T 0357/05 () of 27.6.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T035705.20070627
Datum der Entscheidung: 27 Juni 2007
Aktenzeichen: T 0357/05
Anmeldenummer: 00931069.9
IPC-Klasse: B60R 13/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 74 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schallabschirmelement, Verwendung desselben und Verfahren zu dessen Herstellung
Name des Anmelders: FAIST Automotive GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Odecon Sweden AB
Carcoustics Tech Center GmbH
PROGRESS-WERK Oberkirch AG
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 84
Schlagwörter: Zulässigkeit der Änderungen (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/03
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 1 161 360 wurde mit der am 4. Februar 2005 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung widerrufen. Dagegen wurde von der Patentinhaberin am 15. März 2005 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig auch die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 9. Juni 2005 eingereicht.

II. Es wurde am 27. Juni 2007 mündlich verhandelt. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis des am 24. Mai 2007 eingegangenen Anspruchssatzes, welcher die unabhängigen Produktansprüche 1-16, die unabhängigen Verfahrensansprüche 17-19 zur Herstellung eines Produktes gemäß einem der Ansprüche 1-16, sowie die abhängigen Verfahrensansprüche 20-23 umfasst.

Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

Der Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Einschichtiges Schallabschirmelement für Kraftfahrzeuge oder Gehäuse von Haushaltsgeräten zum Abdecken von schallreflektierenden und/oder -erzeugenden Bauteilen und/oder zum Schutz vor Schallausbreitung aus dem Lärmbereich eines Raumes in einen Nachbarraum mit einer viele kleine Durchbrechungen (2) aufweisenden Platte (1) oder Schicht, gekennzeichnet durch folgende Merkmale:

a. die Dicke (d) der formstabilen Schicht beträgt zwischen 0.05 und weniger als 0.38 mm;

b. der mittlere Durchmesser (d) oder die Breite (b) der Durchbrechungen (2) beträgt zwischen 0.01 und 0.7 mm;

c. das Lochflächenverhältnis (LV) beträgt zwischen 0.01 und 5%."

III. Die Beschwerdeführerin legte dar, dass der Gegenstand der Erfindung gemäß Anspruch 1 gegenüber der im Sinne der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 1/03 (ABl. EPA 2004, 413) als zufällige Vorwegnahme anzusehende Offenbarung des Dokuments D30 (EP-A-897 175) entsprechend den Grundsätzen der Entscheidung G 1/03 präzise abgegrenzt sei. Dies sei insbesondere durch das Merkmal a. des Anspruchs 1 geschehen, wonach die Dicke der formstabilen Schicht weniger als die in D30 offenbarte Dicke von 0.38 mm ("0.015 inch") betrage, womit ein Teil des ursprünglich offenbarten Schichtdickenintervalls nun ausgeschlossen worden sei. Das Dokument D30 sei lediglich als zufällige Vorwegnahme des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 anzusehen, weil es zum ersten ein vom technischen Gebiet der Erfindung fern liegendes technisches Gebiet betreffe. So offenbare D30 lediglich einen perforierten Schalldämpfer für die Strahltriebwerke eines Flugzeugs. Solche Schalldämpfer seien bereits aus den frühen 60er Jahren bekannt und seien zum Einbau im Strömungskanal des gasdurchströmten Mantelrohres des Triebwerks in einem vorbestimmten Abstand zur Wand des Mantelrohres und parallel zur Gasströmung bestimmt. Der schalldämpfende Effekt ergebe sich ausschließlich aus der Bildung einer laminaren Strömung in der Grenzschicht. Darüber hinaus sei auch das zu lösende technische Problem gemäß D30 (Spalte 1, Zeilen 36-40) der Aufgabe und dem Zweck der vorliegenden Erfindung fremd. Somit seien insgesamt keine Gemeinsamkeiten mit dem Erfindungsgegenstand zu erkennen. Zum zweiten sei auch die Angabe einer Dicke von 0.38 mm für die schalldämpfende Schicht als rein zufällig anzusehen, da diese Dicke in D30 nur an einer Stelle (Spalte 3, Zeile 18) lediglich als Beispiel erwähnt sei und offensichtlich keine ausschlaggebende Rolle für die technische Lehre von D30 spiele. Hiermit seien die Voraussetzungen für die Formulierung des Anspruchs 1 mit einem Disclaimer gemäß der Entscheidung G 1/03 erfüllt.

