T 0933/05 (Präparat zur Ernährung/BRAUN MELSUNGEN) of 10.3.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T093305.20090310
Datum der Entscheidung: 10 März 2009
Aktenzeichen: T 0933/05
Anmeldenummer: 96112251.2
IPC-Klasse: A61K 31/20
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Präparat zur Ernährung
Name des Anmelders: B. BRAUN MELSUNGEN AG
Name des Einsprechenden: NESTEC S.A.
N.V. Nutricia
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Hauptantrag, erfinderische Tätigkeit (nein): alternatives Präparat durch Stand der Technik nahegelegt
Hilfsantrag, kein zusätzliches Merkmal gegenüber Hauptantrag, da das eingefügte Verfahrensmerkmal im Sachanspruch keine Unterscheidungswirkung entfaltet
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die Patentanmeldung Nr. 96 112 251.2 wurde das europäische Patent Nr. 0 756 827 mit 14 Ansprüchen erteilt.

II. Die Patentansprüche 1 und 11 des erteilten Patents haben folgenden Wortlaut:

"1. Präparat, insbesondere Flüssignahrung zur enteralen und/oder oralen Ernährung, insbesondere von Patienten mit geschwächter Immunfunktion oder Tumorpatienten, enthaltend Eiweiß und/oder Eiweißhydrolysate, Kohlenhydrate, Fett, Ballaststoffe und Wasser mit einem Fettgehalt von 20 bis 30 Energieprozent, wobei das Fettsäurenmuster

(a) einen MCT-Anteil von 30 - 70 %

(b) ein Verhältnis der omega-3-Fettsäuren zu omega-6-Fettsäuren von 1 zu 3,1 bis 1 zu 7

(c) ein Verhältnis der omega-6-Fettsäuren zu omega-9-Fettsäuren von 1 zu 0,7 bis 1 zu 1,4 und

(d) ein Verhältnis der einfach ungesättigten Fettsäuren zu den mehrfach ungesättigten Fettsäuren von 1 zu 0,5 bis 1 zu 1,5 aufweist,

wobei die Eiweißkomponente 0,5 - 3,0 g Glutamin pro 100 ml gebrauchsfertiger Lösung umfaßt.

11. Präparat nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, daß es keinen Zusatz von Arginin enthält."

III. Die folgenden Entgegenhaltungen wurden unter anderen im Einspruchsverfahren und im anschließenden Beschwerdeverfahren genannt:

(1) WO-A-93/16595

(3) US 5 438 042

IV. Die Beschwerde richtet sich gegen die mit Datum vom 24. Mai 2005 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung nach Artikel 102(2) EPÜ 1973, in der die Einsprüche gegen das Patent zurückgewiesen wurden.

Die Einsprüche waren auf die Einspruchsgründe mangelnde Neuheit sowie mangelnde erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 (a) EPÜ 1973) und auf mangelnde Ausführbarkeit (Artikel 100 (b) EPÜ 1973) gestützt.

Die Einspruchsabteilung führte zunächst aus, dass die im erteilten Patent offenbarte Lehre für den Fachmann hinsichtlich der Ballaststoffe und der Mengenangabe für den MCT-Anteil insbesondere angesichts der einschlägigen Ausführungen in der Streitpatentschrift ausführbar sei. Dies gelte auch im Hinblick auf den Patentanspruch 11, und zwar einschließlich des Merkmals, "... daß es keinen Zusatz von Arginin enthält".

Die Neuheit sei gegeben, da aus Entgegenhaltung (1) ein Gehalt der offenbarten Flüssignahrung an Glutamin nicht explizit entnehmbar sei.

Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit ging die Einspruchsabteilung davon aus, dass die dem Streitpatent zugrunde liegende technische Aufgabe in der Bereitstellung eines Präparates zur enteralen und/oder oralen Ernährung liege, das einen erhöhten Gehalt an Glutamin aufwiese, sowie Stabilität und Bioverfügbarkeit bei oraler Gabe berücksichtige.

