Darreichungsform in Form von Tabletten oder Komprimaten zur Abfüllung in Kapseln enthaltend Metformin als Wirkstoff und einen Hydrokolloidbildner als Retardierungsmittel mit einer Restfeuchte von 0,5 - 3 Gew.-% bezogen auf das Gewicht des Tablettenkerns oder der Kapselfüllmasse.

11. Verfahren zur Herstellung von pharmazeutischen Zusammensetzungen enthaltend Metformin als Wirkstoff und einen Hydrokolloidbildner als Retardierungsmittel sowie gegebenenfalls weitere pharmazeutisch übliche Hilfsstoffe, dadurch gekennzeichnet, daß man den Wirkstoff und das Retardierungsmittel oder ein Teil davon mit einem wäßrigen, gegebenenfalls bindemittelhaltigen Lösungsmittel granuliert, gegebenenfalls den anderen Teil des Retardierungsmittels oder andere pharmazeutisch übliche Hilfsmittel dem Granulat zumischt, und anschließend das Granulat bis zu einer Restfeuchte von 0,5 - 3 Gew.% trocknet.

16. Verwendung von pharmazeutischen Zusammensetzungen nach einem der Ansprüche 1 - 8 zur Herstellung von komprimierten pharmazeutischen Darreichungsformen, insbesondere von Tabletten oder Komprimaten zur Abfüllung in Kapseln.

17. Verfahren zur Herstellung eines leicht komprimierbaren pharmazeutischen Granulates enthaltend Metformin als Wirkstoff und einen Hydrokolloidbildner als Retardierungsmittel, dadurch gekennzeichnet, daß das Granulat vor der Komprimierung auf eine Restfeuchte von 0,5 - 3 Gew.-% getrocknet wird."

IV. Die folgenden Dokumente wurden unter anderen im Einspruchsverfahren und im anschließenden Beschwerdeverfahren vorgelegt:

Zunächst im Rahmen des Einspruchsschriftsatzes der Einsprechenden III (Beschwerdegegnerin) ein im Folgenden mit (VB) bezeichneter

(VB) Bericht zum Versuch, das streitpatentgemäße Beispiel 1 nachzuarbeiten; Seiten 15 und 16 der Eingabe der Einsprechenden III (Beschwerdegegnerin) vom 2. April 2004 (Einspruchsschriftsatz)

und weiter

(28) P.H. List, "Arzneiformenlehre", 2. Auflage, Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 1980, Seiten 72-77, 80-83 und 90-95

(43) siehe Dokument (45),

(45) Zweite Erklärung von Herrn Zalman Vilkov, unterzeichnet am 29. Juli 2004; eingereicht im Einspruchsverfahren mit Schreiben der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) vom 24. März 2005

(die Seiten 1 und 2 dieser Erklärung waren im Einspruchsverfahren zuvor bereits mit Schreiben vom 3. Februar 2005 von der Einsprechenden III eingereicht und in der Entscheidung der Einspruchsabteilung mit der laufenden Nummer (43) versehen worden)

(49) Erklärung von Herrn Zalman Vilkov, unterzeichnet am 19. September 2005; eingereicht von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 14. Oktober 2005

(50) Brief der Fa. Weimer Pharma GmbH vom 9. August 2005 an Firma Hoffmann-La Roche AG, Patent Department CLP, enthaltend einen Versuchsbericht zur Herstellung einer Charge Metformin Presslinge im Galenikmaßstab, eingereicht von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 14. Oktober 2005

V. Die Beschwerde richtet sich gegen die mit Datum vom 7. Juni 2005 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung nach Artikel 102 (1) EPÜ, mit der das Patent widerrufen wurde.

Der Einspruch war auf die Einspruchsgründe mangelnde Neuheit sowie mangelnde erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 (a) EPÜ) und auf mangelnde Ausführbarkeit (Artikel 100 (b) EPÜ) gestützt.

Die Einspruchsabteilung führte aus, dass der Gegenstand nach Hauptantrag wegen mangelnder Klarheit des in Patentanspruch 9 enthaltenen Merkmals betreffend das Freisetzungsverhalten (Artikel 84 EPÜ) nicht patentierbar sei.

