T 0545/05 () of 6.4.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T054505.20060406
Datum der Entscheidung: 06 April 2006
Aktenzeichen: T 0545/05
Anmeldenummer: 98951331.2
IPC-Klasse: B65D 85/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Klappschachtel für Zigaretten
Name des Anmelders: Focke & Co. (GmbH & Co. KG)
Name des Einsprechenden: G.D Società per Azioni
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 69
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Erweiterung durch Änderung: Hauptantrag (ja); Hilfsantrag (nein)
Zulassung des Hilfsantrags (ja)
Klarheit der Ansprüche (ja)
Neuheit: Hilfsantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit: Hilfsantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des Patents Nr. 1 015 353 Beschwerde eingelegt.

II. Im Einspruchsverfahren war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ in Kombination mit Artikel 52 (2) b) EPÜ (ästhetische Formschöpfungen), Artikel 54 EPÜ (Neuheit) sowie Artikel 56 EPÜ (erfinderische Tätigkeit) angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die Gegenstände der Ansprüche (nach allen Anträgen) nicht als rein ästhetische Formschöpfungen nach Artikel 52 (2) b) EPÜ anzusehen sind. Sie befand, dass die Gegenstände der erteilten Ansprüche sowie die Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 4 nicht neu bzw. nicht erfinderisch sind.

III. Am 6. April 2006 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

a) Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und als Hauptantrag die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis der mit dem Brief vom 4. Juli 2004 eingereichten Ansprüche.

Nachdem der Hauptantrag wegen der während der mündlichen Verhandlung für das erste Mal vorgebrachten Einwände auf der Basis des Artikels 123 (2) EPÜ zurückgewiesen wurde, beantragte die Beschwerdeführerin als Hilfsantrag die Aufrecherhaltung des Patents mit den folgenden Unterlagen:

Ansprüche: 1 bis 10, wie in der mündlichen Verhandlung am 6. April 2006 eingereicht,

Beschreibung: Seiten 1, 2, 2a, 3 bis 6, wie in der mündlichen Verhandlung am 6. April 2006 eingereicht,

Figuren: 1 bis 13 der Patentschrift

b) Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde bzw. nach der Zurückweisung des Hauptantrags der Beschwerdeführerin auf der Basis des Artikels 123 (2) EPÜ die Ablehnung des Hilfsantrags als verspätet.

IV. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt (vorgenommene Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 wurden in Fettschrift angegeben):

"1. Klappschachtel, sogenannte Hinge-Lid-Packung, für Zigaretten oder dergleichen, bestehend aus Schachtelteil (10), Deckel (11) und Kragen (31), wobei eine Schachtel-Rückwand (13) mit einer Deckel-Rückwand (18) über eine quergerichtete Gelenklinie (22) schwenkbar verbunden ist und die Klappschachtel insgesamt eine annähernd quaderförmige Gestalt aufweist mit vier aufrechten Packungskanten durchgehend im Bereich von Schachtelteil (10) und Deckel (11), gekennzeichnet durch folgende Merkmale:

a) eine von zwei aufrechten Seitenwänden, bestehend aus Schachtel-Seitenwand (14) und Deckel-Seitenwand (19), ist durch eine frontseitige Rundkante (24) und durch eine rückseitige Rundkante (25) als Packungskante begrenzt,

b) die andere aufrechte Seitenwand, bestehend aus Schachtel-Seitenwand (15) und Deckel-Seitenwand (20), ist durch im Querschnitt rechtwinklige Packungskanten begrenzt, nämlich durch Eckkanten (26, 27),

c) die Rundkanten (24, 25) sind hinsichtlich der Abmessungen an die Abmessungen von Zigaretten angepasst,

d) die Seitenwände (14, 19; 15, 20) bestehen aus inneren und äußeren Seitenlappen (35, 36, 37, 38) bzw. Deckel-Seitenlappen (39, 40, 41, 42),

wobei ein an der Schachtel-Rückwand (13) angeordneter innerer Seitenlappen (35) und ein an der Deckel-Rückwand (18) angeordneter innerer Deckel-Seitenlappen (40) jeweils so ausgebildet sind, dass sie sich bis in eine Eckkante (26) im Bereich der Schachtel-Vorderwand (12) erstrecken."

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 gemäß dem Hilfsantrag lauten wie folgt (vorgenommene Änderungen gegenüber den erteilten Ansprüchen 3 und 4 wurden als durchgestrichen oder in Fettschrift angegeben):