Weder die Entgegenhaltung (1) noch ihre Kombination mit Entgegenhaltung (3) könnten die streitpatentgemäße Lehre nahelegen. Das Nährpräparat nach Entgegenhaltung (3) weise nämlich ein gänzlich anderes Fettsäuremuster auf, enthalte keine Ballaststoffe und unterscheide sich im Glutamingehalt.

Auch unter Berücksichtigung weiterer Entgegenhaltungen könne der patentierte Gegenstand nicht nahegelegen haben.

V. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende I) hat gegen diese Entscheidung Beschwerde erhoben. Die Patentinhaberin hat mit ihrer Antwort auf die Beschwerdebegründung (eingegangen am 11. Februar 2006) einen Hilfsantrag vorgelegt. Patentanspruch 1 unterscheidet sich dabei vom erteilten Patentanspruch 1 (Hauptantrag) lediglich in der Einfügung des Passus "und keinen Zusatz von Arginin" nach "... enthaltend Eiweiß und/oder Eiweißhydrolysate".

VI. Die mündliche Verhandlung hat am 10. März 2009 in Abwesenheit der Einsprechenden II ordnungsgemäß stattgefunden.

VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin kann folgendermaßen zusammengefasst werden:

Die Neuheitsschädlichkeit von Dokument (1) hinsichtlich des Glutamingehalts der gebrauchsfertigen Lösung ergebe sich vor allem daraus, dass der bekannte Glutamingehalt der Proteine in den dort eingesetzten Eiweißkörpern "teilhydrolysiertes Natriumcaseinat" und "Lactalbuminhydrolysat" bei der Herstellung der Nährlösung erhalten bliebe und im beanspruchten Bereich liege.

Sollte man jedoch davon ausgehen, dass ein solcher Gehalt in der fertigen Flüssignahrung nach Entgegenhaltung (1) nicht mehr vorliege, so sei er zumindest durch Entgegenhaltung (3) mit einer Angabe von 14 bis 30 Gew.-% vom Proteinanteil nahegelegt.

Mit Bezug auf Patentanspruch 1 des Hilfsantrags sei festzustellen, dass er gegenüber dem entsprechenden Anspruch des Hauptantrags lediglich ein Verfahrensmerkmal enthalte, das nicht geeignet sei, als abgrenzendes Merkmal in einem Sachanspruch wirksam zu werden. Insbesondere weil im Streitpatent selbst mit der Nennung von "Eiweiß und/oder Eiweißhydrolysaten" als Aminosäurenquelle sowohl gebundene als auch freie Aminosäuren von allen Aminosäurengehalte betreffenden Angaben umfasst seien, könne am Präparat selbst nicht mehr nachvollzogen werden, ob, beziehungsweise zu welchen Teilen, ein bestimmter Gehalt an Arginin aus dem gewählten Eiweiß(hydrolysat), aus einem besonders argininreichen, extra zugesetzten Eiweiß(hydrolysat) oder von freiem zugesetztem Arginin stamme.

VIII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

Die streitpatentgemäße Flüssignahrung unterscheide sich zunächst von der in Entgegenhaltung (1) offenbarten im Glutamingehalt. Insbesondere die in Entgegenhaltung (1) beschriebenen Verfahrensschritte zur Herstellung der gebrauchsfertigen Lösung mit teilweise erheblichen Wärmebelastungen für die Proteinteilhydrolysate führten nämlich zwangsläufig zu dem Schluss, dass das bekanntermaßen thermolabile Glutamin wenigstens so weit zersetzt würde, dass die streitpatentgemäße Untergrenze nicht mehr erreicht werde. Soweit die Beschwerdeführerin gegenteiliger Meinung sei, habe sie es zumindest versäumt, etwa durch einen ohne Weiteres möglichen Nachstellungsversuch ihrer Beweispflicht nachzukommen.

