European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2007:T086105.20070619 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 19 Juni 2007 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0861/05 | ||||||||
Anmeldenummer: | 98951524.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | H01R 43/042 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Hydraulisches Pressgerät | ||||||||
Name des Anmelders: | Gustav Klauke GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Dubuis, société anonyme Ehemaliger Einsprechender 01: Rothenberger Werkzeuge AG |
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Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit und erfinderische Tätigkeit - ja, Hauptantrag Offenkundige Vorbenutzung - nein |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 0 944 937 in geändertem Umfang.
II. In der angefochtenen Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung u. a. fest, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents im Hinblick auf folgendes Dokument
D14: EP-B-0 636 788
nicht neu im Sinne des Artikels 54(2) EPÜ sei.
Ferner hielt die Einspruchsabteilung die offenkundige Vorbenutzung von von der Firma "Dubuis" hergestellten Pressgeräten des Typs "BS27" für ausreichend nachgewiesen.
III. Von der Einspruchsabteilung wurde u. a. auch folgendes Dokument berücksichtigt:
D15: FR-A-2 563 291.
Folgende, von der Einsprechenden (Beschwerdegegnerin) als Nachweis für die offenkundige Vorbenutzung eingereichten Unterlagen sind von Relevanz für die vorliegende Entscheidung:
V und VI: Rechnungen für den Verkauf von jeweils einem und zehn Geräten "BS27" der Firma "Dubuis" an die Firma "Avdel",
VI': Verkaufsbedingungen auf der Rückseite der Rechnungen V und VI,
XVIII: schriftliche Erklärung von Herrn Racault, einem Mitarbeiter der Firma "Dubuis".
IV. Am 19. Juni 2007 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
V. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent unverändert aufrechtzuerhalten (Hauptantrag), oder, als Hilfsanträge 1 bis 5, das Patent in geänderter Form auf der Grundlage des mit Schreiben vom 18. Mai 2007 eingereichten Hilfsantrags oder auf der Grundlage eines der unter den Bezeichnungen I, II, IIa und III mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge aufrechtzuerhalten.
VI. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
VII. Anspruch 1 des angefochtenen Patents gemäß dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin lautet wie folgt:
"Hydraulisches Preßgerät (2) mit einem Festteil (26) und einem Bewegungsteil (24), wobei das Bewegungsteil (24) durch einen Hydraulikkolben (9) relativ zu dem Festteil (26) bewegt wird und mittels einer Rückstellfeder (10) in eine Ausgangsstellung zurückbewegbar ist, wobei die Rückbewegung in Abhängigkeit von einem vorbestimmten Preßdruck auslösbar ist durch Ansprechen eines Rücklaufventils (1), dadurch gekennzeichnet, daß das selbsttätig ansprechende Rücklaufventil (1) so ausgebildet ist, daß es durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den gesamten Rückstellweg des Hydraulikkolbens (9) in der Öffnungsstellung gehalten ist."
Die Ansprüche 2 bis 24 des Patents sind von Anspruch 1 abhängig.
Da die von der Beschwerdeführerin gestellten Hilfsanträge ohne Relevanz für die vorliegende Entscheidung sind, muss deren Wortlaut hier nicht angegeben werden.
VIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Das in D14 (Figur 1) offenbarte hydraulische Pressgerät weise ein Ventil 18 auf, das durch einen vorbestimmten Pressdruck ausgelöst werde und einen vorübergehenden Rücklauf des Öls aus dem Druckraum in den Ölvorratsraum 16 ermögliche. Dieser Entgegenhaltung sei aber nicht zu entnehmen, dass das selbsttätig ansprechende Rücklaufventil durch den Druck des zurücklaufenden Öls in der Öffnungsstellung gehalten werde. In D14 (Spalte 3, Zeilen 41 bis 49) sei lediglich beschrieben, dass das Ventil entweder automatisch ("austarierte Feder") oder manuell mittels eines Hebels betätigt werden könne, wobei der Rücklauf des Kolbens nur durch die manuelle Betätigung gesteuert werde. Im Zusammenhang der D14 bedeute "automatisch" nur, dass das Ventil zum Abbau des Überdruckes automatisch arbeite, nicht aber, dass es durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den gesamten Rückstellweg des Hydraulikkolbens in der Öffnungsstellung gehalten werde. In D14 sei noch ausgeführt, dass das Ventil 18 "in bekannter Weise" arbeite. Diesbezüglich verweise die Beschreibungseinleitung von D14 (Spalte 1, Zeilen 10 bis 14) auf eine aus der Patentschrift D15 (siehe Figur 1) bekannte Vorrichtung, welche ein Rücklaufventil 17 umfasse, das konstruktiv so ausgebildet sei wie das Rücklaufventil gemäß D14. Laut der in D15 beschriebenen Funktionsweise arbeite das Ventil 17 automatisch nur als Überdruckventil und öffne bei Erreichen des Höchstdruckes, um dann sofort wieder in seinen Sitz zurückzufallen. Hierbei werde zwar eine geringfügige Menge Öl ausgelassen und dadurch fahre der Kolben auch theoretisch ein Stück zurück. Um den Hydraulikkolben vollständig zurücklaufen zu lassen, müsse aber ein Handhebel 20 bedient werden. Bei der Auslegung von D14 sei ferner zu berücksichtigen, dass diese Entgegenhaltung das bekannte Pressgerät im Hinblick auf Werkzeuge wie Blechlochgeräte oder Blechstanzgeräte erläutere. Im Arbeitsablauf eines mit solchen Werkzeugen ausgestatteten Pressgerätes müsse aber eine bestimmte Kraft überschritten werden, um stanzen zu können. Danach falle der Öldruck entsprechend ab. Wäre das aus D14 bekannte Gerät tatsächlich mit der in Anspruch 1 des Streitpatents aufgeführten Funktion ausgestattet, dann wäre es für die in D14 angegebenen Anwendungen unbrauchbar.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents sei somit neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ.