Betreffend die beanspruchte Einschichtigkeit der Schallabschirmelemente nach den Ansprüchen 1-16 erklärte die Beschwerdeführerin, diese ergebe sich insbesondere aus den Absätzen [0008], [0023], [0025] und [0028] der Patentschrift, die allesamt in der ursprünglichen Anmeldung offenbart seien.

Was die Ausdrücke "formstabile Schicht" und "selbsttragender Formteil" betreffe, seien diese Ausdrücke in der Patentschrift klar definiert, wie aus Seite 5, Zeilen 13-14 und Zeile 21 und Seite 3, Zeilen 39-40 und 54, hervorgehe. Im Übrigen handle es sich hierbei um fachübliche Begriffe, wie z.B. eine Abfrage der Suchmaschine Google oder auch die Patentschriften DE-A-1 940 838 und DE-C-934 644 zeigten. Obgleich das erfindungsgemäße Schallabschirmelement möglicherweise nicht im gesamten beanspruchten Schichtdickenintervall als "formstabiles" oder "selbstragendes" Formteil ausgebildet sei, könne der Fachmann dennoch durch entsprechende Versuche ohne weiteres diejenigen Bereiche des beanspruchten Schichtdickenintervalls ermitteln, die zu einem "formstabilen" oder "selbsttragenden" Formteil führten.

IV. Die Beschwerdegegnerinnen führten aus, dass die Aufnahme eines Disclaimers in dem Anspruch 1 nicht zulässig sei, weil die Voraussetzungen der Entscheidung G 1/03 im vorliegenden Falle nicht erfüllt seien. D30 könne nicht als zufällige Vorwegnahme des Anspruchsgegenstands angesehen werden, da in D30 offensichtlich ganz allgemein ein formstabiles Schallabschirmelement in Form einer mikroperforierten Platte offenbart sei, wie eindeutig aus Anspruch 1 von D30 hervorgehe, welches für die Anwendung in sämtlichen Bereichen des technischen Schallschutzes bestimmt sei, insbesondere auch bei Kraftfahrzeugen. Lediglich im Anspruch 11 von D30 sei die Anwendung des Schallabschirmelementes zur Herstellung eines Gehäuses eines Strahltriebwerkes beansprucht. Gleichwohl bestätige gerade die Angabe im Streitpatent (Absatz [0016]) der spezifischen Anwendung des erfindungsgemäßen Schallabschirmelementes bei Flugzeugen, dass das Schallabschirmelement gemäß D30 für dieselben Zwecke vorgesehen sei, wie dasjenige gemäß der Erfindung, womit es sich bei D30 und bei der Erfindung offensichtlich um dasselbe technische Gebiet handle. Zudem entspreche auch die vorgetragene Interpretation des Parameters der Schichtdicke in D30 durch die Beschwerdeführerin nicht den in der Entscheidung G 1/03 aufgestellten Grundsätzen. Gemäß dieser Entscheidung sei nämlich der Begriff der zufälligen Vorwegnahme lediglich auf die Gesamtheit der Offenbarung anzuwenden, jedenfalls nicht auf spezifische Werte oder Wertebereiche eines bestimmten physikalischen Parameters.

Weiterhin sei die beanspruchte "formstabile Schicht" im Anspruch 1 nicht in Verbindung mit einer Dicke zwischen 0.05 mm und weniger als 0.38 mm in der ursprünglichen Fassung der Anmeldung offenbart worden. Schließlich sei auch unklar, was überhaupt unter einer "formstabilen Schicht" bei einer Dicke von nur 0.05 mm und bei den in der Beschreibung unter anderem offenbarten Materialien zu verstehen sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 EPÜ in Verbindung mit der Regel 64 EPÜ und ist somit zulässig.

