T 0508/05 () of 9.10.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T050805.20071009
Datum der Entscheidung: 09 October 2007
Aktenzeichen: T 0508/05
Anmeldenummer: 97120908.5
IPC-Klasse: B66B 11/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Aufzug, insbesondere Treibscheibenaufzug
Name des Anmelders: ThyssenKrupp Aufzugswerke GmbH
Name des Einsprechenden: Liftcomp GmbH
Lödige Gebäudelogistik GmbH
INVENTIO AG
Mitsubishi Electric Corporation
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
Schlagwörter: Gewährbarkeit des Hauptantrags - nein (Art. 84, 123 (2) EPÜ)
Zulassung zum Verfahren (Hilfsantrag 1) - nein
Neuheit und erfinderische Tätigkeit (Hilfsantrag 2) - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 28. November 1997 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 97120908.5 wurde das europäische Patent Nr. 0 926 093 erteilt.

II. Gegen das erteilte Patent wurden, gestützt auf die Einspruchsgründe des Artikels 100 a) EPÜ (alle Einsprechenden) sowie Artikel 100 b) und c) EPÜ (Einsprechende 03 und 04) vier Einsprüche eingelegt und der Widerruf des Patents beantragt.

III. Die Einspruchsabteilung hielt das Patent mit ihrer am 4. März 2005 zur Post gegebenen Entscheidung in beschränktem Umfang aufrecht.

Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Ausführbarkeit der Erfindung nicht in Zweifel stehe (Artikel 83 und 100 b) EPÜ).

Die Rügen der unzulässigen Erweiterung der unabhängigen Ansprüche in beiden Länderversionen seien unbegründet, so dass auch Artikel 123 (2) EPÜ erfüllt sei.

Die Gegenstände der erteilten unabhängigen Ansprüche in beiden Länderversionen seien neu und beruhten auf erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf eine geltend gemachte Vorbenutzung sowie den gesamten entgegengehaltenen druckschriftlichen Stand der Technik.

IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende 04) am 21. April 2005 Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt und am 4. Juli 2005 die Beschwerdebegründung eingereicht.

V. Die Beschwerdekammer hat in ihrem mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übersandten Bescheid vom 7. September 2006 ihre vorläufige Einschätzung der Sachlage mitgeteilt, wonach - abweichend von der Auffassung der Einspruchsabteilung - die in den unabhängigen Ansprüchen vorgenommenen Änderungen im Hinblick auf Artikel 123 (2) und (3) EPÜ problematisch seien. Die Neuheit der beanspruchten Merkmalskombinationen scheine gegeben. Die erfinderische Tätigkeit werde zu diskutieren sein, falls die formalen Voraussetzungen erfüllt seien/würden.

VI. Am 9. Oktober 2007 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der folgender Stand der Technik diskutiert wurde:

D7: DE-C-37 14 053

D16: JP-A-5-12 467

D26: NL-A-9 100 059

D27: US-A-1 404 832

D28: JP-A-7-206 342

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents mit den drei Anspruchssätzen "Fassung 1" vom 7. September 2007 (Hauptantrag);

mit dem Anspruchssatz "Fassung 1" wie in der mündlichen Verhandlung überreicht, Fassungen für AT [und weitere] und BE [und weitere] wie Hauptantrag (Hilfsantrag 1);

mit den Ansprüchen 1 bis 5, Ansprüchen je 6 bis 9 (für AT [und weitere] und BE [und weitere] und angepasster Beschreibung (Hilfsantrag 2).

Der unabhängige Anspruch 1 für alle benannten Vertragsstaaten gemäß Hauptantrag lautet:

"Aufzug, insbesondere Treibscheibenaufzug, mit einem in einem Schacht (14) zwischen einem Schachtkopf und einer Schachtgrube geführten, ein Fahrkorbdach (17) aufweisenden Fahrkorb (16) und einem Antrieb (30), der über wenigstens ein Tragseil mit dem Fahrkorb (16) verbunden ist, wobei insbesondere zur Durchführung von Wartungsarbeiten das Fahrkorbdach (17) begehbar bzw. zugänglich ausgebildet ist,

dadurch gekennzeichnet, daß der Antrieb (30) wenigstens teilweise im Schachtkopf über einem ersten Bereich (17a) des Fahrkorbdaches (17) angeordnet ist, und die Begehbarkeit bzw. Zugänglichkeit des Fahrkorbdaches (17) auf einen zweiten Bereich (17b) beschränkt ist, wobei der zweite Bereich (17b) des Fahrkorbdaches von dem ersten Bereich (17a) abgegrenzt ist."