Der Gegenstand nach Hilfsantrag 1 enthielte zwar den unklaren Anspruch 9 nicht, sei aber dennoch nicht patentierbar, weil die Einstellung eines geeigneten Restfeuchtegehalts naheliegend gewesen sei, soweit in der beanspruchten, allgemeinen Form "Restfeuchte" als Rest einer irgendwie gearteten, zur Feuchtgranulierung eingesetzten Flüssigkeit verstanden werden müsse.

Auch die im Hilfsantrag 2 vorgenommene Beschränkung des Restfeuchtegehalts auf eine bestimmte, verbleibende Konzentration an Wasser führe nicht zu einem patentfähigen Gegenstand, da sich unter Berücksichtigung eines Vergleichsversuchs der Einsprechenden III die mangelnde Nacharbeitbarkeit des Patents nach Artikel 83 EPÜ erweise.

Nachdem auch die Hilfsanträge 3 bis 5 keine "neuen" Merkmale enthielten, erübrige sich eine weitere Diskussion und das Streitpatent sei insgesamt zu widerrufen.

VI. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat Beschwerde eingelegt und mit der Beschwerdebegründung 7 neue Anspruchsfassungen als Hauptantrag und ersten bis sechsten Hilfsantrag eingereicht.

Als Antwort auf die darauf folgenden Eingaben der Beschwerdegegnerinnen wurden mit Schreiben vom 22. August 2007 ein neuer Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 17 vorgelegt. Auf nochmals weitere Eingaben wurden diese Anträge mit Schreiben vom 18. September 2007 um den 18. und 19. Hilfsantrag ergänzt.

VII. Alle diese Anspruchsfassungen enthalten jeweils einen unabhängigen Verfahrensanspruch, der auf dem erteilten unabhängigen Verfahrensanspruch 11 (siehe Punkt III. dieser Entscheidung) beruht, und zwar mit den im Folgenden beschriebenen Varianten:

Mit einer von 3 Gew.-% auf 2,5 Gew.-% geänderten Obergrenze für die Restfeuchte, aber ansonsten wortgleich erscheint der erteilte unabhängige Verfahrensanspruch 11

- in der Anspruchsfassung für den Hauptantrag (dort Patentanspruch 15),

- in den Hilfsanträgen 1 und 5 (jeweils dortiger Patentanspruch 10),

- in den Hilfsanträgen 6 und 10 (jeweils dortiger Patentanspruch 9) sowie

- in den Hilfsanträge 11 bis 13 (jeweils dortiger Patentanspruch 8).

Die Untergrenze für die Restfeuchte ist in den Hilfsanträgen 16 und 17 (dortige Patentansprüche 10 und 9) zusätzlich von 0,5 Gew.-% auf 1 Gew.-% erhöht.

In den Hilfsanträgen 14 und 15 (dortige Patentansprüche 7 und 1) ist gegenüber dem Hauptantrag eine Bereichsangabe von 80-95 Gew.-% für den Gehalt der herzustellenden pharmazeutischen Zusammensetzung an Metformin eingeführt.

Alle weiteren Hilfsanträge enthalten gegenüber dem Verfahrensanspruch 15 laut Hauptantrag mit verschiedenen Formulierungen eine Spezifizierung der Restfeuchte auf Wasser beziehungsweise einen Ausschluss der Verwendung von organischen Lösungsmitteln bei der Granulierung:

In den Hilfsanträgen 2 und 7 (dortige Patentansprüche 10 und 9) ist nach "0,5 - 2,5 Gew.-%" der Ausdruck "an Wasser" eingeführt. In den Hilfsanträgen 3 und 8 (dortige Patentansprüche 10 und 9) ist vor dem Ausdruck "Restfeuchte von 0,5 - 2,5 Gew.-%" die Wortfolge "durch aquametrische Methoden bestimmten" eingefügt.

Die unabhängigen Verfahrensansprüche 10 der Hilfsanträge 4, 18 und 19 sowie der unabhängige Verfahrensanspruch 9 des Hilfsantrags 9 enthalten jeweils den vorstehend angesprochenen Ausschluss der Verwendung von organischen Lösungsmitteln bei der Granulierung. Sie lauten allesamt identisch (Unterschied zum entsprechenden Patentanspruch des Hauptantrags durch Fettdruck hervorgehoben):

"Verfahren zur Herstellung von pharmazeutischen Zusammensetzungen enthaltend Metformin als Wirkstoff und einen Hydrokolloidbildner als Retardierungsmittel sowie gegebenenfalls weitere pharmazeutisch übliche Hilfsstoffe, dadurch gekennzeichnet, dass man den Wirkstoff und das Retardierungsmittel oder ein Teil davon mit einem wässrigen, gegebenenfalls bindemittelhaltigen Lösungsmittel granuliert, gegebenenfalls den anderen Teil des Retardierungsmittels oder andere pharmazeutisch übliche Hilfsmittel dem Granulat zumischt, und anschließend das Granulat bis zu einer Restfeuchte von 0,5-2,5 Gew.-% trocknet, wobei zur Herstellung keine organischen Lösungsmittel verwendet werden."