"1. Klappschachtel, sogenannte Hinge-Lid-Packung, für Zigaretten oder dergleichen, bestehend aus Schachtelteil (10), Deckel (11) und Kragen (31), wobei eine Schachtel-Rückwand (13) mit einer Deckel-Rückwand (18) über eine quergerichtete Gelenklinie (22) schwenkbar verbunden ist und die Klappschachtel insgesamt eine annähernd quaderförmige Gestalt aufweist mit vier aufrechten Packungskanten durchgehend im Bereich von Schachtelteil (10) und Deckel (11), [deleted: gekennzeichnet durch ]mit folgenden Merkmalen:

a) zwei der vier Packungskanten sind im Querschnitt abgerundet unter Bildung von Rundkanten (24, 25),

b) die Rundkanten (24, 25) sind einander diagonal gegenüberliegend angeordnet, nämlich eine Rundkante (24) frontseitig und eine Rundkante (25) rückseitig,

c) die beiden anderen einander ebenfalls diagonal gegenüberliegenden Packungskanten sind im Querschnitt rechtwinklig ausgebildet als Eckkanten (26, 27),

d) die Rundkanten (24, 25) sind hinsichtlich der Abmessungen an die Abmessungen von Zigaretten angepasst, und

e) Seitenwände (14, 19; 15, 20) der Klappschachtel bestehen aus inneren und äußeren Seitenlappen (35, 36, 37, 38) bzw. Deckel-Seitenlappen (39, 40, 41, 42), wobei ein an der Schachtel-Rückwand (13) angeordneter innerer Seitenlappen (35) und ein an der Deckel-Rückwand (18) angeordneter innerer Deckel-Seitenlappen (40) jeweils so ausgebildet sind, dass sie sich bis in [deleted: eine ]die zugeordnete Eckkante (26) im Bereich der Schachtel-Vorderwand (12) erstrecken und wobei ein an der Schachtel-Vorderwand (12) angeordneter äußerer Seitenlappen (38) und ein an der Deckel-Vorderwand (17) angeordneter äußerer Deckel-Seitenlappen (41) so ausgebildet sind, dass sie sich bis an die zugeordnete Eckkante (27) im Bereich der Schachtel-Rückwand (13) erstrecken."

"2. Klappschachtel, sogenannte Hinge-Lid-Packung, für Zigaretten oder dergleichen, bestehend aus Schachtelteil (10), Deckel (11) und Kragen (31), wobei eine Schachtel-Rückwand (13) mit einer Deckel-Rückwand (18) über eine quergerichtete Gelenklinie (22) schwenkbar verbunden ist und die Klappschachtel insgesamt eine annähernd quaderförmige Gestalt aufweist mit vier aufrechten Packungskanten durchgehend im Bereich von Schachtelteil (10) und Deckel (11), [deleted: gekennzeichnet durch ]mit folgenden Merkmalen:

a) zwei der vier Packungskanten sind abgeschrägt unter Bildung von Schrägkanten (28, 29),

b) die Schrägkanten (28, 29) sind einander diagonal gegenüberliegend angeordnet, nämlich eine Schrägkante (28) frontseitig und eine Schrägkante (29) rückseitig,

c) die beiden anderen einander ebenfalls diagonal gegenüberliegenden Packungskanten sind im Querschnitt rechtwinklig ausgebildet als Eckkanten (26, 27),

d) die Schrägkanten (28, 29) sind hinsichtlich der Abmessung eines zwischen Faltkanten (63, 64) gebildeten schräggerichteten Materialstreifens an die Abmessungen von Zigaretten angepasst, und

e) Seitenwände (14, 19; 15, 20) der Klappschachtel bestehen aus inneren und äußeren Seitenlappen (35, 36, 37, 38) bzw. Deckel-Seitenlappen (39, 40, 41, 42), wobei ein an der Schachtel-Rückwand (13) angeordneter innerer Seitenlappen (35) und ein an der Deckel-Rückwand (18) angeordneter innerer Deckel-Seitenlappen (40) jeweils so ausgebildet sind, dass sie sich bis in [deleted: eine ]die zugeordnete Eckkante (26) im Bereich der Schachtel-Vorderwand (12) erstrecken und wobei ein an der Schachtel-Vorderwand (12) angeordneter äußerer Seitenlappen (38) und ein an der Deckel-Vorderwand (17) angeordneter äußerer Deckel-Seitenlappen (41) so ausgebildet sind, dass sie sich bis an die zugeordnete Eckkante (27) im Bereich der Schachtel-Rückwand (13) erstrecken."

V. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

a) Hauptantrag

i) Änderungen, Artikel 123 (2) EPÜ

Die Figuren 7, 9 und 11 zusammen mit den Zeilen 5 bis 12 der Spalte 7 der Patentschrift (entsprechend den Zeilen 4 bis 10 des letzten Absatzes der Seite 9 der ursprünglichen Anmeldung) bilden die Basis für die Aufnahme des Merkmals d) in den geänderten Anspruch 1.

Obwohl in dem o.g. Abschnitt der Spalte 7 der Patentschrift die Erstreckung der inneren Seitenlappen bis in die zugeordnete Eckkante im Bereich der Vorderwand zusammen mit der Erstreckung der äußeren Seitenlappen bis an die zugeordnete Eckkante der Rückwand erwähnt werde, sei es für den Fachmann eindeutig, insbesondere durch Hinzuziehung der Figuren 7, 9 und 11, dass keine Korrelation zwischen der Erstreckung der inneren Seitenlappen und der Erstreckung der äußeren Seitenlappen bestehe.

