T 0418/05 () of 12.9.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T041805.20060912
Datum der Entscheidung: 12 September 2006
Aktenzeichen: T 0418/05
Anmeldenummer: 97909346.5
IPC-Klasse: B05C 3/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Ein- und Ausbringen von Werkstücken, insbesondere Fahrzeugkarosserien, Vorrichtung und Anlage zur Oberflächenbehandlung von Werkstücken
Name des Anmelders: ABB FLÄKT AB
Name des Einsprechenden: EISENMANN Maschinenbau KG
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit - ja, keine implizite Offenbarung
Erfinderische Tätigkeit - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 0 929 365 zurückzuweisen, Beschwerde eingelegt.

Im Einspruchsverfahren war das Patent in vollem Umfang im Hinblick auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit) angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass das Verfahren nach Anspruch 1, die Vorrichtung nach dem Anspruch 4 und die Anlage nach dem Anspruch 21 gegenüber der Entgegenhaltung D3 neu seien. Sie war weiter der Auffassung, dass dem Streitpatent, ausgehend von der Entgegenhaltung D3 als nächstkommenden Stand der Technik, übereinstimmend mit der in dem Streitpatent genannten Aufgabe die objektive Aufgabe zugrunde liegt, die Abmessungen der Behandlungsbereiche zu minimieren. Die Lösung dieser Aufgabe nach den Ansprüchen 1, 4 und 21 wurde als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend erachtet.

II. Im Beschwerdeverfahren wurden die folgenden Entgegenhaltungen aus dem Einspruchsverfahren berücksichtigt:

D1: DE-C-43 04 145

D3: DE-A-25 12 762

D5: EP-A-0 412 183.

III. Am 12. September 2006 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, in der die folgenden Anträge festgestellt wurden:

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte gemäß Hauptantrag die Zurückweisung der Beschwerde und hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines der mit Eingabe vom 11. August 2006 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 3.

IV. Die dem Beschwerdeverfahren gemäß Hauptantrag zugrunde liegenden Ansprüche 1 und 4 des erteilten Patents lauten wie folgt:

Anspruch 1:

"Verfahren zum Ein- und Ausbringen von Werkstücken, insbesondere Fahrzeugkarosserien, in bzw. aus einem zur Oberflächenbehandlung der Werkstücke (1) geeigneten Behandlungsbereich (20, 70), bei dem

- die Werkstücke (1) auf Halterungsgestellen (7) lösbar befestigt sind, welche über je eine senkrecht zur Bewegungsrichtung der Werkstücke (1) ausgerichtete Drehachse (13, 41, 61) verfügen,

- die Drehachsen (13, 41, 61) translatorisch und mit konstanter Geschwindigkeit kontinuierlich bewegt werden und

- gleichzeitig die Werkstücke (1) am Anfang bzw. Ende des Behandlungsbereiches (20, 70) um jeweils die Drehachse (13, 41, 61) des zugehörigen Halterungsgestells (7) gesteuert und jederzeit geführt in Richtung der translatorischen Bewegung um etwa 180º gedreht werden, wobei beim Ein- und Ausbringen des Werkstücks (1) in bzw. aus dem Behandlungsbereich die Drehgeschwindigkeit und die Bewegungsgeschwindigkeit so aufeinander abgestimmt werden, dass das Vorderteil des Werkstücks (1) nach Beendigung des Eindrehvorgangs unter Beachtung eines Sicherheitsabstands an einer ersten Stirnwand (201) des Behandlungsbereiches (20, 70) positioniert wird und das Werkstück (1) nun mit dem jetzigen Vorderteil wiederum unter Beachtung eines Sicherheitsabstandes bis an die andere Stirnwand (202) bewegt wird bevor das Werkstück (1) zuerst mit dem jetzigen Hinterteil mit einer weiteren Drehung um etwa 180º aus dem Behandlungsbereich ausgebracht wird."

Anspruch 4:

"Vorrichtung zur Oberflächenbehandlung von Werkstücken in Behandlungsbädern oder Behandlungskabinen, insbesondere zur Oberflächenbehandlung von Fahrzeugkarosserien, mit

- zumindest einem Halterungsgestell (7) zur Aufnahme von wenigstens einem Werkstück (1), das

- längs einer durch die Anordnung des Behandlungsbads (20) oder der Kabine (70) vorgegebenen Bewegungsrichtung der Werkstücke (1) kontinuierlich bewegbar ist,

- eine Aufnahmeeinrichtung (10, 11; 38, 39; 54) umfasst, mit der das Werkstück (1) am Halterungsgestell (7) lösbar anbringbar ist, und

- eine quer zur Bewegungsrichtung angeordnete Drehachse (13, 41, 61) aufweist,

- einer Führung (22, 23), die mit mindestens einem seitlich am Halterungsgestell (7) befestigten Hebel (15) zusammenwirkt, um die Drehung des Halterungsgestells (7) um dessen Drehachse (13, 41, 61) zu bewirken, wobei während des Drehvorganges die Führung (22, 23) und das Halterungsgestell (7) ständig miteinander gekoppelt sind, so dass die Drehung jederzeit gesteuert und geführt ist, so dass die Drehgeschwindigkeit und die Bewegungsgeschwindigkeit aufeinander abgestimmt sind, dass das Vorderteil des Werkstücks (1) nach Beendigung des Eindrehvorgangs unter Beachtung eines Sicherheitsabstands an einer ersten Stirnwand (201) des Behandlungsbereiches (20, 70) positionierbar ist und das Werkstück (1) nun mit dem jetzigen Vorderteil wiederum unter Beachtung eines Sicherheitsabstandes bis an die andere Stirnwand (202) bewegbar ist, bevor das Werkstück (1) zuerst mit dem jetzigen Hinterteil mit einer weiteren Drehung um etwa 180º aus dem Behandlungsbereich ausbringbar ist;

- einer Führungseinrichtung (5), mit der das Halterungsgestell (7) in Bewegungsrichtung führbar ist und

- einem Antriebsmittel, mit dem das Halterungsgestell (7) kontinuierlich in Bewegungsrichtung bewegbar ist."

V. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

i) Das in der mündlichen Verhandlung vorgestellte Modell der Vorrichtung nach der Entgegenhaltung D3 und die anhand des Modells erläuterten Bewegungsabläufe eines Werkstücks am Anfang bzw. Ende des Behandlungsbereiches zeigten, dass dessen Drehung beim Ein- und Ausdrehen übereinstimmend mit dem Verfahren nach Anspruch 1 und der Vorrichtung nach Anspruch 4 so jederzeit gesteuert und geführt ist, dass das Werkstück, wie in diesen Ansprüchen definiert, jeweils an einer Stirnwand eines Behandlungsbereichs positionierbar ist.

ii) Dazu trage bei, dass nach der Entgegenhaltung D3 jeder Behandlungsbereich mit einer eine derartige Positionierung ermöglichenden vorderen und hinteren vertikalen Stirnwand versehen ist. Die Positionierung erfolge nach der Entgegenhaltung D3, ohne dass dies dort ausdrücklich erwähnt sei, so, dass beim Ein- und Ausdrehen eines Werkstücks jeweils ein Vorderteil des Werkstücks unter Beachtung eines Sicherheitsabstands an der vorderen, bzw. hinteren Stirnwand des Behandlungsbereichs positioniert wird. Die konkrete Länge des Sicherheitsabstandes könne dabei von subjektiven Einflüssen, wie diesbezüglichen Anforderungen seitens eines Auftraggebers, abhängen. Sie könne auch von objektiven Einflüssen, wie bekannten oder angenommenen Toleranzen der Abmessungen der jeweils zu behandelnden Werkstücke, sowie fertigungs- und verschleißbedingter Toleranzen betreffend die Führung und Steuerung der Werkstücke abhängen. Die konkrete Länge des Sicherheitsabstandes könne schließlich auch danach zu bemessen sein, in welcher Zeitdauer das Ein- und Ausdrehen erfolgen solle. So könne bspw., wie dies nach der Entgegenhaltung D3 der Fall sei, für das Ausdrehen ein größerer Sicherheitsabstand vorgesehen sein um damit die Zeitdauer zu vergrößern, die für das Abtropfen eines Behandlungsmittels von dem Werkstück zur Verfügung steht.

iii) Nach der Entgegenhaltung D3 sei die Drehachse des Werkstückhalters jederzeit derart gesteuert und geführt, dass eine Positionierung eines Vorderteils des Werkstücks an einer Stirnwand des Behandlungsbereichs unter Beachtung eines Sicherheitsabstands möglich sei. Betreffend einen etwaigen Widerstand einer Behandlungsflüssigkeit, der einer Steuerbarkeit der Drehung des Werkstücks ab dem Zeitpunkt des Eintauchens in diese Flüssigkeit entgegenstehen könnte werde darauf verwiesen, dass nach den Ansprüchen 1 und 4 nicht definiert sei, dass die Behandlungsbereiche eine Flüssigkeit enthielten.

iv) Es könne dahingestellt bleiben ob bei dem Verfahren nach der D3 übereinstimmend mit demjenigen nach dem Anspruch 1 die Drehachsen translatorisch mit konstanter Geschwindigkeit bewegt werden, weil in dem die Vorrichtung betreffenden Anspruch 4 ein derartiges Merkmal nicht enthalten sei. Da sämtliche Merkmale des Anspruchs 4 aus der Entgegenhaltung D3 bekannt seien, sei zumindest die Vorrichtung nach diesem Anspruch nicht neu.

v) Das Verfahren nach Anspruch 1 und die Vorrichtung nach Anspruch 4 beruhten gegenüber dem aus der D3 bekannten Verfahren und der dort offenbarten Vorrichtung auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Zunächst sei festzustellen, dass die im Streitpatent angegebene Aufgabe einer Minimierung der Abmessungen der Behandlungsbereiche nach der Entgegenhaltung D3 übereinstimmend mit den Ansprüchen 1 und 4 des Streitpatents bereits dadurch gelöst sei, dass die Werkstücke so gesteuert und geführt sowie die Drehgeschwindigkeit und die Bewegungs geschwindigkeit so aufeinander abgestimmt seien, dass das Werkstück nach Beendigung des Eindrehvorganges unter Beachtung eines Sicherheitsabstandes an einer ersten Stirnwand des Behandlungsbereiches positioniert werde. Entsprechend werde vor dem Ausdrehvorgang ein Vorderteil des Werkstücks an der hinteren Stirnwand positioniert. Der Offenbarung dieses Sachverhalts stehe nicht entgegen, dass D3 keine explizite Angabe betreffend die Positionierung einer Vorderseite des Werkstücks an einer Stirnseite des Behandlungsbereiches beim Ein- und Ausdrehen eines Werkstücks enthalte. Das Ergebnis dieser Positionierungen, nämlich eine Anordnung des Werkstücks, nach Beendigung des Eindrehvorgangs bzw. vor dem Ausdrehvorgang, jeweils an einer Stirnseite des Behandlungsbereichs, die unter Beachtung eines Sicherheitsabstands erfolgt, stimme nämlich mit der Positionierung des Werkstückes nach den Ansprüchen 1 und 4 überein. Dies gelte insbesonders unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Begriff "Sicherheitsabstand" ein relativer Begriff sei, dessen jeweilige Länge im Einzelfall den Gegebenheiten des zugrundeliegenden Anwendungsfalles Rechnung tragen müsse. Der Sicherheitsabstand, auf den in den Ansprüchen 1 und 4 Bezug genommen werde, entspräche somit demjenigen, der den Figuren der Entgegenhaltung D3 zu entnehmen wäre.