VIII. Am 25. September 2007 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden.

IX. Die Argumente der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) können wie folgt zusammengefasst werden:

Die Gegenstände des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 19 seien nun durch Aufnahme verschiedener Merkmale in die jeweiligen Patentansprüche 1 und auch einige zusätzliche Änderungen in den weiteren unabhängigen und abhängigen Ansprüchen jedenfalls neu und beruhten auf erfinderischer Tätigkeit. Die Nacharbeitbarkeit ergebe sich ergänzend unter anderem aus Versuchsberichten, die mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden. Diese Berichte betreffen von Herrn Vilkov und von der Firma Weimer für die Beschwerdeführerin durchgeführte Versuche.

Die Nacharbeitungsversuche der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden III) stellten jedenfalls hinsichtlich des Maßstabs der Ansätze (Labormaßstab bzw. Galenikmaßstab) keine exakte Nacharbeitung der im industriellen Maßstab durchgeführten Beispiele des Streitpatents dar und seien daher ohne Bedeutung. Im Übrigen sei nur ein Versuch zu Beispiel 1 vorgelegt worden und keiner zu den weiteren Beispielen 2 bis 6.

In der "zweiten Erklärung" von Herrn Vilkov sei zwar beschrieben, dass in Vorversuchen das Beispiel 1 im Labormaßstab ebenfalls nicht exakt habe nachvollzogen werden können. Es sei aber auch dargestellt, dass es ihm durch eine einfache, sich für den Fachmann selbstverständlich ergebende Variation des Verfahrens (Einsatz von 25%iger Povidonlösung an Stelle der 10%igen), dennoch gelungen sei, ein tablettierfähiges Granulat herzustellen.

X. Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden) haben den Argumenten der Beschwerdeführerin widersprochen.

Im Allgemeinen seien bei der Tablettenherstellung im Labormaßstab weniger Probleme zu erwarten als im industriellen Maßstab. Daher sei ein Scheitern von Verfahren im Labormaßstab eher von erhöhter Bedeutung für die Beurteilung der Durchführbarkeit des Verfahrens im industriellen Maßstab, als dass man es als unmaßgeblich abqualifizieren könne. Wegen dieser Bedeutung sei es auch üblich, bei der Erprobung von solchen Verfahren Versuche im Labormaßstab vorzuschalten. Im vorliegenden Fall sei es daher verwunderlich, dass im Streitpatent Versuche im industriellen Maßstab dargestellt seien, ohne dass die Beschwerdeführerin in der Lage gewesen sei, zumindest im Lauf des Beschwerdeverfahrens Berichte über eigene Versuche im Labormaßstab vorzulegen.

Nachdem sich für die Beschwerdegegnerin (Einsprechende III) bereits beim Versuch der Nacharbeitung von Beispiel 1 erhebliche Probleme ergeben hätten, sei es nicht erforderlich gewesen, die weiteren Beispiele nachzuvollziehen, zumal sich diese hinsichtlich ihrer Verfahrensmerkmale auf Beispiel 1 zurückbezögen.

Die Versuche der Firma Weimer befassten sich ebenfalls nur mit Beispiel 1. Sie seien aber viel zu ungenau beschrieben und daher ihrerseits weder nachvollzieh- noch nachprüfbar. In dem in diesem Zusammenhang vorgelegten Brief werde mit Bezug auf ein vorangegangenes Telefonat lediglich bestätigt, dass unter den gegebenen Bedingungen Tabletten ohne nennenswerte Verluste durch Deckeln erhalten werden könnten. Darüber hinaus falle auf, dass einer der Geschäftsführer der Firma Weimer einer der Erfinder sei.

Im Gegensatz zu diesem Brief sei die Versuchsbeschreibung, die Herr Vilkov für die Patentinhaberin in Amerika unter Eid vorgelegt habe, sehr genau und präzise ausgeführt; sie bestätige allerdings auch in erster Linie die Ergebnisse der Beschwerdegegnerinnen.