2. Ein Disclaimer kann bei einem Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ entsprechend den Grundsätzen der Entscheidung G 1/03 zur Wiederherstellung der Neuheit verwendet werden, falls dieser Stand der Technik eine "zufällige Vorwegnahme" der Erfindung darstellt. Laut der Entscheidung G 1/03 ist eine Vorwegnahme "zufällig, wenn sie so unerheblich für die beanspruchte Erfindung ist und so weitab von ihr liegt, dass der Fachmann sie bei der Erfindung nicht berücksichtigt hätte" (siehe Punkt 2.1 der Entscheidungsformel und Punkt 2.2.2 der Entscheidungsgründe). Im vorliegenden Falle handelt es sich aus mehreren Gründen nicht um eine zufällige Vorwegnahme. Zunächst geht bereits sowohl aus der Beschreibung als auch aus den Ansprüchen der Streitpatentschrift hervor, dass die Erfindung für die Anwendung auf eine Vielfalt unterschiedlicher technischer Gebiete geeignet ist. So soll das erfindungsgemäße Schallabschirmelement allgemein "zum Schutz vor Schallausbreitung aus dem Lärmbereich eines Raumes in einen Nachbarraum" dienen (Patentschrift, Anspruch 1), allgemein als "Schallabschirmelement wirksam" sein (Patentschrift, Anspruch 14), als "absorbierendes Rohr für das Belüftungssystem oder andere luftführende Rohre" wirken (Patentschrift, Anspruch 23), bei Kraftfahrzeugen (Patentschrift, Absatz [0004]) einsetzbar sein, sowie bei "Luftfahrzeugen" (Patentschrift, Absatz [0016]) und bei "Gehäusen von Haushaltsgeräten" (Patentschrift, Absatz [0041]) angewendet werden. Folglich ist die Erfindung entsprechend der Gesamtoffenbarung der Patentschrift offensichtlich im gesamten Bereich des technischen Schallschutzes anwendbar und insbesondere bei Kraftfahrzeugen und bei Flugzeugen. Laut der gestellten Aufgabe soll ausdrücklich "das Abschirmelement nicht nur als Einbauteil in Kraftfahrzeugen, sondern auch für andere Zwecke verwendbar sein" (Patentschrift, Absatz [0004]). Die Tatsache, dass ein und dasselbe Schallabschirmelement in unterschiedlichen technischen Bereichen zur Anwendung kommen kann, ist für den Fachmann selbstverständlich, solange es sich um die Absorption von Schallwellen mit denselben oder mit teilweise überlappenden Frequenzbereichen handelt und das Schallabschirmelement auch durch die Änderung der relevanten Parameter (z.B. Lochdurchmesser, Lochflächenverhätnis) an unterschiedlichen akustischen Anforderungen angepasst werden kann. Dass dies möglich ist, ist dem Fachmann allgemein bekannt und ist z.B. in D34 (WO-A-97/27 370, Seite 44, Zeilen 23-31; Ansprüche 12-15) und in D49 offenbart, wobei das bereits aus den 70er Jahren stammende Dokument D49 ("Theory and design of microperforated panel sound-absorbing constructions"; Maa Dah-You, Vol. XVIII No. 1, Scientia Sinica Jan.-Feb. 1975) die Grundzüge der Theorie der Schallabsorption durch mikroperforierte Platten darlegt.

In analoger Weise offenbart D30 allgemein ein Schallabschirmelement zum Schutz vor Schallausbreitung (Beschreibung, Absatz (0001); Ansprüche 1-10), welches im Bereich des technischen Schallschutzes und insbesondere auch bei Flugzeugen (Anspruch 11) verwendbar ist. Der Fachmann würde nun somit, aufgrund der festgestellten eindeutigen Überlappung zwischen den beabsichtigten Anwendungsbereichen des Erfindungsgegenstandes und des Schallabschirmelementes gemäß D30, dieses Dokument bei der vorliegenden Erfindung sehr wohl berücksichtigen. Dies gilt umso mehr als es gerade im Bereich der Kraftfahrzeugtechnik dem Fachmann allgemein bekannt war, mikroperforierte Platten mit Lochdurchmesser <= 1 mm oder Lochbreiten <= 1 mm zu Zwecken der Schall- und Wärmeisolierung einzusetzen (siehe z.B. D13 (DE-A-44 13 009), D34 (WO-A-97/27370), D11 (DE-C-41 37 706)).