Darüber hinaus werde in Entgegenhaltung (1) großer Wert auf den Zusatz von Arginin gelegt, was im Streitpatent insgesamt ausdrücklich als nachteilig dargestellt werde.

Die Aufgabe, der im Patentanspruch 1 als bevorzugt beschriebenen Patientengruppe eine an ihre besonderen Bedürfnisse angepasste Nährlösung unter Berücksichtigung des Glutamingehalts bereitzustellen, werde durch die definierte Glutaminmenge im gebrauchsfertigen Präparat plausibel gelöst. Bisher habe wegen der Labilität von Glutamin in dieser Hinsicht ein Problem bestanden. Der erhöhte Glutamingehalt sei nur durch die Verwendung von eines glutaminangereicherten Proteinhydrolysats möglich geworden, wie das auch in der Patentschrift beschrieben sei. Besonderes Augenmerk sei dabei auf das Konzept einer kompletten Nährlösung zu richten, wobei die vorzusehende Beschränkung bei der Argininmenge eine wichtige Ergänzung darstelle.

Mit Blick auf dieses Gesamtkonzept würde der Fachmann eine Kombination von Entgegenhaltung (1) mit Entgegenhaltung (3) nicht in Betracht ziehen, da in beiden Schriften - abweichend von der Lehre des Streitpatents - eine Argininanreicherung als besonders vorteilhaft angesehen werde. Außerdem könne der Fachmann auch den weiteren Entgegenhaltungen den speziellen, erfindungsgemäßen Glutamingehalt nicht entnehmen, da in den Teilhydrolysaten nur ein Teil der vorhandenen Aminosäuren in freier Form vorliege und der jeweils bekannte Glutamingehalt jeweils nur auf den komplett hydrolysierten Teil anzuwenden sei.

In der Anspruchsfassung des vorgelegten Hilfsantrags sei explizit festgelegt, dass das beanspruchte Präparat keinen Zusatz von Arginin enthalte. Ein solcher, im Patentanspruch eigens eingeschränkter Gegenstand müsse dann jedenfalls als neu und erfinderisch angesehen werden, da ja bei den Zusammensetzungen nach den Entgegenhaltungen jeweils eine Argininanreicherung vorgesehen sei.

IX. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende I) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 756 827.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte:

1 - Zunächst, Anspruch 1 der französischen Fassung dahingehend gemäß Regel 88 zu korrigieren, dass der Glutamingehalt in "pour 100ml" angegeben wird,

2 - darüber hinaus, dass die Beschwerde zurückgewiesen wird.

3 - Hilfsweise, dass das Patent auf der Grundlage des am 11. Februar 2006 eingereichten Hilfsantrags aufrecht erhalten wird.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Kammer hat sich davon überzeugt, dass die unter Artikel 100 b) EPÜ hinsichtlich der Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 vorgetragenen Einwände der Anerkennung der Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung nicht entgegenstehen. Sie folgt insofern der Argumentation der Abteilung in der Einspruchsentscheidung. Die Beschwerdeführerin hat diese Argumentation in ihrem Vortrag auch nicht mehr in Frage gestellt.

3. Zum Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 11, der bezüglich seiner Merkmale dem Patentanspruch 1 des Hilfsantrags entspricht, ist festzustellen, dass er lediglich das zusätzliche Merkmal "keinen Zusatz von Arginin" aufweist. Im Hilfsantrag ist dieses Merkmal im Anschluss an die Nennung der Bestandteile "Eiweiß und/oder Eiweißhydrolysate" eingefügt.

Dabei ist der Beschreibung des Streitpatents zu entnehmen, dass das Präparat auch in diesem Fall nicht notwendigerweise Arginin-frei ist, da Arginin als Bestandteil von Proteinen und Proteinhydrolysaten vorkommt und somit bei Verwendung dieser Bestandteile ein inhärenter Argininanteil in dem Präparat enthalten ist (siehe Seite 6, Zeilen 20 bis 22).