XI. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf Grundlage des mit Schreiben vom 22. August 2007 eingereichten Hauptantrags oder auf der Grundlage eines der mit dem gleichen Schreiben eingereichten Hilfsanträge 1 bis 17 oder auf der Grundlage eines der mit Schreiben vom 18. September 2007 eingereichten Hilfsanträge 18 und 19.

Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Alle Anspruchsfassungen der vorliegenden Anträge (Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 19) sind zum Verfahren zugelassen worden. Sie können als Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung insbesondere in Verbindung mit den zuletzt eingereichten Eingaben der Beschwerdegegnerinnen gewertet werden.

Der Hauptantrag und einige der Hilfsanträge aus den geltenden Anträgen sind darüber hinaus wortgleich zu bereits mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anspruchsfassungen.

3. Das erteilte Patent ist unter anderem unter Artikel 100 b) (mangelnde Nacharbeitbarkeit) angegriffen worden.

3.1 Alle beantragten Anspruchsfassungen enthalten den gleichen unabhängigen Verfahrensanspruch, wie er vorstehend unter Punkt VII. mit seinen durch die verschiedenen Anträge bedingten Varianten dargestellt ist.

3.1.1 Unter Weglassung der durch den Ausdruck "gegebenenfalls" charakterisierten Ausführungsformen betrifft das in einem solchen Patentanspruch beschriebene Verfahren die Merkmale

- Verfahren zur Herstellung von pharmazeutischen Zusammensetzungen

- enthaltend Metformin als Wirkstoff

- und einen Hydrokolloidbildner als Retardierungsmittel

- wobei man den Wirkstoff und das Retardierungsmittel

- mit einem wässrigen Lösungsmittel granuliert

- und anschließend das Granulat bis zu einer Restfeuchte von 0,5-2,5 Gew.-% trocknet.

Die in den verschiedenen Anspruchsfassungen der geltenden Anträge vorgenommenen Einschränkungen betreffen

a) einen Bereich von 80-95 Gew.-% für Metformin und

b) an Stelle des Bereichs "von 0,5-2,5 Gew.-%" für die Restfeuchte den Bereich "1-2,5 Gew.-%"

sowie die Vorgaben, dass

c) die Restfeuchte jedenfalls einen Wasser-Restgehalt des Granulats nach Trocknung betreffen müsse beziehungsweise

d) als Lösungsmittel bei der Herstellung ausschließlich Wasser zu verwenden sei.

3.1.2 Im streitpatentgemäßen Beispiel 1 wurde der Restwassergehalt auf 2,1 Gew.-% eingestellt (siehe Streitpatent, Seite 5, Zeile 36); dieser liegt damit innerhalb der in allen Anspruchsfassungen definierten Bereiche, auch innerhalb des engeren Bereichs nach den Hilfsanträgen 16 und 17 (siehe die vorstehend unter b) beschriebene Einschränkung). Der Gehalt der erhaltenen pharmazeutischen Zusammensetzung (getrocknetes Granulat) an Metformin liegt innerhalb des speziell definierten Bereichs nach den Hilfsanträgen 14 und 15 (siehe vorstehend a) und die Tabelle zu Beispiel 1). Andere Lösungsmittel als Wasser wurden in Beispiel 1 nicht verwendet (siehe die vorstehend unter c) und d) dargestellten Vorgaben aus den einschlägigen Hilfsanträgen gemäß Punkt VII. dieser Entscheidung).

Nachdem damit sowohl alle im Punkt 3.1.1 beschriebenen Merkmale des mit dem Hauptantrag definierten unabhängigen Verfahrensanspruchs 15 als auch die Einschränkungen und Vorgaben aus den Hilfsanträgen durch das Beispiel 1 verwirklicht sind, entspricht eine Nacharbeitung dieses Beispiels sowohl der Lehre des Hauptantrags als auch aller ihrer Varianten in den gestellten Hilfsanträgen.

3.2 Das Beispiel 1 stellt im angegriffenen Patent die zentrale Stütze für die Glaubhaftmachung der Nacharbeitbarkeit der erteilten Sach- und Verfahrensansprüche dar, insbesondere weil die weiteren Beispiele 2 bis 5 hinsichtlich ihrer Verfahrensschritte auf dieses Beispiel rückbezogen sind und ansonsten nur Unterschiede hinsichtlich der Art und Menge der einzusetzenden Substanzen bestehen.