vi) Ausgehend von D3 als nächstkommenden Stand der Technik könne die zu lösende Aufgabe allenfalls darin gesehen werden, die Steuerung und Führung des Werkstückes während des Eindreh- und des Ausdrehvorgangs zu verbessern. Nach dem Anspruch 1 würden die Werkstücke am Anfang bzw. Ende des Behandlungsbereiches um jeweils die Drehachse des zugehörigen Halterungsgestells gesteuert und jederzeit geführt in Richtung der translatorischen Bewegung um etwa 180º gedreht werden und nach dem Anspruch 4 seien während des Drehvorganges die Führung und das Halterungsgestell ständig miteinander gekoppelt, so dass die Drehung jederzeit gesteuert und geführt sei. Damit enthielten diese Ansprüche keine auf die Ausgestaltung der Steuerung und Führung bezogenen konkreten Merkmale, die zu auf erfinderischer Tätigkeit beruhenden Gegenständen führen könnten. Stelle der Fachmann nämlich fest, dass die nach D3 vorgesehene Steuerung und Führung den Erfordernissen eines bestimmten Anwendungsfalles nicht genügten, dann sei es selbstverständlich und damit naheliegend, die Steuerung und Führung im Sinne der in den Ansprüchen 1 und 4 diesbezüglich genannten Merkmale zu gestalten. Hinweise dafür könnten bspw. der Entgegenhaltung D1 oder D5 entnommen werden.

vii) Die Minimierung der Behandlungsbereiche sei sowieso schon in der Anlage nach D3 erreicht, denn auch dort seien die Stirnwände vertikal ausgerichtet und es werde, wie beansprucht, bei der Positionierung ein Sicherheitsabstand zu diesen Wänden eingehalten.

VI. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

i) Das von der Beschwerdeführerin gezeigte Modell und die daran aufgezeigten Bewegungen eines Werkstücks am Anfang bzw. Ende eines Behandlungsbereiches seien lediglich geeignet die Vorrichtung nach der Entgegenhaltung D3 und deren Betrieb so zu erläutern, wie dies auch dieser Entgegenhaltung selbst zu entnehmen sei. Hinsichtlich der Art der Steuerung und Führung eines translatorisch und gleichzeitig gedrehten Werkstückes müsse davon ausgegangen werden, dass das Modell über den Offenbarungsgehalt von D3 hinausgehe. Deren Figuren seien nämlich nur schematische Angaben betreffend die Abmessungen der Vorrichtung zu entnehmen, so dass nicht überprüft werden könne, ob sämtliche Abmessungen des Modells im Einklang mit der Offenbarung der Entgegenhaltung D3 stünden. Dies gelte insbesonders betreffend die Ausbildung der Kontaktfedern 14 und 15. Es sei diesbezüglich nicht ersichtlich, inwieweit die massive Ausbildung dieser Kontaktfedern in dem Modell im Einklang mit der Offenbarung der D3 stehe, nach der die Kontaktfedern für eine Zuführung von Strom von einer Stromzuführungsschiene zu einem Werkstück federnd, d.h. mit entsprechender Elastizität versehen, auszubilden seien. Das Modell sei folglich in Bezug auf die Offenbarung der Entgegenhaltung nur beschränkt aussagekräftig. Die Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit habe folglich, ohne Berücksichtigung des Modells, ausgehend von der sich aus der Entgegenhaltung D3 ergebenden Offenbarung zu erfolgen.

ii) Durch das Verfahren nach Anspruch 1 sowie die Vorrichtung nach Anspruch 4 werde im Sinne der im Streitpatent angegebenen Aufgabe, die mit derjenigen der ursprünglichen Anmeldung übereinstimme, eine Minimierung der Abmessungen der Behandlungsbereiche dadurch erreicht, dass die Werkstücke so gesteuert und geführt sowie die Drehgeschwindigkeit und die Bewegungsgeschwindigkeit so aufeinander abgestimmt werden, dass das Werkstück nach Beendigung des Eindrehvorganges an einer ersten Stirnwand des Behandlungsbereiches positioniert wird. In entsprechender Weise werde das Werkstück mit dem sich nach dem Eindrehen ergebenden, jetzigen Vorderteil, bis an die andere Stirnwand des Behälters bewegt. Die sich aus dem definierten Zusammenwirken jeweils einer Stirnwand des Behandlungsbereiches mit einem Vorderteil des Werkstückes ergebenden Positionierungen, die die angestrebte Minimierung der Abmessungen des Behandlungsbereichs ermöglichten, erfolgten jeweils unter Beachtung eines Sicherheitsabstandes.

iii) Eine derartige Positionierung der Werkstücke gegenüber einer Stirnwand des Behandlungs bereiches sei in der Entgegenhaltung D3, in der lediglich von einem nicht weiter spezifizierten Eintauchen des Werkstückes in den Behandlungsbereich die Rede sei, nicht explizit offenbart. Es fehle darüberhinaus auch an einer diesbezüglichen impliziten Offenbarung, weil weder auf den Aspekt einer gezielten Positionierung des Werkstückes an einer Stirnwand noch auf denjenigen einer Minimierung des Abmessungen eines Behandlungsbereichs auch nur andeutungsweise Bezug genommen werde. Dies gelte auch unter Berücksichtigung des Arguments der Beschwerdeführerin, nach dem das Werkstück nach der D3 so eingedreht werde, dass es sich nach Beendigung des Eindrehvorgangs in einem von der Beschwerdeführerin - übereinstimmend mit der Terminologie des Streitpatents - als Sicherheitsabstand bezeichneten Abstand befinde, wobei Entsprechendes auch für das Ausdrehen des Werkstücks gelte. Dieser Sicherheitsabstand sei offensichtlich allein unter der Vorgabe bemessen, dass eine Kollision des Werkstückes mit einer Stirnwand des Behandlungsbereichs mit Sicherheit vermieden werden könne, was auch für den in D3 angesprochenen Fall der Behandlung beliebig geformter kleiner Werkstücke gelten müsse. Der diesbezüglichen Vorgehensweise nach der Entgegenhaltung D3 ermangele es somit an jeglichem Hinweis darauf beim Ein- und Ausdrehvorgang der Werkstücke diese - unter Beachtung eines Sicherheitsabstandes - an einer Stirnwand des Behandlungsbereiches zu positionieren. Eine derartige zielgerichtete Positionierung der Werkstücke an einer Stirnwand, für die D3 keinen Anlass gebe, scheide bei der Vorrichtung nach D3 im übrigen auch deshalb aus, weil dort das Werkstück beim Ein- und Ausdrehvorgang aus dem Behandlungsbereich zeitweise unter dem Einfluss der Schwerkraft so geführt werde, dass die jeweilige Position des Werkstückes in Abhängigkeit von der Zeit nicht genau vorhersagbar sei. Sie sei nämlich abhängig von zumindest nicht völlig vorhersehbaren Einflüssen von Parametern, wie der Art der Anordnung des Werkstücks auf einem Halterungsgestell, der Form, dem Gewicht und der Gewichtsverteilung des Werkstückes, fertigungs- und verschleißbedingter Toleranzen seitens der Vorrichtung und Eigenschaften eines etwaig in dem Behandlungsbereich befindlichen Mediums.

