European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2006:T068605.20061122 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 22 November 2006 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0686/05 | ||||||||
Anmeldenummer: | 98966620.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | D06F 37/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Aus dünnwandigem Blech bestehendes Geräteteil und Prägewerkzeug zur Herstellung einer Strukturfläche an dem Geräteteil | ||||||||
Name des Anmelders: | BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Miele & Cie. KG | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Zulässigkeit der Änderungen - ja Neuheit - ja Erfinderische Tätigkeit - ja |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die am 15. Dezember 1998 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 18. Dezember 1997 als internationale Anmeldung eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 98966620.1 wurde das europäische Patent Nr. 1 047 825 erteilt.
II. Gegen das erteilte Patent wurde, gestützt auf die Einspruchsgründe des Artikels 100 a) EPÜ, Einspruch eingelegt und der Widerruf des Patents beantragt.
III. Die Einspruchsabteilung widerrief das Patent mit ihrer am 31. März 2005 zur Post gegebenen Entscheidung.
Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Gegenstände der erteilten Ansprüche 1 und 3 nicht neu seien, und gründete ihre Entscheidung letztlich darauf, dass der Anspruch 1 nach dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten neuen Hauptantrag gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoße. Im Einspruchsverfahren wurden folgende Entgegenhaltungen zitiert:
D1: WO-A-98/20195
D2: DE-A-196 03 710
D3: DE-A-34 28 791
D4: US-A-1 254 187
D5: DE-A-44 37 986
D6: Fachkunde für metallverarbeitende Berufe, Verlag Europa-Lehrmittel, 41. Auflage 1976
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 19. Mai 2005 Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt und am 9. August 2005 die Beschwerdebegründung eingereicht. Sie verfolgte ihren Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents in beschränktem Umfang mit neuen Patentansprüchen 1 bis 3.
V. Die Beschwerdekammer hat in ihrem mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übersandten Bescheid vom 7. September 2006 ihre vorläufige Einschätzung der Sachlage mitgeteilt.
Danach erschienen die am Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen nicht mit Artikel 123 (2) EPÜ vereinbar. Die von der Einspruchsabteilung festgestellte mangelnde Neuheit der Gegenstände der erteilten Ansprüche 1 und 3 sei nicht zu beanstanden. Im Falle der Formulierung eines zulässigen Antrags würden Neuheit und erfinderische Tätigkeit zu diskutieren sein.
VI. Mit Schreiben vom 13. November 2006 zog die Einsprechende ihren Einspruch zurück.
VII. Am 22. November 2006 fand eine mündliche Verhandlung statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent mit den folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten:
Ansprüche 1 und 2 und Beschreibung, Seiten 1 bis 4, eingereicht in der mündlichen Verhandlung;
Zeichnungen Figuren 1 bis 4, wie erteilt.
Die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 lauten:
"1. Laugenbehälter (1) oder Wäschetrommel (6) einer Waschmaschine mit einem Mantel und mindestens einer Seitenwand (4 bzw. 7) aus dünnwandigen Blechteilen, die teilweise mit die Festigkeit erhöhenden Einprägungen versehen sind,
dadurch gekennzeichnet, dass in die Seitenwand (7) zumindest bereichsweise eine flächig ausgebildete Struktur (8) eingeprägt ist und dass die von den zwischen den Vertiefungen der Strukturfläche (8) bestehenden Stegen (11) zwischen einander gegenüberliegenden Begrenzungsseiten (9 und 10) der Strukturfläche (8) gebildeten Verbindungsstrecken einen von den sich zwischen gegenüberliegenden Begrenzungsseiten (9 und 10) der Strukturfläche (8) erstreckenden kürzesten Geraden (12) abweichenden Verlauf aufweisen, wobei in das Material der Seitenwand 7 eine wabenförmige Strukturfläche (8) eingeprägt ist und die einzelnen Waben dieser Strukturfläche (8) dabei so angeordnet und mit radial zunehmender Größe so ausgeführt sind, dass die zwischen den einzelnen, als Vertiefungen eingeprägten Waben bestehenden erhöhten Stege (11) auf ihrer Erstreckung zwischen der radial inneren und der radial äußeren Begrenzungslinie (9 und 10) der wabenförmigen Strukturfläche (8) einen von den sich ebenfalls zwischen der radial inneren und der radial äußeren Begrenzungslinie (9 und 10) erstreckenden geraden Radiallinien (12) abweichenden Verlauf aufweisen.