Daher verstieße die Aufnahme nur der Erstreckung der inneren Seitenlappen bis in die zugeordnete Eckkannte im Bereich der Vorderwand in den geänderten Anspruch 1 nicht gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

b) Hilfsantrag

i) Verspätung des Hilfsantrags

Die Beschwerdeführerin sei das erste Mal während der mündlichen Verhandlung mit einem Einwand auf der Basis des Artikels 123 (2) EPÜ gegen ihren Hauptantrag konfrontiert worden. Nachdem der Hauptantrag wegen dieses Einwands zurückgewiesen wurde, reichte die Beschwerdeführerin einen geänderten Anspruchssatz als Hilfsantrag ein. Ein solcher Hilfsantrag könne nicht als verspätet angesehen werden und sei ins Verfahren zuzulassen.

ii) Änderungen, Artikel 123 (2) EPÜ

Die in den Zeilen 13 bis 19 der Spalte 7 der Patentschrift (entsprechend den letzten sieben Zeilen der Seite 9 der ursprünglichen Anmeldung) angegebenen Werte der Breite der Seitenlappen und des Radius der Rundkanten beziehen sich auf das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 5 und es bestehe keine zwingende Korrelation zwischen diesen Merkmalen und dem in dem geänderten Anspruch 1 bzw. 2 aufgenommenen Merkmal e).

iii) Klarheit, Artikel 84 EPÜ

Es sei unbestritten, dass das Merkmal e) des Anspruchs 1 bzw. 2 selbst klar sei. Außerdem sei die Passage zwischen den Zeilen 5 und 12 der Spalte 7 der Patentschrift für den Fachmann, welcher diese Passage im Zusammenhang mit der dazugehörigen Figur 7 lese, eindeutig klar und verständlich.

iv) Neuheit, Artikel 54 EPÜ

Die Entgegenhaltung A2 (EP 0 745 541 A) offenbare als spezielle Ausführungsbeispiele zum einen eine beliebige Positionierung der zwei Rund- bzw. Schrägkanten an der Vorderseite der Klappschachtel, siehe hierzu die explizite Offenbarung des Merkmals a) der A2, und zum anderen eine Positionierung der zwei Rund- bzw. Schrägkanten an der Rückseite der Klappschachtel, siehe hierzu die implizite Offenbarung der Zeilen 51 bis 53 der Spalte 1 der A2. Die allgemeine Lehre gemäß Merkmal a) des Anspruchs 1 der A2, wonach die zwei Rund- bzw. Schrägkanten beliebig positioniert werden können, könne nicht mit der Liste aller bzw. mit jeder einzelnen Anordnungsmöglichkeit von zwei Rund- bzw. Schrägkanten gleichgesetzt werden.

Daher sei eine diagonal gegenüberliegende Positionierung von jeweils zwei Rund- bzw. Schrägkanten und jeweils zwei Eckkanten aus der Entgegenhaltung A2 nicht bekannt. Ebenso, sei eine Erstreckung der inneren Seitenlappen bis in die zugeordnete Eckkante der Vorderwand aus der Entgegenhaltung A2 nicht bekannt.

Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. 2 neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ.

v) Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ

Es fehle im Stand der Technik eine Motivation für den Fachmann, zur Verbesserung der Handhabung, der Stabilität und der Herstellbarkeit einer aus der Entgegenhaltung A2 bekannten Klappschachtel, diese mit einer diagonal gegenüberliegenden Anordnung von jeweils zwei Rund- bzw. Schrägkanten und jeweils zwei Eckkanten sowie mit inneren Seitenlappen, welche sich bis in die zugeordnete Eckkante der Vorderwand erstrecken, auszustatten.

Daher beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. 2 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

a) Hauptantrag

i) Artikel 123 (2) EPÜ

Die Aufnahme des Merkmals d) in den geänderten Anspruch 1 ohne die in den Zeilen 5 bis 12 der Spalte 7 der Patentschrift (entsprechend den Zeilen 4 bis 10 des letzten Absatzes der Seite 9 der ursprünglichen Anmeldung) enthaltenen Angaben über die Erstreckung der äußeren Seitenlappen sei ein Verstoß gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

b) Hilfsantrag

i) Verspätung des Hilfsantrags

Da der Hilfsantrag erst während der mündlichen Verhandlung vorgelegt worden sei, dürfe er als verspätet in das Verfahren nicht zugelassen werden.

ii) Artikel 123 (2) EPÜ

Die Aufnahme des Merkmals e) in den geänderten Ansprüchen 1 und 2, ohne die in den Zeilen 13 bis 19 der Spalte 7 der Patentschrift (entsprechend den letzten sieben Zeilen der Seite 9 der ursprünglichen Anmeldung) angegebenen Werte der Breite der Seitenlappen und des Radius der Rundkanten, sei ein Verstoß gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

iii) Artikel 84 EPÜ

Da gemäß Artikel 69 EPÜ die Beschreibung zur Auslegung der Ansprüche heranzuziehen sei und der Abschnitt zwischen den Zeilen 5 und 12 der Spalte 7 der Patentschrift, welcher die Basis für das Merkmal e) des Anspruchs 1 bzw. 2 bildet, den Fachmann im Unklaren lässt, welche Seitenlappen, d.h. ob die inneren oder die äußeren, sich bis in die zugeordnete Eckkante und welche Seitenlappen, d.h. ob die inneren oder die äußeren, sich bis an die zugeordnete Eckkante erstrecken, seien das Merkmal e) selbst sowie die dieses Merkmal beinhaltenden unabhängigen Ansprüche 1 und 2 unklar.