Der unabhängige Anspruch 1 für alle benannten Vertragsstaaten gemäß Hilfsantrag 1 lautet:

"Aufzug, insbesondere Treibscheibenaufzug, mit einem in einem Schacht (14) zwischen einem Schachtkopf und einer Schachtgrube geführten, ein Fahrkorbdach (17) aufweisenden Fahrkorb (16) und einem Antrieb (30), der über wenigstens ein Tragseil mit dem Fahrkorb (16) verbunden ist, wobei insbesondere zur Durchführung von Wartungsarbeiten das Fahrkorbdach (17) begehbar bzw. zugänglich ausgebildet ist,

dadurch gekennzeichnet, daß der Antrieb (30) wenigstens teilweise im Schachtkopf über einem ersten Bereich (17a) des Fahrkorbdaches (17) angeordnet ist, und die Begehbarkeit bzw. Zugänglichkeit des Fahrkorbdaches (17) auf einen zweiten Bereich (17b) beschränkt ist, wobei zur Abgrenzung des eine Sicherheitshöhe (h1) aufweisenden zweiten Bereiches (17b) des Fahrkorbdaches (17) Mittel zur Sicherung bzw. Begrenzung der Fahrkorbdachbereiche (17a, 17b) vorgesehen sind, die einen dem zweiten Bereich (17b) zugeordneten Sicherheitsraum von dem ersten Bereich (17a) niedrigerer Höhe (h2) abgrenzen."

Der unabhängige Anspruch 1 für alle benannten Vertragsstaaten gemäß Hilfsantrag 2 lautet:

"Aufzug, insbesondere Treibscheibenaufzug, mit einem in einem Schacht (14) zwischen einem Schachtkopf und einer Schachtgrube geführten, ein Fahrkorbdach (17) aufweisenden Fahrkorb (16) und einem Antrieb (30), der über wenigstens ein Tragseil mit dem Fahrkorb (16) verbunden ist, wobei insbesondere zur Durchführung von Wartungsarbeiten das Fahrkorbdach (17) begehbar bzw. zugänglich ausgebildet ist,

dadurch gekennzeichnet, daß der Antrieb (30) wenigstens teilweise im Schachtkopf über einem ersten Bereich (17a) des Fahrkorbdaches (17) angeordnet ist, und die Begehbarkeit bzw. Zugänglichkeit des Fahrkorbdaches (17) auf einen zweiten Bereich (17b) beschränkt ist, wobei zur Abgrenzung des eine Sicherheitshöhe (h1) aufweisenden zweiten Bereiches (17b) des Fahrkorbdaches (17) ein Geländer (18) vorgesehen ist, das einen dem zweiten Bereich (17b) zugeordneten Sicherheitsraum von dem ersten Bereich (17a) niedrigerer Höhe (h2) abgrenzt."

Der unabhängige Anspruch 6 gemäß Hilfsantrag 2 lautet in der Fassung für AT, CH/LI, DE, ES, FR, GB:

"Aufzug, insbesondere Treibscheibenaufzug, mit einem in einem Schacht (14) zwischen einem Schachtkopf und einer Schachtgrube geführten, ein Fahrkorbdach (17) aufweisenden Fahrkorb (16) und einem Antrieb (30), der wenigstens teilweise an einer im Schacht vorgesehenen Halterung (40) gehaltert und über wenigstens ein Tragseil mit dem Fahrkorb (16) verbunden ist, wobei die Halterung (40) im wesentlichen auf der gleichen Höhe im Schacht angeordnet ist wie die von ihr getragenen Teile des Antriebs (30), wobei der Antrieb (30) einen Motor, eine Treibscheibe und wenigstens eine Umlenkrolle aufweist, und die Drehachsen von Treibscheibe und Motor bezüglich der Schachtwände horizontal schräg angeordnet sind,