3.3 Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende III) hat den Versuch unternommen, dieses Beispiel 1 im Labormaßstab nachzuarbeiten (siehe die Ausführungen in dem im Sachverhalt zu dieser Entscheidung als (VB) zitierten Teil ihres Einspruchsschriftsatzes). In vergleichbarer Weise wurde dieses Beispiel von einem, von der Beschwerdeführerin im amerikanischen Parallelverfahren bestellten Sachverständigen nachgearbeitet (siehe "Zweite Erklärung von Herrn Vilkov", Dokument (45), Seiten 1 und 2). Allerdings ist es weder der Einsprechenden III noch dem Sachverständigen gelungen, aus dem Gemisch aus Hydrokolloidbildner und Metformin durch Aufsprühen der 10%igen Binderlösung überhaupt ein Granulat zu erhalten. In der Folge konnte damit auch kein durch Trocknung im Wassergehalt reduziertes Granulat als pharmazeutische Zusammensetzung gemäß Streitpatent hergestellt werden.

3.3.1 Die Beschwerdeführerin hat diese Versuchsergebnisse als solche nicht in Frage gestellt.

Obwohl die Ausführungen in der "Zweiten Erklärung von Herrn Vilkov" (Dokument (45)) einschließlich der beschriebenen Versuchsparameter zunächst die Ergebnisse der Beschwerdegegnerinnen bezüglich des Erhalts einer Paste an Stelle eines Granulats bestätigen, wird von der Beschwerdeführerin ohne weitere Erklärung lediglich argumentiert, dass mit nicht-erfinderischen Mitteln des Durchschnittsfachmanns eine erfolgsbegründende Modifikation des Verfahrens eingeführt werden könne.

3.3.2 Über diese Ausführungen hinaus zitiert die Beschwerdeführerin mit Dokument (50) einen Brief der Firma Weimer, in der ein Miterfinder Geschäftsführer ist. Darin wird im Gegensatz zu den Ausführungen des Herrn Vilkov (45) dargestellt, dass nach der exakt nachgearbeiteten Lehre von Beispiel 1 doch ein tablettierfähiges, getrocknetes Granulat erhalten werden könne.

3.4 Die hervorgehobene Bedeutung des Beispiels 1 zusammen mit der beschriebenen Sachlage hinsichtlich der von den Parteien vorgetragenen Fakten und Argumente führen zu folgender Überzeugung der Kammer:

Die Versuche der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden III) haben nicht in einem unvernünftigen oder unbedeutenden Randbereich des beanspruchten Verfahrens stattgefunden, sondern sind von exemplarischer Bedeutung. Die entsprechenden Versuchsergebnisse können damit nicht als Fehlversuch angesehen werden, wie er im Rahmen der Durchführbarkeit einer technischen Lehre entsprechend gängiger Rechtsprechung zu tolerieren wäre.

3.5 Zusätzlich ist festzustellen, dass weder dem Streitpatent in seiner Gesamtheit, noch einer der vielen Druckschriften, die im Verfahren das allgemeine Fachwissen repräsentieren (siehe dazu beispielhaft die Entgegenhaltung (28)), irgend ein Hinweis zu entnehmen ist, wie im Fall des vorgetragenen Scheiterns der Nacharbeitung von Beispiel 1 zielgerichtet hätte weiter verfahren werden können.

3.5.1 In diesem Zusammenhang vermag auch die Erklärung von Herrn Vilkov in Dokument (49), das Scheitern der exakten Nacharbeitung von Beispiel 1 sei für ihn nur eine Vorstufe zum erreichbaren Erfolg gewesen, nicht zu überzeugen (siehe (49), Seite 2, Absatz 1 und 2 unter "Step 8"):

Dass nämlich gerade eine Erhöhung der Konzentration der Povidonlösung auf 25%, die in seinem Fall zum Erfolg geführt habe, eine selbstverständlich naheliegende Maßnahme sei, ist nicht begründet und lässt sich an Hand seiner Versuchsberichte (Dokumente (45) und (49)) nicht nachvollziehen. Auch die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang genannte Entgegenhaltung (28) kann nicht im Sinne einer naheliegenden Konzentrationserhöhung verstanden werden, da sich die angeführte Textstelle (Seite 80, erster vollständiger Absatz) auf die Zerlegung eines mehr oder weniger feuchten Agglomerats mit Hilfe von Sieben oder perforierten Metallscheiben bezieht, was weder den Merkmalen des strittigen Verfahrensanspruchs entspricht noch dem tatsächlichen Vorgehen in Beispiel 1 oder den diskutierten Nacharbeitungsversuchen.

