T 0680/05 () of 26.9.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T068005.20060926
Datum der Entscheidung: 26 September 2006
Aktenzeichen: T 0680/05
Anmeldenummer: 99125705.6
IPC-Klasse: B25B 5/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Spannwerkzeug, insbesondere Spannzwinge, Spannstock oder Spanntisch
Name des Anmelders: wolfcraft GmbH
Name des Einsprechenden: Irwin Industrial Tools GmbH
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 10b(1)
Schlagwörter: Erweiterung durch Änderung (ja)
Zulässigkeit verspätet eingereichten Antrags (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) und die Beschwerdeführerin II (Einsprechende) haben gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Patent Nr. 0 997 233 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, Beschwerde eingelegt.

II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit) sowie auf Artikel 100 c) EPÜ (unzulässige Erweiterung) angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die in Artikel 100 a) und c) EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang nicht entgegenstünden.

III. Am 26. September 2006 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

Die Beschwerdeführerin I beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung oder Hilfsweise, die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags Va.

Die Beschwerdeführerin II beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

IV. Anspruch 1 wie erteilt lautet wie folgt:

"Spannwerkzeug, insbesondere Spannzwinge, Spannstock oder Spanntisch, mit einer ersten (1) und einer zweiten Spannbacke (2), wobei die erste, an einer Zug- oder Schubstange (3) sitzende Spannbacke (1) gegenüber der zweiten Spannbacke (2) mittels eines ersten auf einen gegen die Rückstellkraft einer Feder (4) verlagerbaren Mitnahmeschieber wirkenden Wfrkarm (36) [sic] einer Hebelübertragung (6,10) schrittweise in eine Richtung verlagerbar ist und mit einer freigebbaren Rückdrücksperre, dadurch gekennzeichnet, dass die Hebelübertragung (6, 10) so ausgestaltet ist, daß sich der Wirkarm (36) der Hebelübertragung (6, 10) bei zunehmender Spannkraft verkürzt."

Der unabhängige Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag Va lautet wie folgt:

"Spannwerkzeug, insbesondere Spannzwinge, Spannstock oder Spanntisch mit einer ersten (1) und einer zweiten Spannbacke (2), wobei die erste, an einer Zug- oder Schubstange (3) sitzende Spannbacke (1) gegenüber der zweiten Spannbacke (2) mittels einer ersten auf einen gegen die Rückstellkraft verlagerbaren Mitnahmeschieber wirkenden Hebelübertragung schrittweise in eine Richtung verlagerbar ist, und mit einer freigebbaren Rückdrücksperre, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Hebelverhältnisse der Hebelübertragung bei zunehmender Spannkraft sich hin zu kleineren Verlagerungswegen ändern, wobei die Hebelübertragung einen den verkürzbaren Wirkarm (36) ausbildenden Betätigungshebel (6) und einer Handhabe (10) umfasst, wobei der Betätigungshebel (6) bei einer Schwenkverlagerung der Handhabe gegen eine Beaufschlagungsfläche (9) des Mitnahmeschiebers wirkt, wobei der Betätigungshebel (6) einen veränderbaren Lagerpunkt (8, 11) besitzt, wobei der Betätigungshebel (6) zweiarmig ausgebildet ist und der dem Wirkarm (36) gegenüber liegende zweite Arm (7) von der Handhabe (19) schwenkbar ist, und wobei der Wirkarm (36) in Beaufschlagungsrichtung federvorgespannt ist und bei zunehmender Spannkraft sich beim Überschreiten der Federvorspannung verkürzt."

V. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgendes Dokument Bezug genommen:

D0: WO 99 04932 A (Stammanmeldung).

VI. Die Beschwerdeführerin I hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

a) Hauptantrag - Änderungen (Artikel 123 (2) EPC)

Die im kennzeichnenden Teil des erteilten Anspruchs 1 beanspruchte Kausalität zwischen Zunahme der Spannkraft und Verkürzung des Wirkarms der Hebelübertragung sei für den Fachmann der Textpassage zwischen den Zeilen 316 und 336 der D0 eindeutig ableitbar.

Daher erfülle der erteilte Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

b) Hilfsantrag Va - Zulässigkeit

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag Va sei eine Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 4, 5, 6, 8 und 9, wobei der Ausdruck "bei zunehmender Spannkraft" vor dem Ausdruck "sich beim Überschreiten der Federvorspannung verkürzt" eingeführt worden ist.

Daher sei dieser Anspruch eindeutig gewährbar und solle ins Verfahren zugelassen werden.

VII. Die Beschwerdeführerin II hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

a) Hauptantrag - Änderungen (Artikel 123 (2) EPC)

Das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 sei an keiner Steile der D0 offenbart.

