T 0818/05 (Oxidationsempfindliche Stoffe/HENKEL) of 26.10.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T081805.20071026
Datum der Entscheidung: 26 October 2007
Aktenzeichen: T 0818/05
Anmeldenummer: 98954404.4
IPC-Klasse: C11D 17/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Mehrphasen-Formkörper mit optimiertem Phasensplit
Name des Anmelders: Henkel Kommanditgesellschaft auf Aktien
Name des Einsprechenden: RECKITT BENCKISER plc The Patent Department
The Procter & Gamble Company
Unilever N.V.
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein): Erfindungsbeispiel als Beweis für die zu lösende Aufgabe nicht geeignet; alternative Zuordnung der Inhaltsstoffe zu den Phasen eines Waschmittelform-Körpers
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0188/09

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung betreffend die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 1 056 832 in geändertem Umfang auf Grundlage des der Einspruchsabteilung vorliegenden zweiten Hilfsantrags.

II. Der unabhängige Anspruch 1 dieses acht Patentansprüche enthaltenden Hilfsantrags 2 lautete wie folgt:

" 1. Zwei- oder mehrphasige Wasch- und Reinigungsmittelformkörper aus verdichtetem teilchenförmigen Wasch- und Reinigungsmittel, umfassend Gerüststoff(e), Bleichmittel, Bleichaktivator(en), oxidationsempfindliche Stoffe sowie gegebenenfalls weitere Wasch- und Reinigungsmittelbestandteile, dadurch gekennzeichnet, dass die Formkörper oxidationsempfindliche(n) Farbstoff(e) enthalten und der/die Bleichaktivator(en) räumlich getrennt von oxidationsempfindlichen Stoffen in einer abgegrenzten Region des Formkörpers vorliegt/vorliegen, wobei die abgegrenzte Region der Formkörper die Form einer separaten Schicht, einer Umhüllung oder einzelner Einlagen besitzt und die abgegrenzte Region, die den Bleichaktivator enthält, völlig frei von den genannten oxidationsempfindlichen Stoffen ist."

Gegenstand der abhängigen Ansprüche 2-8 waren weitere Ausgestaltungen der Zusammensetzung nach Anspruch 1.

III. Die Einsprechenden I, II und III hatten den Widerruf des Patentes in vollem Umfang im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ beantragt, insbesondere wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit des beanspruchten Gegenstandes (Artikel 54 und 56 EPÜ), die Einsprechende II auch im Hinblick auf Artikel 100 b) EPÜ wegen fehlender Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ). Die Einsprechende I hatte ihren Einspruch, unter anderem, auf Dokument

(2) EP-A-0 481 792

gestützt.

IV. In ihrer Entscheidung befand die Einspruchsabteilung, daß der Gegenstand der Ansprüche gemäß dem Hilfsantrag 2 den Erfordernissen des EPÜ genüge, insbesondere gegenüber Dokument (2) neu sei, weil die Auswahl von oxidationsempfindlichem/en Farbstoff(en) aus der Präzisierung von Reststoffen ("minor ingredients") aus Dokument (2) (Seite 6, Zeilen 33 bis 58) den beanspruchten Gegenstand nicht zwangsläufig neuheitsschädlich treffe, und auch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Im Lichte des Dokuments (2) als nächstem Stand der Technik liege dem Patent die Aufgabe zugrunde, Wasch- und Reinigungsmittelformkörper zur Verfügung zu stellen, die mit Hilfe von oxidationsempfindlichen Farbstoffen gefärbt sind, und trotzdem Farbstabilität erlangen. Die Erkenntnis, den Bleichaktivator von oxidationsempfindlichen Farbstoffen zu trennen, um Farbstabilität zu erreichen, ergebe sich nicht implizit aus dem Stand der Technik.