Da sich D14 explizit auf D15 beziehe und die Merkmale des Ventils als bekannt erklärt worden seien, hätte der Fachmann bei der Ausgestaltung eines Pressgeräts gemäß D14 überhaupt keine Veranlassung gehabt, über die Lehre von D15 hinauszugehen. Auch der übrige Stand der Technik gebe keinen Hinweis darauf, dass die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 des Streitpatents angegebene Funktion für ein Pressgerät vorteilhaft wäre. Obwohl die technischen Maßnahmen zur Implementierung der im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegebenen Funktion im Nachhinein als naheliegend erscheinen mögen, habe der Fachmann vor dem Prioritätstag des vorliegenden Patents keinen Anlass gehabt, das aus D14 bekannte Gerät mit der o. g. Funktion zu versehen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents beruhe somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
Die Lieferung von Geräten des Typs "BS27" an die Firma "Avdel" sei kein typischer Verkauf gewesen. Sie sei lediglich im Rahmen einer der Firma "Dubuis" in Auftrag gegebenen Entwicklung von Geräten zum Setzen von Bolzen erfolgt, welche die Firma "Avdel" vertreiben wollte. Da es sich um ein Entwicklungsprojekt gehandelt habe, könne es davon ausgegangen werden, dass die Lieferung und die Benutzung der Geräte geheim gehalten worden seien. Da ein unbeteiligter Dritter keine Möglichkeit gehabt hätte, Kenntnis von den Merkmalen eines Geräts des Typs "BS27" zu erlangen, könne keine Offenkundigkeit vorliegen.
IX. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Das Dokument D14 betreffe ein hydraulisches Pressgerät, das nicht nur die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents, sondern auch die im kennzeichnenden Teil aufgeführte Funktion aufweise. Dies gehe eindeutig aus einer Textstelle (siehe Spalte 3, Zeilen 41 bis 49) von D14 hervor, wo es erläutert werde, dass das bekannte Pressgerät mit einem Ventil 18 versehen sei, und dass dieses Ventil entweder automatisch dank einer austarierten Feder oder manuell mittels eines Hebels betätigt werden könne, um dadurch die Rückstellung des Hydraulikkolbens zu bewirken, indem der Druckraum über eine Entlastungsleitung entleert werde. Nach der o. g. Textstelle sei daher Aufgabe des Ventils 18, den Druckraum automatisch zu entleeren und den Hydraulikkolben in die Ausgangsstellung zu bringen, wenn der Öldruck einen vorgegebenen Wert erreicht habe. Es bestünden für den Fachmann überhaupt keine Zweifel, dass sich die in D14 genannte Steuerung der Rückstellung des Hydraulikkolbens nicht nur auf die manuelle Betätigung des Ventils, sondern auch auf dessen automatisches Auslösen beziehe. Dieser Auslegung von D14 stehe auch die Lehre des in D14 als Stand der Technik genannten Dokuments D15 nicht entgegen, da letzteres einen in zwei Bereiche unterteilten Druckraum und demzufolge zwei Entlastungsventile aufweise. In D15 werde das erste Ventil 17, das dem im Streitpatent gezeigten Ventil entspreche, von einem vorbestimmten Maximaldruck ausgelöst. Das zweite Ventil 21, das den entsprechenden Bereich des Druckraums mit dem Ölvorratsraum verbinde, werde manuell betätigt, um beide Bereiche des Öldruckraums vollständig zu entleeren. Es sei für den Fachmann implizit, dass bei dem aus D15 bekannten Pressgerät die beiden Ventile 17 und 21 mechanisch verbunden werden könnten, so dass das automatische Ansprechen des Ventils 17 auch das Ventil 21 öffnen und den Druckraum entleeren würde, um eine entsprechende Rückstellung des Hydraulikkolbens zu bewirken.