dadurch gekennzeichnet, daß die Halterung (40) im Schachtkopf über einem ersten Bereich (17a) des Fahrkorbdaches (17) derart angeordnet ist, daß in einem neben dem ersten Bereich (17a) liegenden zweiten Bereich (17b) des Fahrkorbdaches ein über dem Fahrkorb vorgesehener Sicherheitsabstand zwischen Fahrkorbdach und Schachtdecke gewährleistet ist, wobei das Fahrkorbdach (17) begehbar bzw. zugänglich ausgebildet ist und die Begehbarkeit bzw. Zugänglichkeit des Fahrkorbdaches auf den zweiten Bereich (17b) beschränkt ist."

und in der Fassung für BE, DK, NL, SE:

"Aufzug, insbesondere Treibscheibenaufzug, mit einem in einem Schacht (14) zwischen einem Schachtkopf und einer Schachtgrube geführten, ein Fahrkorbdach (17) aufweisenden Fahrkorb (16) und einem Antrieb (30), der wenigstens teilweise an einer im Schacht vorgesehenen Halterung (40) gehaltert und über wenigstens ein Tragseil mit dem Fahrkorb (16) verbunden ist, wobei die Halterung (40) im wesentlichen auf der gleichen Höhe im Schacht angeordnet ist wie die von ihr getragenen Teile des Antriebs (30),

dadurch gekennzeichnet, daß die Halterung (40) im Schachtkopf über einem ersten Bereich (17a) des Fahrkorbdaches (17) derart angeordnet ist, daß in einem neben dem ersten Bereich (17a) liegenden zweiten Bereich (17b) des Fahrkorbdaches ein über dem Fahrkorb vorgesehener Sicherheitsabstand zwischen Fahrkorbdach und Schachtdecke gewährleistet ist, wobei das Fahrkorbdach (17) begehbar bzw. zugänglich ausgebildet ist und die Begehbarkeit bzw. Zugänglichkeit des Fahrkorbdaches auf den zweiten Bereich (17b) beschränkt ist."

VII. Die Beschwerdeführerin brachte vor, die im jeweiligen Anspruch 1 des schon unklaren Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 vorgenommenen Änderungen verletzten Artikel 123 (2) EPÜ.

Das Dokument D26 sei hochrelevant und offenbare sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2.

Jedenfalls seien die beanspruchten Lösungen durch die Kombination von D26 mit D7 oder D26 mit D16 nahegelegt, denn der Fachmann würde ohne weiteres das in D16 gezeigte Geländer zum Abgrenzen eines Sicherheitsbereiches bei einem bekannten maschinenraumlosen Aufzug anwenden.

VIII. Die Beschwerdegegnerin führte aus, die mit der Beschwerdebegründung eingereichte Entgegenhaltung D26 sei nicht hochrelevant und sei daher, ebenso wie die spät eingeführten Dokumente D27 und D28, nicht zum Verfahren zuzulassen. Die Änderungen der Ansprüche gegenüber den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen seien ausreichend offenbart.

Die Lösungen gemäß den unabhängigen Ansprüchen seien neu und beruhten auf erfinderischer Tätigkeit, denn es gehe nicht um die Abgrenzung eines Sicherheitsbereiches, sondern um die Reduzierung der Schachthöhe bei Verwendung eines herkömmlichen Antriebskonzeptes.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulassung neuer Entgegenhaltungen

Das mit der Beschwerdebegründung eingereichte Dokument D26 erscheint im Hinblick auf den Patentgegenstand prima facie relevanter als D16, denn es handelt sich um einen in einem Gebäude installierten konventionellen Aufzug mit Schachtkopf und Schachtgrube, wogegen diese Elemente bei dem nachrüstbaren Personenaufzug nach D16 nicht ausgeprägt sind. Auch ist die Begehbarkeit des Fahrkorbdaches im Gegensatz zu D16 in D26 eindeutig ersichtlich, so dass D26 zum Verfahren zugelassen wurde.