2. Prägewerkzeug zur Herstellung einer Strukturfläche (8) an einem beziehungsweise einer aus dünnwandigem Blech bestehenden Laugenbehälter (1) oder Wäschetrommel (6) gemäß Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass nur die eine Backe (13) des Prägewerkzeuges eine Matrize (15) mit einer der Strukturfläche (8) entsprechenden Form aufweist und die andere Backe (14) im Bereich der Gegenfläche zu der Matrize (15) glatt ausgebildet und mit einem Belag (17) aus elastisch verformbaren Material belegt ist, wobei die Matrize (15) Erhebungen (18) aufweist, welche beim Prägen das Material des Belages (17) zusammendrücken, und Vertiefungen (19), in welche beim Prägen der Belag (17) das Material der Strukturfläche (8) drückt."
VIII. Die Beschwerdeführerin brachte vor, der eingeschränkte Gegenstand des Anspruchs 1 sei nunmehr neu gegenüber dem Artikel 54 (3)-Dokument D1. Er beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit, weil keine der anderen Entgegenhaltungen die nun beanspruchte Lösung nahelege. Auch das Prägewerkzeug sei neu und erfinderisch, weil es implizit auf die spezielle Ausgestaltung des Laugenbehälters oder der Wäschetrommel nach Anspruch 1 rückbezogen sei.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen
2.1 Der Anspruch 1 wurde aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 gebildet, an den der Text aus der Beschreibung der Figur 2 angefügt wurde. Diese Merkmale wurden im ursprünglich offenbarten Zusammenhang übernommen (Patentschrift, Spalte 2, Zeilen 40 bis 53; Anmeldung Seite 2, Zeilen 23 bis 30), so dass gegen die Zulässigkeit dieser Änderung keine Bedenken bestehen.
2.2 In den Beschreibungstext wurde in Bezug auf die Anordnung und Größe der einzelnen Waben der Strukturfläche das Merkmal eingefügt, dass sie "mit radial zunehmender Größe" ausgeführt sind. Dieses Merkmal wurde der Darstellung in Figur 2 entnommen. Dieser Figur ist bei fachmännischer Betrachtung klar entnehmbar, dass die Waben radial eine zunehmende Größe aufweisen. Ein implizite Stütze für die unterschiedlichen Größe findet sich auch in der Beschreibung (Patentschrift, Spalte 2, Zeilen 53 bis 55; Anmeldung Seite 2, Zeilen 30 bis 32), wonach die die Waben begrenzenden Stege eine weiche Federcharakteristik besitzen, die eine gute Geräuschdämpfung bewirkt. Gemäß dem allgemeinen Fachwissen kommt es nämlich bei der Geräuschdämpfung darauf an, einen möglichst breiten Frequenzbereich zu dämpfen, was im vorliegenden Fall dadurch erreicht wird, dass die Stege zwischen den unterschiedlich großen Waben eine unterschiedliche Länge haben, welche zu unterschiedlicher Eigenfrequenz dieser Bereiche führt. Unter fachmännischer Betrachtungsweise ist das eingefügte Merkmal somit eindeutig offenbart, so dass auch diese Änderung zulässig ist (Artikel 123 (2) EPÜ).
2.3 Die Änderungen schränken den Schutzbereich des Anspruchs 1 ein, so dass das Erfordernis des Artikels 123 (3) EPÜ erfüllt ist.
3. Neuheit
Die mangelnde Neuheit des erteilten Anspruchs 1 war ausschließlich mit dem Artikel 54 (3)-Dokument D1 begründet worden. Von der in dieser Entgegenhaltung offenbarten Wäschetrommel 3 unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 dadurch, dass die einzelnen Waben dieser Strukturfläche mit radial zunehmender Größe ausgeführt sind. Beschreibung und Zeichnungen der Druckschrift D1 offenbaren lediglich wabenförmige Wölbstrukturen mit regelmäßiger Anordnung von gleicher Größe.