Da das aus D14 bekannte Pressgerät sowohl die in Anspruch 1 des Streitpatents aufgeführten strukturellen Merkmale als auch die beanspruchte Funktion umfasse, sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ.
Selbst wenn man jedoch annehmen wollte, dass das im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegebene Merkmal in D14 nicht offenbart sei, wäre es für den Fachmann naheliegend, das bekannte Pressgerät je nach Anwendung mit einer solchen Funktionalität auszustatten. Es bedürfte lediglich einer stärkeren Rückstellfeder, um in D14 nach Auslösen des Ventils 18 den Druck des zurücklaufenden Öls zu erhöhen und somit das Ventil über den gesamten Rückstellweg in der Öffnungsstellung zu halten. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
Es sei nachgewiesen worden, dass eine Anzahl von Geräten des Typs "BS27" von der Firma "Dubuis" an die Firma "Avdel" geliefert worden seien. Solche Geräte seien von der Firma "Avdel" bestellt und gekauft worden, um die Möglichkeit eines direkten Vertriebs mit ihren Bolzen zu überprüfen. Eine Geheimhaltungsverpflichtung sei in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ("conditions générales de vente") nicht enthalten und daher auch nicht vereinbart worden. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass die an die Firma "Avdel" gelieferten Geräte und deren Merkmale vor dem Prioritätstag des Streitpatents der Öffentlichkeit uneingeschränkt zugänglich gemacht worden seien.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag der Beschwerdeführerin
Neuheit
2.1 In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents nach Artikel 54 EPÜ nicht als neu gelten könne, weil in D14 alle Merkmale dieses Anspruchs in Verbindung miteinander offenbart seien. Insbesondere sei das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 aus D14 zumindest implizit bekannt (siehe D14, Spalte 3, Zeilen 44 bis 49).
2.2 Das Dokument D14 (siehe Figur 1) zeigt ein hydraulisches Pressgerät mit einem Festteil 1' und einem Bewegungsteil 4, nämlich einem Hydraulikkolben, der relativ zu dem Festteil 1' bewegt wird und mittels einer Rückstellfeder 5 in eine Ausgangsstellung zurückbewegbar ist. Das Pressgerät nach D14 weist ferner ein Ventil 18 auf, das auf einen vorbestimmten Pressdruck anspricht und die Rückbewegung des Hydraulikkolbens durch die Rückstellfeder 5 bewirkt, und zwar so lange, bis der Druckraum wegen der Öffnungsstellung des Ventils 18 mit dem Ölvorratsraum in Verbindung steht.
Das Rücklaufventil 18 gemäß Figur 1 von D14 umfasst u. a. einen Ventilkolben mit einer stirnseitig zentral angeordneten Nadelspitze, die zur Bildung einer gegenüber der gesamten Kolbenfläche wesentlich kleineren Fläche dient, die durch den Durchmesser einer mit dem Druckraum verbundenen Bohrung definiert ist. Es ist daher implizit, dass das Ventil 18 in der Öffnungsstellung so lange gehalten wird, und folglich die Rückbewegung des Hydraulikkolbens so lange anhält, bis die durch den Druck des zurücklaufenden Öls auf die Kolbenoberfläche des Ventils 18 ausgeübte Kraft die Spannkraft der Feder 19 übersteigt.
2.3 Das aus D14 bekannte Pressgerät entspricht somit im Wesentlichen dem Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents. Dies hat die Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.
2.4 Gemäß der Beschwerdegegnerin soll aber das aus D14 bekannte Pressgerät auch so ausgebildet sein, dass das Ventil 18 durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den gesamten Rückstellweg des Hydraulikkolbens in der Öffnungsstellung gehalten ist. Dies lasse sich insbesondere aus der Beschreibung der Funktion des Entlastungsventils 18 ("clapet de décharge") ableiten.
2.5 Die Textstelle von D14 (Spalte 3, Zeilen 41 bis 49), die sich auf die Funktion des Ventils 18 bezieht, lautet wie folgt:
"De manière connue, le dispositif est également pourvu d'un clapet de décharge 18 retenu sur son siège par un ressort 19.