Gegen diese Entscheidung haben die Einsprechende I und II (Beschwerdeführerinnen I und II) Beschwerde eingelegt. Zur Unterstützung ihrer Argumente, im besonderen, um dem Argument der Einspruchsabteilung zu begegnen, dass sich die Trennung des Bleichaktivators von oxidationsempfindlichen Farbstoffen, um Farbstabilität zu erreichen, sich nicht implizit aus dem Stand der Technik ergebe, reichte die Beschwerdeführerin I Dokument

(15) US-A-4 486 327

ein. Die schriftlich vertretene Auffassung der Beschwerdeführerinnen läßt sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen:

Die Erfindung sei nicht ausführbar, weil der Ausdruck "oxidationsempfindlich" unklar sei. Ein Fachmann verstehe nicht, unter welchen Bedingungen Empfindlichkeit gegen Oxidation gegeben sei, auch der Grad der Empfindlichkeit sei nicht bekannt.

Die Tatsache, dass verschiedene Farbstoffe verschiedene Stabilitätsgrade aufweisen und dass die Definition der Stabilität in Abschnitt [30] des Streitpatentes mit Hilfe von Farbstoffen, die durch Oxidation im Waschvorgang zerstört werden, angegeben sei, jedoch bei der Aufgabenstellung das Augenmerk auf die Stabilität bei der Lagerung und eben nicht auf die Stabilität in der Waschflotte gerichtet sei und, ferner, der Anspruch auf oxidationsempfindliche Stoffe im allgemeinen ausgelegt und eben nicht nur auf Farbstoffe eingeschränkt sei, komme als Erschwernis hinzu, um den Ausdruck "oxidationsempfindlich" zu verstehen.

Es sei unverständlich was mit dem Beispiel gezeigt werden solle, da der als "oxidations-empfindlich" beschriebene Farbstoff nicht einmal von Percarbonat, einem Oxidationsmittel, angegriffen werde, also demzufolge nicht oxidationsempfindlich sei.

Bezüglich mangelnder Neuheit werde auf Dokument (2) verwiesen. In den mehrphasigen Waschmittelformkörpern der Beispiele seien Bleichmittel zusammen mit dem Farbstoff räumlich getrennt vom Rest der Tablette, der Grundphase, eingebracht worden. Die Grundphase enthalte Reststoffe ("minor ingredients"), zu denen optische Aufheller und fluoreszierende Substanzen gehörten, von denen ebenfalls einige zu oxidationsempfindlichen Stoffen gehören würden. In der Bleichphase sei TAED, der Bleichaktivator, enthalten, der somit vom oxidationsempfindlichen Farbstoff getrennt sei. Dokument (2) treffe den beanspruchten Gegenstand neuheitsschädlich.

Was die erfinderische Tätigkeit anbelange, so liege angesichts der Lehre des Dokuments (2) die Trennung von oxidationsempfindlichen Farbstoffen vom Bleichaktivator auf der Hand, weil aus Dokument (2) bekannt gewesen sei, Enzyme, fluoreszierende Mittel und Duftstoffe, unter denen sich oxidationsempfindliche Stoffe befinden, von Percarbonat zu trennen.

Aus Dokument (15) entnehme der Fachmann die Warnung, Bleichaktivator und Farbstoff nur dann zusammenzubringen, wenn der Farbstoff inert ist.

V. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 26. Oktober 2007 statt, an der die Beschwerdeführerinnen und die verfahrensbeteiligte Einsprechende 03 trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht teilgenommen haben, wie sie jeweils mit Schreiben vom 26. September 2007 (Beschwerdeführerin I), 4. September 2007 (Beschwerdeführerin II) und 14. August 2007 (Verfahrensbeteiligte) angekündigt hatten.

VI. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) hat schriftlich und in der mündlichen Verhandlung die Argumente der Beschwerdeführerinnen zurückgewiesen. Ihrer Meinung nach sei die Erfindung ausführbar, da die Herstellung von Presskörpern, in denen verschiedene Inhaltsstoffe getrennt in verschiedenen Phasen eingearbeitet werden, dem Fachmann geläufig sei. Der Ausdruck "oxidationsempfindlich" sei schon im Patent wie erteilt vorhanden gewesen, und mangelnde Klarheit unter Artikel 84 EPÜ sei kein Einspruchsgrund.

Außerdem sei der beanstandete Gegenstand neu, weil eine Ausgestaltung des Formkörpers laut Anspruch 1 nicht unmittelbar und eindeutig aus Dokument (2) hervorgehe.