Die Schrägflächen zeigenden Dokumente D27 und D28 sind nach der Beschränkung der zugelassenen Ansprüche nicht mehr relevant, da eine solches Merkmal darin nicht mehr vorkommt. Dies Entgegenhaltungen bleiben daher außer Betracht.

3. Hauptantrag - Zulässigkeit

3.1 Anspruch 1 wurde als Reaktion auf die im Bescheid der Beschwerdekammer aufgezeigten Mängel rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung eingereicht und deshalb ins Verfahren zugelassen. Er erfüllt jedoch nicht die formalen Voraussetzungen des EPÜ.

3.2 Zur Offenbarung des an den Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 angefügte Merkmal "wobei der zweite Bereich (17b) des Fahrkorbdaches von dem ersten Bereich (17a) abgegrenzt ist" berief sich die Beschwerdegegnerin auf die Figurenbeschreibung (Patentschrift Spalte 6, Zeilen 41 bis 46; A1-Publikation Spalte 6, Zeilen 38 bis 43). Dieser Text lautet: "Zur Abgrenzung des die Sicherheitshöhe h1 aufweisenden Bereiches 17b des Fahrkorbdaches 17 ist aus diesem Grund erfindungsgemäß ein Geländer 18 vorgesehen, das den dem Bereich 17b zugeordneten Sicherheitsraum von dem Bereich 17a niedrigerer Höhe abgrenzt." Diese Abgrenzung ist also im Zusammenhang mit Bereichen bestimmter Höhe durch ein Geländer offenbart, was im vorliegenden Anspruch weggelassen wurde. Durch diese Verallgemeinerung des im konkreten Zusammenhang eines Ausführungsbeispiels beschriebenen Merkmals, wird Schutz für einen Gegenstand beansprucht, der in dieser Form nicht ursprünglich offenbart war, so dass die Änderung gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstößt.

3.3 Diese Änderung führt außerdem zu einer Unklarheit des Anspruches, denn wenn "die Begehbarkeit bzw. Zugänglichkeit des Fahrkorbdaches (17) auf einen zweiten Bereich (17b) beschränkt ist", muss hier bereits irgendeine Art von Abgrenzung vorhanden sein, so dass unklar bleibt, was mit dem Merkmal, dass "der zweite Bereich (17b) des Fahrkorbdaches von dem ersten Bereich (17a) abgegrenzt ist" noch näher präzisiert werden soll (Artikel 84 EPÜ).

4. Hilfsantrag 1 - Zulassung zum Verfahren

4.1 Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 wurde während der mündlichen Verhandlung eingereicht. Nach gefestigter Rechtsprechung der Beschwerdekammern sind die Zulassungsvoraussetzung umso höher, je später im Verfahren ein Antrag gestellt wird. Um zugelassen zu werden, muss der Antrag zumindest prima facie zulässig erscheinen, d.h. es dürfen keine ernsthaften Zweifel bestehen, dass sämtliche Mängel beseitigt sind.

4.2 Anspruch 1 hat den Wortlaut des erteilten Anspruchs 1, an den die Merkmale angefügt wurden: "wobei zur Abgrenzung des eine Sicherheitshöhe (h1) aufweisenden zweiten Bereiches (17b) des Fahrkorbdaches (17) Mittel zur Sicherung bzw. Begrenzung der Fahrkorbdachbereiche (17a, 17b) vorgesehen sind, die einen dem zweiten Bereich (17b) zugeordneten Sicherheitsraum von dem ersten Bereich (17a) niedrigerer Höhe (h2) abgrenzen". Zur Offenbarung verwies die Beschwerdegegnerin auf die Figurenbeschreibung (Patentschrift Spalte 6, Zeilen 41 bis 46, Zeile 51 bis Spalte 7, Zeile 5; A1-Publikation Spalte 6, Zeilen 38 bis 43, Zeile 48 bis Spalte 7, Zeile 2).