Ce clapet 18 peut être actionné soit éventuellement de manière automatique (ressort taré), soit par la manoeuvre d'un levier 20 en forme de gâchette, de façon à commander la rétraction du piston 4 du vérin en vidant le corps 1' par un circuit de décharge schématisé en 21, le fluide retournant alors vers le réservoir 16."
Dies kann wie folgt übersetzt werden:
In bekannter Weise ist die Vorrichtung ebenfalls mit einem Entlastungsventil 18 versehen, das durch eine Feder 19 in dem dafür vorgesehenen Sitz gehalten wird. Dieses Entlastungsventil 18 kann entweder gegebenenfalls automatisch (austarierte Feder) oder durch Bedienung eines abzugsförmigen Hebels 20 betätigt werden, um den Rücklauf des Hydraulikkolbens 4 des Kraftzylinders zu steuern, indem das Festteil 1' durch eine schematisch dargestellte Entlastungsleitung 21 geleert wird, wobei die Flüssigkeit dann in den Vorratsbehälter 16 zurückfließt.
Dem Dokument D14 ist somit zweifellos zu entnehmen, dass das Entlastungsventil 18 entweder automatisch anspricht oder manuell geöffnet werde, wobei im letzteren Fall der Druckraum geleert werden kann. Es bleibt aber in D14 offen, ob das Ventil 18 nach dem automatischen Auslösen durch den Druck des zurücklaufenden Öls tatsächlich auch so lange in der Öffnungsstellung gehalten wird, bis sich der Zylinder entleert hat und der Hydraulikkolben 4 durch die Feder 5 über den gesamten Rückstellweg in seine Ausgangsstellung zurückgebracht worden ist.
In der Tat scheinen der Verweis in der Beschreibungseinleitung von D14 (Spalte 1, Zeilen 10 bis 14) auf ein in D15 offenbartes Pressgerät mit einem Entlastungsventil, das nach dem Auslösen und dem entsprechenden Nachlassen des Öldrucks wieder schließt, und der Hinweis in D14 (Spalte 3, Zeile 41) auf die Tatsache, dass das offenbarte Pressgerät in bekannter Weise ("de manière connue") mit einem Entlastungsventil versehen ist, die Auslegung der Beschwerdeführerin zu bestätigen, wonach gemäß der Lehre von D14 die Rückstellung des Hydraulikkolbens nach dem Auslösen des Entlastungsventils 18 lediglich bei manueller Betätigung des Hebels 20 erfolgt.
2.6 Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin lässt sich somit die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 des Streitpatents aufgeführte Funktion des erfindungsgemäßen Pressgeräts dem Dokument D14 nicht eindeutig und unmittelbar entnehmen. Folglich ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents neu gegenüber D14 im Sinne des Artikels 54 EPÜ.
Erfinderische Tätigkeit
3.1 Es stellt sich nunmehr die Frage, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents auch auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht.
3.2 Das Pressgerät gemäß Anspruch 1 des Streitpatents unterscheidet sich von dem aus D14 bekannten Pressgerät durch folgendes Merkmal:
das selbsttätig ansprechende Rücklaufventil ist so ausgebildet, dass es durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den gesamten Rückstellweg des Hydraulikkolbens in der Öffnungsstellung gehalten ist.
Durch das o. g. Merkmal soll laut Streitpatent (Patentschrift: Spalte 1, Zeilen 39 bis 43) das erfindungsgemäße Pressgerät im Vergleich zu den bekannten Pressgeräten "funktionssicherer und handhabungstechnisch verbessert ausgestaltet" sein, da es nach Erreichen des für einen bestimmten Arbeitsgang vorgesehenen Pressdrucks selbsttätig geöffnet und in die Ausgangsstellung gebracht wird, also nicht zusätzlich noch eine manuelle Betätigung eines Hebels o. ä. erfolgen muss.
3.3 Die Beschwerdegegnerin hat lediglich geltend gemacht, dass es für den Fachmann naheliegend wäre, das aus D14 bekannte Pressgerät mit der o.g. Funktionalität zu versehen, sollte diese nicht schon vorhanden sein.
3.4 Die technischen Maßnahmen wie z. B. die Verwendung einer Rückstellfeder mit einer größeren Federkonstante oder eines Ventils mit einem größeren Verhältnis von Gesamt-Kolbenfläche zu der Teilkolbenfläche, die das aus D14 bekannte Pressgerät mit der im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 des Streitpatents definierten Funktion ausstatten würden, liegen für den Fachmann in der Tat auf der Hand. Keines der vorliegenden Dokumente weist jedoch auf die Möglichkeit hin, bei einem hydraulischen Pressgerät das durch einen vorbestimmten Pressdruck bewirkte automatische Auslösen eines Entlastungsventils gleichzeitig zur vollständigen Rückstellung des Hydraulikkolbens zu nutzen, indem das Ventil lediglich durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den gesamten Rückstellweg in der Öffnungsstellung gehalten wird.