iv) Das Verfahren nach Anspruch 1 und die Vorrichtung nach dem Anspruch 4 unterscheide sich jeweils aufgrund der die Positionierung eines Vorderteils des Werkstückes zur jeweiligen Stirnwand des Behandlungsbereichs nach Beendigung des Eindrehvorgangs und vor dem Ausdrehvorgang definierenden Merkmale von dem Verfahren und der Vorrichtung nach D3. Weitere Unterscheidungsmerkmale seien die diese Positionierung ermöglichenden, die Steuerung und Führung der Werkstücke betreffenden, Merkmale. Da D3 den nächstkommenden Stand der Technik darstelle seien das Verfahren und die Vorrichtung nach den Ansprüchen 1 bzw. 4 neu.

v) Der Entgegenhaltung D3 sei ferner kein Hinweis dafür zu entnehmen, die Voraussetzungen für eine Minimierung der Abmessungen der Behandlungsbereiche dadurch zu schaffen, dass nach den Ansprüchen 1 und 4 die Werkstücke zielgerichtet nach Beendigung des Eindrehvorganges und vor Beginn des Ausdrehvorganges jeweils an einer Stirnwand des Behandlungsbereiches, unter Beachtung eines Sicherheitsabstands, positioniert werden. Da dies auch unter Berücksichtigung des übrigen, im Verfahren befindlichen Standes der Technik, bspw. nach der Entgegenhaltung D1 oder D5 gelte, beruhten das Verfahren und die Vorrichtung nach den Ansprüchen 1 bzw. 4 auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Ansprüche

Es wird im folgenden auf den ein Verfahren definierenden Anspruch 1 Bezug genommen, wobei das Merkmal des Anspruchs 1, nach dem die Drehachsen mit konstanter Geschwindigkeit bewegt werden, bei der nachfolgenden Prüfung der Neuheit und Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit außer acht gelassen wird. Damit wird dem von der Beschwerdeführerin angesprochenen Umstand Rechnung getragen, dass ein entsprechendes Merkmal in dem auf eine Vorrichtung gerichteten Anspruch 4 nicht enthalten ist, der somit bei sonst entsprechenden Merkmalen beider Ansprüche weiter gefasst ist als der Anspruch 1.

1.1 Anspruch 1

Der Anspruch 1 ist auf ein

Verfahren zum Ein- und Ausbringen von Werkstücken, insbesondere Fahrzeugkarosserien, in bzw. aus einem zur Oberflächenbehandlung der Werkstücke geeigneten Behandlungsbereich gerichtet, bei dem

a) die Werkstücke auf Halterungsgestellen lösbar befestigt sind, welche über je eine senkrecht zur Bewegungsrichtung der Werkstücke ausgerichtete Drehachse verfügen,

b) die Drehachsen translatorisch und mit konstanter Geschwindigkeit kontinuierlich bewegt werden und

c) gleichzeitig die Werkstücke am Anfang bzw. Ende des Behandlungsbereiches um jeweils die Drehachse des zugehörigen Halterungsgestells gleichzeitig gesteuert und jederzeit geführt in Richtung der translatorischen Bewegung um etwa 180º gedreht werden, wobei

d) beim Ein- und Ausbringen des Werkstücks in bzw. aus dem Behandlungsbereich die Drehgeschwindigkeit und die Bewegungsgeschwindigkeit so aufeinander abgestimmt werden, dass

e) das Vorderteil des Werkstücks nach Beendigung des Eindrehvorgangs unter Beachtung eines Sicherheitsabstands an einer ersten Stirnwand des Behandlungsbereiches positioniert wird und

f) das Werkstück nun mit dem jetzigen Vorderteil wiederum unter Beachtung eines Sicherheitsabstandes bis an die andere Stirnwand bewegt wird bevor

g) das Werkstück zuerst mit dem jetzigen Hinterteil mit einer weiteren Drehung um etwa 180º aus dem Behandlungsbereich ausgebracht wird.

Aus der Erörterung der Ansprüche des Streitpatents sowie der Entgegenhaltung D3 im schriftlichen Teil des Verfahrens wie auch in der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass die die Positionierung des Werkstücks zu Beginn des Eindrehvorgangs und vor dem Ausdrehvorgang definierenden Merkmale e) und f) des Anspruchs 1, sowie die zu dieser Positionierung führenden Merkmale b) - d) von besonderer Bedeutung sind. Dies gilt, wie im folgenden dargelegt, einerseits im Hinblick auf die Beurteilung des Verfahrens nach Anspruch 1 betreffend Neuheit und erfinderische Tätigkeit und andererseits im Hinblick auf die Beurteilung der Offenbarung der Entgegenhaltung D3 betreffend diese Merkmale.