iv) Neuheit, Artikel 54 EPÜ

Aus der allgemeinen Lehre gemäß dem Merkmal a) des Anspruchs 1 der Entgegenhaltung A2, wonach die zwei Rund- bzw. Schrägkanten beliebig positioniert werden können, könne sich der Fachmann jede einzelne der sechs möglichen Alternativen der Positionierung von zwei Rund- bzw. Schrägkanten erschließen.

Daher sei eine diagonal gegenüberliegende Positionierung von jeweils zwei Rund- bzw. Schrägkanten und jeweils zwei Eckkanten als eine der aus der Entgegenhaltung A2 offenbarte Alternative auch bekannt.

Ebenso sei eine Erstreckung der inneren Seitenlappen bis in die zugeordnete Eckkante der Vorderwand als eine bei nur Eckkanten aufweisenden Klappschachteln als Standard-Merkmal vorgesehene Maßnahme und somit auch aus der Entgegenhaltung A2 implizit bekannt.

Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. 2 nicht neu.

v) Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ

Die allgemeine Lehre der Entgegenhaltung A2 lehre den Fachmann, dass durch eine beliebige paarweise Anordnung von Rund- bzw. Schrägkanten die in der Entgegenhaltung A2 gestellte Aufgabe der Verbesserung der Handhabung der Klappschachtel erfüllt sei. Daher brauche der Fachmann, um die gleiche Aufgabe zu lösen, bei der Auswahl einer diagonal gegenüberliegenden Positionierung von Rund- bzw. Schrägkanten nicht erfinderisch tätig zu werden. Auch die Erstreckung der inneren Seitenlappen von der Schachtel-Rückwand bis in die zugehörige Eckkante der Schachtel-Vorderwand sei ein Merkmal bei Klappschachteln mit Eckkanten, welches unbestritten dem Fachmann vor dem Prioritätstag bekannt war. Da im vorliegenden Anspruch 1 bzw. 2 zwei für den Fachmann nahe liegende Merkmale, nämlich die diagonal gegenüberliegende Positionierung von Rund- bzw. Schrägkanten und die Erstreckung der inneren Seitenlappen von der Schachtel-Rückwand bis in die zugehörige Eckkante der Schachtel-Vorderwand, in eine aus der Entgegenhaltung A2 bekannte Klappschachtel aufgenommen seien, ohne dass dabei eine technische Wirkung erzielt werde, welche über die Summe der technischen Wirkungen der einzelnen Merkmale hinausgehe, sei auch der Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. 2 als nicht erfinderisch zu betrachten.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag

1.1 Artikel 123 (2) EPÜ

Die Figuren 7, 9 und 11 der Patentschrift zeigen zwar eine Erstreckung der inneren Seitenlappen 35 und 40 bis in die Nähe der Schachtel Vorderwand 12, lassen aber offen, wie nahe diese inneren Seitenlappen zu der Eckkante 26 kommen. Der in den geänderten Anspruch 1 aufgenommene Ausdruck, wonach die inneren Seitenlappen "sich bis in eine Eckkante im Bereich der Schachtel-Vorderwand erstrecken", ist nur den Zeilen 5 bis 12 der Spalte 7 der Patentschrift (entsprechend den Zeilen 4 bis 10 des letzten Absatzes der Seite 9 der ursprünglichen der Anmeldung) zu entnehmen. Es ist daher für den Fachmann eindeutig, dass diese Passage der Beschreibung, die Basis für die vorgeschlagene Änderung bzw. das aufgenommene Merkmal bildet. In dieser Passage der Beschreibung ist die Erstreckung der inneren Seitenlappen 35, 40 bis in die zugeordnete Eckkante 26 zusammen mit der Erstreckung der äußeren Seitenlappen 38, 41 bis an die zugeordnete Eckkante 27 angegeben. Diese Situation spiegelt sich in den Figuren 7, 9 und 11 wider, worin klar zu erkennen ist, dass beim Vorhandensein einer Eckkante 26 im Bereich der Schachtel-Vorderwand 12 die inneren Seitenlappen sich bis in diese Eckkante 26 erstrecken und dass beim Vorhandensein einer Eckkante 27 im Bereich der Schachtel-Rückwand 13 die äußeren Seitenlappen sich bis an die Eckkante 27 erstrecken.

Auf der anderen Seite deckt der geänderte Anspruch 1 auch eine Klappschachtel ab, deren innere Seitenlappen sich zwar bis in die zugeordnete Eckkante 26 der Vorderwand erstrecken, bei der aber die äußeren Seitenlappen sich nicht bis an eine zugehörige Eckkante 27 der Rückwand erstrecken. Eine solche Klappschachtel ist aber in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart.