4.3 Mit dieser Anspruchsformulierung wird einerseits die Begrenzung mittels Geländer beansprucht, welches zwar in der genannten Offenbarungsstelle, jedoch im Anspruchswortlaut nicht enthalten ist. Andererseits wird die Sicherung eines Fahrkorbdachbereiches mit alternativen Mitteln beansprucht, die nicht notwendigerweise auch eine Abgrenzung bewirken, wie "elektrische Sicherungsmittel, die bei Betreten dieses Bereiches 17a optische und/oder akustische Signale aussenden, die zum Verlassen dieses Bereiches auffordern, und/oder ein Verfahren des Fahrkorbes 16 blockieren". Diese Mittel bewirken keine Abgrenzung des Bereiches 17a, da sie offensichtlich erst reagieren, wenn der abgegrenzte Bereich betreten wird. Durch die unmittelbare Kombination dieser alternativen und unterschiedlich wirkenden "Begrenzungsmittel" und "Sicherungsmittel" in einem Merkmalskomplex sowie die Verallgemeinerung der "Mittel" anstelle von "Geländer" ergibt sich ein Gegenstand, bei dem zumindest zweifelhaft ist, ob er dieser Form ursprünglich offenbart war. Da der Anspruch somit nicht prima facie die Zulässigkeitsvoraussetzung des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt, wurde er von der Beschwerdekammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 114 (2) EPÜ nicht zum Verfahren zugelassen.

5. Hilfsantrag 2

5.1 Zulässigkeit der Änderungen

5.1.1 Der Anspruch 1 für alle Vertragsstaaten wurde geändert, indem an den Wortlaut des erteilten Anspruchs angefügt wurde: "wobei zur Abgrenzung des eine Sicherheitshöhe (h1) aufweisenden zweiten Bereiches (17b) des Fahrkorbdaches (17) ein Geländer (18) vorgesehen ist, das einen dem zweiten Bereich (17b) zugeordneten Sicherheitsraum von dem ersten Bereich (17a) niedrigerer Höhe (h2) abgrenzt". Dieses Merkmal ist in der Patentschrift (Spalte 6, Zeilen 41 bis 46) und in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen (A-Dokument Spalte 6, Zeilen 38 bis 43) in diesem Zusammenhang offenbart. Durch diese Änderung wird der Schutzbereich des Anspruchs eingeschränkt. Die Zugangsbeschränkung wird durch die Abgrenzung mittels eines Geländers präzisiert. Somit sind die Erfordernisse der Artikel 84, 123 (2) und (3) EPÜ erfüllt.

5.1.2 Der unabhängige Anspruch 6 für AT, CH/LI, DE, ES, FR, GB geht auf den unabhängigen erteilten Anspruch 7 und den erteilten abhängigen Anspruch 8 für diese Staaten zurück, wobei das Merkmal "wobei der Antrieb (30) eine Treibscheibe mit horizontaler Drehachse aufweist" ersetzt wurde durch "wobei der Antrieb (30) einen Motor, eine Treibscheibe und wenigstens eine Umlenkrolle aufweist, und die Drehachsen von Treibscheibe und Motor bezüglich der Schachtwände horizontal schräg angeordnet sind". Diese Änderung stützt sich auf die Patentschrift (Spalte 3, Zeilen 12 bis 16; Spalte 4, Zeilen 48 bis 51) sowie auf die ursprünglich eingereichten Unterlagen (A-Dokument Spalte 3, Zeilen 8 bis 12; Spalte 4, Zeilen 45 bis 48), jeweils in Verbindung mit Figur 4 im offenbarten Zusammenhang. Da auch der Schutzbereich des Anspruchs eingeschränkt wird, ist die Änderung im Hinblick auf Artikel 123 (2) und (3) EPÜ zulässig.

5.1.3 Anspruch 6 für BE, DK, NL, SE enthält die Merkmale des unabhängigen erteilten Anspruch 7 und des erteilten abhängigen Anspruch 8 für diese Staaten, so dass gegen die Zulässigkeit keine Bedenken bestehen.

5.2 Neuheit

5.2.1 Von der Beschwerdeführerin wurde die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 im Hinblick auf D26 bestritten. Dort befinde sich über dem Fahrkorbdach eine Traverse, die in einer Höhe von ca. 75 cm die Funktion eines Geländers habe, welches den Bereich des Fahrkorbdaches davor von dem dahinter abgrenze. Dieser Ansicht vermag die Kammer nicht zu folgen.