1.2 Hinsichtlich der Bedeutung der Merkmale b) - d) stimmt die Kammer mit beiden Parteien darin überein, dass eine entsprechend diesen Merkmalen erfolgende Steuerung und Führung Voraussetzung für eine genaue Positionierung der Werkstücke innerhalb eines Behandlungsbereichs und damit auch für die Positionierung nach den Merkmalen e) und f) ist, und dass durch diese Merkmale die Art und Weise der Steuerung und Führung nicht weiter konkretisiert wird.

1.3 Betreffend die die Positionierung eines Werkstücks innerhalb eines Behandlungsbereichs definierenden Merkmale e) und f) ist die Beschwerdeführerin der Auffassung, dass diese Merkmale unklar sind, weil jeweils die Positionierung der Werkstücke gegenüber einer Stirnwand unter Bezugnahme auf einen nicht näher definierten "Sicherheitsabstand" definiert wird. Dies folge daraus, dass die Länge eines derartigen Sicherheitsabstandes, und damit die nach den Merkmalen e) und f) erfolgende Positionierung der Werkstücke, von einer Vielzahl von Einflüssen abhängen könne. Manche davon, wie fertigungs- oder verschleißbedingte Toleranzen in der Steuerung und Führung des Werkstücks oder Toleranzen betreffend die Abmessungen der zu behandelnden Werkstücke, hingen von dem jeweiligen Anwendungsfall ab. Andere, wie Vorgaben eines Auftraggebers, seien subjektiver Natur und in keinster Weise vorhersehbar. Die Definition der Positionierung der Werkstücke nach den Merkmalen e) und f) sei deshalb nicht eindeutig, weil sie von einer beliebigen, nicht ausreichend vorhersehbaren, Länge des jeweiligen Sicherheitsabstandes abhänge. Damit seien derartige Merkmale auch nicht geeignet das Verfahren nach Anspruch 1 von demjenigen nach der Entgegenhaltung D3 eindeutig zu unterscheiden.

Nach der Beschwerdegegnerin umfassten die Merkmale e) und f) jeweils zwei unterschiedliche Elemente einer Positionierung.

Nach einem Teil der Merkmale e) und f) werde jeweils als Ausgangspunkt eine Positionierung definiert, nach der ein Vorderteil des Werkstücks nach Beendigung des Eindrehvorgangs bzw. vor Beginn des Ausdrehvorgangs an der jeweiligen Stirnwand des Behandlungsbereiches positioniert wird. Diese Positionierung beruhe darauf, dass jeweils die Lage eines Vorderteils eines Werkstückes mit derjenigen einer Stirnwand des Behandlungsbereiches in Bezug gesetzt werde. Sie sei auf das Ziel gerichtet, die Voraussetzungen für eine Minimierung des jeweiligen Behandlungsbereiches zu schaffen.

Nach dem verbleibenden Teil der Merkmale e) und f) werde diese zielgerichtete Positionierung modifiziert, in dem die jeweilige Positionierung unter zusätzlicher Beachtung eines Sicherheitsabstandes erfolge.

Damit werde zum einen weiterhin zielgerichtet die Voraussetzung für eine Minimierung der Behandlungsbereiche geschaffen. Gleichzeitig würde sich aus der praktischen Anwendung des Verfahrens ergebenden Unwägbarkeiten, betreffend die jeweilige Lage eines Werkstückes nach Beendigung des Eindrehvorgangs bzw. vor dem Ausdrehvorgang, Rechnung getragen. Durch Beachtung des Sicherheitsabstands werde die aufgrund dieser Unwägbarkeiten andernfalls nicht auszuschließende Gefahr einer Kollision eines Vorderteils des Werkstückes mit der jeweiligen Stirnseite vermieden. Die Länge des Sicherheitsabstandes ergebe sich für den Fachmann ohne weiteres aus den Unwägbarkeiten von denen in einem jeweiligen Anwendungsfall auszugehen sei. Diese ergäben sich aus den zu erwartenden fertigungs- und verschleißbedingten Toleranzen betreffend die Steuerung und Führung einerseits sowie betreffend die Werkstücke andererseits. Unabhängig davon habe die Länge des Sicherheitsabstandes aber immer im Einklang mit der Aufgabe der Minimierung der Abmessungen des Behandlungsbereiches zu stehen.

1.4 Die Kammer erachtet übereinstimmend mit der Auffassung der Beschwerdegegnerin die Merkmale e) und f) als die Position eines Vorderteils des Werkstücks an einer Stirnwand definierend, wobei, um Unwägbarkeiten Rechnung zu tragen, durch diese Merkmale weiterhin definiert wird, dass diese zielgerichtete Positionierung unter Beachtung eines Sicherheitsabstands erfolgt. Die Länge des Sicherheitsabstandes hängt, wie für den Fachmann unmittelbar ersichtlich, von den für einen konkreten Einzelfall zu erwartenden Unwägbarkeiten ab. Der Sicherheitsabstand hat somit, übereinstimmend mit der von der Beschwerdegegnerin vertretenen Auffassung, mit der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe, die Abmessungen des jeweiligen Behandlungsbereichs zu minimieren, im Einklang zu stehen.

Auf die in der mündlichen Verhandlung durch die Beschwerdeführerin am Rande erwähnte Frage der Klarheit des relativen Begriffs "Sicherheitsabstand" ist vorliegend, betreffend die Ansprüche in der erteilten Fassung, nicht weiter einzugehen. Diesbezüglich blieb unstreitig, dass diese Frage, da die Ansprüche nicht geändert worden sind, nicht zu berücksichtigen ist.

2. Neuheit

2.1 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin weist das Verfahren nach der Entgegenhaltung D3 sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 auf, so dass das Verfahren nach diesem Anspruch nicht neu ist.

2.2 Hinsichtlich der Offenbarung der Merkmale b) - d) nahm die Beschwerdeführerin Bezug auf ein von ihr in der mündlichen Verhandlung vorgestelltes Modell, das einen Behandlungsbereich nach der Entgegenhaltung D3 mit nach dieser Entgegenhaltung gesteuertem und geführtem Werkstück darstellen sollte. Anhand des Modells wurden insbesonders auch die Bewegungen von Werkstücken beim Eindreh- und Ausdrehvorgang und die dabei von einem Werkstück jeweils eingenommenen Positionen erläutert.