Zumindest durch dieses genannte Merkmal unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 auch von den übrigen Entgegenhaltungen, so dass er das Neuheitserfordernis erfüllt (Artikel 54 (1) EPÜ).
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1 Da das Artikel 54 (3)-Dokument D1 bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit unberücksichtigt bleibt, ist als nächstkommender Stand der Technik das Dokument D3 zu betrachten. Diese Druckschrift offenbart einen Waschlaugenbehälter aus dünnwandigem Blech mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1, bei dem durchgehende, eingeformte Versteifungssicken horizontal bzw. vertikal über die gesamte Breite der Behälterseitenwand laufen, die in ihrem Querschnitt nicht unterbrochen sind und im Bereich der maximalen Belastung (Lagerbefestigung) durch einen tiefer gezogenen ringförmigen Spiegel verbunden sind.
4.2 Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, einen Laugenbehälter und/oder eine Wäschetrommel einer Waschmaschine aus dünnwandigen Blechteilen so auszubilden, dass er/sie in sich genügend Steifigkeit aufweist (Seite 2, Zeilen 5 bis 7). Um Vibrationen und störende Geräusche zu beseitigen, wie sie im Stand der Technik nach D3 auftreten können, ist als Vorteil noch angegeben, dass durch die Erfindung eine gute Geräuschdämpfung bewirkt wird (Seite 3, Zeilen 20 bis 22).
Als weitere Aufgabe soll ein besonders einfaches Prägewerkzeug für die Herstellung einer Strukturfläche an einem aus dünnwandigem Blech bestehenden Geräteteil geschaffen werden.
Die Lösung dieser technischen Probleme ist in den unabhängigen Ansprüchen 1 und 2 angegeben.
4.3 Der aus D3 bekannte Laugenbehälter weist in Horizontal- und Vertikalrichtung verlaufende Versteifungssicken auf, wie sie bei der Gestaltung von tragenden Elementen aus dünnwandigen Blechteilen allgemein bekannt sind. Ein Anhaltspunkt oder Hinweis in Richtung einer flächig ausgebildeten Struktur ist dieser Druckschrift nicht entnehmbar, ebensowenig wie die spezielle Anordnung und Ausführung der einzelnen Waben dieser Strukturfläche mit radial zunehmender Größe. Dieser Stand der Technik kann den Fachmann daher nicht zur beanspruchten Lösung führen.
Die aus D2, D4 und D5 bekannten Laugenbehälter oder Wäschetrommeln haben regelmäßig angeordnete Wölbstrukturen, die den Fachmann auf der Suche nach geeigneten Lösungen für das zugrunde liegende Problem ebenfalls nicht zu der speziellen Lösung anregen können, wie sie im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 beschrieben ist.
4.4 Prägewerkzeuge, deren eine Backe eine Matrize mit einer der zu erzeugenden Form entsprechende Oberfläche aufweist und deren andere Backe im Bereich der Gegenfläche zu der Matrize glatt ausgebildet und mit einem Belag aus elastisch verformbaren Material belegt ist, sind aus D5 und D6 bekannt. Diese Werkzeuge sind jedoch nicht geeignet, um die durch Rückbezug im Oberbegriff des Anspruchs 2 definierte spezielle Strukturfläche des Anspruchs 1 zu erzeugen. Es ist auch nicht erkennbar, wodurch der Fachmann durch den Stand der Technik zur entsprechenden Umgestaltung der bekannten Werkzeuge für seinen speziellen Einsatzzweck angeregt werden könnte.
4.5 Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 2 beruhen daher auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
5. Nach Anpassung der Beschreibung an die geänderten Ansprüche kann das Patent im beantragten Umfang aufrecht erhalten werden (Artikel 52 (1) EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben
2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent aufrecht zu erhalten mit
den Ansprüchen 1 und 2 und
Beschreibung, Seiten 1 bis 4,
überreicht in der mündlichen Verhandlung;
Zeichnungen Figuren 1 bis 4, wie erteilt.