Während der Verlagerung des Lagerzapfens von einem Langlochanschlagsrand zum gegenüberliegenden Langlochanschlagsrand nehme die Spannkraft nicht zu sondern bleibt vielmehr konstant, weil bei der Verlagerung des Lagerzapfens keine zusätzlichen Spannkräfte wegen des Fehlens eines Kraftübertragungsanlagepunkts erzeugt werden können. Insofern könne nicht von einer "Sich-Verkürzung" des Wirkarms bei zunehmender Spannkraft gesprochen werden, weil der Wirkarm bei der Verlagerung des ortsfesten Lagerzapfens gar nicht hebelkraftübertragungsgemäß "wirke".

b) Hilfsantrag Va - Zulässigkeit

Anspruch 1 des erst während der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsantrags Va behebe keine der schon vorhandenen Probleme in Bezug auf Artikel 123 (2) EPÜ. Er werfe im Gegenteil zusätzliche Probleme auf.

Dieser Antrag solle daher als verspätet nicht ins Verfahren zugelassen werden.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Änderungen (Artikel 123 (2) EPC)

Die Kammer stimmt mit den Parteien überein, dass die im kennzeichnenden Teil des erteilten Anspruchs 1 beanspruchte Kausalität zwischen Zunahme der Spannkraft und Verkürzung des Wirkarms der Hebelübertragung in expliziter Form in der D0 nicht offenbart ist.

Es ist daher zu untersuchen, ob diese Kausalität der Textpassage zwischen den Zeilen 316 bis 336 der D0, auf die die Beschwerdeführerin I hingewiesen hat, zumindest implizit entnehmbar ist.

Unter Bezugnahme auf das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 3 wird in den Zeilen 316 bis 322 der D0 die Zunahme der aufzubringenden Kraft bei der Einspannung eines Werkstückes 29 zwischen den Spannbacken 1, 2 angesprochen. In dem Satz zwischen den Zeilen 322 und 327 wird angegeben, dass "Durch die sich vergrößernde Kraftkomponente in Richtung des Langloches 11 wird die Vorspannung der Feder 12 überwunden, so daß das Langloch 11 über den Lagerzapfen 8 gleiten kann, was eine Verkürzung des Hebelarmes 36 zur Folge hat". Der nächste Satz zwischen den Zeilen 327 und 328 offenbart, dass der Fortsatz 30 in der Höhlung 13 der Handhabe gleitet. Zwischen den Zeilen 328 und 331 ist zu lesen, dass "Zufolge dieser Hebelverkürzung des Wirkarmes 36 kann mittels des gleich bleibenden Hebelarmes der Handhabe 10 eine größere Kraft auf die Beaufschlagungsfläche 9 aufgebracht werden, so daß mit gleichem Kraftaufwand eine größere Spannkraft zwischen den beiden Spannbacken 1 und 2 erzielbar ist,...".

Es ist eindeutig für den Fachmann, dass sich diese Textpassage zwischen den Zeilen 316 und 336 der D0 auf ein Spannwerkzeug gemäß der Figur 3 bezieht, d.h. auf ein Spannwerkzeug, welches ein Langloch 11 aufweist. Dessen Konfiguration und Orientierung erlaubt es, dass, bei einer sich vergrößernde, die Vorspannung der Feder 12 überwindende Kraftkomponente in Richtung des Langloches, das Langloch 11 über den Lagerzapfen 8 gleiten kann und dadurch eine Verkürzung des Hebelarmes 36 bewirkt wird. Weiterhin muss eine Handhabe 10 des Spannwerkzeugs eine Höhlung 13 aufweisen, in der ein Fortsatz 30 gleiten kann, und die Hebelübertragung muss so ausgestaltet sein, dass zufolge der Hebelverkürzung des Wirkarmes 36 mittels des gleich bleibenden Hebelarmes der Handhabe 10 eine größere Kraft auf die Beaufschlagungsfläche 9 aufgebracht werden kann, so dass mit gleichem Kraftaufwand eine größere Spannkraft zwischen den beiden Spannbacken 1 und 2 erzielbar ist.

Die oben zitierte Textpassage der D0 gibt somit an, dass bei einer Vergrößerung der Kraftkomponente in Richtung des Langloches, so dass die Spannung der Feder 12 überwunden ist, das Langloch über den Lagerzapfen 8 gleitet, der Hebelarm 36 sich verkürzt, der Fortsatz 30 in der Höhlung 13 der Handhabe gleitet und in Folge dessen, bei gleichem Kraftaufwand eine größere Spannkraft zwischen den Spannbacken erzielt werden kann.

Dies bedeutet, dass wenn überhaupt eine Kausalität zwischen Spannkraft und Verkürzung des Wirkarms der Hebelübertragung dieser Textpassage der D0 zu entnehmen ist, dann die, dass eine Verkürzung des Wirkarms der Hebelübertragung eines Spannwerkzeugs gemäß Figur 3 die Möglichkeit der Erhöhung der aufzubringenden Spannkraft zwischen den Spannbacken bei gleichem Kraftaufwand eröffnet. Dies entspricht aber nicht dem kennzeichnenden Merkmal des erteilten Anspruchs 1.