Vorliegend braucht der Frage, ob die Entgegenhaltung D3 aus sich heraus, ohne Bezugnahme auf das nach dieser Entgegenhaltung angefertigte Modell, eine Steuerung und Führung nach den Merkmalen b) - d) offenbart und auch der Frage, inwieweit das Modell als repräsentativ für die Offenbarung der Entgegenhaltung D3 erachtet werden kann, nicht weiter nachgegangen werden.

2.3 Das Verfahren nach dem Anspruch 1 unterscheidet sich von demjenigen nach der Entgegenhaltung D3 nämlich, wie nachfolgend dargelegt, jedenfalls durch die die Positionierung des Werkstückes definierenden Merkmale e) und f).

Die Positionierung nach diesen Merkmalen umfasst jeweils nach einem Teil des Merkmals e) bzw. f) dass, wie in dem obigen Abschnitt 1.4 dargelegt, als Ausgangspunkt von einer Positionierung eines Vorderteils eines Werkstücks an einer jeweiligen Stirnwand des Behandlungsbereichs ausgegangen wird. Nach dem verbleibenden Teil jedes der Merkmale e) und f) erfolgt dies jeweils unter Beachtung eines Sicherheitsabstands.

Nach der Beschwerdeführerin erfolgt das Positionieren eines Werkstückes nach D3 in entsprechender Weise. Die Beschwerdeführerin gesteht zwar zu, dass die Entgegenhaltung D3 keine explizite Offenbarung betreffend die Merkmale c) und d) enthält. Ihrer Auffassung nach ergebe sich eine diesbezügliche implizite Offenbarung aus der Entgegenhaltung D3 aber dadurch, dass, wie bspw. den Figuren 1, 2, 4, 5, 7 und 8 zu entnehmen ist, das Werkstück 20 nach Beendigung des Eindrehvorganges bzw. vor Beginn des Ausdrehvorganges, unter Beachtung eines Sicherheitsabstandes an einer Stirnwand des Behandlungsbereiches angeordnet wird. Dieser Sicherheitsabstand könne entsprechend den zu erwartenden Unwägbarkeiten hinsichtlich fertigungs- oder verschleißbedingter Toleranzen oder entsprechend spezifischer kundenseitiger Vorgaben gewählt werden. Bei einer derartigen Vorgehensweise werde übereinstimmend mit den Merkmalen e) und f) implizit von einer zielgerichteten Positionierung des Werkstückes an einer Stirnwand ausgegangen, weil es für den Fachmann selbstverständlich sei von einer Positionierung des Werkstückes so nahe wie möglich an einer Stirnwand auszugehen, um die Länge des Behandlungsbereichs möglichst klein halten zu können. Dies sei außerdem möglich, denn die Stirnwände seien vertikal ausgerichtet.

Die Kammer vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschließen, weil der Offenbarung der Entgegenhaltung D3 weder explizit noch implizit zu entnehmen ist, dass die Lageanordnung des Werkstücks nach Beendigung des Eindrehvorgangs bzw. vor Beginn des Ausdrehvorgangs der Positionierung nach den Merkmalen e) und f) entspricht. Eine derartige Positionierung setzt nämlich, wie im obigen Abschnitt 1.4 ausgeführt voraus, dass das Werkstück jeweils ausgehend von einer Anordnung des Werkstücks an einer Stirnwand eines Behandlungsbereiches, unter zusätzlicher Beachtung eines Sicherheitsabstands, positioniert wird.

Soweit in den von der Beschwerdeführerin herangezogenen Figuren der Entgegenhaltung D3 überhaupt Stirnwände der Behandlungsbereiche dargestellt sind (vgl. Figuren 1, 2, 4, 7 und 8), ist der jeweiligen Zuordnung der Werkstücke zu der benachbarten Stirnwand nach den schematischen Darstellungen nicht zu entnehmen, dass eine Positionierung entsprechend den Merkmalen e) und f) vorgenommen wird. Zum einen ermöglicht die zeichnerische Darstellung keinerlei Rückschluss darauf, aufgrund welcher Überlegungen die Darstellung der dortigen Abstände der Werkstücke von der jeweils benachbarten Stirnwand erfolgte. Auch die in den Figuren dargestellten Größenverhältnisse zwischen den Abmessungen des dargestellten Werkstücks und der Länge des jeweiligen Abstandes zwischen einem Werkstück und einer benachbarten Stirnwand lassen nicht erkennen, dass die Abstände entsprechend der Vorgehensweise nach den Merkmalen e) und f) bemessen sind.

Weiterhin lässt sich auch der Beschreibung und den Ansprüchen der Entgegenhaltung D3 nichts entnehmen, was auf eine implizite Offenbarung der Merkmale e) und f) schließen ließe. In der Beschreibung ist, ohne auf die Lageanordnung des Werkstückes im einzelnen einzugehen, lediglich davon die Rede, dass das Werkstück "eingetaucht" wird (vgl. Seite 11, letzter Absatz, sowie die Beschreibung der "Eintauchfunktion" von Seite 12). Auch betreffend den Ausdrehvorgang des Werkstücks (vgl. Seite 11, letzter Absatz und den die Seiten 13 und 14 überbrückenden Absatz) fehlt jeglicher Bezug auf die Lageanordnung des Werkstücks zu Beginn dieses Vorgangs.