Was die erfinderische Tätigkeit anbelange, so sei ausgehend von Dokument (2) als nächstem Stand der Technik die Bereitstellung eines mehrphasigen Waschmittelformkörpers als Aufgabe anzusehen, wobei verbesserte Farbstabilität bei oxidationsempfindlichen Stoffen angestrebt werde. Die Lösung dieses Problems bestehe in der Trennung von Bleichaktivator und oxidationsempfindlichem Farbstoff. Im Stand der Technik seien Bleichmittel und Bleichaktivator immer zusammen in einer Phase gewesen, während die Trennung von Bleichaktivator und oxidationsempfindlichem Farbstoff sich nicht aus dem Stand der Technik ableiten lasse.

VII. Die Beschwerdeführerinnen haben schriftsätzlich beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerden zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Ausführbarkeit und Neuheit (Artikel 83 und 54 EPÜ)

Für die Kammer bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Ausführbarkeit des beanspruchten Gegenstands gemäß Artikel 83 EPÜ. Sie hat sich ferner vergewissert, dass der beanspruchte Gegenstand neu ist (Artikel 54 EPÜ). Eine genaue Begründung zu Ausführbarkeit und Neuheit erübrigt sich, da die Beschwerden der Einsprechenden letztendlich aus nachstehenden Gründen wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit erfolgreich sind.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1 Die Erfindung betrifft bleichmittelhaltige Wasch- und Reinigungsmittelformkörper. Ein besonderes Problem resultiert aus der Inkorporation von Bleichmitteln in solche Formkörper, wenn neben dem Bleichmittel oxidationsempfindliche Wirk- und Hilfsstoffe eingebracht werden. Im Stand der Technik besteht ein häufig verfolgter Lösungsansatz darin, die Trennung von Bleichmittel und Bleichaktivator zu erzielen, um somit Stabilitätsprobleme oxidationsempfindlicher Substanzen wie Farbstoffe, optische Aufheller, Duftstoffe und Enzyme, und den Aktivitätsverlust des Bleichmittels zu überwinden (siehe Patent, Seite 2, Zeilen 3, 15 bis 17, 21 bis 24, 41 bis 42, und 45 bis 47).

2.2 Stabilitätsprobleme werden ebenfalls in Dokument (2) angegeben, das Waschmittelformkörper betrifft. Dabei wird die Inkorporation von Bleichmitteln erwähnt, im Besonderen, wenn bleichmittelempfindliche Inhaltsstoffe wie Enzyme gleichzeitig im Formpresskörper vorhanden sind. Die Stabilitätsprobleme werden als noch größer angesehen, wenn Bleichaktivatoren vorhanden sind.

Die Parteien haben Dokument (2) als nächstliegenden Stand der Technik angesehen. Die Kammer hält dieses Dokument ebenfalls für einen geeigneten Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.

2.3 Im Lichte des Dokuments (2) hat die Beschwerdegegnerin das der Erfindung zugrunde liegende Problem darin gesehen, die Farbstabilität von oxidationsempfindlichen Farbstoffen zu verbessern.

Zum Beweis für die Lösung des technischen Problems hat die Beschwerdegegnerin auf die Vergleichsbeispiele V1 und V2 sowie auf das Erfindungsbeispiel E1 der Tabelle 1 im Patent (Seite 14) verwiesen.

Gemäß den Vergleichsbeispielen V1 und V2 wurden Bleichaktivator (TAED) und Farbstoff (Supranol® Blau, ein Anthrachinonfarbstoff) zusammen in der blauen Phase eingebracht, während das Bleichmittel (Percarbonat), von Farbstoff und Bleichaktivator getrennt, in die weiße Phase eingebracht wurde.

Gemäß Erfindungsbeispiel E1 wurden Bleichmittel und Farbstoff zusammen in der blauen Phase eingebracht, während der Bleichaktivator, von Bleichmittel und Farbstoff getrennt, in die weiße Phase eingebracht wurde.

Nach vier Wochen Lagerungszeit bei 30ºC zeigten die blauen Phasen der Vergleichsbeispiele V1 und V2 deutliche und ungleichmäßige Ausbleichungen und weiße Flecken, während Erfindungsbeispiel E1 eine homogene blaue Phase ohne signifikante Aufhellungen zeigte.