Für das im kennzeichnenden Teil des erteilten Anspruchs 1 beanspruchte Wirkungsverhältnis, wonach die Zunahme der Spannkraft eine Verkürzung des Wirkarms der Hebelübertragung bewirkt und dies auch bei Spannwerkzeugen, welche die in der Figur 3 aufgezeigten Merkmalen, wie z.B. ein Langloch 11, eine Feder 12 oder eine Höhlung 13, nicht aufweisen, ist der Textpassage zwischen den Zeilen 316 und 336 der D0 auch implizit nicht zu entnehmen.

Daher erfüllt der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

2. Hilfsantrag Va - Zulässigkeit

Als allgemeine Regel gilt, dass je komplizierter die durch die Änderungen aufgeworfene patentrechtliche Problematik ist und je später diese Änderungen eingereicht werden, die Gefahr um so größer ist, dass die restliche Zeit nicht ausreicht, um sich mit diesen Änderungen detailliert auseinander setzen zu können. In der Entscheidung T 1126/97 (nicht veröffentlicht im Amtsblatt des EPA) gab die Kammer 3.4.1 unter Punkt 3.1.2 an, welche Voraussetzungen in Betracht zu ziehen sind, um verspätet eingereichte Änderungen ins Verfahren zuzulassen:

(i) es sollen Grunde für die Verspätung vorliegen,

(ii) der Gegenstand des geänderten Anspruchs darf nicht stark vom Gegenstand des bisherigen Ansprüche divergieren, insbesondere dürfen diese keine Gegenstände beinhalten, welche bis dahin nicht beansprucht waren, und

(iii) die neuen Ansprüche sollen klar gewährbar sein, in dem Sinne, dass diese keine neue Einwände einführen und gleichzeitig alle vorhandene Einwände überwinden.

Die für den vorliegenden Fall zuständige Kammer stimmt diesen Prinzipien voll zu.

Im vorliegenden Fall wurden die Änderungen erst während der mündlichen Verhandlung eingereicht.

Bezüglich der o.g. Voraussetzung (i) stellt die Kammer fest, dass kein Grund für das verspätete Vorbringen seitens der Beschwerdeführerin I angegeben wurde.

Betreffend der o.g. Voraussetzung (iii) stellt die Kammer Folgendes fest:

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag Va ist eine Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 4, 5, 6, 8 und 9, wobei der Ausdruck "bei zunehmender Spannkraft" vor dem Ausdruck "sich beim Überschreiten der Federvorspannung verkürzt" eingeführt worden ist.

Da der ursprünglich eingereichte Anspruch 5 der D0 keine Rückbeziehung auf den ursprünglich eingereichten Anspruch 4 aufweist, wirft die im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag Va aufgestellte Kombination der Merkmale der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 und 2 der dem Streitpatent zugrunde liegenden Teilanmeldung, die einer Kombination der Merkmale des ursprünglich eingereichten Anspruchs 5 mit dem ursprünglich eingereichten Anspruch 4 der D0 entspricht, eine zusätzliche, die Erfüllung der Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ betreffende Problematik auf.

Auch die Einführung des Ausdrucks "bei zunehmender Spannkraft" vor dem Ausdruck "sich beim Überschreiten der Federvorspannung verkürzt" entschärft nicht im geringsten die unter Punkt 1 oben abgehandelte und seitens der Kammer negativ beantwortete Frage der Offenbarung der Kausalität zwischen der Zunahme der Spannkraft und der Verkürzung des Wirkarms der Hebelübertragung. Die Tatsache, dass gemäß dem Anspruch 1 des Hilfsantrags Va, die Erfüllung einer zusätzlichen Bedingung, nämlich die der Überschreitung der Federvorspannung, für die Verkürzung des Wirkarmes der Hebelübertragung vorgesehen ist, hat mit der Kausalität zwischen der Zunahme der Spannkraft und der Verkürzung des Wirkarms der Hebelübertragung nichts zu tun, da der D0 keine Information zu entnehmen ist, dass die Überschreitung der Federvorspannung und die Zunahme der Spannkraft in irgendeinem funktionellen oder sonstigen Zusammenhang miteinander stehen würden.

Somit werden durch den geänderten Anspruch 1 nicht nur das im Zusammenhang mit dem erteilten Anspruch 1 festgestellte Defizit der Erfüllung der Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht überwunden, sondern es wird auch eine neue Problematik bezüglich der Kombination der Merkmale des ursprünglich eingereichten Anspruchs 5 der D0 mit dem ursprünglich eingereichten Anspruch 4 im Hinblick auf die Erfüllung der Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ aufgeworfen.

Folglich sind mindestens die o.g. Voraussetzungen (i) und (iii) nicht erfüllt.

Daher entscheidet die Kammer, in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 10b (1) VOBK zur Ablehnung verspätet eingereichter Anträge, den erst während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag Va der Beschwerdeführerin I nicht ins Verfahren zuzulassen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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