Darüber hinausgehend wird lediglich die Art und Weise angesprochen in der der Eindreh- bzw. Ausdrehvorgang abläuft. Betreffend den Eindrehvorgang ist danach für das Zusammenwirken mit einem Werkstückhalter "Am Behälterrand 24 des Behälters 1 ... eine schräg in den Behälter verlaufende Rampe 25 ... angeordnet (Seite 12, Absatz 1); betreffend den Ausdrehvorgang sind "im Bereich der Behälterwand 29 des Behälters 1 ... ein Nocken 30 und in bestimmten Abstand davon eine weitere schräg in den Behälter verlaufende Rampe 31 angeordnet" (Seite 13, Absatz 2). Diese Ausführungen sind ohne jeglichen Bezug zu einer Positionierung des Werkstückes ausgehend von einer Positionierung eines Vorderteils des Werkstücks an der Stirnwand des Behandlungsbereichs. Dies gilt umsomehr unter Berücksichtigung der Angabe nach der "Der Nocken 30 und die Rampe 31 ... in beliebiger Weise in dem oben erwähnten Bereich des Behälters 1 befestigt werden" können (Seite 14, Absatz 1), sowie des Umstandes, dass nach der D3 "eine Vielzahl von kleineren Präzisionswerkstücken" bzw. "von beliebig geformten kleinen Werkstücken" behandelt werden kann (Seite 3, letzter Absatz; Seite 9, Absatz 2) und jeglicher Bezug auf ein Vorderteil eines Werkstückes, als dem nach den Merkmalen e) und f) gegenüber der Stirnwand zu positionierenden Teil eines Werkstückes, fehlt.

2.4 Soweit der Fachmann der Entgegenhaltung D3 in Bezug auf eine Positionierung der Werkstücke beim Ein- bzw. Ausdrehen der Werkstücke in bzw. aus einem Behandlungsbereich überhaupt eine Angabe entnehmen kann ist es die, dass Sicherheitsabstände, unabhängig von einer jeweiligen Positionierung eines Vorderteils eines Werkstücks an einer Stirnwand des Behandlungsbereiches, so vorgegeben sind, dass auch bei einer Behandlung einer Vielzahl von sich hinsichtlich ihrer Form und Größe unterscheidenden Werkstücken Kollisionen des jeweiligen Werkstücks mit der Wandung des Behandlungsbereichs mit Sicherheit vermieden werden. Eine derartige Vorgabe steht auch im Einklang mit den von der Beschwerdeführerin angesprochenen Umständen, nach denen zum einen die Länge der Sicherheitsabstände unter Berücksichtigung spezifischer auftraggeberseitiger Anforderungen festgelegt werden könne und zum anderen spezifische Vorgaben zu berücksichtigen seien, wie bspw. diejenige nach einem großen Sicherheitsabstand, um zu erreichen, dass ausreichend Zeit für ein Abtropfen des Behandlungsmittels von einem Werkstück während des Ausdrehvorgangs gegeben ist.

2.5 Das Verfahren nach Anspruch 1 unterscheidet sich somit von demjenigen nach der Entgegenhaltung D3 durch die Merkmale e) und f). Da keine der übrigen in dem Verfahren befindlichen Entgegenhaltung näher kommt ist das Verfahren nach dem Anspruch 1 neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1 Nächstkommender Stand der Technik

Nach Auffassung beider Parteien stellt die Entgegenhaltung D3 den nächstkommenden Stand der Technik dar. Die Kammer schließt sich dem an, weil die übrigen genannten Entgegenhaltungen von dem Verfahren nach Anspruch 1 weiter entfernt sind.

3.2 Aufgabe und Lösung

Das Verfahren nach Anspruch 1 unterscheidet sich von demjenigen nach der Entgegenhaltung D3, wie in den obigen Abschnitten 2.3 bis 2.5 dargelegt, durch die Merkmale e) und f).

Die nach diesen Unterscheidungsmerkmalen jeweils unter Beachtung eines Sicherheitsabstands erfolgende Positionierung eines Vorderteils eines Werkstücks an einer Stirnwand nach Beendigung des Eindrehvorgangs bzw. zu Beginn des Ausdrehvorgangs hat die in dem Streitpatent beschriebene Wirkung, dass ein Behandlungsbereich mit einer minimalen Gesamtlänge ausgebildet werden kann (Spalte 4, Zeilen 33 - 56).

Die dem Streitpatent ausgehend von D3 zugrunde liegende Aufgabe kann somit, übereinstimmend mit der in dem Streitpatent genannten Aufgabe, darin gesehen werden ein Verfahren bzw. eine Vorrichtung zu schaffen, bei der die Behandlungsbereiche in ihren Abmessungen minimiert werden können (Spalte 3, Zeilen 34 - 40).

Bezüglich des Verfahrens wird diese Aufgabe durch den Anspruch 1 gelöst.

Die Kammer vermag sich der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht anzuschließen, nach der die oben genannte Aufgabe bereits in dem Verfahren nach der Entgegenhaltung D3 gelöst sei. Zum einen gibt die D3, wie den obigen Abschnitten 2.3 und 2.4 zu entnehmen ist, keinerlei Hinweis auf die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe, die auf eine Minimierung der Abmessungen der Behandlungsbereiche gerichtet ist. Wie den obigen Abschnitten 2.3 und 2.4 weiter zu entnehmen deutet zum anderen hinsichtlich der Lösung nach dem Anspruch 1 nichts in der Entgegenhaltung D3 darauf hin, dass die Lageanordnung eines Werkstückes nach Beendigung des Eindrehvorgangs bzw. zu Beginn des Ausdrehvorgangs, bzw. der daraus resultierende Abstand des Werkstückes zu der benachbarten Stirnwand, auf der zielgerichteten Positionierung des Werkstücks so nahe als möglich an der Stirnwand, unter Beachtung eines Sicherheitsabstands, beruht, um eine Minimierung der Länge des Behandlungsbereichs zu ermöglichen.

Somit fehlt der Annahme der Beschwerdeführerin, dass dem Streitpatent ausgehend von D3 nicht die Aufgabe zugrunde liegt, die Abmessungen des Behandlungsbereichs zu minimieren, sondern allenfalls eine Aufgabe, die auf eine Ausgestaltung der Steuerung und Führung der Werkstücke gerichtet ist, jegliche Grundlage in der Offenbarung der Entgegenhaltung D3.