2.4 Die Beschwerdeführerin I hatte bereits schriftsätzlich die Lösung des technischen Problems in Frage gestellt. Sie hatte darauf hingewiesen, dass TAED kein Oxidationsmittel ist und trotzdem ein Ausbleichen der blauen Phase in den Vergleichsbeispielen V1 und V2 bewirkt hat, während die Farbe im Erfindungsbeispiel erhalten bleibt, obschon hier ein Oxidationsmittel, nämlich Percarbonat, eingesetzt wurde.

2.5 Aus den Vergleichsbeispielen V1 und V2 und dem Erfindungsbeispiel E1 ergibt sich eindeutig, dass der Farbstoff vom Bleichmittel nicht zersetzt wird, wohl aber vom Bleichaktivator. Mit andern Worten, der Farbstoff ist gegenüber dem Bleichmittel inert, nicht aber gegenüber dem Bleichaktivator.

Nun ist der sogenannte "oxidationsempfindliche" blaue Farbstoff im Erfindungsbeispiel Supranol® Blau ein Anthrachinonfarbstoff. Anthrachinon ist dafür bekannt, gegenüber Oxidationsmitteln recht unempfindlich zu sein.

Während das Erfindungsbeispiel das Zusammenbringen von einem oxidationsunempfindlichem Farbstoff mit einem Bleichmittel zeigt, zielt hingegen der Wortlaut des Anspruchs 1 darauf ab, oxidationsempfindliche Stoffe räumlich vom Bleichaktivator zu trennen.

Zwischen dem Wortlaut des Anspruchs 1 und der Ausgestaltung des Erfindungsbeispiels E1 besteht demzufolge ein Widerspruch.

Wenn nun aber, im Erfindungsbeispiel ein nicht oxidationsempfindlicher Stoff eingesetzt wird, so eignet sich das Erfindungsbeispiel E1 nicht, um zu zeigen, dass das technische Problem, nämlich die Farbstabilität von oxidationsempfindlichen Farbstoffen zu verbessern, glaubhaft gelöst wurde.

Die zu lösende Aufgabe muss deshalb dahingehend umformuliert werden, dass es sich um die Bereitstellung eines mehrphasigen Waschformkörpers handelt, in dem oxidationsempfindliche Stoffe in einer alternativen Weise den Phasen zugeordnet werden.

2.6 Die Frage stellt sich, ob diese Lösung naheliegend war.

2.7 Die Beschwerdegegnerin argumentierte während der mündlichen Verhandlung, dass, wenn auch das Erfindungsbeispiel sich nicht als erfindungsbegründender Beweis eigne, die von der Patentinhaberin gefundene Lehre, nämlich den Aktivator vom Farbstoff zu trennen, nicht außer acht gelassen werden dürfte. Deshalb beruhe der beanspruchte Gegenstand auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Kammer kann dieser Argumentation nicht zustimmen. Sie weist darauf hin, dass aus dem Stand der Technik bereits bekannt war, Bleichmittel und Bleichaktivator zu trennen (siehe Punkt 2.1 und 2.2). Es ging nur noch darum, den Farbstoff einer Phase zuzuordnen, die entweder den Bleichaktivator oder das Bleichmittel enthält.

Aus Dokument (15) war bekannt, Inhaltsstoffe in Waschmittelzusammensetzungen nur dann mit einem Bleichaktivator zusammenzubringen, wenn sie inert sind (Spalte 19, Zeilen 4 bis 15).

Dokument (15) gab dem Fachmann also den Hinweis, Inhaltsstoffe nur dann mit dem Bleichaktivator in derselben Phase einzubringen, wenn sie nicht miteinander reagieren.

Im angegriffenen Patent ist dieser Hinweis dahingehend umgesetzt worden, dass der Farbstoff vom Aktivator, der ihn zersetzt hätte, getrennt wurde.

Die Trennung von Aktivator und Farbstoff lag demzufolge nach dem Hinweis aus Dokument (15) auf der Hand.

Somit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Anspruch 1 erfüllt somit nicht die Bedingungen des Artikels 56 EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Das Patent wird widerrufen.

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