3.5.2 Darüber hinaus findet sich in der Entgegenhaltung (28) auch die Aussage, dass Povidon (Polyvinylpyrrolidon) zur Feuchtgranulierung üblicherweise unter anderem in Wasser als Lösungsmittel in Konzentrationen von 0,5 bis 5% einzusetzen sei (siehe (28), Seite 82, erster Absatz unter der Überschrift "4.4.4.2.2. Synthetische Polymere"). Diese Grundregel wäre bei Schwierigkeiten in der Nacharbeitung des Beispiels 1 zu beachten. Sie führt aber eher von dem Gedanken weg, eine Erhöhung der Povidon-Konzentration über die im Beispiel 1 vorgeschlagenen 10% hinaus als zielführende Korrektur ins Auge zu fassen.

3.5.3 Schließlich ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Konzentration des Bindemittels Povidon bei der Feuchtgranulierung einer Mischung aus Metformin und Hydrokolloidbildner nur einen von vielen Parametern darstellt, die im Sinne einer zielführenden Korrektur des Misserfolgs beim direkten Nacharbeiten des Beispiels 1 hätten verändert werden können. Neben dem einfachen Wechsel des Binders in seiner chemischen Struktur (etwa Kettenlänge) oder dem Einsatz von ganz anderen Hilfsstoffen ist dabei auch an die Anpassung der Granuliertechnik mit all ihren physikalischen Parametern zu denken.

Irgend eine dieser vielen Möglichkeiten konnte entsprechend dem im Versuchsbericht nach Dokument (50) beschriebenen Ergebnis die Firma Weimer erfolgreich nutzen, ohne dass daraus oder aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin deutlich geworden wäre, durch welche Verfahrensmaßnahme der berichtete Erfolg nun tatsächlich erzielt worden wäre, und wodurch sie der Fachmann im Rahmen seines Fachwissens hätte erkennen oder ermitteln können.

3.6 Der beschriebene Misserfolg bei der Nacharbeitung der Lehre des Beispiels 1 im Streitpatent und die fehlenden Hinweise auf Möglichkeiten einer zielgerichteten Korrektur belegen im vorliegenden Fall, dass die Lehre des unabhängigen Verfahrensanspruchs in seinen beantragten Varianten vom Fachmann nicht mit zumutbarem Aufwand hätte ausgeführt werden können.

3.7 Dementsprechend ist der Gegenstand des Streitpatents für den Durchschnittsfachmann nicht nacharbeitbar im Sinne von Artikel 100 (b) EPÜ.

4. Den demgegenüber vorgebrachten Argumenten der Beschwerdeführerin vermag die Kammer nicht zu folgen:

4.1 Die Tatsache, dass die Vergleichsversuche nicht mit den großen Mengen an Komponenten im industriellen Maßstab durchgeführt wurden, wie sie im Streitpatent beschrieben sind, stellt ihre Relevanz für die Frage der Nacharbeitbarkeit nicht in Frage, weil zumindest keiner der beantragten Verfahrensansprüche eine Beschränkung auf dem industriellen Maßstab entsprechende technische oder großtechnische Maßstäbe enthält.

4.2 Auch das Argument, dass von den Einsprechenden weitere Beispiele nachgearbeitet hätten werden müssen, kann nicht greifen.

Davon ausgehend, dass Beispiel 1 wie vorstehend dargestellt im Streitpatent eine besonders bevorzugte und exemplarische Ausführungsform der Erfindung verkörpert, war es im vorliegenden Fall für den Nachweis der mangelnden Nacharbeitbarkeit des streitpatentgemäßen Verfahrensanspruchs in allen beantragten Varianten nicht erforderlich, zusätzliche Versuche anzustellen.

5. Nachdem somit in allen beantragten Anspruchsfassungen die jeweiligen Verfahrensansprüche, die sich von dem erteilten unabhängigen Verfahrensanspruch 11 ableiten, in ihrer jeweilig gültigen Nummerierung nicht gewährbar sind, erübrigt sich auch das Eingehen auf die jeweiligen weiteren, abhängigen und unabhängigen Patentansprüche.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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