Für das Argument der Beschwerdeführerin, dass der Fachmann sofort erkennen würde, dass die Erstreckung der inneren Seitenlappen unabhängig von der Erstreckung der äußeren Seitenlappen zu sehen ist, ist in der ursprünglichen Anmeldung keine Basis zu finden.

Aus diesen Gründen wird durch die Aufnahme des Merkmals d), welches sich nur auf die Erstreckung der inneren Seitenlappen bezieht, in den Anspruch 1 ein Gegenstand definiert, welcher über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.

Daher sind die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfüllt.

2. Hilfsantrag

2.1 Verspätung des Hilfsantrags

Im vorliegenden Fall wurden die Einwände der Beschwerdeführerin auf der Basis des Artikels 123 (2) EPÜ gegen ihren Hauptantrag erst während der mündlichen Verhandlung mitgeteilt. Nachdem der Hauptantrag der Beschwerdeführerin wegen dieses Einwands zurückgewiesen wurde, hatte die Beschwerdeführerin für das erste Mal die Möglichkeit, anhand von geänderten Ansprüchen auf diesen Einwand zu reagieren. Ein solcher Hilfsantrag kann daher nicht als verspätet betrachtet werden und ist ins Verfahren zuzulassen.

Aus den oben genannten Gründen wird der Hilfsantrag ins Verfahren zugelassen.

2.2 Artikel 123 (2) EPÜ

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 wurden auf der Basis der unabhängigen erteilten Ansprüche 3 und 4 zusammen mit der Aufnahme des Merkmals e), welches die Erstreckung sowohl der inneren als auch der äußeren Seitenlappen angibt, gebildet.

Die Figuren 7, 9 und 11 sowie die Zeilen 5 bis 12 der Spalte 7 der Patentschrift (entsprechend den Zeilen 4 bis 10 des letzten Absatzes der Seite 9 der ursprünglichen Anmeldung) bilden die Basis für die Aufnahme in die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 des Merkmals e).

Die Kammer kann die Argumentation der Beschwerdegegnerin, wonach die in den Zeilen 13 bis 19 der Spalte 7 angegebenen Werte der Breite der Seitenlappen und des Radius der Rundkanten in die geänderten Ansprüche 1 und 2 zusätzlich zum Merkmal e) mit aufgenommen werden sollen, aus folgenden Gründen nicht folgen:

Die Zeilen 2 bis 5 und 19 bis 20 der Spalte 7 der Patentschrift stellen für den Fachmann klar, dass die in den Zeilen 13 bis 19 der Spalte 7 der Patentschrift angegebene Breite der Seitenlappen und Radius der Rundkanten sich auf das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 5 beziehen und in Abhängigkeit von den Dimensionen der zu verpackenden Zigaretten angegeben sind. Sie sind daher nur für das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 5 bindend, nicht aber für die Klappschachteln gemäß Figur 7, 9 oder 11. Daher stellt die Nichterwähnung der in den Zeilen 13 bis 19 der Spalte 7 der Patentschrift angegebenen Merkmale in den geänderten Ansprüche 1 und 2 keinen Verstoß gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ dar.

Ansprüche 3 bis 10 entsprechen den erteilten Ansprüchen 5 bis 12 und wurden seitens der Beschwerdegegnerin auf der Basis des Artikels 123 (2) EPÜ nicht beanstandet. Die Kammer sieht auch keinen Grund diese Ansprüche auf der Basis des Artikels 123 (2) EPÜ in Frage zu stellen.

Aus den oben genannten Gründen sind die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt.

2.3 Klarheit, Artikel 84 EPÜ

Dem Argument der Beschwerdegegnerin, wonach die Zeilen 5 bis 12 der Spalte 7 der Patentschrift, welche die Basis für das in die geänderten Ansprüche 1 und 2 aufgenommene Merkmal e) bilden, weder eindeutig noch klar angeben, welche, d.h. ob die inneren oder die äußeren Seitenlappen, sich bis in die zugeordnete Eckkannte und welche, d.h. ob die inneren oder die äußeren Seitenlappen bis an die zugeordnete Eckkannte erstrecken, und daher dieses Merkmal e) selbst, sowie die dieses Merkmal beinhaltenden unabhängigen Ansprüche 1 und 2 unklar seien, kann die Kammer aus folgenden Gründen nicht folgen:

Erstens ist das Merkmal e) für sich selbst bzw. in Zusammenhang mit den dazugehörenden Figuren 7, 9 und 11 betrachtet klar. Somit sind auch die dieses Merkmal beinhaltenden unabhängigen Ansprüche 1 und 2 klar.

