T 0391/05 () of 6.7.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T039105.20070706
Datum der Entscheidung: 06 Juli 2007
Aktenzeichen: T 0391/05
Anmeldenummer: 97920445.0
IPC-Klasse: B22D 11/128
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Stellvorrichtung zur Einrichtung der Lage von Strangstützelementen
Name des Anmelders: VOEST-ALPINE Industrieanlagenbau GmbH
Name des Einsprechenden: SMS Demag AG
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Aneinanderreihung von Merkmalen: nein
Erfinderische Tätigkeit: ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0010/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) hat am 31. März 2005 gegen die Entscheidung vom 3. Februar 2005, mit der die Einspruchsabteilung den Einspruch gegen das Patent Nr. 0902734 (auf der Basis der Internationalen Patentanmeldung PCT/AT97/00090 mit Veröffentlichungsnummer WO-A- 97/41983) zurückgewiesen hat, Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet.

Mit ihrer am 11. Juni 2005 eingegangenen Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin die Aufhebung dieser Entscheidung und den Widerruf des Patents mangels erfinderischer Tätigkeit seines Gegenstands beantragt.

II. Der Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 lautet wie folgt:

"Stellvorrichtung zur Einstellung der Lage mindestens eines Strangstützelementes (5) insbesondere einer Strangführungsrolle(5), gegenüber einem mindestens ein weiteres Strangstützelement (6) tragenden Stützgerüst (9, 10) einer Strangführung (1) in einer Stranggießanlage, insbesondere Stahlstranggießanlage, mit mindestens einem Hydraulik-Verstellzylinder (12), der einerseits direkt oder indirekt an einem Strangstützelement (5) und andererseits am Stützgerüst (9, 10) angreift, wobei die Bewegung des Strangstützelementes (5) über eine Wegmesseinrichtung (17) erfassbar und mittels eines Reglers (26) regelbar ist,

dadurch gekennzeichnet,

dass zur Beaufschlagung des Hydraulik-Verstellzylinders (12) zumindest ein Wegeventil (21 A, 21 B, 21 C) vorgesehen ist, das über einen Dreipunktregler (26) oder einen höherstufigen Regler (26, 35) oder einen Regler mit Pulsweitenausgang, dem der von der Wegmesseinrichtung (17) erfasste Ist-Wert über eine Koppelung eingebbar ist, schaltbar ist."

III. Stand der Technik:

a) im Einspruchsverfahren berücksichtigte Dokumente:

D1: DE-C- 3822939

D2: "Dubbel Taschenbuch für den Maschinenbau", 1983, Seiten 1273 bis 1275

D3: DE-A- 3835010.

b) neu im Beschwerdeverfahren zitierte Dokumente:

D0: US-A- 3812900 (in der Beschreibungseinleitung des Patents als nächstliegender Stand der Technik bereits gewürdigt)

D4: EP-A-0025852

D5: Auszug aus dem Studienbuch "Einführung in die Ölhydraulik", Dr.-Ing. Hans Jürgen Matthies, Braunschweig, B.G. Teubner Stuttgart, 1984, Seiten 114,115,118-121.

IV. In der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung den beanspruchten Gegenstand des erteilten Patents gegenüber D1, D2 und D3 als erfinderisch angesehen. Dabei vertrat die Einspruchsabteilung die Meinung, dass der Fachmann einzelne und gesonderte Teilmerkmale der unterschiedlichen Ausführungsformen der jeweiligen Dokumente D1, D2 und D3 aus ihrem jeweils offenbarten Zusammenhang heraus nicht isoliert hätte. Es hätte auch keine Anregung gegeben, derartig isolierte Merkmale dann auch noch so zu kombinieren, dass man zum beanspruchten Gegenstand gelangen würde.

V. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdeführerin hat zur Begründung der angefochtenen Entscheidung insofern nicht Stellung genommen, als sie eine Kombination der erstmals im Beschwerdeverfahren zitierten Dokumente D0 und D4 (mit den von D5 belegten Fachkenntnissen) für die Frage der erfinderischen Tätigkeit heranzieht.