Außerdem ist nicht festgelegt, inwieweit das insgesamt enthaltene oder das zugesetzte Arginin komplett oder teilweise in freier Form oder in Eiweißkörpern gebunden vorliegt. Am Beispiel des Glutamins ist nämlich zu erkennen, dass gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents (siehe die dortige Formulierung "... die Eiweißkomponente ... Glutamin ... umfasst") genauso wie in den Entgegenhaltungen sowohl die freie als auch die gebundene Form zu berücksichtigen ist (siehe zum Beispiel Entgegenhaltung (3), Spalte 3, Zeilen 32 bis 34).

Unter diesen Umständen ist jedenfalls bei nicht unverhältnismäßig hohen Arginingehalten tatsächlich nicht zu unterscheiden, ob und zu welchem Anteil der vorliegende Arginingehalt einer Nährlösung

- durch Verwendung eines besonders argininreichen Grund-Eiweiß(hydrolysats) oder

- durch Verwendung eines weniger Arginin enthaltenden Grund-Eiweiß(hydrolysats)

- unter Zusatz eines argininreichen Eiweiß(hydrolysats)

- oder unter Zusatz von freiem Arginin

entstanden ist.

Das Verfahrensmerkmal, den "Zusatz von Arginin" zu unterlassen, ist also nicht geeignet, das beanspruchte Präparat zu charakterisieren und wird bei den weiteren Betrachtungen nicht berücksichtigt.

Demzufolge ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsantrag völlig gleich zu beurteilen und auch eventuelle Einwände, die verbale Ergänzung "keinen Zusatz von Arginin" könne zu mangelnder Nacharbeitbarkeit führen, gehen ins Leere.

Als weitere Konsequenz gelten die nachfolgenden Ausführungen zu Patentanspruch 1 des Hauptantrags automatisch in gleicher Weise für Patentanspruch 1 des Hilfsantrags.

4. Alle Merkmale im geltenden Patentanspruch 1, die mit "insbesondere" eingeleitet sind, dienen nur der unverbindlichen Erläuterung und werden daher nicht als charakterisierende Merkmale des beanspruchten Gegenstands betrachtet. Streitgegenstand ist demnach ein "Präparat, enthaltend Eiweiß und/oder Eiweißhydrolysate ... wobei die Eiweißkomponente 0,5 - 3,0 g Glutamin pro 100 ml gebrauchsfertiger Lösung umfasst (siehe vorstehenden Punkt II. dieser Entscheidung).

Der im geltenden Patentanspruch 1 formulierte Bezug auf Patienten mit geschwächter Immunfunktion oder Tumorpatienten hat demnach keinerlei Wirkung, insbesondere nicht die, dass der Anspruch so aufzufassen wäre, dass er auf eine zweite oder weitere medizinische Indikation gerichtet sei. Es handelt sich vielmehr um einen reinen Sachanspruch im Sinne des EPÜ 1973.

5. Entgegenhaltung (1) betrifft nach dem dortigen Patentanspruch 1 ein flüssiges Ernährungsprodukt, das entsprechend dem Beispiel in Tabelle 1 (Seite 5) und den besonderen Festlegungen in Tabelle 4 (Seite 17) mit Ausnahme des Glutamingehalts alle Merkmale des mit Patentanspruch 1 des Streitpatents beanspruchten Präparats erfüllt. Diese Feststellung entspricht auch den Schlussfolgerungen der Abteilung in der Einspruchsentscheidung und wurde von der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung nicht mehr bestritten.

Nachdem die bei der gegebenen Sachlage beweispflichtige Beschwerdeführerin keinen Versuch vorgelegt hat, dass unter den in Entgegenhaltung (1) gegebenen Herstellungsbedingungen noch genügend Glutamin unzersetzt erhalten bleibt, damit ein Gehalt von über 0,5 g pro 100 ml gebrauchsfertiger Lösung gewährleistet ist, sieht die Kammer die mangelnde Neuheit des Gegenstands des streitpatentgemäßen Patentanspruchs 1 nicht als klar und unzweifelhaft erwiesen an.