Zweitens sind die Zeilen 5 bis 12 der Spalte 7 der Patentschrift nicht in abstrakter Weise und unabhängig von der restlichen Beschreibung zu lesen. Wenn der Fachmann diese Zeilen im Zusammenhang mit der Figur 7, auf die sich diese Zeilen beziehen (siehe Zeilen 4 und 5 der Spalte 7 der Patentschrift), und der restlichen Beschreibung liest, dann ist es für ihn klar und eindeutig, dass der Ausdruck "bis in die zugeordnete Eckkante" sich nur auf die Erstreckung der inneren Seitenlappen und dass der Ausdruck "bis an die zugeordnete Eckkannte" sich nur auf die Erstreckung der äußeren Seitenlappen beziehen kann. Daher ist auch der Text der Zeilen 5 bis 12 der Spalte 7 der Patentschrift klar.

Aus den oben genannten Gründen sind die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt.

2.4 Neuheit, Artikel 54 EPÜ

2.4.1 Die Entgegenhaltung A2 offenbart eine Klappschachtel, sogenannte Hinge-Lid-Packung, für Zigaretten oder dergleichen, bestehend aus Schachtelteil 10, Deckel 11 und Kragen 12, wobei eine Schachtel-Rückwand 15 mit einer Deckel-Rückwand 17 über eine quergerichtete Gelenklinie 37 schwenkbar verbunden ist und die Klappschachtel insgesamt eine annähernd quaderförmige Gestalt aufweist mit vier aufrechten Packungskanten durchgehend im Bereich von Schachtelteil 10 und Deckel 11, wobei zwei der vier Packungskanten im Querschnitt zur Bildung von Rund- bzw. Schrägkanten abgerundet bzw. abgeschrägt sind, und die Rund- bzw. Schrägkanten hinsichtlich der Abmessungen an die Abmessungen von Zigaretten angepasst sind.

2.4.2 Durch das Merkmal a) des Anspruchs 1 der Entgegenhaltung A2 werden zwei Lehren offenbart.

2.4.3 Durch den allgemeinen Ausdruck im Merkmal a) des Anspruchs 1, wonach

"zwei aufrechte Längskanten des Schachtelteils und des Deckels, ... sind abgeschrägt oder abgerundet ausgebildet, die anderen beiden Längskanten, ... sind im Querschnitt rechtwinklig",

wird die allgemeine Lehre offenbart, dass zwei beliebige aufrechte Längskanten des Schachtelteils und des Deckels abgeschrägt oder abgerundet, und dass die anderen beiden (natürlich auch beliebige) Längskanten im Querschnitt rechtwinklig ausgebildet sind.

2.4.4 Durch den speziellen Ausdruck im Merkmal a) des Anspruchs 1:

"insbesondere (die zwei) Vorderkanten sind abgeschrägt oder abgerundet ausgebildet, ..., insbesondere (die beiden) Rückkanten, sind im Querschnitt rechtwinklig",

wird die spezielle Lehre offenbart, dass die zwei Vorder-Längskanten des Schachtelteils und des Deckels abgeschrägt oder abgerundet sind, wobei die zwei Rück-Längskanten rechtwinklig ausgebildet sind.

2.4.5 Die Kammer folgt der Argumentation der Beschwerdegegnerin, wonach die Zeilen 26 bis 31 (identisch mit dem Merkmal a) des Anspruchs 1) und 51 bis 53 der Spalte 1 die Entgegenhaltung A2 implizit eine zweite spezielle Lehre offenbaren. Nach dieser zweiten speziellen Lehre sind die zwei Rück-Längskanten abgeschrägt oder abgerundet, wobei die zwei Vorder-Längskanten rechtwinklig ausgebildet sind.

2.4.6 Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin und der Einspruchsabteilung überein, dass die zwei in der Entgegenhaltung A2 offenbarten speziellen Lehren die Neuheit einer diagonal gegenüberliegenden Anordnung von Schräg- bzw. Rundkanten gemäß den Merkmalen b) und c) des Anspruchs 1 bzw. 2 nicht in Frage stellen.

2.4.7 Es gehört zur ständigen Rechtsprechung des EPA, dass, wenn in einem Anspruch allgemeine Begriffe verwendet werden, dass dann dieser Anspruch nur diese allgemeinen Begriffe und nicht alle speziellen Beispiele, die unter diese allgemeinen Begriffe fallen, offenbart, siehe hierzu Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, Kapitel I.C.2.1, Seite 64, drittletzter Absatz. Aus diesem Grund ist für die Kammer, die von der Beschwerdegegnerin vorgetragene Annahme, wonach die allgemeine Lehre der Entgegenhaltung A2 jede einzelne der insgesamt sechs möglichen Alternativen der Positionierung der Schräg- bzw. Rundkanten mitoffenbare, nicht nachvollziehbar.

2.4.8 Eine diagonal gegenüberliegende Anordnung von jeweils zwei Rund- bzw. Schrägkanten und jeweils zwei Eckkanten gemäß den Merkmalen b) und c) des Anspruchs 1 bzw. 2 ist daher auch durch die allgemeine Lehre der Entgegenhaltung A2 nicht offenbart.

2.4.9 In der gesamten Beschreibung der A2 existieren keine Angaben über die Erstreckung der inneren Seitenlappen in Relation zu einer an der Schachtel-Vorderwand positionierten Eckkante. Auch die in den Figuren 2, 6 und 8 abgebildeten Ausführungsbeispiele weisen nur als Schräg- bzw. Rundkanten ausgebildete Vorderkanten auf, und können auch keine Erstreckung der inneren Seitenlappen bis in eine Eckkante der Vorderwand belegen.

