European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2007:T053005.20070619 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 19 Juni 2007 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0530/05 | ||||||||
Anmeldenummer: | 00115360.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | B22D 11/12 B21D 19/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Mechanischer Schälentbarter zum Entfernen von Sauerstoffschneidbärten und -schneidperlen nach dem thermochemischen Querteilen oder Längsteilen von stählernen Werkstücken wie Brammen, Blöcken und Knüppeln | ||||||||
Name des Anmelders: | Aute AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Klarheit der Ansprüche (bejaht) Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Kombination bekannter Merkmale |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 00115360.0 betrifft einen mechanischen Schälentbarter zum Entfernen von Sauerstoffschneidbärten und -schneidperlen nach dem Sauerstoffbrennschneiden von stählernen Werkstücken, typischerweise von Stahlstranggießanlagen.
II. Die Prüfungsabteilung ist zum Ergebnis gekommen, dass dem beanspruchten Schälentbarter die erfinderische Tätigkeit fehle. Sie hat die folgenden Druckschriften in Betracht gezogen:
D1: US-A-4 672 726
D2: JP-A-56 021 712 (Abstract)
D3: US-A-4 390 167
Sie war auch der Auffassung, dass die Anmeldung die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht erfülle, weil die Ansprüche 2, 3 und 5 nicht klar seien.
Daher hat die Prüfungsabteilung mit der am 14. Dezember 2004 zur Post gegebenen Entscheidung die Patentanmeldung zurückgewiesen.
III. Gegen die Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 01. Januar 2005 Beschwerde eingelegt und am 02. Januar 2005 die Beschwerdegebühr entrichtet; die Beschwerdebegründung wurde am 07. April 2005 eingereicht.
IV. In einer Mitteilung vom 20. Februar 2007 hat die Kammer unter anderem zur Frage der erfinderischen Tätigkeit hinsichtlich D1 bis D3 eine vorläufige Stellungnahme abgegeben. Eine mündliche Verhandlung hat am 19. Juni 2007 stattgefunden. Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche eingereicht, deren unabhängiger Anspruch 1 wie folgt lautet:
"1. Mechanischer Schälentbarter zum Entfernen von Sauerstoffschneidbärten und -schneidperlen (2) nach dem thermochemischen Querteilen oder Längsteilen von stählernen Werkstücken (3) wie Brammen, Blöcken und Knüppeln in heißem und kalten Zustand, ruhend oder sich auf einem Rollgang (12) bewegend, mit einer waagerecht gelagerten Entbarterwalze (1) oder einem Entbarter-Walzensegment (1), die an ihren oder an seinen waagerechten Achsstummeln (5) mit einem elektromotorischen oder hydraulischen Antrieb (9) drehbar gelagert sind, wobei seine oder ihre Lagerböcke (7) federnd nachgebend anhebbar sind, und der Mantel der Entbarterwalze (1) oder des Entbarter-Walzensegmentes (1) mit ganz oder teilweise umlaufenden Schälmesserwendeln (4) bestückt ist, wobei die Schälmesser (4) unter einem Winkel von etwa 10º bis 80º zum Sauerstoffscheidbart (2) diesen angreifen und fortlaufend abschälten."
An diesen Anspruch schließen sich die abhängigen Ansprüche 2 bis 6 an, die bevorzugte Ausführungsformen des in Anspruch 1 definierten Schälentbarters betreffen.
V. Vortrag der Beschwerdeführerin
Die Prüfungsabteilung hat die D1 als nächstliegenden Stand der Technik angesehen. Sie war der Meinung, dass der Unterschied zwischen dem Schälentbarter nach Anspruch 1 und der Offenbarung der D1 darin zu sehen sei, dass gemäß D1 die Entbarterwalze in einem Winkel zu den Brammen gedreht angeordnet sei, wogegen gemäß Anspruch 1 die Schälmesser selbst wendelförmig an der Walze im Winkel angeordnet seien, die Walze aber gerade sei.
Die Beschwerdeführerin trägt vor, dass D1 keinen Schälentbarter betreffe; vielmehr werde nach D1 der Sauerstoffschneidbart durch die Vielzahl der am Umfang der Trommel angeordneten Hämmer stückweise abgeschlagen und nicht abgeschält. Im Gegensatz dazu würden die Schälmesser gemäß Anspruch 1 den Schneidbart fortlaufend abschälen und dabei werde ein geometrisch durch Form und Bewegung der ununterbrochenen Messerlinie bestimmter Schälvorgang realisiert. Im Vergleich zu D1 würden somit Lärm und Verschleiß verringert.
Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, dass ausgehend von D1 diese Lösung der Aufgabe der D2 entnehmbar sei, da beim Schälentbarter nach D2 die Schälmesser spiralförmig oder zickzackförmig anzuordnen seien, auch wenn D2 nicht explizit offenbart, dass eine solche Anordnung eine Lösung des Problems von Lärm und Verschleiß bietet.
Die Prüfungsabteilung war obiter auch der Meinung, dass D2 als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden könnte. Da nach D2 der Schneidbart abgeschält und nicht abgeschlagen werde, sei D2 ein geeigneter Ausgangspunkt für die Erfindung. D2 beschreibe explizit nicht, dass die Entbarterwalze mit einem elektromotorischen oder hydraulischen Antrieb drehbar gelagert sei und dass die Schälmesser unter einem Winkel von etwa 10º bis 80º zum Sauerstoffschneidbart angeordnet seien. Diese weiteren baulichen Merkmale, die bei Entbarten üblich seien, würde der Fachmann z.B. der D1 entnehmen.
Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, dass in D2 die Schälmesser in Form von runden federnden Stiften ausgebildet seien, deren Wirkung derjenigen von Hämmern entspreche. Sie trägt vor, dass aus praktischen Gründen die Schälmesser nach D2 nicht spiralförmig angeordnet werden könnten; vielmehr handele es sich um eine stufenweise versetzte und seitlich beabstandete Anordnung von Einzelmessern. Ein Schälentbarter mit den in Anspruch 1 definierten Merkmalen und mit verbesserten Lärm- und Verschleißeigenschaften werde durch den zitierten Stand der Technik nicht nahe gelegt.
VI. Anträge
Die Beschwerdeführerin beantragt, die Zurückweisung aufzuheben und ein Patent mit dem in den mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüchen 1 bis 6 und noch anzupassender Beschreibung nebst Figuren zu erteilen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
Die Prüfungsabteilung war der Meinung, dass die Ansprüche 2, 3 und 5 nicht klar seien. Insbesondere war sie der Auffassung, dass die in Anspruch 2 gegebene Definition, dass die Schälmesserwendel einfach oder mehrfach die Entbarterwalze ganz oder teilweise umwinden, wobei zwischen den Wendeln gleichmäßige oder ungleichmäßige Abstände vorgesehen sind, keine Einschränkung beinhalte. Auch wenn diese Merkmale praktisch alle Möglichkeiten umfassen und daher keine Einschränkung bewirken, führt dies nicht zwangsläufig zu einem Klarheitsmangel. Die möglichen Ausführungsformen sind in Form von Alternativen im Anspruch 2 jedenfalls klar angegeben und verständlich.
Die Prüfungsabteilung hat auch den Einwand erhoben, dass die Produktansprüche Verfahrensmerkmale einschließen. Diese Merkmale sind jedoch in den geltenden Ansprüchen nicht mehr enthalten, sodass sich dieser Einwand erledigt hat.
Es liegt daher keinen Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ vor.
3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Die vorliegende Anmeldung betrifft einen Schälentbarter, der Schälmesser aufweist, um den Schneidbart abzuschälen.
Die D1 offenbart einen Schälentbarter, der ein Vielzahl von auf einer Entbarterwalze angeordneten Schneidhämmern aufweist.
Beim Schälentbarter nach D2 sind auf der Entbarterwalze längs parallel zur Mittelachse der Walze Schälmesser eingesetzt. Die Kammer folgt nicht der Argumentation der Beschwerdeführerin, dass die Einsätze (7) stiftförmig seien und den Hämmern der D1 ähneln. Gemäß dem englischsprachigen Abstract ist die Vorrichtung ein "surface cutting device" und das Merkmal (7) wird als ein in eine "flat groove" eingesetztes "plane edge" beschrieben; es ist daher eindeutig, dass Merkmal (7) eine Art von Schneidmesser betrifft.
Da D2 eine Entbarterwalze mit Schälmessern anstelle von Hämmern offenbart, ist dieses Dokument als nächstliegender Stand der Technik anzusehen.
In D2 ist nicht explizit offenbart, dass die Entbarterwalze mit einem elektromotorischen oder hydraulischen Antrieb drehbar gelagert ist, aber dieses Merkmal ist für den Betrieb notwendig und daher für den Fachmann selbstverständlich und implizit.