Daher ist dieser Gegenstand als neu zu bezeichnen.

6. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

6.1 Der nächstliegende Stand der Technik ist Entgegenhaltung (1). Anderes wurde auch in der mündlichen Verhandlung nicht mehr geltend gemacht.

6.2 Ein konkreter Vergleichsversuch unter Berücksichtigung dieses nächsten Stands der Technik liegt nicht vor. Besondere Effekte im Vergleich dazu sind insofern nicht aufgezeigt.

6.3 Daher war die Aufgabe der anspruchsgemäßen Lehre lediglich die Bereitstellung einer Alternative zu dem aus Entgegenhaltung (1) bekannten flüssigen Ernährungsprodukt, das unter anderem einen aus den Ausgangsstoffen ableitbaren, aber nicht weiter konkret definierten Gehalt an Glutamin aufweist.

6.4 Die Aufgabe soll dadurch gelöst werden, dass die Eiweißkomponente in der gebrauchsfertigen Lösung 0,5 - 3,0 g Glutamin pro 100 ml umfasst.

Im Licht der anmeldungsgemäßen Ausführungen, zusammen mit dem grundlegenden Wissen des Fachmanns, ist es plausibel glaubhaft, dass diese Aufgabe auch tatsächlich gelöst wird.

6.5 Aus Entgegenhaltung (3) geht nun hervor, dass für ein enteral zu applizierendes Ernährungsprodukt, insbesondere mit Blick auf Patienten, die einem hohen Risiko von Glutamin-Mangelerscheinungen ausgesetzt sind, ein Glutamingehalt von 14 bis 30% der Proteinkomponente von Vorteil sein könne. Das Produkt enthält daher 3,773 Gew.-% L-Glutamin in der Trockensubstanz (Patentanspruch 1 in Verbindung mit Spalte 7, Zeilen 10 bis 14). Nachdem das beanspruchte Pulver einen Energiegehalt von 3 bis 4 Kalorien pro Gramm enthalten soll und nur noch zum Beispiel auf eine Lösung mit 1 Kalorie pro ml verdünnt zu werden braucht, entspricht der Gehalt von 3,773 Gew.-% L-Glutamin in der Trockensubstanz einem Gehalt von 0,94 bis 1,26 g in 100 ml der gebrauchsfertigen Lösung (siehe Spalte 7 von (3) letzte Zeile bis Spalte 8, Zeile 27 mit Anwendung der angegebenen Verdünnung auf den Beispielswert von L-Glutamin).

Dies liegt exakt in dem Bereich, wie er mit dem streitpatentgemäßen Anspruch 1 gegeben ist.

Aus der Zusammenschau der Entgegenhaltungen (1) und (3) ist also ein klarer Hinweis gegeben, dass bei alternativen, nach der Rezeptur in Entgegenhaltung (1) hergestellten Nährlösungen auch streitpatentgemäß beanspruchte Gehalte an Glutamin in der gebrauchsfertigen Lösung in Betracht zu ziehen sind.

Diesem Hinweis zu folgen bedurfte es keiner erfinderischen Tätigkeit.

7. Auch die weiteren Argumente der Beschwerdegegnerin können unter diesen Umständen nicht greifen:

7.1 Die Patentinhaberin hat argumentiert, das Merkmal "kein Zusatz von Arginin" in der Lehre des erteilten Patentanspruchs 11, hätte eine eindeutige Auswirkung auf das Aminosäurenmuster der im fertigen Präparat befindlichen Eiweißstoffe und/oder Eiweißhydrolysate und wäre daher auch im fertigen Präparat erkennbar. Dieses Merkmal stünde daher für eine stoffliche Eigenschaft des beanspruchten Gegenstands.

