T 0769/05 () of 12.4.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T076905.20070412
Datum der Entscheidung: 12 April 2007
Aktenzeichen: T 0769/05
Anmeldenummer: 00101194.9
IPC-Klasse: B23B 27/14
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schneidwerkzeug
Name des Anmelders: Jakob Lach GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Sandvik AB
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
European Patent Convention 1973 Art 114(1)
Schlagwörter: Verspätet eingereichter Stand der Technik hochrelevant - ja
Neuheit - ja
Zurückverweisung an die erste Instanz - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/91
G 0010/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 22. Januar 2000 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 26. Januar 1999 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 00101194.9 wurde das europäische Patent Nr. 1 023 961 mit 9 Ansprüchen erteilt.

Anspruch 1 lautet:

"Schneidwerkzeug für die spanabhebende Bearbeitung von Werkstücken, insbesondere aus Nichteisenmetallen oder Kunststoffen, dessen Schneidkante (22, 44, 62) und angrenzende Spanfläche (26) aus einer Schicht (20; 48; 66) aus polykristallinem Diamant (PKD) oder polykristallinem Bornitrid (PKB) bestehen, dadurch gekennzeichnet, daß die Spanfläche (26) im Abstand von 0,2 bis 0,4 mm von der Schneidkante (22, 44, 62) eine allseitig umgrenzte Einsenkung (28; 52; 68) mit einer Tiefe von 0,2 bis 0,5 mm aufweist."

II. Gegen das erteilte Patent wurde, gestützt auf die Einspruchsgründe des Artikels 100 a) EPÜ, Einspruch eingelegt und der Widerruf des Patents beantragt.

III. Die Einspruchsabteilung wies den Einspruch mit ihrer am 2. Mai 2005 zur Post gegebenen Entscheidung zurück.

Sie kam zu dem Ergebnis, daß das Schneidwerkzeug nach Anspruch 1 neu sei und auf erfinderischer Tätigkeit beruhe im Hinblick auf den Stand der Technik nach:

D1: JP 4343604 Derwent Abstract

D2: EP-A-0 356 097

D3: US-A-4 259 033

D4: JP 1171705 Derwent Abstract

D5: EP-A-0 425 812

D6: US-A-3 973 307

D7: Shaping PCD Tools by Rotary EDM, Industrial Diamond Review Vol. 46, 108-109, 1986

D8: US-A-5 772 366

D9: DE-A-31 34 959

Das verspätet eingereichte Dokument:

D10: ZA-A-97/1 236

wurde mangels Relevanz gemäß Artikel 114 (2) EPÜ nicht berücksichtigt.

IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 20. Juni 2005 Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt und am 9. September 2005 die Beschwerdebegründung eingereicht.

V. Die Beschwerdekammer hat in ihrem Bescheid vom 7. Februar 2007 ihre vorläufige Einschätzung der Sachlage mitgeteilt, wonach D10 relevanter erscheine als alle anderen im Verfahren befindlichen Dokumente.

VI. Mit Schreiben vom 21. Februar 2007 nahm die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück unter der Bedingung, dass die Sache an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen würde.

VII. In Ihrem Schreiben vom 10. April 2007 bat die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin), die Sache nicht an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, sondern möglichst bald zum Abschluss zu bringen.

VIII. Mit der Beschwerde hat die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents beantragt.

Sie brachte u.a. vor, das Dokument D10 sei prima facie hochrelevant und hätte daher von der Einspruchsabteilung berücksichtigt werden müssen.

IX. Die Beschwerdegegnerin hat mit der Beschwerdeerwiderung die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

Sie argumentierte, nächstkommender Stand der Technik sei D4, weil dort die Einsenkung in vergleichbarer Weise hergestellt würde wie gemäß ihrem Patent. Beim Stand der Technik nach D10 werde die Einsenkung schon vor dem Sintervorgang in die polykristalline Sintermasse eingeformt, was nach Aufgabe und beanspruchter Lösung einen grundsätzlich unterschiedlichen Weg darstelle, denn das Problem, die Einsenkung in die harte Diamantschicht einzubringen, werde damit umgangen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Nächstkommender Stand der Technik

2.1 D10 offenbart ein Schneidwerkzeug 20 für die spanabhebende Bearbeitung von Werkstücken, dessen Schneidkante 23 und angrenzende Spanfläche aus einer Schicht 11 aus polykristallinem Diamant oder polykristallinem Bornitrid bestehen, wobei die Spanfläche in einem Abstand von der Schneidkante 23 eine allseitig umgrenzte Einsenkung 15, 21 aufweist (Seite 1A, 1. Absatz,; Seite 5, 1. bis 5. Absatz; Figuren 2 und 3).

Nicht entnehmbar sind aus D10 die Abmessungen der Einsenkung, nämlich daß sie im Abstand von 0,2 bis 0,4 mm von der Schneidkante 23 liegt und eine Tiefe von 0,2 bis 0,5 mm aufweist, so dass der Gegenstand des Anspruchs 1 das Neuheitserfordernis erfüllt.

2.2 Über den Stand der Technik gemäß D1 bis D9 hinaus zeigt D10, dass die allseitig umgrenzte Einsenkung in der polykristallinen Schicht ausgebildet ist, und enthält somit sämtliche Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 und Teile des kennzeichnenden Teils.

D10 bildet somit den nächstkommenden Stand der Technik und ist aus diesem Grund, wenn auch verspätet eingereicht, prima facie hochrelevant. Deshalb ist dieser Stand der Technik gemäß Artikel 114 (1) EPÜ auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung der Beschwerdekammern, insbesondere von G 9/91 und G 10/91, zum Verfahren zuzulassen.

2.3 Als technisches Problem ist in D10 angegeben, Schneidelemente komplexer Form und mit komplexer Diamantoberfläche herzustellen, welche zum Brechen des Spans geeignet ist (Seite 3, 1. und 2. Absatz). Eine vergleichbare Aufgabe liegt dem Patentgegenstand zugrunde (Spalte 2, Zeilen 10 bis 16), so dass die in der angefochtenen Entscheidung angesprochene Problemstellung ausgehend vom bekannten Stand der Technik (Seite 4, Ziffer 4, 3. Absatz) nicht zutrifft.

2.4 Auch die von der Beschwerdegegnerin vorgebrachte Argumentation führt zu keiner anderen Beurteilung. Nach dem Wortlaut des Anspruchs wird Schutz für ein Schneidwerkzeug aus bestimmten Werkstoffen mit bestimmter Geometrie beansprucht, unabhängig davon, wie die Herstellung erfolgt. Allein dieser Gegenstand ist der Maßstab, wonach der nächstliegende Stand der Technik zu beurteilen ist.

Auch der Hinweis auf die Figuren 4 und 5 in D10 führt zu keinem anderen Ergebnis, denn die maßgebliche Ausbildung ist den Figuren 2 und 3 zu entnehmen.

3. Rückverweisung an die erste Instanz

Die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit auf Basis des nunmehr im Verfahren befindlichen Standes der Technik ist von der Einspruchsabteilung noch nicht durchgeführt worden. Auch um den Parteien die Verfolgung ihrer Rechte in zwei Rechtzügen zu ermöglichen, macht die Kammer von ihrem Ermessen gemäß Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch und verweist die Sache an die erste Instanz zurück.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.

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