2.4.10 Die Kammer kann dem Argument der Beschwerdegegnerin, wonach sich die inneren Seitenlappen von aus Eckkanten bestehenden Klappschachteln immer bis in die zugeordnete Eckkante der Vorderwand erstrecken, und somit automatisch dieses Prinzip bei den zwei Eckkanten der Klappschachtel gemäß A2 entsprechend angewandt wird, sodass dieses Merkmal bei der aus der Entgegenhaltung A2 bekannten Klappschachtel implizit vorhanden sei, aus folgenden Gründen nicht folgen:

2.4.11 Zum einen hat die Beschwerdegegnerin nicht belegt, dass bei allen eckkantigen Klappschachteln die inneren Seitenlappen sich immer bis in die zugeordnete Eckkante der Vorderwand erstrecken. Zum anderen ist es für den Fachmann beim Fehlen jeglicher Information darüber unklar, welche strukturelle Merkmale einer nur Eckkanten aufweisenden Klappschachtel in eine zwei Rund- bzw. Schrägkanten und zwei Eckkanten aufweisende Klappschachtel gemäß der Entgegenhaltung A2 automatisch mit übernommen worden sind.

2.4.12 Daher ist auch der erste Teil des Merkmals e) des Anspruchs 1 bzw. 2 aus der Entgegenhaltung A2 nicht bekannt.

2.4.13 Aus den oben genannten Gründen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. 2 neu und erfüllt die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ.

2.5 Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ

2.5.1 Nächstkommender Stand der Technik

Der nächstkommende Stand der Technik wird unbestritten durch die Entgegenhaltung A2 gebildet, welche eine Klappschachtel, ausgestattet mit den Merkmalen des Oberbegriffs sowie mit den Merkmalen a), d), und dem zweiten Teil des Merkmals e) des Anspruchs 1 bzw. 2, offenbart.

2.5.2 Aufgabe

Der Erfindung des Streitpatents liegt die Aufgabe zugrunde, die Handhabung, die Stabilität sowie die Herstellbarkeit einer aus der Entgegenhaltung A2 bekannten Klappschachtel zu verbessern.

2.5.3 Lösung

Zur Lösung dieser Aufgabe ist es gemäß Anspruch 1 bzw. 2 vorgesehen, dass zwei Rund- bzw. Schrägkanten und zwei Eckkanten jeweils einander diagonal gegenüberliegend angeordnet werden, und dass sowohl ein an der Schachtel-Rückwand angeordneter innerer Seitenlappen sowie ein an der Deckel-Rückwand angeordneter Deckel-Seitenlappen sich bis in die zugeordnete Eckkante im Bereich der Schachtel-Vorderwand erstrecken.

Dadurch wird eine zwei Rund- bzw. Schrägkanten mit zwei Eckkanten aufweisende Klappschachtel hergestellt, welche zur Erhöhung ihrer Handhabung diagonal symmetrisch ausgebildet ist. Durch die diagonal symmetrische Anordnung der zwei Rund- bzw. Schrägkanten einerseits und der beiden Eckkanten andererseits, erlaubt das Vorhandensein einer Eckkante an der Schachtel-Vorderwand das Erstrecken der inneren Seitenlappen bis in diese Eckkante, was die Stabilität der Schachtel während ihrer Handhabung, insbesondere beim Öffnen und Schließen der Schachtel, erhöht. Die Erstreckung der inneren Seitenlappen bis in die zugeordnete Eckkante an der Schachtel-Vorderwand erlaubt auch bei der Herstellung und Befüllung der Klappschachtel die inneren Seitenlappen als Abstandhalter und Abstützung für die Schachtel-Vorderwand zu benutzen und erleichtert somit ihre Herstellbarkeit.

2.5.4 Zu dieser erfindungsgemäßen Lösung kann dem Stand der Technik aus folgenden Gründen keine Anregung entnommen werden:

Wie es unter Punkt 2.4.1 bis 2.4.7 oben besprochen wurde, kann einerseits die allgemeine Lehre der Entgegenhaltung A2 über eine beliebige paarweise Positionierung aufrechter Rund- bzw. Schrägkanten an einer Klappschachtel nicht mit der Auflistung bzw. mit jeder einzelnen aller sechs Möglichkeiten einer paarweisen Positionierung aufrechter Rund- bzw. Schrägkanten an einer Klappschachtel gleichgesetzt werden, und andererseits ist durch die zwei spezielle Lehren der Entgegenhaltung A2 die paarweise Positionierung der Rund- bzw. Schrägkanten entweder an der Vorder- oder an der Rückwand fest vorgeschrieben. Damit kann der von der Entgegenhaltung A2 ausgehende Fachmann weder aus der allgemeinen Lehre noch aus den zwei speziellen Lehren der A2 eine Anregung für eine jeweils diagonal gegenüberliegende Positionierung der zwei Rund- bzw. Schrägkanten bekommen.