Das würde aber allenfalls zutreffen, wenn die einzusetzenden Eiweißkörper eindeutig definiert wären und wenn der Zusatz auf die freie Aminosäure Arginin begrenzt wäre.

Letzteres ist aber, wie bereits unter Punkt 3 dieser Entscheidung dargestellt, nicht der Fall. Außerdem lässt die beanspruchte Lehre völlig offen, welche Eiweißkörper einzusetzen sind, mit der Konsequenz, dass beliebige tierische und pflanzliche Eiweiße als Quelle in Frage kommen.

Unter diesen Umständen stellt das Aminosäurenmuster in der fertigen Nährlösung die Summe einer undefinierten Zahl von verschiedenen undefinierten Proteinen und gegebenenfalls Aminosäuren dar, die keinen Rückschluss auf die eingesetzten Stoffe, insbesondere den gesonderten Zusatz von Arginin in gebundener oder freier Form erlaubt.

Daher kann dieses Argument nicht greifen.

7.2 Die von der Patentinhaberin angeführte Problematik, dass gemäß Stand der Technik im Gegensatz zum Streitpatent ein spezieller Zusatz von Arginin bei der Herstellung der beanspruchten Nährlösungen vorgesehen ist, spielt für die Betrachtung der erfinderischen Tätigkeit keine Rolle.

Ein irgendwie gearteter, speziell niedriger Arginingehalt ist für den streitpatentgemäßen Gegenstand insbesondere aus den Patentansprüchen nämlich nicht ersichtlich und kann insofern auch nicht berücksichtigt werden. Darüber hinaus kann das Merkmal eines fehlenden Argininzusatzes nicht als abgrenzendes Merkmal anerkannt werden.

Unter diesen Umständen führt auch das Argument, das Streitpatent verkörpere in dieser Hinsicht ein Gesamtkonzept, das es bei der Betrachtung des Stands der Technik grundsätzlich zu beachten gelte, nicht zu einer anderen Beurteilung des beanspruchten Gegenstands.

7.3 Ein Problem bei der Bestimmung des Glutamingehalts der in den Entgegenhaltungen offenbarten Nährlösungen im Hinblick auf die Frage, ob das Glutamin in den eingesetzten Teilhydrolysaten in freier Form oder in Eiweißkörpern gebunden vorliege, kann es nicht geben, da, wie bereits unter Punkt 3 dieser Entscheidung dargelegt, sowohl die freie als auch die gebundene Form zu berücksichtigen ist.

7.4 Die im Patentanspruch 1 als bevorzugt beschriebene Patientengruppe kann bei der Formulierung der Aufgabe nicht berücksichtigt werden, da sie in dieser Form kein einschränkendes Merkmal darstellt (siehe Punkt 4 dieser Entscheidung). Zudem ist im Streitpatent an keiner Stelle eine spezielle Wirkung des definierten Glutamingehalts auf Tumorpatienten oder Patienten mit geschwächter Immunfunktion dargestellt.

Selbst wenn jedoch die angesprochene Patientengruppe im Zusammenhang mit der Lehre des Streitpatents eine Rolle spielen würde, so wäre der anspruchsgemäße Glutamingehalt für diese Fälle ebenfalls mit Entgegenhaltung (3) nahegelegt:

Glutamin-Mangelerscheinungen treten nach Entgegenhaltung (3) nämlich bei vielen katabolen Erkrankungen auf (siehe von Spalte 6 auf 7 übergreifender Absatz), zu denen nach den Ausführungen in Spalte 3, Zeilen 40 bis 45 auch Tumor- und Immunschwächekrankheiten gehören.

8. Nachdem also der Gegenstand von Patentanspruch 1 des erteilten Patents nach Hauptantrag und, wie unter Punkt 3 dieser Entscheidung dargestellt, auf Grund der gleichen Argumentation auch der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Hilfsantrags nicht auf einer erfinderischen Leistung beruht (Artikel 56 EPÜ), war das Patent insgesamt zu widerrufen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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