3.3 Naheliegen

Wie den Ausführungen der obigen Abschnitte 1.4 und 2.3 zu entnehmen, umfasst das Verfahren nach dem Anspruch 1 eine zielgerichtet erfolgende Positionierung der Werkstücke nach einem Teil der Merkmale e) und f) um, im Sinne der Aufgabenstellung, zu einer Minimierung der Abmessungen der Behandlungsbereiche zu gelangen.

Eine Anregung betreffend eine derartige zielgerichtete Positionierung, derzufolge nach Beendigung des Eindrehvorgangs bzw. zu Beginn des Ausdrehvorgangs ein Vorderteil des Werkstücks an der Stirnwand positioniert wird, was nach dem verbleibenden Teil des Merkmals e) bzw. f) unter Beachtung eines Sicherheitsabstandes erfolgt, ist der Entgegenhaltung D3 nicht zu entnehmen.

Zum einen enthält die Entgegenhaltung D3, wie in dem obigen Abschnitt 2.3 hinsichtlich einer etwaigen impliziten Offenbarung der Merkmale e) und f) dargelegt, in Bezug auf die Positionierung nach Beendigung des Eindrehvorgangs bzw. zu Beginn des Ausdrehvorgangs lediglich die Angabe, dass das Werkstück "in einen Behälter eingetaucht" und "aus dem Behälter herausbewegt" wird (Seite 11, letzter Absatz). Diese Angabe, die sich im Einklang mit der ausführlichen Beschreibung des Eintauchens und des Herausbewegens (vgl. Seite 12 und den die Seiten 13, 14 überbrückenden Absatz) wie auch der zeichnerischen Darstellung dieser Vorgänge (vgl. die Figuren 1, 2, 4, 5, 7 und 8) befindet, lässt, wie von der Beschwerdegegnerin dargelegt, keinerlei Rückschluss auf eine besondere Vorgehensweise bei der Positionierung der Werkstücke zu.

Zum anderen kann, wie im obigen Abschnitt 2.4 dargelegt, ein derartiger Rückschluss allenfalls auf der Angabe der Entgegenhaltung D3 basieren, nach der eine Behandlung einer Vielzahl von kleineren Präzisionswerkstücken (Seite 3, letzter Absatz) bzw. von beliebig geformten kleinen Werkstücken (Seite 9, Absatz 2) möglich sein soll. Da die Positionierung der Werkstücke beim Eindreh- wie auch beim Ausdrehvorgang so zu erfolgen hat, dass - unabhängig von der jeweiligen Form eines Werkstückes - bei der Positionierung eines Werkstücks gegenüber der jeweils benachbarten Stirnwand des Behandlungsbereichs eine Kollision mit dieser mit Sicherheit vermieden wird, ist jeweils ein entsprechend großer, allen möglichen Werkstücken gerecht werdender, Sicherheitsabstand zu beachten.

Durch eine derartige, die Form der nach der D3 zu behandelnden Werkstücke berücksichtigende, Maßnahme wird jedoch keinerlei Anregung in Richtung auf die auf eine Minimierung der Abmessungen der Behandlungsbereiche gerichtete Positionierung nach den Merkmalen e) und f) gegeben.

Das Verfahren nach Anspruch 1 beruht somit gegenüber der Entgegenhaltung D3 auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Arguments der Beschwerdeführerin, dass die Behandlungsbereiche nach der Entgegenhaltung D3, anders als der in dem Streitpatent genannte Stand der Technik mit schräg ausgebildeten Enden der Behandlungsbereiche (Spalte 1, Zeile 57 - Spalte 2, Zeile 9), bereits die für eine Minimierung der Länge der Behandlungsbereiche erforderlichen Stirnwände aufwiesen.

Die Kammer teilt diesbezüglich die Auffassung der Beschwerdegegnerin. Danach stellt die Ausbildung von Stirnwänden an den Behandlungsbereichen zwar eine für die Minimierung erforderliche Voraussetzung dar, ist hierfür aber keineswegs ausreichend. Die Minimierung der Länge der Behandlungsbereiche setzt nämlich als weitere Maßnahme voraus, dass das Werkstück gegenüber derartigen Stirnwänden auch zielgerichtet, wie in den Merkmalen e) und f) definiert, positioniert wird, wofür, wie dargelegt, der D3 keinerlei Hinweis zu entnehmen ist.

Bei den von der Beschwerdeführerin, lediglich betreffend eine Verbesserung der Steuerung und Führung der Drehbewegung von Werkstücken, herangezogenen Entgegenhaltungen D1 und D5 erfolgt keine Positionierung eines Werkstückes beim Eindreh- und Ausdrehvorgang, die einer Abstimmung der Drehgeschwindigkeit und der Bewegungsgeschwindigkeit nach dem Merkmal b) bedarf. Im Falle der Entgegenhaltung D1 erfolgt nur eine Drehung des Werkstücks und im Falle der Entgegenhaltung D5 erfolgt die Drehung des Werkstücks im Gegensatz zum Anspruch 1 um eine sich in Bewegungsrichtung der translatorischen Bewegung erstreckende Achse. In beiden Fällen bedarf es somit keiner Positionierung eines translatorisch wie rotatorisch bewegten Werkstückes in einem Behandlungsbereich, so dass auch durch eine Gesamtschau der Entgegenhaltung D3 mit den Entgegenhaltungen D1 und D5 das Verfahren nach dem Anspruch 1 nicht nahegelegt werden konnte.

4. Ansprüche 4 und 21

Die vorstehenden Ausführungen gelten sinngemäß betreffend den auf eine Vorrichtung gerichteten Anspruch 4, der den Merkmalen e) und f) entsprechende Merkmale aufweist, und den auf eine Anlage mit einer Vorrichtung nach Anspruch 4, bzw. einen oder mehreren der vom Anspruch 4 abhängigen Ansprüche, gerichteten Anspruch 21.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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