Die Kammer hat daher keinen Grund anzunehmen, dass der Fachmann, der von D14 ausgeht und sich als Aufgabe stellt, die Funktionalität des bekannten Pressgerätes zu verbessern, ohne erfinderisches Zutun und lediglich auf der Basis seines Fachwissens zu einem Gerät gelangen würde, das mit der beanspruchten Funktion ausgestattet wäre.
Offenkundige Vorbenutzung
4.1 Es ist unstrittig, dass gemäß einer Rechnung vom 9. Februar 1994 ein Gerät des Typs "BS 27" mit Seriennummer A93000 und gemäß einer Rechnung vom 15. März 1994 zehn Geräte des Typs BS27 mit Seriennummern A94000 bis A94009 von der Beschwerdegegnerin, der Firma "Dubuis s.a.", an die Firma "Avdel s.a." verkauft worden sind (Dokumente V und VI).
4.2 Aus den vorliegenden Unterlagen geht aber hervor, dass die Lieferung der o. g. Geräte an die Firma "Avdel" im Rahmen einer der Firma "Dubuis" in Auftrag gegebenen Entwicklung von Geräten zum Setzen von Bolzen erfolgte, welche die Firma "Avdel" vertreiben wollte. Diesbezüglich wird auf die schriftliche Erklärung eines Mitarbeiters der Firma "Dubuis" verwiesen, wonach das Gerät "BS27" nach Anforderung der Firma "Avdel" in den Jahren 1992 und 1993 entwickelt wurde (siehe Dokument XVIII: "selon demande de la société AVDEL").
Der vorliegende Fall weist also die Besonderheit auf, dass die Lieferung nicht lediglich Teile umfasste, die von "Dubuis" routinemäßig hergestellt wurden und von "Avdel" verkauft werden sollten, sondern dass es sich bei der Lieferung um die Ergebnisse einer Auftragsentwicklung handelte. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Geräte durch Benutzung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind (vgl. Artikel 54 (2) EPÜ). Hierzu ist nämlich erforderlich, dass sie jedenfalls theoretisch in ihren Konstruktionsmerkmalen einem unbegrenzten Personenkreis hätten zu Kenntnis genommen werden können. So aber waren sie erkennbar als Prototypen von Geräten, die "Avdel" zu vermarkten beabsichtigte, offensichtlich nur für den internen Gebrauch in der Firma "Avdel" bestimmt und somit nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich. Die Kammer geht ferner davon aus, dass dieser begrenzte Personenkreis, nämlich die mit der Auswertung derartiger Prototypen befassten Angestellten der Firma "Avdel", gegenüber ihrem Arbeitgeber zur Geheimhaltung verpflichtet waren, wie es vor der Markteinführung eines Produkts der Üblichkeit entspricht.
Umstände, die dennoch in der Lieferung der Prototypen an "Avdel" deren Bekanntgabe an die Öffentlichkeit begründet haben könnten, hat die Beschwerdegegnerin nicht dargetan.
4.3 Zusammenfassend ist die Kammer der Auffassung, dass der im Jahr 1994 im Rahmen eines Entwicklungsauftrages erfolgte Verkauf von Geräten des Typs "BS27" an die Firma "Avdel" nicht als offenkundige Vorbenutzung zu bewerten ist, und dass diese Geräte nicht zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ gehören.
4.4 Die weiteren, als Beweismittel für die behauptete offenkundige Vorbenutzung von der Beschwerdegegnerin eingereichten Unterlagen beziehen sich auf den Aufbau und insbesondere auf die technischen Merkmale eines Geräts des Typs "BS 27". Da aber keine Offenkundigkeit vorliegt, spielen sie keine Rolle mehr.
5.1 Aus den vorstehenden Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents im Hinblick auf den vorliegenden Stand der Technik neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht.
Die abhängigen Ansprüche beziehen sich auf besondere Ausgestaltungen eines hydraulischen Pressgerätes gemäß Anspruch 1 und weisen somit eine erfinderische Tätigkeit auf.
5.2 Dem Antrag der Beschwerdeführerin, das Patent unverändert aufrechtzuerhalten, war somit stattzugeben.
Bei dieser Sachlage erübrigt sich eine Prüfung der vorliegenden Hilfsanträge der Beschwerdeführerin.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.