Da der Entgegenhaltung A2 jegliche Information über die Erstreckung von inneren Seitenlappen in Relation zu einer an der Schachtel-Vorderwand positionierten Eckkante fehlt, siehe Punkt 2.4.8 oben, kann auch die im Merkmal e) des Anspruchs 1 bzw. 2 beschriebene Erstreckung der inneren Seitenlappen bis in die zugeordnete Eckkante der Schachtel-Vorderwand dem Fachmann durch die A2 nicht nahe gelegt werden.

Die Beschwerdegegnerin hat argumentiert, dass die allgemeine Lehre der Entgegenhaltung A2 den Fachmann lehre, dass durch eine beliebige paarweise Anordnung von Rund- bzw. Schrägkanten die in der A2 gestellte Aufgabe der Verbesserung der Handhabung der Klappschachtel erfüllt sei, so dass der Fachmann, um die gleiche Aufgabe zu lösen, bei der Auswahl einer diagonal gegenüberliegenden Positionierung von Rund- bzw. Schrägkanten nicht erfinderisch tätig zu werden brauche. Auch die Erstreckung der inneren Seitenlappen von der Schachtel-Rückwand bis in die zugehörige Eckkante der Schachtel-Vorderwand sei ein Merkmal, welches unbestritten dem Fachmann aus Klappschachteln mit Eckkanten vor dem Prioritätstag bekannt war. Da im vorliegenden Anspruch 1 bzw. 2 zwei für den Fachmann nahe liegende Merkmale, nämlich die diagonal gegenüberliegende Positionierung von Rund- bzw. Schrägkanten und die Erstreckung der inneren Seitenlappen von der Schachtel-Rückwand bis in die zugehörige Eckkante der Schachtel-Vorderwand, an eine aus der Entgegenhaltung A2 bekannten Klappschachtel aufgenommen seien, ohne dass dabei, eine technische Wirkung erzielt werde, welche über die Summe der technischen Wirkungen der einzelnen Merkmale hinausgehe, sei auch der Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. 2 als nicht erfinderisch zu betrachten.

Die Kammer kann dieser Argumentation der Beschwerdegegnerin aus folgenden Gründen nicht folgen:

Es sei dahingestellt, ob der Fachmann das aus nur Eckkanten aufweisenden Klappschachteln bekannte Merkmal, wonach die inneren Seitenlappen sich von der Schachtel-Rückwand bis in die zugehörige Eckkante der Schachtel-Vorderwand erstrecken, in eine Klappschachtel, die zwei Rund- bzw. Schrägkanten aufweist, aufnehmen würde, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden.

Tatsache ist es aber, dass die allgemeine Lehre der Entgegenhaltung A2 eine beliebige Positionierung von zwei Rund- bzw. Schrägkanten an einer Klappschachtel zulässt, wobei die zwei speziellen Lehren der Entgegenhaltung A2 eine Positionierung der Rund- bzw. Schrägkanten an der Vorderwand oder an der Rückwand der Klappschachtel fest vorschreiben. Dies bedeutet für den Fachmann, dass er durch die Entgegenhaltung A2 folgende Information mitgeteilt bekommt: zum einen, dass keine spezielle Anordnung der zwei Rund- bzw. Schrägkanten als bevorzugte Anordnung anzusehen ist, und zum anderen, dass, wenn eine bevorzugte Anordnung in Frage käme, dann eine solche, bei der beide der Rund- bzw. Schrägkanten an der Vorderwand oder an der Rückwand der Klappschachtel positioniert sind. Für die im Anspruch 1 bzw. 2 als vorteilhaft angegebene Anordnung in der Form von diagonal gegenüberliegenden Rund- bzw. Schrägkanten ist weder in der allgemeinen Lehre noch in den zwei spezielle Lehren der Entgegenhaltung A2 ein Hinweis zu finden.

Eine diagonal gegenüberliegende Anordnung von jeweils zwei Rund- bzw. Schrägkanten und zwei Eckkanten bei einer Klappschachtel ist auch in keiner der anderen sich im Verfahren befindenden Entgegenhaltungen offenbart.

Daher würde der Fachmann, ausgehend aus einer Klappschachtel gemäß der Entgegenhaltung A2 mangels Vorbilds und/oder Anregung, auf eine diagonal gegenüberliegende Anordnung von jeweils zwei Rund- bzw. Schrägkanten und zwei Eckkanten nicht kommen, ohne erfinderisch tätig zu werden.

Daher beruht die Klappschachtel des Anspruchs 1 bzw. 2 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

2.5.5 Ansprüche 3 bis 10

Die Ansprüche 3 bis 10 sind auf die Ansprüche 1 bzw. 2 rückbezogene Ansprüche und erfüllen daher auch die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit den folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Ansprüche: 1 bis 10, wie in der mündlichen Verhandlung am 6. April 2006 eingereicht,

Beschreibung: Seiten 1, 2, 2a, 3 bis 6, wie in der mündlichen Verhandlung am 6. April 2006 eingereicht,

Figuren: 1 bis 13 der Patentschrift.

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