Die Beschwerdeführerin hat hierzu im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei aus der Zusammenschau der D0 und der D4 in naheliegender Weise herleitbar und beruhe somit auf keiner erfinderischen Tätigkeit.

Die D0 offenbare eine Vorrichtung gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1, welche noch zusätzlich über eine Wegmesseinrichtung verfügt. Der Unterschied könne also nur in den beiden anderen kennzeichnenden Merkmalen (Wegeventil und Reglerauswahl) bestehen. Die im Anspruch 1 genannte Aufzählung von mehreren Möglichkeiten für den Regler, nämlich Dreipunktregler, höherstufiger Regler oder Regler mit Pulsweitenausgang, im Zusammenhang mit dem Fehlen in der Beschreibung an Erläuterungen über deren technischen Vorzüge könnten dem Fachmann keine eindeutige Lehre zur Auswahl eines Reglers vermitteln. Diese Auswahl hätte auch keinen Einfluss auf die Lösung der gestellten Aufgabe. Der Fachmann müsse also nur noch seine allgemeinen Kenntnisse bzw. ein Lehrbuch wie z.B. D2 heranziehen, um geeignete, bereits bekannte und bewährte Regler zu ermitteln. Das zweite unterscheidende, den Einsatz eines Wegeventils definierende Merkmal könne keinen erfinderischen Schritt begründen, da es an sich z.B. aus D4 bekannt sei.

Darüber hinaus sei es ohne weitere Angaben zum Wegeventil nicht möglich, die genaue Position der Strangstützelemente einzustellen. Damit werde dem Fachmann auch bei Kenntnis des Streitpatents keine ausführbare Lösung für die geschilderte Aufgabe vorgegeben.

VI. Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde und trägt im wesentliches folgendes vor.

Gemäß Anspruch 1 liege die Erfindung im Zusammenspiel eines Hydraulikzylinders mit einem Wegeventil, einer Wegmesseinrichtung und einem der drei im Anspruch 1 aufgelisteten Regler, welche als Kombination zur Lösung der Aufgabe notwendig seien.

Mit jedem der drei im Anspruch 1 zitierten Regler könne die Positionsregelung für Strangstützelemente verwirklicht werden. Diese Lehre werde in D2 nicht vermittelt. Der Unterschied zwischen den drei Reglern liege nur in der jeweiligen zu erreichenden Positionierungsgenauigkeit der Lage eines Strangstützelementes.

Die D4 betreffe eine spezifische Lösung für eine andere Aufgabe, indem die Funktionssicherheit des hydraulisch betriebenen Anstellzylinders verbessert und die Versorgung der Zylinder mit Hydraulikflüssigkeit auch dann gewährleistet werden soll, wenn, bedingt durch einen Stromfehler, die Steuerspannung für die elektromagnetisch geschalteten Ventile oder die gesamte Elektrik ausfällt. Hierfür seien ganz spezielle Wegeventile vorgesehen. Es fehlten jedoch in D4 die Wegmesseinrichtung sowie der Regler. Daher betreffe D4 ein gänzlich anderes System und könne für die Lösung der der Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe keine Anregung bieten.

VII. Die Kammer hat mit der Ladung zu einer mündlichen Verhandlung ihre vorläufige Meinung zur Sache mitgeteilt.

Mit einem am 22. Juni 2007 eingegangenen Telefax hat die Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass sie an der für den 26. Juni 2007 angesetzten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.

Die mündliche Verhandlung wurde nach telefonischer Rücksprache mit der Beschwerdeführerin aufgehoben.

Das Verfahren wurde schriftlich fortgesetzt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Offenbarung der Erfindung

Die Ausführungen der Beschwerdeführerin zu den unvollständigen Angaben hinsichtlich des Wegeventils im Patent, die einen impliziten Einwand hinsichtlich der Offenbarung der Erfindung (Artikel 83 bzw. 100b EPÜ) beinhalten, können die Offenbarung der zur Lösung der Aufgabe notwendigen technischen Aspekte der Erfindung nicht ernsthaft in Frage stellen.

Ein derartiger Einwand wäre auch ein neuer Einspruchsgrund und ist bei fehlender ausdrücklicher Zustimmung der Patentinhaberin nicht zuzulassen (G 10/91, Amtsblatt 1993, ab Seite 420).

3. Erfinderische Tätigkeit

Die Beschwerdeführerin hat zur Begründung der angefochtenen Entscheidung auf der Basis der alleinigen Dokumente D1, D2 und D3 in ihrer Beschwerdebegründung nicht Stellung genommen. Vielmehr wurde zur Frage der erfinderischen Tätigkeit auf eine vollkommen neue Kombination von erstmals im Beschwerdeverfahren zitierten Dokumenten D0 und D4 (mit den durch D5 belegten Fachkenntnissen) verwiesen.

3.1 Die Beschwerdeführerin sieht die D0 als nächstliegenden Stand der Technik an. Dieses Dokument zeigt eine Stelleinrichtung nach den Merkmalen des Oberbegriffs des erteilten Anspruchs 1, siehe insbesondere die Figuren 3 und 5 sowie die Beschreibung, Spalte 7, Zeile 64 bis Spalte 8, Zeile 23. Die bekannte Vorrichtung dient zur Einstellung der Lage mindestens einer Strangführungsrolle (21,51), gegenüber einem eine weitere Strangführungsrolle (22,52) tragenden Stützgerüst (5,25-27) einer Strangführung in einer Stranggießanlage. Dabei kann die Strangführungsrolle (21,51) durch einen Hydraulik-Verstellzylinder (Zylinder-Kolben-Einrichtung 53), der einerseits an einer Rolle (21,51) und andererseits am Stützgerüst angreift, bewegt werden, wobei die Bewegung der Rolle über eine Wegmesseinrichtung (54,56,57) erfassbar und mittels eines Reglers (Servo-Einheit 58) regelbar ist. Ein Steuerparameter ist die Position (54 in Figur 5) der Rolle, die als elektrisches Signal (Ist-Wert) von einem Vergleichsregler 56 zusammen mit einem Soll-Wert 57 an die Steuereinheit 58 geleitet wird.

3.2 Unterschiede

Die beanspruchte Vorrichtung unterscheidet sich somit von dem Stand der Technik nach D0 durch die Merkmale des Kennzeichens des Anspruchs 1:

zur Beaufschlagung des Hydraulik-Verstellzylinders ist zumindest ein Wegeventil vorgesehen, das über einen Dreipunktregler (26) oder einen höherstufigen Regler (26, 35) oder einen Regler mit Pulsweitenausgang, dem der von der Wegmesseinrichtung (17) erfasste Ist-Wert über eine Koppelung eingebbar ist, schaltbar ist.

3.3 Technische Effekte - Aufgabe

Die Erfindung basiert auf dem Konzept, die für die Beaufschlagung des Kolbens der Zylinder-Kolben-Vorrichtung in D0 eingesetzten Servoventile, d.h. elektrisch gesteuerte Regelventile mit stufenloser Verstellung der Ventilöffnung, durch äquivalente Maßnahmen zu ersetzen, welche zumindest bei gleich bleibender Stellgenauigkeit nicht so empfindlich auf die raue Betriebsumgebung in Stranggießanlagen reagieren.

Die im Patent vorgeschlagene Lösung besteht zweifellos in der Kombination der kennzeichnenden Merkmale, indem Wegeventile (die üblicherweise keine Regel-, sondern Stell- oder Schaltventile sind) zusammen mit einem angepassten Regler vorgesehen werden. Es ist allgemeines Fachwissen, dass ein Wegeventil ein funktionell selbstständiges Servoventil eins zu eins nicht ersetzen kann, zumindest nicht ohne eine komplementäre angemessene Regelungsvorrichtung. Dies trifft auch für den Patentgegenstand zu, wo aufgrund des Einsatzes von Wegeventilen eine feinfühlige Steuerung der Stellkolben notwendig ist.