Über die Lagerung der Entbarterwalze ist in der D2 nichts gesagt. Zu den Schälmessern findet sich allerdings am Ende der Kurzbeschreibung der Hinweis, dass sie bei breiten Werkstücken in einem spiral- oder zickzackförmigen Muster angeordnet sind. Berücksichtigt man, dass die Schälmesser unter Federvorspannung in parallel zur Walzenachse ausgerichteten Nuten gelagert sind, so wird der Fachmann diesen Hinweis in dem von der Beschwerdeführerin angesprochenen Sinne verstehen, nämlich dass die Nuten und Schälmesser parallel zur Achse ausgerichtet bleiben, aber nebeneinander liegende Schälmesser auf der Walzenoberfläche treppen- oder stufenförmig gegeneinander versetzt sind und damit über die Walzenbreite eine stufenförmige Spiral- oder Zickzack-Linie bilden.
Damit unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 vom Entbarter nach D2 dadurch, dass die Lagerböcke der Walze federnd nachgebend anhebbar sind und die Schälmesser unter einem Winkel von etwa 10º bis 80º zum Sauerstoffschneidbart an diesem angreifen. Die in diesem Winkel schräg zum Sauerstoffschneidbart stehenden Schälmesser werden also nicht über einzelne, in der Walze angeordnete Federn, sondern über die insgesamt federnd gelagerte Walze an das Werkstück angedrückt und gelangen damit nacheinander bzw. an aufeinander folgenden Stellen mit dem Werkstück bzw. dem Schneidbart zum Abschälen in Eingriff. Es ist glaubhaft, dass damit der im Betrieb beim Abschälen auftretende Lärm und der Verschleiß der Schälmesser verringert werden kann.
Ein Hinweis auf diese Lösung für das Lärm- und Verschleißproblem ist dem übrigen Stand der Technik nicht zu entnehmen.
In der D1 ist beschrieben, dass zur Reduzierung der Entbarterkräfte und der erforderlichen Antriebsleistung die Entbarterwalze insgesamt in eine Winkellage zu dem Werkstück gedreht sein kann (siehe Spalte 2, Zeilen 28 bis 31, und Spalte 3, Zeile 63, bis Spalte 4, Zeile 4). Diese Lösung wäre ohne weiteres auf den Entbarter nach D2 anwendbar, um dieselben Vorteile zu erreichen, würde aber nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen.
Die D3 offenbart ein Entbarterwerkzeug, auf dem Schälmesser in einem Winkel von 3º bis 10º zum Schneidbart angeordnet sind (siehe Spalte 6, Zeilen 21 bis 25 und Figuren 6, 11 und 13). Das Entbarterwerkzeug wird jedoch beim Entbarten nicht in Drehung versetzt, sondern translatorisch mit dem Werkstück in Eingriff gebracht, wobei die beispielsweise auf einer Platte hintereinander schräg angeordneten Schälmesser den Schneidbart abschälen. Auch wenn der Fachmann den Vorteil der schrägen Schälmesseranordnung, der in D3 nicht explizit angegeben ist, erkennen würde, wäre eine Übertragung dieser Lehre auf die Entbarterwalze nach D2 nicht ohne weiteres möglich. Wenn nämlich die bei D2 in den geraden Nuten (12) verankerten und mit Hilfe der Federn (13) vorgespannten Schälmesser schräg gestellt würden, müssten sie zunächst an die Krümmung der Walze angepasst werden. Ferner würden die schrägen Schälmesser nicht über ihre Länge gleichmässig mit dem Werkstück in Eingriff gelangen, sondern sukzessive über ihre Länge von einem Ende zum anderen. Beim Kontakt des führenden Endes mit dem Werkstück bzw. Schneidbart würde dieses Ende entgegen der Federkraft abgesenkt, während die übrigen Bereiche des Schälmessers noch angehoben verbleiben. Die Folge ist ein Kippen des gesamten Schälmessers in der Nut, was Störungen im Betrieb wie zum Beispiel ein Verklemmen des Schälmessers verursachen kann.
Um dieses Problem zu vermeiden, wird beim Gegenstand des Anspruchs 1 die Walze insgesamt über ihre Lagerböcke federnd angehoben und gegen das Werkstück gedrückt. Die störungsanfällige Lagerung der einzelnen Schälmesser in den Nuten kann damit entfallen. Erst zusammen mit der federnden Lagerung der Walze, für die sich ebenfalls in den Druckschriften D1 bis D3 kein Hinweis findet, kann daher der Vorteil der schräggestellten Schälmesser in der Schälmesserwendel für die Reduzierung von Lärm und Verschleiß im Betrieb realisiert werden.
Im Ergebnis ist daher der Gegenstand durch den Stand der Technik nicht nahegelegt und beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit den in den mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüchen 1 bis 6 und noch anzupassender Beschreibung nebst Figuren zu erteilen.