Angesichts der genannten Fakten ist die Kammer der Auffassung, dass D30 die obige Definition für eine zufällige Vorwegnahme gemäß der Entscheidung G 1/03 nicht erfüllt und folglich stellt der in den geltenden Anspruch 1 aufgenommene Disclaimer einen Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ dar.

3. Das Argument der Beschwerdeführerin, D30 betreffe nicht ein Schallabschirmelement, sondern einen Schalldämpfer, konnte die Kammer nicht überzeugen. Zum einen steht diese Behauptung nicht im Einklang mit dem Inhalt der Offenbarung von D30, da in D30 offenbart ist, dass ein aus dem Schallabschirmelement selbst bestehendes äußeres Gehäuse 14 (Figur 3) zum Schutz vor Schallausbreitung aus dem Lärmbereich des Gehäuseinneren in den Außenraum eingesetzt wird. Folglich handelt es sich bei D30 nicht speziell um ein in einem gasdurchströmten Gehäuse eingebautes Schalldämpfungselement, sondern, voll und ganz, allgemein um ein Schallabschirmelement, das für eine Verwendung entsprechend dem Wortlaut des Anspruchs 1 vorgesehen ist. Zum anderen ist festzustellen, dass der Wortlaut des Anspruchs 1 selbst eine Verwendung als Schalldämpfungselement mitumfasst, da ein Schalldämpfungselement unter anderem auch als Schutz vor Schallausbreitung aus dem Lärmbereich eines Raumes in einen Nachbarraum wirkt.

Schließlich kann auch der Auffassung der Beschwerdeführerin, wonach die Angabe eines Wertes von 0.38 mm für die Plattendicke als rein zufällig anzusehen und somit ebenfalls als rein zufällige Vorwegnahme des beanspruchten erfindungsgemäßen Schichtdickenbereiches im Sinne der Entscheidung G 1/03 zu betrachten sei, nicht gefolgt werden. Der Begriff einer zufälligen Vorwegnahme wird in der Entscheidung G 1/03 lediglich für die Bezeichnung eines neuheitsschädlichen Dokumentes herangezogen, welches als solches so unerheblich für die Erfindung ist und so weit ab von der Erfindung liegt, dass der Fachmann es bei der Erfindung nicht berücksichtigen würde. Der Versuch, die Verwendung dieses Begriffs auf einzelne Parameterwerte oder Parameterbereiche auszuweiten erscheint zudem nicht sinnvoll und nicht durchführbar, da bei einem mehrere unterschiedliche physikalische Parameter umfassenden technischen Gegenstand, dessen beabsichtigte Wirkung oder Funktion sich gerade aus dem Zusammenspiel der Gesamtheit dieser Parameter ergibt. Das vorliegende Schallabschirmelement liefert dafür ein passendes Beispiel, da die in D49 dargelegte Theorie der Schallabsorption für mikroperforierte Platten insbesondere illustriert, dass die Dicke der Platte, zusammen mit dem Lochdurchmesser und dem Lochflächenverhältnis, den Real- und Imaginärteil der akustischen Impedanz der mikroperforierten Platte wesentlich mitbestimmt (D49, Seite 59, Formeln (12),(13)).

4. Im Merkmal a. des Anspruchs 1 ist gegenüber dem erteilten Anspruch noch angegeben, dass die Schicht "formstabil" ist.

Die veröffentlichte Anmeldung offenbart zwar auf Seite 6 (letzter Absatz) und Seite 7 (erster Absatz), dass "gemäß einer weiteren bevorzugten Ausführungsform der Erfindung ..die ..Schicht als selbsttragender Formteil ausgebildet" ist und dass "der Begriff Formteil verformte bzw. umgeformte Platten" einschließt, "soweit sie die die verformte Gestalt selbsttragend beibehalten, wenn keine zusätzliche Verformungsarbeit zum Weiterverformen aufgewendet wird". Hier ist aber lediglich von einer "bevorzugten Ausführungsform" die Rede und es wird nicht angegeben, bei welchen Schichtdicken das Formteil "selbsttragend" ist, sondern es wird nur eine Bedingung oder Definition genannt, die für eine "selbsttragende" Schicht oder Platte erfüllt sein muss. Erst am Ende des genannten ersten Absatzes auf Seite 7 werden zwei Wertebereiche für die Schichtdicke oder Plattendicke angegeben, die aber offenbar so groß sind, dass sie die Dicken sämtlicher möglichen Ausführungsformen oder zumindest des größten Teils der Ausführungsformen der Erfindung einschließen. Diese Offenbarungsstelle sagt aber weder, dass in diesen gesamten Wertebereichen "formstabile" oder "selbsttragende" Formteile zu erwarten sind, noch sagt sie in welchen genaueren Teilbereichen dies der Fall sein soll.