Die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 stehen somit in direkter Zusammenwirkung und können nur als kombinierte Einheit die Steuerung gemäß der Erfindung definieren bzw. die Aufgabe, wie in Absatz [0005] des Patents definiert, lösen.

Diese Aufgabe besteht darin, eine, hinsichtlich des materialtechnischen Aufwands und der Wartungskosten, gegenüber der aus D0 bekannten Anlage günstigere Stellvorrichtung zu entwickeln.

3.4 Keine naheliegende Lösung

Die von der Beschwerdeführerin vorgetragene Argumentationslinie ist schon deshalb nicht überzeugend, weil sie von vornherein beide im Kennzeichen des Anspruchs 1 definierten Elemente, nämlich Wegeventil und Regler, separat in der Art einer reinen Aneinanderreihung von Maßnahmen behandelt; dies wird dem Erfindungsgegenstand aus den oben genannten Überlegungen ganz eindeutig nicht gerecht.

Diese Elemente können im Rahmen der Bewertung einer erfinderischen Tätigkeit deshalb nicht getrennt abgehandelt werden.

Die Beschwerdeführerin hat sich zur Frage der erfinderischen Tätigkeit hinsichtlich der Kombination der zusammenwirkenden kennzeichnenden Merkmale nicht geäußert. Es fehlt damit jede Erklärung oder nachvollziehbare Angabe darüber, welche Anregung der Fachmann in D0, D4 und D5 hätte finden können, um eine wie aus D0 bekannte Servoventile-Stellvorrichtung durch eine aus Wegeventile und Regler bestehende Anordnung zu ersetzen, ohne dabei selbst erfinderisch tätig werden zu müssen.

Die Kammer sieht diesbezüglich für den Fachmann keinen Hinweis im Stand der Technik, weder in den neu zitierten Dokumenten D4 oder D5, noch in D2 oder D3.

Die D2 stellt allgemeine Informationen zu unterschiedlichen Regler-Grundtypen vor.

Die D5 befasst sich ausschließlich mit allgemeinem Fachwissen über verschiedene bekannte Wegeventile, mit oder ohne hydraulische Vorsteuerungsanlagen.

In D3 wird die die Rolle 2 beaufschlagende Zylinder-Kolben-Vorrichtung (1,5,10) von einem elektrisch gesteuerten 4/2 Wegeventil (12) und einem elektrisch gesteuerten 4/3 Wegeventil (6) gesteuert. Es fehlt in D3 jedoch eine Angabe über die Art der elektrischen Steuerung der Wegeventile bzw. über die dazu eingesetzten Parameter und/oder Regler.

Eine ähnliche Wegeventilanordnung ist aus D4 bekannt.

In beiden Dokumenten D3 und D4 fehlt also ein Regler, und insbesondere ein Regler, welcher einen von einer Wegmesseinrichtung der Rolle erfassten Ist-Wert für die Steuerung der Wegeventile berücksichtigen würde.

3.5 Die Kammer stellt somit fest, dass aufgrund mangelnder Beweismittel und Argumente nicht nachgewiesen werden konnte, wie und überhaupt warum der Fachmann einzelne in den Dokumenten D4 und D5, und auch in D1, D2 und D3 offenbarte Teilmerkmale oder Ausführungsformen kombiniert hätte, um in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen.

Außerdem schließt sich die Kammer der Begründung und der Schlussfolgerung in der angefochtenen Entscheidung an. Der Stand der Technik gemäß D1 ist von gleicher Relevanz wie die D0 und zeigt auch nur die Merkmale des Oberbegriffs des erteilten Anspruchs 1. Die Entscheidungsbegründung in den Punkten 3 und 4 der angefochtenen Entscheidung ausgehend von der D1 als nächstliegenden Stand der Technik und im Hinblick auf die Frage der erfinderischen Tätigkeit sind an sich schlüssig und im Einklang mit der obigen Würdigung des Erfindungsgegenstands durch die Kammer.

3.6 Der im erteilten Anspruch 1 definierte Gegenstand beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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