5.2.2 Nach dem gesamten Inhalt der Druckschrift hat der Tragbalken die einzige Funktion, das Gewicht des Fahrkorbs auf die zentral angeordnete Seilaufhängung zu übertragen. Ob aus der schematischen Darstellung der Figur 1 eine konkrete Höhe ableitbar ist, ist zweifelhaft. Jedenfalls wird ein Monteur diese niedrige Barriere übersteigen, wenn er im Bereich dahinter Arbeiten auszuführen hat. Es sind offensichtlich auch hinter dem Tragbalken rechts und links vom Blockierelement 13 und vom zentral angeordneten Antrieb Räume vorhanden, die betreten werden können. Eine Abgrenzung eines eine Sicherheitshöhe aufweisenden Fahrkorbdachbereiches von einem Bereich niedrigerer Höhe ist der Entgegenhaltung jedenfalls nicht entnehmbar.

5.2.3 Die Neuheit der unabhängigen Ansprüche 6 in der jeweiligen Fassung wurde nicht gesondert angegriffen, ist aber gegeben, da der entgegengehaltene Stand der Technik keine Beschränkung der Zugänglichkeit des Fahrkorbdaches auf den zweiten (Sicherheits)-Bereich gegenüber dem ersten Bereich offenbart, über dem die den Antrieb tragende Halterung angeordnet ist (Artikel 54 (1) EPÜ).

5.3 Erfinderische Tätigkeit

5.3.1 Nächstkommender Stand der Technik ist D26, worin ein Aufzug mit den Merkmalen des Oberbegriffs des unabhängigen Anspruchs 1 sowie der unabhängigen Ansprüche 6 in ihrer jeweiligen Fassung offenbart ist.

5.3.2 Aufgabe der Erfindung ist die Schaffung eines Aufzuges mit im Aufzugsschacht angeordnetem Aufzugantrieb herkömmlicher Größe, ohne die Schachtkopfhöhe gegenüber Aufzügen mit einem außerhalb des Fahrschachtes liegenden Triebwerksraum zu erhöhen. Insbesondere sollen auch durch eine Verringerung des Bauaufwandes die Gesamtkosten für den Aufzug gesenkt werden (Patentschrift Spalte 2, Zeilen 20 bis 27).

Gelöst wird dieses technische Problem mit dem Gegenstand des Anspruchs 1, wonach der Antrieb (30) wenigstens teilweise im Schachtkopf über einem ersten Bereich (17a) des Fahrkorbdaches (17) angeordnet ist, und die Begehbarkeit bzw. Zugänglichkeit des Fahrkorbdaches (17) auf einen zweiten Bereich (17b) beschränkt ist, wobei zur Abgrenzung des eine Sicherheitshöhe (h1) aufweisenden zweiten Bereiches (17b) des Fahrkorbdaches (17) ein Geländer (18) vorgesehen ist, das einen dem zweiten Bereich (17b) zugeordneten Sicherheitsraum von dem ersten Bereich (17a) niedrigerer Höhe (h2) abgrenzt.

Weitere Lösungen sind die Gegenständen der unabhängigen Ansprüche 6 in ihrer jeweiligen Fassung, wonach die Halterung (40) dem Antrieb im Schachtkopf über einem ersten Bereich (17a) des Fahrkorbdaches (17) derart angeordnet ist, daß in einem neben dem ersten Bereich (17a) liegenden zweiten Bereich (17b) des Fahrkorbdaches ein über dem Fahrkorb vorgesehener Sicherheitsabstand zwischen Fahrkorbdach und Schachtdecke gewährleistet ist, wobei das Fahrkorbdach (17) begehbar bzw. zugänglich ausgebildet ist und die Begehbarkeit bzw. Zugänglichkeit des Fahrkorbdaches auf den zweiten Bereich (17b) beschränkt ist.

5.3.3 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin trifft die im Patent formulierte Aufgabe nicht zu. Ausgehend von D26, wo ein Antrieb in einer Halterung gezeigt ist, bestehe die Aufgabe lediglich darin, einen Sicherheitsbereich auf dem Fahrkorbdach abzutrennen, der für Montagearbeiten gefahrlos betreten werden kann, wenn der durch das Blockierelement temporär aufgehobene Sicherheitsbereich auf dem Fahrkorbdach aufgehoben sei. Dazu liefere D16 genau die geeignete Lösung in Form eines Geländers, das der Fachmann zweckentsprechend auf dem Fahrkorbdach gemäß D26 anwenden würde.

5.3.4 Wie sich aus dem Gesamtinhalt von D26 ergibt, geht es dort um eine Sicherheitseinrichtung, mit der der Fahrkorb temporär am Weiterfahren in die Endstellung blockiert werden kann. Die Art und Einbauweise des Aufzugs ist in der Beschreibung nur allgemein erwähnt. Von dieser Problemstellung unterscheidet sich die des vorliegenden Patents grundsätzlich, da sie mit den Raumbedarf im Aufzugsschacht unter Beibehaltung eines konventionellen Antriebs reduzieren will. Erst durch die Lösung, den Antrieb bzw. seine Halterung über einem Bereich des Fahrkorbes anzuordnen, der normalerweise als Sicherheitsraum erforderlich ist, stellt sich das weitergehende Problem, einen besonderen Sicherheitsraum zu schaffen, in dem die Montageperson auch in der höchsten Fahrkorbstellung geschützt ist. Das in D26 behandelte Problem liegt daher fern von der Aufgabe des Patents, so dass eine Anregung zur Schaffung eines besonders abgegrenzten Sicherheitsbereich von dort nicht ableitbar ist.

5.3.5 Es stellt sich daher die Frage, ob der Fachmann ausgehend von D26 überhaupt D16 in Betracht zieht, weil der gemäß D26 geschaffene (temporäre) Sicherheitsbereich sich über den gesamten Querschnitt des Fahrschachtes erstreckt, so dass eine Abgrenzung eines bestimmten Teils des Fahrkorbdaches als Sicherheitsbereich weder notwendig noch vorteilhaft ist. Betrachtet der Fachmann D16 trotzdem näher, so stellt fest, dass das dort offenbarte Geländer 4 bezweckt, den Monteur bei der Fahrt auf dem Fahrkorbdach vor Kollision mit Gegenständen im Schacht, wie z.B. dem Gegengewicht zu schützen [0004]. In vorteilhafter Weise kann die Höhe des Geländers verstellt werden. Von einer Abgrenzung eines Bereiches mit Sicherheitshöhe von einem anderen Bereich niedrigerer Höhe ist ebenso wenig die Rede wie von der Beschränkung der Begehbarkeit bzw. Zugänglichkeit auf einen Bereich des Fahrkorbdaches, über dem kein Antrieb oder dessen Halterung vorgesehen ist. Somit führt auch die Kombination von D26 und D16 nicht zu dem in den unabhängigen Ansprüchen beanspruchten Gegenstand.

5.3.6 Die von der Beschwerdeführerin noch zitierte Druckschrift D7 geht in ihrer bezüglich der Erfindung relevanten Offenbarung nicht über den Inhalt von D26 hinaus, so dass auch ihre Kombination mit D16 den Fachmann nicht zur Erfindung führen kann.

Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 6 in ihrer jeweiligen Fassung beruhen daher auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

6. Der von der Beschwerdeführerin als unklar bemängelte Abschnitt [0046] der Patentschrift steht zumindest nicht im Widerspruch zur übrigen Beschreibung, so dass ein Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ nicht vorliegt. Nachdem die Beschreibung an die geänderten Ansprüche angepasst worden ist, kann das Patent im beantragten Umfang aufrecht erhalten werden (Artikel 52 (1) EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent aufrecht zu erhalten mit:

den Ansprüchen 1 bis 5,

Ansprüchen 6 bis 9 für AT, CH/LI, DE, ES, FR, GB und

Ansprüchen 6 bis 9 für BE, DK, NL, SE (Hilfsantrag 2)

und der angepassten Beschreibung, Spalten 1 bis 9

alle eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer sowie

den Figuren 1 bis 4, wie erteilt.

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