Mit Bezug auf die Figuren 1 bzw. 2 werden eine "Schall- und Hitzeschutzplatte" bzw. eine "Motorabdeckung" beschrieben, die als "formstabil" angegeben sind. Beide weisen eine Schichtdicke von 0.5 mm auf. Es werden keine weiteren spezifischen "selbsttragenden" bzw. "formstabilen" (die Begriffe werden offensichtlich gleichbedeutend verwendet) Ausführungsbeispiele beschrieben, die eine geringere Schichtdicke als 0.5 mm aufweisen. Auf jeden Fall werden in der ursprünglichen Anmeldung die Begriffe "selbsttragend" bzw. "formstabil" an keiner Stelle unmittelbar mit einer Schicht mit einer Dicke von 0.05 mm - die im vorliegenden Anspruch 1 angegebene Untergrenze - in Verbindung gebracht.

Insgesamt stellt folglich die Aufnahme des Begriffs "formstabil" in das Merkmal a. des Anspruchs 1 einen Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ dar.

5. Auch im Hinblick auf Artikel 84 EPÜ ist die unter Punkt 4 genannte Änderung des Gegenstandes des Anspruchs 1 nicht zulässig. Es steht außer Frage, dass der Begriff "formstabil" (bzw. "selbsttragend") in der Technik verwendet wird. Jedoch werden solche Begriffe in der Regel bei Gegenständen und Materialien benutzt, die inhärent eine beträchtlich hohe Biege- bzw. Beulefestigkeit besitzen, wie dies z.B. bei der von der Beschwerdeführerin zitierten Druckschrift DE-C-934 644 (Seite 2, Zeilen 35-46) oder DE-A-1 940 838 der Fall ist, womit die Verwendung solcher Begriffe in diesen Fällen ohnehin kein Problem darstellt. Im letzteren Dokument besteht die offenbarte formstabile Folie aus Äthylen/Vinylacetat mit zusätzlich 60-90 Gewichtsprozent anorganischen Füllstoffen und sie hat z.B. eine Dicke von 3 mm (Spalte 3, Zeilen 31-46). Dagegen stellt die Verwendung derartiger Begriffe bei der Erfindung, z.B. bei einem Formteil aus Polyamid oder Polypropylen (Patentschrift, Absatz [0014]) mit einer Schichtdicke von 0.05 mm gemäß Anspruch 1 sehr wohl ein Problem dar, weil solche Gegenstände und Materialien eben nicht eine inhärente hinreichende Beule- bzw. Biegefestigkeit besitzen. Insgesamt ist also die technische Lehre des Anspruchs 1 in Verbindung mit der Beschreibung derart allgemein und breit gefasst, dass sie für den Fachmann nicht hinreichend klar und nachvollziehbar ist.

6. Die unter Punkt 4 und 5 dargelegten Verstöße gegen Artikel 123 (2) und Artikel 84 EPÜ gelten aus denselben Gründen zumindest auch für die weiteren unabhängigen Ansprüche 2-8,10,11 und 13-16.

7. Die von der Beschwerdeführerin ausgeführte Tatsache, dass der Fachmann dennoch nach der Durchführung mehrerer Versuche möglicherweise doch aus den beanspruchten Schichtdickenbereichen Teilbereiche und aus den in der Beschreibung der Patentschrift angegebenen Materialien solche auswählen kann, bei denen die beanspruchten Formteile oder Schichten eindeutig formstabil oder selbsttragend sind, kann an den Einwänden unter Punkt 4 bis 6 nichts ändern. Die Existenz solcher Teilbereiche wurde nämlich zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt, insbesondere da die Ausführbarkeit der Erfindung nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation